Urteil des LG Arnsberg vom 02.02.2006
LG Arnsberg: aufnahme einer erwerbstätigkeit, zahlungsunfähigkeit, versicherung, abgabe, existenzminimum, auflage, arbeitskraft, vollstreckung, arbeitsentgelt, arbeitsfähigkeit
Landgericht Arnsberg, 2 Qs 19/06
Datum:
02.02.2006
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2. Beschwerdekammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Qs 19/06
Rechtskraft:
02.02.2006
Tenor:
werden die sofortigen Beschwerden des Betroffenen vom 26.10.2005
gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Werl vom 27.06.2005 auf seine
Kosten zurückgewiesen
Gründe:
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I.
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Mit insgesamt 7 Beschlüssen vom 27.06.2005, dem Betroffenen am 25.10.2005
zugestellt, ordnete das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Erzwingungshaft von
jeweils 2 Tagen an. Der Betroffene hatte die ihm mit Bußgeldbescheiden der Stadt Werl
vom 29.04.2004, 25.03.2004, 11.02.2004, 16.01.2004, 14.01.2004, 20.02.2004 und vom
14.01.2004 auferlegten Geldbußen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
(Parkverstoß) von jeweils 15 Euro zzgl. Kosten nicht bezahlt.
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Mit Schreiben vom 26.10.2005, beim Amtsgericht am 28.10.1005 eingegangen, hat der
Betroffene gegen diese Anordnungen der Erzwingungshaft sofortige Beschwerde
eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er befinde sich in Haft und bitte um
Zurückstellung. Ferner habe er die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
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II.
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Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 104 Abs. 3 Nr. 1 OWiG, 311
StPO zulässig, aber nicht begründet. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht auf
Antrag der Vollstreckungsbehörde Erzwingungshaft anordnen kann, § 96 Abs. 1 OWiG,
liegen vor.
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Der Betroffene hat sämtliche Geldbußen nicht gezahlt. Auf Zahlungsmitteilungen und
Mahnungen der Verwaltungsbehörde hat der Betroffene ausweislich der Bußgeldakten
der Stadt Werl nicht reagiert. Er ist dort als "Nichtzahler" bekannt. Pfändungsversuche
verliefen fruchtlos.
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Zahlungsunfähigkeit hat der Betroffene nicht dargetan, §§ 96 Abs. 1 Nr. 2, 66 Abs. 2 Nr.
2 lit. b OWiG. Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne bedeutet nicht nur Mangel an
Zahlungsmitteln zur Begleichung der Geldbuße; es reicht aus, daß dem Betroffenen die
Zahlung nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist. Zur Feststellung der
Zahlungsunfähigkeit sind die gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des
Betroffenen sowie seine Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen. Es ist beispielsweise zu
prüfen, ob es dem Betroffenen zuzumuten ist, sich durch Aufnahme von Arbeit Mittel zur
Bezahlung der Geldbuße zu beschaffen ( vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage, 2006, § 96,
RN 13). Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 96 Abs. 1 OWiG ist erst dann gegeben,
wenn der Betroffene lediglich über das Existenzminimum verfügt und es ihm nicht
zugemutet werden kann, sich auf irgendeine Weise Mittel zur Zahlung der Geldbuße zu
beschaffen.
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Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 807, 900 ZPO allein
rechtfertigt deshalb nicht die Annahme von Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 96 Abs.
1 OwiG( a.A. LG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 147). Denn die eidesstattliche
Versicherung beschränkt sich auf die Abgabe eines Vermögensverzeichnisses, das das
Aktivvermögen des Betroffenen umfassen soll. Ob ein Betroffener arbeitsfähig ist und
ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, ergibt sich aus der
eidesstattlichen Versicherung nicht. Im konkreten Fall hat der Betroffene am 26.01.2005
die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Anhaltspunkte für fehlende Arbeitsfähigkeit
sind nicht ersichtlich. Aus dem Vermögensverzeichnis ergibt sich der Bezug von
Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, nämlich Arbeitslosengeld II (Hilfe zum
Lebensunterhalt), und Kindergeld. Diese Leistungen liegen zwar unter der
Pfändungsfreigrenze, aber oberhalb des Existenzminimums. Aus dem Differenzbetrag
sind Zahlungen auf eine Geldbuße möglich( ebenso App, Anmerkung zu AG Steinfurt,
EwiR 2004, 187).
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Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer rechtfertigt der Bezug von Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. Arbeitslosengeld II allein nicht die Annahme von
Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 96 Abs. 1 OWiG. Denn auch Empfängern solcher
Leistungen und anderen einkommensschwachen und unpfändbaren Personen ist es
zuzumuten ist, eine Geldbuße zu bezahlen, da sie sich ansonsten über
bußgeldbewehrte Pflichten hinwegsetzen und risikolos Verkehrsverstöße begehen
könnten( ebenso LG Münster, Beschluss vom 31.08.1998, Az. 2 Qs 53/98; LG Münster,
NStZ 2005, 711). Ihnen kann jedoch Gelegenheit gegeben werden, die Geldbuße in
angemessenen Raten zu begleichen( ebenso LG Bonn, Beschluss vom 10.05.1993, Az.
32 Qs 49/93, KKZ 2003, 65 ).
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Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe führt im konkreten Fall ebenfalls nicht zur
Annahme von Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 96 Abs. 1 OwiG( a.A. Göhler, OWiG,
14. Auflage, 2006, § 96, RN 15 ). Der Betroffene verbüßt derzeit eine Jugendstrafe von 1
Jahr und 10 Monaten und im Anschluß daran eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren
und 6 Monaten. Im Rahmen des Strafvollzuges ist sein Existenzminimum zweifellos
gewährleistet. Ferner hat er dort Gelegenheit, seine Arbeitskraft zur Erzielung von
Arbeitsentgelt einzusetzen; nach § 41 StVollzG ist er dazu sogar verpflichtet. Wie eine
telefonische Nachfrage bei der JVA I ergeben hat, besteht für den Betroffenen die
Möglichkeit, eine Arbeit auszuüben und Arbeitsentgelt zu erzielen. So hat er durch den
Einsatz seiner Arbeitskraft in den Monaten November und Dezember Arbeitsentgelte
von 234 bzw. 200 Euro erzielt; davon sind 134 Euro bzw. 110 Euro für das
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Überbrückungsgeld einbehalten worden. Von dem Restbetrag kann er – zumindest in
Raten – Zahlungen auf die Geldbußen leisten. Das ist ihm nach Auffassung der
Kammer auch zuzumuten.
Weitere Umstände im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 4 OWiG, welche eine
Zahlungsunfähigkeit des Betroffenen ergeben, sind nicht bekannt.
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Die Höhe der Erzwingungshaft von 2 Tagen bei einer Geldbuße von 15 Euro ist nach
Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der derzeitigen persönlichen
Verhältnisse des Betroffenen angemessen. Es handelt sich bei einer Geldbuße von 15
Euro nicht um eine derart geringe Geldbuße, bei der durch die Anordnung von
Erzwingungshaft das Übermaßverbot verletzt wird( vgl. dazu AG M, NJW 2005, 3017
(Geldbuße von 5 Euro)).
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Um die Vollstreckung der Erzwingungshaft zu verhindern, kann sich der Betroffene um
eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der zuständigen Verwaltungsbehörde bemühen.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
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Arnsberg, den 02.02.2006
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Landgericht, 2. Strafkammer - Beschwerdekammer -
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