Urteil des LG Aachen vom 26.03.2010

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Landgericht Aachen, 9 O 545/09
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Ziivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 545/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund
des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung. Der Beklagte ist Inhaber
eines Betriebes für Solar- und Heizungstechnik. Am 03.03.2009 schlossen die Parteien
einen "Arbeitnehmerüberlassungsvertrag". Darin wurde vereinbart, dass die Klägerin
dem Beklagten ihren Mitarbeiter E H als Gas- und Wasserinstallateur zu einem
Stundensatz von 25,95 Euro zzgl. Mehrwertsteuer bei 45 Wochenstunden zur Verfügung
stellt.
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In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin findet sich unter Ziff. 6.2
folgende Klausel:
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Für den Fall, dass Mitarbeiter von b innerhalb von 12 (zwölf) Monaten, gerechnet
vom Beginn der letzten Überlassung, vom Kunden als Arbeitgeber eingestellt
werden, hat b nachstehende Vergütungsansprüche, weil die Tätigkeitsaufnahme
des Mitarbeiters beim Kunden aufgrund einer Arbeitsvermittlung von b zustande
gekommen ist.
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Es gilt ohne besondere Vereinbarung - je nach Zeitpunkt der Einstellung - der
nachstehende Prozentsatz des Vermittlungshonorars; Berechnungsgrundlage
hierfür ist der Monatsverrechnungssatz für den ehemaligen b Mitarbeiter (gültiger
Normal-Stundenverrechnungssatz x 170). Bei Einstellung im
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01. und 02. Monat der Überlassung 100 %
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03. und 04. Monat der Überlassung 90%
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05. Monat der Überlassung 80 %
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06. Monat der Überlassung 70 %
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07. Monat der Überlassung 60 %
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08. Monat der Überlassung 50 %
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09. Monat der Überlassung 40 %
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10. Monat der Überlassung 30 %
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11. Monat der Überlassung 20 %
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12. Monat der Überlassung 10 %
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K 1 (Bl. 16-17 GA)
Bezug genommen. Herr H war vom 03.03.2009 bis zum 28.04.2009 bei dem Beklagten
beschäftigt. Dann beendete er das Arbeitsverhältnis zur Klägerin und nahm eine Arbeit
in L auf. Weil er mit dem Arbeitsplatz in L nicht zufrieden war, bewarb Herr H sich in der
Folgezeit bei dem Beklagten, der ihn einstellte.
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Mit Rechnung vom 24.07.2009 wurde dem Beklagten ein Vermittlungshonorar in Höhe
von 100 % des Monatsverrechnungssatzes (25,95 Euro x 170 = 4.411,50 Euro netto =
5.249,69 Euro brutto) in Rechnung gestellt. Der Beklagte wies die Forderung als
unberechtigt zurück, woraufhin die Klägerin ein Inkassobüro mit der Beitreibung der
Forderung beauftragte.
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Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei zum Ersatz des Vermittlungshonorars
verpflichtet. Die Klausel zu Ziff. 6.2 sei wirksam.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.249,69 Euro sowie weitere 3,00 Euro
Mahnkosten sowie weitere 20,88 Euro Auskunftskosten sowie weitere 321,69 Euro
Inkassokosten nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 22.09.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, die Klausel Ziff. 6.2 in den AGBs sei eine
Überraschungsklausel; im Übrigen sei sie unklar.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beiderseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 5.249,69
Euro aus Ziff. 6.2 des geschlossenen Vertrages.
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Es kann dahin stehen, ob die Klausel Vertragsbestandteil geworden und ob sie sonst
wirksam ist. Denn jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen eines
Vermittlungshonorars sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar ist ein Mitarbeiter der Klägerin -
Herr H- innerhalb von 12 Monaten gerechnet vom Beginn der Überlassung von dem
Beklagten eingestellt worden. Dies geschah jedoch nicht in dem erforderlichen
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Überlassungsvertrag.
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Der Wortlaut von Ziff. 6.2. setzt zunächst allein voraus, dass Mitarbeiter der Klägerin
"innerhalb von 12 (zwölf) Monaten (...) vom Kunden als Arbeitgeber eingestellt werden."
Danach kommt es nicht darauf an, ob der Leiharbeitnehmer um eine Einstellung bittet
oder der Arbeitgeber auf den Leiharbeitnehmer zukommt, diesen gleichsam abwirbt.
Aus der Berechnung des Vergütungsanspruchs ergibt sich jedoch, dass die Übernahme
während eines bestehenden Überlassungsvertrages erfolgen muss. Denn die Klausel
stellt insoweit auf eine Einstellung im 01., 02., 03., etc. Monat der Überlassung ab und
nicht (auch) auf einen Zeitpunkt nach der Überlassung. Vorliegend ist Herr H unstreitig
nicht während der Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages bei dem Beklagten
eingestellt worden. Er hat zunächst das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin 28.04.2009
beendet und hat sich zu einem späteren Zeitpunkt bei dem Beklagten beworben.
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Selbst wenn die Klausel zu Ziff. 6.2 nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Wortlaut
hinaus in einem weiteren Sinn ausgelegt werden würde, bestünde hier keine
Vergütungspflicht des Beklagten. Bei Ziff. 6.2. handelt es sich um eine Art
Vermittlungsprovision, so dass die Klausel gemäß dieser ratio möglicherweise nicht nur
bei der Übernahme des Leiharbeitnehmers während des Überlassungsvertrages
eingreift, sondern weiter auch bei einer Übernahme in unmittelbarem zeitlichen
Zusammenhang mit einem solchen - schon beendeten - Überlassungsvertrag (vgl. BGH
NJW 2007, 764, 765). Dieser Zusammenhang ist hier aber jedenfalls durch die
Einstellung in L unterbrochen worden.
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Dass Herr H zwischenzeitlich bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt war, ist der
Entscheidung als unstreitiger Sachvortrag zugrunde zu legen. Zwar hat der
Unterbevollmächtigte der Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung mit Nichtwissen
bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO wegen
Verspätung zurückzuweisen. Der Beklagte hat bereits in seiner Klageerwiderung vom
02.12.2009 vorgetragen, dass Herr H nach Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses
mit dem Beklagten anderweitig eine Arbeit in L aufgenommen habe (Bl. 37 GA). Selbst
in der Replik vom 04.03.2010 hat die Klägerin dies nicht bestritten. Wäre das Bestreiten
so zeitig erfolgt, wie es einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten
Prozessführung entspricht, hätte der von dem Beklagten benannte Zeuge L zu dem
Termin vorbereitend geladen werden können. Die Zulassung des verspäteten
Vorbringens würde vor diesem Hintergrund die Erledigung des Rechtsstreits verzögern,
weil sie die Anberaumung eines neuen Termins zur Beweisaufnahme erforderlich
gemacht hätte. Ein entsprechender Hinweis ist in der mündlichen Verhandlung erfolgt.
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Grobe Nachlässigkeit ist ebenfalls zu bejahen. Grob nachlässig im Sinne von § 296
Abs. 2 ZPO handelt eine Prozesspartei, wenn sie die Prozessförderungspflicht in
besonders hohem Maße vernachlässigt. Indem die Klägerin es unterlassen hat, das
klägerische Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 02.12.2009 vor der mündlichen
Verhandlung am 08.03.2010 schriftsätzlich zu bestreiten, hat sie dasjenige unterlassen,
was nach dem Stand des Verfahrens jeder Partei als notwendig hätte einleuchten
müssen. Auch in ihrem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 19.03.2010 hat die
Klägerin keine Umstände dargelegt, die gegen grobe Nachlässigkeit sprechen.
Da Herr H, wenn auch nur für kurze Zeit, zwischenzeitlich bei einem anderen
Arbeitgeber eingestellt war, würde die Klausel auch dann nicht greifen, wenn man sie in
dem oben dargelegten weiteren Sinn versteht. Die Provisionspflicht gilt nach dieser
Auslegung nur dann, wenn nach vorangegangenem Verleih des Leiharbeitnehmers der
Leiharbeitsvertrag beendet wird, weil eine Festeinstellung beim Entleiher zustande
kommt. Auf den formalen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kommt es danach nicht an,
solange ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bejaht werden kann. Hier ist das
Leiharbeitsverhältnis aber gerade nicht beendet worden, weil Herr H von dem Beklagten
in die Stammbelegschaft übernommen worden ist, sondern weil er in L eine Anstellung
gefunden hat. Das jetzt streitgegenständliche Arbeitsverhältnis hat sich demnach nicht
während der Dauer des Leiharbeitsverhältnisses angebahnt, sondern zu einem
späteren Zeitpunkt, nachdem Herr H mit seinem Arbeitsplatz in L nicht zufrieden war.
Der Umstand allein, dass Herr H möglicherweise nur deswegen Kontakt zu dem
Beklagten aufgenommen hat, weil er diesen aufgrund der Vermittlung durch die Klägerin
kennengelernt hatte, löst wegen des zumindest zu fordernden unmittelbaren
Zusammenhangs keine Vergütungspflicht des Beklagten aus.
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2. Schon mangels Zahlungspflicht des Beklagten kommt ein Anspruch des Klägers auf
Ausgleich der geltend gemachten Nebenforderungen (Mahn-, Auskunfts- und
Inkassokosten sowie Zinsen) nicht in Betracht.
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3. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
i.V.m. 709 S. 2 ZPO.
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III.
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Streitwert: 5.249,69 Euro
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Dr. X
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