Urteil des LG Arnsberg vom 21.11.2006

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Landgericht Arnsberg, 5 S 82/05
Datum:
21.11.2006
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 82/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Brilon, 8 C 7/05
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. Mai 2005 verkündete
Urteil des Amts-gerichts Brilon – 8 C 7/05 – abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner
580,72 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit
dem 16. Nov. 2004 zu zah-len.
Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung
zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 87 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner 13 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I.
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Die Klägerin macht restliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund
eines Verkehrsunfalls vom 12. Aug. 2004 geltend. Vorprozessual hat die Beklagte
Mietwagenkosten in Höhe von 1.021,33 €, Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 €,
einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 250,00 € und eine Auslagenpauschale in
Höhe von 20,00 € bezahlt. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin die
Zahlung der Mietwagenkosten in voller Höhe, somit die Zahlung weiterer 580,72 €. Des
weiteren macht sie noch einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 250,00 € und
ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 € sowie eine weitere
Schadenspauschale in Höhe von 6,00 € geltend.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt in ihrer Berufung die
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt in ihrer Berufung die
erstinstanzlichen Anträge weiter.
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Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen gem. § 540 Abs. 2
ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 ZPO.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat lediglich zum Teil, betreffend die
Mietwagenkosten, Erfolg.
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Die Beklagten sind verpflichtet, der Klägerin die bislang noch nicht ersetzten
Differenzkosten des Mietwagens in Höhe von 580,72 € zu zahlen.
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Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249
BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten
verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage
des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf. Das bedeutet für den
Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf den örtlich relevanten Markt
erhältlichen Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges
grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte
verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur
Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der
gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifes mit
Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis bei
Unternehmen dieser Art aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen. Über das
objektiv erforderliche Maß hinaus kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene
subjektbezogene Schadensbetrachtung einen höheren Unfalltarif nur ersetzt verlangen,
wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner
individuellen Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn
bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf den in seiner Lage
zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich
günstigerer Normaltarif zugänglich war (BGH in NJW 2006, 2106 u. BGH in NJW 2006,
2621; BGH in NJW 2006, 2693 u. NJW 2006, 1726 und NJW 2006, 1508 u.
Versicherungsrecht 2006, 669 u. NJW 2006, 360).
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Im vorliegenden Fall kann es dahinstehen, ob es der Klägerin unter subjektiver
Betrachtungsweise möglich gewesen wäre, einen günstigeren Tarif zu erlangen, denn
sie hat das objektiv erforderliche Maß bei der Anmietung des Fahrzeugs zum
"Unfallersatztarif" nicht überschritten. Die Kammer hat hierzu im Gutachten des
Sachverständigen P vom 31. Aug. 2006 eingeholt. Nach der nachvollziehbaren
Feststellung des Sachverständigen P liegt der Preis für den von der Klägerin
angemieteten Kraftwagen unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen
Besonderheiten des gewählten Tarifs bei 179,90 € pro Tag. Da die Klägerin lediglich
114,43 € pro Tag aufgewendet hat, liegen diese Kosten sogar noch unter diesen
betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Tarif. Sie sind auf jedem Fall angemessen, selbst
wenn man, wie die Beklagtenseite nicht alle vom Gutachter angeführten
Kostensteigerungsfaktoren anerkennen würde. Hier macht die Kammer von ihrem
weiteren Schätzungsermessen nach § 287 ZPO Gebrauch.
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Im übrigen ist die Berufung der Klägerin jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat unter
Berücksichtigung der erlittenen Verletzungen kein Anspruch auf ein höheres
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Schmerzensgeld. Die Klägerin erlitt bei dem Auffahrunfall typische Verletzungen.
Unstreitig befand sie sich nur einmal, am Unfalltage, in ärztlicher Behandlung. Eine
Nachbehandlung erfolgte nicht. Nach vier bis sechs Wochen traten keine Beschwerden
mehr auf. Im Hinblick auf die erlittenen Beeinträchtigungen ist ein höheres
Schmerzensgeld wie die bereits gezahlten 1.000,00 € nicht angebracht. Zur
Begründung wird ergänzend auf Ziff. 555, 538, 512, 511, 500 und 438 der
Schmerzensgeldtabelle des ADAC verwiesen, wo bei ähnlichen Verletzungen nur ein
Schmerzensgeld in Höhe von bis zu 1.000,00 € zuerkannt worden ist. Auch die von der
Klägerin zitierte Gerichtsurteile rechtfertigen keine andere Entscheidung. Dabei hat es
sich um Sachverhalte gehandelt, bei denen wesentlich schwerere Verletzungen
zugrunde gelegt worden sind.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen weiteren Haushaltsführungsschaden. Nach
der Tabelle von Schulz-Bork ist für die Haushaltstätigkeit der Klägerin ein
Arbeitsaufwand von 30 Stunden in der Woche zugrunde zulegen. Des weiteren ist zu
berücksichtigen, dass die 18-jährige Tochter der Klägerin zur Mithilfe im Haushalt
verpflichtet ist. Zugunsten der Klägerin können danach gem. § 287 ZPO drei Stunden
Haushaltsführung pro Tag zugrunde gelegt werden. Im Hinblick auf die erlittenen
Verletzungen und im Hinblick darauf, dass die Klägerin nicht substantiiert vorträgt, in
welchem Maß sie bei der Haushaltsführung beeinträchtigt war, geht die Kammer
ebenfalls schätzungsweise davon aus, dass der Klägerin für einen Zeitraum von 14
Tagen ein Haushaltsführungsschaden von 1,5 Stunden pro Tag entstanden ist. Für 21
Stunden á 10,00 € liegt der Haushaltsführungsschaden der Klägerin daher nicht über
210,00 €. Ein über die bereits geleistete Zahlung in Höhe von 250,00 € hinausgehender
Anspruch steht der Klägerin daher nicht zu.
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Die Schadenspauschale beläuft sich auf 20,00 €. Eine weitere Schadenspauschale in
Höhe von 6,00 € kann die Klägerin daher nicht beanspruchen.
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Insgesamt hat die Berufung danach lediglich wegen der Mietwagenkosten Erfolg. Im
übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
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