Urteil des LG Arnsberg vom 12.02.2008
LG Arnsberg: tarif, sicherungsabtretung, vermieter, aufwand, fahrzeug, kreditkarte, markt, auto, besitz, nebenkosten
Landgericht Arnsberg, 5 S 111/07
Datum:
12.02.2008
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 111/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Soest, 14 C 49/07
Tenor:
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Jan. 2008
durch
für R e c h t erkannt:
Das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 18. Juli 2007 – 14 C 49/07 – wird
abgeän-dert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Begleichung von
Mietwagenkosten für die Zeit vom 13. Juni bis zum 21. Juni 2006.
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Die Klägerin geht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte aus einem
Unfallereignis vom 06. Juni 2006 vor. Die Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach
außer Streit.
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Der unmittelbar Geschädigte, der Zeuge L, mietete bei der Klägerin für die Zeit vom 13.
Juni bis zum 21. Juni 2006 einen PKW des Typs Rover 75 zu einem Unfallersatztarif an.
Zugleich unterschrieb der Geschädigte eine Sicherungsabtretungserklärung, mit der er
"Ansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten" an die Klägerin abtrat. Wegen der
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weiteren Einzelheiten der Sicherungsabtretungserklärung wird auf die zu den Akten
gereichten Abschriften (Bl. 8 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin stellte dem Geschädigten insgesamt 1.212,20 € in Rechnung. Die Beklagte
zahlte daraufhin an die Klägerin 525,19 €.
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Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den
Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 72 d. A.).
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Das Amtsgericht hat der Klage im vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass die Mietwagenkosten in der geltend gemachten Höhe erforderliche
Aufwendungen im Sinne des § 249 BGB seien. Der Geschädigte, der Zeuge L, habe
den Wagen zum Unfallersatztarif angemietet. Ihm sei jedoch der Normaltarif angeboten
worden. Die notwendige Vorauszahlung habe der Geschädigte aber nicht leisten
können. Ferner sei die Überschreitung der Durchschnittspreise für Normaltarife von 14
% nicht unangemessen hoch. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass
der Geschädigte Kasten sie auf eine Vorfinanzierung habe in Anspruch nehmen
können.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie stellt das Urteil insgesamt zur
Überprüfung.
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Die Beklagte verweist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens darauf, dass die Abtretungserklärung nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz
entspreche. Insbesondere berechtige diese nicht zur vorpressualen Geltendmachung
des Anspruchs.
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Der Geschädigte L habe entgegen der Sicherungsabtretung vom 13. Juni 2006 keine
Rechnung über die Mietwagenkosten erhalten.
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Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Mietwagenkosten auch nicht in der geltend
gemachten Höhe erforderlich seien. Vielmehr hätte sich der Geschädigte mit ihr wegen
einer Vorfinanzierung in Verbindung setzen müssen.
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Die Klägerin verteidigt die Auffassung des Amtsgerichts.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Amtsgerichts
Soest war daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin aus der Sicherungsabtretung vom 13. Juni
2006 aktivlegitimiert ist oder nicht. Denn selbst wenn die Aktivlegitimation der Klägerin
gegeben sein sollte, scheitert der geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach.
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Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen
Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein
verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und
notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Scha-
densbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten,
im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg
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der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht stets
gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem
Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Ein höherer Tarif
kann gerechtfertigt sein, soweit Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation
einem gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, da sie auf Leistungen
des Vermieters beruhen, durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge
dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH, VersR 2006,
564).
Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensabrechnung nach §
287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter zu schätzen. Dabei ist er nicht genötigt, die
Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im einzelnen betriebswirtschaftlich
nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und
Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – unter
Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den "Normaltarif" rechtfertigen
(BGH, aaO.).
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War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend
gemachten Umfang zur Herstellung "erforderlich", kann der Geschädigte im Hinblick auf
die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur
ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich
war. Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass
ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten
sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren
Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest
auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, VI ZR 9/05).
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Unter Zugrundelegung dieser, vom Bundesgerichtshof zutreffend entwickelten
Grundsätze, kann die Klägerin vorliegend nicht den unstreitig erfüllten Unfallersatztarif
abrechnen.
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Denn die Klägerin vermochte weder darzulegen noch zu beweisen, dass dem
Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten kein wesentlich
günstigerer Tarif zugänglich war. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht
darin, dass der Geschädigte eine Woche auf ein Fahrzeug verzichtet und erst am 13.
Juni 2006 bei der Klägerin einen Mietwagen angemietet hat. Insofern unterscheidet sich
das tatsächliche Geschehen erheblich von dem in den oben zitierten Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fällen.
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Der Geschädigte hatte eine Woche Zeit, sich über die Modalitäten der Anmietung eines
Mietwagens zu informieren. Er hätte ohne nennenswerten Aufwand Vergleichsangebote
mehrerer Vermieter einholen können. Keinesfalls war er gehalten, nachdem ihm die
Klägerin die Unterschiede zwischen einem "Normaltarif und einem Unfallersatztarif"
erläutert hatte, einen Mietwagen zu einem Unfallersatztarif abzuschließen. Denn auch
wenn der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt nicht über die notwendigen finanziellen
Mittel verfügte und auch keine Kreditkarte bei sich trug, evt. auch gar nicht im Besitz
einer solchen ist, hätte er sich mit der Beklagten vorab telefonisch in Verbindung setzen
können. Unbestritten trägt die Beklagte vor, dass sie dazu bereit gewesen wäre,
hinsichtlich der Mietwagenkosten in Vorlage zu treten.
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Es liegt somit gerade kein Fall vor, dass der Geschädigte aufgrund des zeitlichen
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Ablaufs dazu genötigt ist, einen Unfallersatztarif in Anspruch zu nehmen. Vielmehr war
der Geschädigte im vorliegenden Fall in der Lage, auf sein Auto zumindest für eine
Woche zu verzichteten. Dann kann ihm auch zugemutet werden, genauere
Erkundigungen vor Abschluss eines Mietvertrages anzustellen. Vorliegend hat der
Geschädigte weder Vergleichsangebote eingeholt noch mit der Beklagten Rücksprache
gehalten. In einem solchen Fall ist die Beanspruchung des Unfallersatztarif nicht
erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
Folglich hat die Klägerin nur Anspruch auf die üblichen Mietwagenkosten. Diese liegen
zumindest nicht über dem von der Beklagten bereits vorprozessual gezahlten Betrag in
Höhe von 525,19 €. Die hinsichtlich der konkreten Schadenshöhe darlegungs- und
beweisbelastete Klägerin hat weder dargelegt noch behauptet, dass die Anmietung
eines vergleichbaren Fahrzeugs abzüglich ersparter Aufwendungen nicht für diesen
Betrag möglich gewesen wäre.
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Sofern die Klägerin auf ihre Berechnungen nach der Schwacke-Liste verweist, ersetzt
dies zum einen keinen substantiierten Vortrag. Zum anderen bezieht die Klägerin in ihre
Berechnungen stets Nebenkosten ein, deren Erstattungsfähigkeit weder dargelegt noch
ersichtlich ist. So wäre es an der Klägerin gewesen, darzulegen, inwiefern der
Geschädigte im Verhältnis zur Beklagten Anspruch auf Erstattung der
Versicherungsleistungen, der Zweitfahrergebühr und der Zustellungs- und Abholkosten
gehabt hätte. Da die Klägerin dies nicht vorgetragen hat, war mangels abweichender
Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Geschädigte zu dem von der Beklagten
gezahlten Betrag einen entsprechenden Mietwagen seiner Fahrzeugklasse abzüglich
ersparter Aufwendungen hätte anmieten können.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.
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