Urteil des LG Arnsberg vom 23.02.2007

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Landgericht Arnsberg, 6 T 382/06
Datum:
23.02.2007
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 382/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Arnsberg, 21 IK 103/03
Tenor:
wird auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) der Beschluss
des Amts-gerichts Arnsberg vom 12. Mai 2006 abgeändert.
Der Antrag des Beteiligten zu 1), ihm Restschuldbefreiung zu gewähren,
wird zu-rückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Wert: 4.000,00 €.
Gründe:
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Auf Eigenantrag des Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 07.
Sept. 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Zustimmung zur Schlussverteilung
und Anordnung der Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren hat das
Amtsgericht den Beteiligten bis zum 05. Okt. 2005 u.a. Gelegenheit gegeben,
Versagungsgründe in Bezug auf den Antrag des Beteiligten zu 1) auf
Restschuldbefreiung glaubhaft zu machen. Hiervon hat die Beteiligte zu 2), eine
Gläubigerin des Beteiligten zu 1), durch vom Amtsgericht am 26. Aug. 2005
eingegangenen Schriftsatz Gebrauch gemacht. Sie rügt, dass der Beteiligte zu 1) seine
CD-Sammlung und verschiedene Musikinstrumente und eine Nebentätigkeit in der Alten
Molkerei in Sundern-Allendorf als Disc-Jokey in seinem Vermögensverzeichnis nicht
angegeben hat. Der Beteiligte zu 1) hat im Wesentlichen geltend gemacht, er habe der
CD-Sammlung keinen Wert beigemessen. Die Musikinstrumente befänden sich seit
Jahren im Verein Kulturtrichter und stünden jedem Vereinsmitglied zur Verfügung. Bei
Musikauftritten des Sextetts Juckreiz in der Alten Molkerei in Sundern-Allendorf erhielten
die Mitglieder der Band zwar Einkünfte, die aber nicht kostendeckend seien. Durch
Beschluss vom 12. Mai 2006 hat das Amtsgericht dem Schuldner die
Restschuldbefreiung angekündigt, den Treuhänder bestimmt, die Laufzeit der Abtretung
mit sechs Jahren bezeichnet und den Versagungsantrag der Beteiligten zu 2)
zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der
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sofortigen Beschwerde. Sie verfolgt ihren Versagungsantrag, nunmehr gestützt auf die
unterbliebene Angabe von mehr als 500 Original-CD’s sowie dreier Keyboards sowie
einer Aktivbox im vom Beteiligten zu 1) im Rahmen des Restschuldbefreiungsantrags
eingereichten Anhörungsfragebogen nebst Vermögensverzeichnis weiter. Der Beteiligte
zu 1) macht im wesentlichen geltend, die CD-Sammlung für wertlos gehalten zu haben
und im Hinblick auf den Standort der Musikinstrumente in seinem Verein Kulturtrichter
die Instrumente als letztendlich der Band bzw. dem Kulturverein gehörend beurteilt zu
haben. Die Beteiligte zu 2) hält die unterbliebene Angabe der CD’s und der
Musikinstrumente für zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruhend.
Die gem. §§ 289 Abs. 2, 6, 4 InsO, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist
begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses und zu der
Regelung, den Antrag des Beteiligten zu 1), ihm Restschuldbefreiung zu gewähren,
zurückzuweisen.
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Die Voraussetzungen gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO für die Zurückweisung des
Restschuldbefreiungsantrages liegen vor. Die Beteiligte zu 2) zählt mit einer
angemeldeten Forderung in Höhe von 50.400,00 € zu den Gläubigern. Sie hat innerhalb
der im Rahmen der Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren bis zum
05. Okt. 2005 bestimmten Frist, nämlich durch mit am 26. Aug. 2005 eingegangenen
Schriftsatz, einen Restschuldbefreiungsversagungsantrag angebracht und diesen auf
grob fahrlässig unvollständige Angaben bzgl. einer größeren CD-Sammlung und
verschiedener Musikinstrumente im Vermögensverzeichnis des Beteiligten zu 1)
gestützt. Dieser Vortrag ergibt den Versagungsgründen nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.
Der Antrag der Beteiligten zu 2) ist danach zulässig.
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Der Antrag ist auch begründet. Die Versagungsvoraussetzungen nach § 290 Abs. 1 Nr.
6 InsO liegen vor. Unstreitig sind die Angaben des Beteiligten zu 1) im Anhörungsbogen
vom 03. April 2003 unvollständig. Es steht außer Streit, dass er seine CD-Sammlung im
Umfang von mehr als 500 CD's nicht als Vermögensgegenstände angegeben hat. Nach
der Spezifizierung möglicher Vermögensgegenstände im ausgefüllten
Formularausdruck unterfielen sie im Abschnitt unter D und in der Anlage
Vermögensübersicht – Aktiva der Kategorie Sonstige Vermögenswerte.
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Dasselbe gilt hinsichtlich der drei Keyboards und des Verstärkers. Der Beteiligte zu 1)
räumt ein, die Musikinstrumente vor ca. 15 bzw. 8 Jahren zum Preis von 200,00 bis
800,00 DM gekauft zu haben. Damit räumt er ein, im Rahmen der Kaufabwicklung
Eigentümer der Instrumente geworden zu sein. Später erfolgte Eigentumsübertragung
an den von ihm als Vorsitzenden geleiteten Verein Kulturtrichter e.V. oder die Mitglieder
seiner Band Juckreiz hat er nicht dargelegt. Er führt weder einen Verkauf noch eine
unentgeltliche, schenkungsweise durchgeführte Eigentumsübertragung substantiiert
aus. Die vorgebrachte langjährige Placierung der Instrumente in den
Vereinsräumlichkeiten und Nutzung durch die Vereins- und Bandmitglieder ergibt hierfür
nichts.
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Sowohl die CD's als auch die Musikinstrumente sind sonstige Vermögenswerte im
Sinne des Anhörungsfragebogens und der Anlage Vermögensübersicht Aktiva zu
dieser. Als Vermögenswerte sind alle Gegenstände anzusehen, die nicht völlig wertlos
sind. Bereits nach eigenem Vortrag des Beteiligten zu 1) war dies im Zeitpunkt der
Ausfüllung des Fragebogens und der Anbringung des Restschuldbefreiungsantrages
am 03. April 2003 bzgl. der Musikinstrumente nicht der Fall. Er selbst hat im
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Anhörungstermin vor dem Amtsgericht am 02. März 2006 eingeräumt, drei Keyboards im
Werte von 30,00 €, 100,00 € und 300,00 € bis 400,00 € sowie eine Aktivbox im Wert von
50,00 € zu besitzen. Der hierdurch zugestandene Wert bezieht sich nach dem
Gesamtzusammenhang der abgegebenen Erklärung des Beteiligten zu1) auf die Zeit
Anfang März 2006, mithin zu der Zeit seit Jahren in Gebrauch befindliche Instrumente.
Indem für eine Wertsteigerung seit Anbringung des Antrags auf Restschuldbefreiung
nicht auszugehen ist, räumt der Beteiligte zu 1) im Ergebnis einen Wert in Höhe der
angegebenen Beträge auch für die Zeit der Antragstellung ein.
Soweit es die 500 CD's anbelangt, ergibt sich deren Einordnung als Vermögenswerte
aus dem Umstand, dass sie auch als gebrauchte Musikträger zu den handelbaren und
auch faktisch gehandelten Gütern gehören, für die regelmäßig Kaufpreise zu erzielen
sind. Das ergibt sich ohne weiteres aus der von der Beteiligten zu 2) ausgeführten und
durch ebay Angebote und Angebote anderer Händler unterlegte Angebotsbeispiele als
Anlage zu den Schriftsätzen vom 20. Nov. 2006 sowie vom 15. Jan. 2007. Die
ausgeführten Gebrauchtangebote des Anlagenkonvoluts 2 ergeben hinsichtlich
einzelner in der CD-Sammlung des Beteiligten zu 1) enthaltener CD's eine für
Gebraucht-CD's je nach Erhaltungszustand in Relation zum Neupreis beachtlich hohe
Preisansätze. Die Sammlung von unstreitig mehr als 500 CD's ist als wirtschaftliche
Einheit, da dem selben Zweck dienend, einzuschätzen und ist als solche, selbst wenn
einzelne CD's nur äußerst niedrige Werte haben oder keine Nachfrage bestehen sollte,
als Sachgesamtheit als Vermögenswert einzuordnen.
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Der Beteiligte zu 1) hat die Musikinstrumente und die CD's grob fahrlässig in seinem
Anhörungsfragebogen nicht aufgeführt. Ihm fällt ein besonders schwerer Verstoß gegen
die objektiv erforderliche Sorgfalt zur Last, die im vorliegenden Fall jedem einleuchten
muss. Der Anhörungsfragebogen ist derart ausgestaltet, dass er einem
Insolvenzschuldner plastisch verdeutlicht, dass jedwede werthaltige
Vermögensgegenstände aller Art anzugeben sind. Diese Erkenntnis ergibt sich ohne
weiteres aus der Auffächerung des Vermögens in eine Fülle von Einzelkategorien und
der Aufwerfung dezidierter Fragen nach Vermögensgegenständen aller möglicher
Kategorien. Auch erschließt sich mit Rücksicht auf die Anlagen betreffend das
Gläubigerverzeichnis ohne weiteres die Bedeutung dezidierter und vollständiger
Angaben für die Gläubiger. Auch bzgl. des Werts und der Zugehörigkeit der
Gegenstände zur Kategorie der sonstigen Vermögenswerte konnte der Beteiligte zu 1)
nicht der Auffassung sein, die Gegenstände seien völlig wertlos und deshalb nicht
anzugeben, ohne besonders schwer gegen seine Sorgfaltspflicht zu verstoßen. Soweit
es die Musikinstrumente anbelangt, schätzte er, wie bereits ausgeführt, die
Gegenstände mit insgesamt mehreren 100,00 € bereits nach eigenen Angaben nicht als
wertlos ein. Sein Hinweis, wegen der Lagerung der Gegenstände in den Räumen des
Vereins sie nicht als sein Eigentum angesehen zu haben, beruht auf grober
Fahrlässigkeit. Einer Fehlvorstellung, infolge der Verbringung der Gegenstände in die
Räumlichkeiten des Kulturvereins sowie jahrelange Nutzung durch Band und
Kulturverein das Eigentum verloren zu haben, konnte er, ohne grob fahrlässig zu
handeln, nicht unterliegen. Auch ohne Rechtskenntnisse und juristische Beratung ist es
jedermann geläufig, dass das Eigentum nicht dadurch verloren geht, dass man es im
Benehmen einer Gruppe, der man selbst zugehört, dieser unter Einschluss der eigenen
Mitbenutzung zur Nutzung überlässt und in den Gruppenräumlichkeiten belässt, selbst
wenn dies während eines langen Zeitraums geschieht, es sei denn, man verkauft oder
verschenkt die Gegenstände.
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Soweit es die CD's anbelangt, musste dem Beteiligten zu 1) selbst bei geringer
Überlegung ohne weitres klar sein, dass in Anbetracht der Fülle der CD's der Summe
der Anschaffungspreise, des Einsatzes in der alten Molkerei beim Verkauf einzelner
CD's oder des Gesamtbestandes durchaus eine Nachfrage bestand und selbst bei
niedrigem Durchschnittspreis zumindest etliche 100,00 € würden erzielt werden können.
Zu dieser sich aufdrängenden Erkenntnis nicht gelangt zu sein, beruht auf grober
Fahrlässigkeit.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.
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Arnsberg, den 23. Febr. 2007
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Der Einzelrichter
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