Urteil des LG Aachen vom 16.01.2007

LG Aachen: adäquater kausalzusammenhang, rückzahlung, auszahlung, darlehensvertrag, anweisung, vertragsabschluss, stadt, erfüllung, kontaktaufnahme, rückabwicklung

Landgericht Aachen, 12 O 300/06
Datum:
16.01.2007
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 300/06
Schlagworte:
Zweckbestimmung - Zuwendungsempfänger
Normen:
§ 812 BGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Rückerstattung einer von ihr unter
Vorbehalt vorgenommenen Kreditrückzahlung aus dem Finanzierungssystem L1.
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Ab 1985 hatte der Finanzberater L1 zwischen Kommunen und kommunalen
Gesellschaften lang und kurzfristige Kredite vermittelt, wobei die Kreditgeber höhere als
bankübliche Anlagezinsen erhielten und die Kreditnehmer Zinsen in geringerer Höhe
als banküblich zu zahlen hatten. Hierbei ging L1 in einer Vielzahl von Fällen in der
Weise vor, dass er jeweils mit der geldgebenden Kommune die Gewährung einer sog.
Termingeldeinlage in Sinne eines Kurzzeitkredites an eine andere Kommune
vereinbarte, die ihrerseits bei Entgegennahme der Auszahlung allerdings davon
ausging, es handele sich dabei um die Erfüllung einer anderweitigen Verpflichtung
beteiligter Dritter, in der Regel einer weiteren Kommune oder kommunalen Einrichtung.
In einigen Fällen erweckte L1 bei den geldnehmenden Kommunen allerdings den
Eindruck, dass er persönlich Darlehensgeber sei und die Auszahlung der
geldgebenden Kommune daher auf seine Darlehensgewährungsverbindlichkeit erfolge,
wodurch er die betroffenen Kommunen dazu veranlasste, Zins und Tilgungsleistungen
in der Folgezeit direkt an ihn zu erbringen. Die geldgebenden Kommunen wiederum
erhielten das Geld zum vereinbarten Rückzahlungstermin auf Veranlassung L1s von
dritten Kommunen zurück, die ihrerseits davon ausgingen, damit Kredite an Kommunen
zu valutieren, die zuvor von den nun geldnehmenden Gemeinden Darlehen erhalten
gehabt und daher die Anweisung zur Auszahlung an diese Kommunen zur Befreiung
von ihrer Rückzahlungsverbindlichkeit erteilt hätten. Unmittelbare Kontaktaufnahmen
zwischen den beteiligten Kommunen erfolgten in der Regel jeweils nicht.
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Da die Klägerin im Jahr 1993 Bedarf an der Umschuldung eines Darlehens in Höhe von
2,9 Mio. DM hatte, für welches die Zinsbindungsfrist am 30.03.1993 auslief, holte sie
sich von diversen Banken und Sparkassen sowie auch von dem ihr bereits aus früheren
Geschäften bekannten Finanzberater L1 Angebote ein. Aufgrund der günstigsten
Konditionen des Angebotes L1 mit einer 10jährigen Kreditlaufzeit und Verzinsung von
6,63% beschloss der Gemeinderat der Klägerin am 30.03.1993 entsprechend einer
hierauf gerichteten Verwaltungsvorlage die Vornahme der Umschuldung unter
Inanspruchnahme dieses Angebotes. Am 01.04.1993 wurde dem Konto der Klägerin der
Betrag von 2,9 Mio. DM gutgeschrieben, und zwar aufgrund einer Überweisung der
Beklagten unter dem Verwendungszweck "gemäß Vereinbarung". Diese ging bei
Vornahme dieser durch L1 veranlassten Überweisung allerdings davon aus, damit der
Klägerin eine mit 8,25 % zu verzinsende Termingeldeinlage bis zum 14.04.1993 zur
Verfügung zu stellen. Auch in diesem Fall kam es zu keinerlei unmittelbarer
Kontaktaufnahme zwischen den Parteien. Zum Zeitpunkt der Rückzahlungsfälligkeit der
von der Beklagten vermeintlich gewährten Termingeldeinlage veranlasste L1 die Stadt
G, an die Beklagte den Betrag von 2,9 Mio. DM zzgl. Zinsen von 8.693,58 DM zu
überweisen, wobei er bei dieser den Eindruck erweckte, es handele sich um eine -
lediglich an die Beklagte im Wege der Kreditablösung auszuzahlende -
Darlehensgewährung an die Klägerin. In der Folgezeit ließ L1 der Klägerin einen
Tilgungsplan und diverse Schuldendienstmitteilungen zukommen. Bis zum
Bekanntwerden der Machenschaften L1s im Jahr 2000 zahlte die Klägerin an diesen als
Zins- und Tilgungsleistungen insgesamt zumindest 867.807,40 DM.
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Nachdem das Finanzsystem L1s aufgedeckt worden war, trafen die Klägerin und die
Beklagte am 13.06./27.06.2002 eine Rückzahlungsvereinbarung, in der sich die
Klägerin unter Vorbehalt der Rückforderung nach § 812 BGB zur Rückzahlung u.a. des
aus dem streitgegenständlichen Sachverhalt erlangten Betrages von 2,9 Mio. DM nebst
Kapitalnutzungszinsen bis zum 02.05.2000 und anschließender Verzugszinsen ab dem
03.05.2000 verpflichtete. Eine entsprechende Zahlung erfolgte am 30.06.2002. Mit
Anwaltsschreiben vom 14.08.2003 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf
ein Urteil des Landgerichts Kleve vom 30.07.2003, das ebenfalls ein
Rückabwicklungsbegehren der Klägerin aus dem Finanzierungssystem L1, dort
allerdings mit der Klägerin als geldgebender Gemeinde, betraf und in dem eine
Rückabwicklung im Verhältnis der Kommunen untereinander verneint worden war, zur
Rückzahlung des vereinbarungsgemäß unter Vorbehalt erstatteten Kreditbetrages von
2,9 Mio. DM (= 1.482.746,40 €) zuzüglich Zinsen von 4 % p.a. aus der Zeit vom
03.05.2000 bis 30.08.2003 in einer Gesamthöhe von 1.677.150,93 € bis zum 30.08.2003
auf.
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Die Klägerin behauptet, über ihren damaligen Kämmerer T entsprechend dem
diesbezüglichen Gemeinderatsbeschluss vom 30.03.1993 am 31.03. oder 01.04.1993
mit L1 persönlich einen Darlehensvertrag zu den Konditionen des von diesem zuvor
abgegebenen Angebotes mündlich geschlossen zu haben. Ein schriftlicher
Darlehensvertrag existiere insoweit ebenso wenig wie ein Schuldschein oder eine
sonstige sich auf den Vertrag beziehende Urkunde. Aufgrund des Vertragsabschlusses
mit L1 sei sie bei Eingang des von der Beklagten genau zu dem vereinbarten
Auszahlungstermin überwiesenen Betrages in Höhe der vereinbarten Darlehenssumme
davon ausgegangen, dass es sich herbei um eine Zahlung zur Erfüllung der
Darlehensgewährungsverbindlichkeit L1s ihr gegenüber durch die Beklagte auf
entsprechende Anweisung L1s gehandelt habe, wobei sie eine entsprechende
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Refinanzierung L1s bei der Beklagten als Hintergrund hierfür vermutet habe. Sie ist der
Ansicht, nach den Gesamtumständen hiervon auch habe ausgehen zu dürfen,
weswegen die Zahlung der Beklagten sich als eine Leistung einerseits der Beklagten
an L1 und andererseits durch L1 an sie darstelle, die auch in diesen Verhältnissen
jeweils rückabzuwickeln seien. Da der Beklagten daher ein Kondiktionsanspruch nicht
ihr, sondern allein L1 gegenüber zustehe, sei die vereinbarungsgemäß erfolgte
Rückzahlung durch sie rechtsgrundlos gewesen und könne daher gemäß dem
Vorbehalt dieser Vereinbarung von ihr zurückverlangt werden.
Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin in erster Linie die Zahlung des in ihrem
vorgerichtlichen Schreiben vom 14.08.2003 geltend gemachten Betrages von
1.677.150,93 € zzgl. Verzugszinsen ab dem 01.09.2003. Darüber hinaus begehrt sie im
Wege der Stufenklage Auskunft und anschließende Zahlung bezüglich der
Kapitalnutzungen, die die Beklagte zwischen dem 01.07.2002 und dem 01.09.2003 aus
dem von ihr am 30.06.2002 unter Vorbehalt zurückgezahlten - von ihr in diesem
Zusammenhang ebenfalls mit 1.677.150,93 € bezifferten - Betrag gezogen habe.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. an sie 1.677.150,93 € zuzüglich Verzugszinsen hieraus in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2003 zu zahlen;
2. a) ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Kapitalnutzungen sie durch ersparte
Soll- und/oder Habenzinsen aus 1.677.150,93 € in der Zeit vom 01.07.2002 bis
zum 30.08.2003 erzielt hat;
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b) den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Kapitalnutzungsbetrag an
sie zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, zurecht von der Klägerin die Rückzahlung des Darlehensbetrages
nebst Zinsen aufgrund eines ihr zustehenden Bereicherungsanspruchs gegenüber der
Klägerin erhalten zu haben, da sie sich keineswegs auf einen Rückgriff gegenüber L1
verweisen lassen müsse. Im Hinblick auf die insoweit maßgeblichen Umstände
bestreitet sie den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen der Klägerin und L1
persönlich, zumindest aber habe die Klägerin nicht davon ausgehen dürfen, dass ihre –
der Beklagten – Zahlung auf eine persönliche Schuld L1s erfolgt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2006
(Bl. 425ff d.A.) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch gegenüber der
Beklagten aus § 812 Abs. 1 BGB als der allein in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlage nicht zu. Denn die vereinbarungsgemäß im Jahr 2002 erfolgte
Rückzahlung des Kreditbetrages nebst Zinsen durch die Klägerin an die Beklagte ist mit
Rechtsgrund erfolgt. Die Beklagte hatte ihrerseits einen diesbezüglichen
Kondiktionsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB gegenüber der Klägerin, da
diese den Darlehensbetrag von 2,9 Mio. DM ohne Rechtsgrund durch eine Leistung der
Beklagten erlangt hatte.
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Durch die Überweisung der Beklagten in Höhe der 2,9 Mio. DM hatte die Klägerin einen
entsprechenden Wert, nämlich ihren Auszahlungsanspruch in dieser Höhe gegenüber
ihrer kontoführenden Bank, erlangt. Ein Rechtsgrund hierfür war nicht gegeben. Soweit
die Beklagte damit auf eine vermeintliche eigene Darlehensauszahlungsverbindlichkeit
gegenüber der Klägerin leisten wollte, ist ein diesbezüglicher Darlehensvertrag
zwischen den Parteien unstreitig nie zustande gekommen. Aber auch ein
Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und L1, wie er von dieser vorgetragen wird,
kommt unabhängig von der Frage des tatsächlichen Abschlusses eines solchen
Vertrages als Rechtsgrundlage für die Überweisung der Beklagten nicht in Betracht, da
unstreitig die Beklagte von einem solchen Vertrag keinerlei Kenntnis hatte und hierauf
die von ihr vorgenommene Zahlung nicht gerichtet war. Im übrigen stand einem
rechtswirksamen Vertragsabschluss durch die Klägerin bezüglich eines langfristigen
Darlehensvertrages über 2,9 Mio. DM auch bereits die Nichteinhaltung der nach den
Gemeindeordnungen erforderlichen Schriftform für Geschäfte, die nicht der laufenden
Verwaltung zuzuordnen sind, entgegen. Aufgrund der gezielten und zweckgerichteten
Zuwendung der Überweisung von der Beklagten an die Klägerin hat diese das hieraus
Erlangte auch aufgrund einer Leistung im Sinne des § 812 I 1, 1. Alt. BGB erlangt, wobei
diese Leistung nach den Gesamtumständen auch als eine solche der Beklagten an die
Klägerin und nicht etwa als eine Leistung L1s an diese zu qualifizieren ist mit der Folge,
dass sie auch im Verhältnis der Parteien untereinander zu kondizieren war.
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Soweit zwischen Leistendem und Leistungsempfänger unterschiedliche Vorstellungen
über die Person des Leistenden bestehen, kommt es im Rahmen der
bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung darauf an, wie der Zuwendungsempfänger
aus objektiver Sicht, dem sog. Empfängerhorizont, die Zahlung verstehen musste und
durfte (Palandt-Sprau 66. Aufl. 2007 § 812 Rdnr. 41 m.w.N.). Maßgeblich ist mithin hier,
wie sich die Überweisung der Beklagten aus Sicht der Klägerin unter objektiver
Betrachtungsweise dargestellt hat. Dabei kann nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme schon nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bei Erhalt der
Überweisung überhaupt tatsächlich entsprechend ihrem Vorbringen die Vorstellung
hatte, dass es sich hierbei um eine Leistung L1s gehandelt hätte, die lediglich auf
dessen Anweisung seitens der Beklagten auf seine eigene Auszahlungsverbindlichkeit
erbracht worden sei. Der Zeuge T, der als damaliger Kämmerer der Klägerin für diese
die Darlehensverhandlungen geführt hatte und auf dessen Kenntnisstand und
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Verständnis als Vertreter es mithin gemäß § 166 Abs. 1 BGB ankommt, hat den Vortrag
der Klägerin, für diese einen Vertrag mit L1 persönlich abgeschlossen zu haben, nicht
bestätigt. Vielmehr hat er – unter der gleichzeitigen Bekundung, sich an die damaligen
Vorgänge konkret bezüglich der hier streitgegenständlichen Darlehensverhandlungen
nicht erinnern zu können – erkennbar werden lassen, sich bei den Geschäften mit L1
grundsätzlich über die Person des jeweiligen Darlehensgebers letztlich keine
abschließenden Gedanken gemacht zu haben. Auch auf wiederholten Vorhalt der
Verwaltungsvorlage für den Ratsbeschluss über den Darlehensvertrag vom 22. März
1993 (Bl. 24 d.A.), die er nach eigenen Angaben selbst formuliert hatte, hat er mehrfach
erklärt, hieraus eine eindeutige Angabe über einen Vertragsabschluss mit L1 persönlich
nicht entnehmen zu können. Im Rahmen seiner Bestätigung häufigerer
Darlehensgeschäfte der Klägerin unter Beteiligung der "Firma Finanzberatung L1"
konnte er zudem einen Vertragsabschluss mit L1 persönlich für keinen Einzelfall konkret
erinnern. Dass es ihm bei den Geschäften mit L1 - bei denen ja in der Regel die
Auszahlung der Darlehen durch eine andere Kommune erfolgte als diejenige, an die
später seitens der geldempfangenden Gemeinde die Rückzahlung vorgenommenen
wurde - letztlich grundsätzlich nicht darauf angekommen sei, genau zu wissen, wer
Darlehensgeber war, hat er dabei vielmehr damit begründet, dass es vornehmlich um
die Beschaffung "billigen Geldes" gegangen sei und auf allen Seiten ja auch öffentlich-
rechtliche Körperschaften beteiligt gewesen seien. Damit kann schon ein beabsichtigter
Vertragsabschluss der Klägerin mit L1 persönlich, auf den sich ihre Vorstellung, die
Überweisung der Beklagten erfolge in Erfüllung der persönlichen Verbindlichkeit L1s
überhaupt nur begründen könnte, jedenfalls nicht positiv festgestellt werden. Selbst
wenn ein solches Verständnis auf Klägerseite bezüglich des Inhalts der
Darlehensvereinbarung vorgelegen haben sollte, würde sich jedoch auch daraus eine
entsprechende Vorstellung ihrerseits, bei der Überweisung habe es sich um die
Auszahlung der Darlehensvaluta durch L1 selbst auf dessen Anweisung hin gehandelt,
nicht rechtfertigen lassen. Unstreitig enthielt weder die Überweisung der Beklagten noch
eine zwischen der Klägerin und L1 vorgenommene Absprache irgend einen Hinweis
darauf, dass die ggf. von L1 auszuzahlende Darlehenssumme über die Beklagte zur
Verfügung gestellt werde und dass es sich dementsprechend bei der Überweisung der
Beklagten um diese Darlehensauszahlung L1s handele. Die Klägerin leitet die
Berechtigung ihrer diesbezüglich behaupteten Vorstellung allein aus dem Umstand ab,
dass der Betrag genau in der mit L1 vereinbarten Höhe und zu dem mit ihm vereinbarten
Fälligkeitstermin bei ihr einging. Ergänzend weist sie insoweit darauf hin, dass sie von
einer anderen Motivation für die Zahlung der Beklagten insofern nicht habe ausgehen
können und müssen, als insbesondere der tatsächlich von der Beklagten verfolgte
Leistungszweck - Auszahlung einer eigenen Darlehensvaluta aufgrund einer
Kurzkreditgewährung der Beklagten an sie - ohne jegliche vorherige Kontaktaufnahme
zwischen den Parteien und Abschluss eines entsprechenden Darlehensvertrages für sie
weder zu erkennen noch zu erwarten gewesen sei. Dem mag außerhalb des
Finanzierungssystems L1 durchaus gefolgt werden, da es in der Tat kaum vorstellbar
erscheint, dass Gemeinden ohne jede vorherige Vertragsvereinbarung allein auf
Veranlassung eines Dritten Millionenbeträge als Darlehen an andere Kommunen
überweisen, bezüglich derer die Darlehensvereinbarung und
Rückzahlungsverpflichtung der empfangenden Kommune sich dann allein aus dem
unterbleibenden Widerspruch und der Entgegennahme des Geldes ergeben sollen. In
dem System L1 ist dies aber genau so über Jahre hinweg und auch von der Klägerin
selbst bereits zuvor so gehandhabt worden, wie sich zum einen aus der Aussage des
Zeugen T ergibt sowie zum anderen aus den von der Klägerin selbst in Bezug
genommenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des
Oberlandesgerichts Braunschweig (Anlagen K 12 [Bl. 48ff d.A.] und K 14 [Bl. 54ff d.A.]),
ausweislich derer die Klägerin in identischer Weise bereits im Jahr 1988 selbst
entsprechende Termingeldeinlage-Auszahlungen an die Stadt Emmerich und die Stadt
Salzgitter über 2,55 Mio. bzw. 5,4 Mio. DM ohne jede vorherige Kontaktaufnahme mit
diesen Städten und Abschluss diesbezüglicher Darlehensverträge vorgenommen hatte.
Insofern konnte zwar die Klägerin durchaus berechtigterweise davon ausgehen, dass
die Zahlung der Beklagten - wie auch die früher von ihr vorgenommenen
Überweisungen - tatsächlich auf Veranlassung L1s erfolgte, nicht jedoch, dass damit
eine persönliche Schuld L1s erfüllt werden sollte. Denn gerade wenn in allen anderen,
der Klägerin bis dahin bekannten Fällen stets nur Kommunen bzw. kommunale
Gesellschaften Beteiligte der über L1 zustande gekommenen Darlehensgeschäfte
gewesen waren und der Zeuge T als damaliger Kämmerer der Klägerin hierin –
ausweislich seiner Bekundungen – gerade auch einen Grund für sein mangelndes
Klärungsbedürfnis bzgl. der konkreten Person des jeweiligen Darlehensgebers gesehen
hat, musste sich die Situation bei einer erstmaligen persönlichen Beteiligung L1s selbst
als Darlehensgeber grundsätzlich anders darstellen und hätte erheblicher Anlass für
eine weitergehende Klärung bestanden. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen,
bei Erhalt des Geldbetrages von der Beklagten statt von L1 selbst, spätestens aber vor
Erbringung der Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber L1 auf eine Klarstellung
hinsichtlich der Person des Rückzahlungsberechtigten hinzuwirken. Da somit schon aus
objektiver Sicht der Klägerin diese nicht von einer wirksamen Anweisung L1s bzw. einer
schuldbefreienden Leistung der Beklagten i.S.d. § 267 BGB als Dritte für L1 ausgehen
durfte, kommt es auf die weitere Frage nicht mehr an, in welchem Verhältnis aus
Vertrauensschutz- und Risikoerwägungen bei Dreipersonenverhältnisses im Falle einer
vermeintlichen (von dem Leistungsempfänger - im Unterschied zu hier - zurecht
angenommenen), tatsächlich aber fehlenden oder unwirksamen Anweisungserteilung
die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu erfolgen hat.
Der damit den Rechtsgrund für die vereinbarungsgemäße Rückzahlung des
Darlehensbetrages nebst Zinsen bildende Bereicherungsanspruch der Beklagten
gegenüber der Klägerin war auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der
Bereicherung im Umfang der von der Klägerin an L1 erbrachten Zins- und
Tilgungsleistungen gem. § 818 Abs. 3 BGB eingeschränkt. § 818 Abs. 3 BGB
beschränkt den Bereicherungsanspruch auf dasjenige, was als Bereicherung noch
vorhanden ist und dient damit dem Schutz des gutgläubigen Empfängers (Palandt-
Sprau a.a.O. § 818 Rdnr. 27). Diesem Schutz- und Interessenausgleichsgedanken
entspricht es, dass für die Anerkennung eines Wegfalls der Bereicherung ein adäquater
Kausalzusammenhang zwischen dem Empfang der rechtsgrundlosen Leistung und dem
Vermögensverlust gefordert bzw. eine Beschränkung des Bereicherungsanspruchs nur
durch solche Vermögensnachteile und Aufwendungen angenommen wird, die der
gutgläubige Bereicherte im Vertrauen auf die Beständigkeit des vermeintlichen
Vermögenszuwachses gemacht hat (vgl. Palandt-Sprau aaO. § 818 Rdnr. 30 m.w.N.).
Die von der Klägerin ohne jede Absicherung etwa durch Nachfrage bei der Beklagten
als Auszahlende der Darlehensvaluta vorgenommenen Zins- und Tilgungsleistungen an
L1 persönlich können aber entsprechend den vorstehenden Ausführungen weder als
adäquat-kausal noch als im berechtigten Vertrauen auf eine Darlehensauszahlung
durch L1 selbst vorgenommen bewertet werden. Eine Schutzwürdigkeit der Klägerin ist
gerade bezüglich der Vornahme dieser Zahlungen allein auf die diesbezügliche
Aufforderung L1s durch Übersendung entsprechender Tilgungspläne und
Schuldendienstmitteilungen hin nicht zu erkennen. Die Rückzahlung des gesamten
Kreditbetrages einschließlich zwischenzeitlich gezogener Kapitalnutzungen gem.
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§§ 812, 818 Abs. 1 BGB an die Beklagte ist daher insgesamt mit Rechtsgrund erfolgt
und nicht von der Klägerin ihrerseits kondizierbar.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 u. 2 ZPO.
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Streitwert:
25
bis 1.750.000,00 €
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(Klageantrag zu 1.: 1.677.150,93 €
27
Klageantrag zu 2.: bis 70.000,00 €
28
[geschätzte rd. 4 % Zinsen für 1 Jahr aus 1.677.150,93 €])
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Prof. Dr. N Dr. L H
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