Urteil des LG Aachen vom 09.04.2010

LG Aachen (versicherungsnehmer, gebäude, mieter, leichte fahrlässigkeit, ohg, vvg, anlage, werkstatt, vermieter, verhalten)

Landgericht Aachen, 9 O 539/09
Datum:
09.04.2010
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 539/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin macht als Elektronikversicherer gegenüber der Beklagten als
Haftpflichtversicherer des Mieters Ausgleichsansprüche aus einem Brand vom
17.09.2007 geltend.
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Die Klägerin ist Versicherer einer Photovoltaikanlage. Versicherungsnehmer der
Klägerin ist Herr G. Dieser ist Eigentümer eines ehemaligen landwirtschaftlichen
Betriebes in der I-Straße X in O. Der Versicherungsnehmer der Klägerin betreibt unter
der angegebenen Adresse ein Café. Die früheren Stallungen wurden umgebaut und an
die Fa. E OHG vermietet. Diese betreibt dort eine Werkstatt für den Bau und die
Reparatur von Kfz-Anhängern. Die Beklagte ist Betriebshaftpflichtversicherer der Fa. E
OHG.
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Im Februar 2006 errichtete der Versicherungsnehmer der Klägerin auf dem Dach der
ehemaligen Stallungen eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung. Diese
Photovoltaikanlage ist im Rahmen einer sog. Elektronikversicherung bei der Klägerin
u.a. gegen die Gefahr des Brandes versichert. Zusätzlich war bei der Klägerin auch der
Ertragsausfall für die Haftzeit von maximal drei Monaten versichert. Der
Versicherungsnehmer der Klägerin hatte mit der O AG einen sog. Einspeisevertrag
abgeschlossen. Danach bekam der Versicherungsnehmer der Klägerin für 2007 für 259
Tage insgesamt 6.257,90 € von der O ausbezahlt. Der zu erzielende Betrag schwankt
dabei bedingt durch die unterschiedliche Dauer der Sonneneinstrahlung jahreszeitlich.
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Am 17.09.2007 brach gegen 8.30 Uhr in der Werkstatt der Fa. E OHG ein Brand aus.
Dabei brannte der Dachstuhl zu großen Teilen. Die Photovoltaikanlage wurde zerstört.
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Die polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergaben, dass ein
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Mitarbeiter der Fa. E OHG, Herr N, an einem Pkw-Anhänger Schrauben abflexte. Der
Brandausbruchsbereich befand sich in einer Ecke der Werkstatt, in der u.a.
Bremsreiniger gelagert wurde. Als einzige Ursache des Brandes kam ein durch die
Flexarbeiten verursachter Funkenflug, der die Reste des Bremsreinigers entzündete, in
Betracht. Da sich in der Ecke der Werkstatt keine Elektroinstallationen befanden, schied
eine technische Brandursache aus.
Gegen den Mitarbeiter der Fa. E OHG, Herr N und gegen den Mitinhaber und
Geschäftsführer Herr I1 wurde Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung erlassen.
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Der von der Klägerin eingeschaltete Sachverständige Q beauftragte den
Sachverständigen U mit ersten Feststellungen zum Schadensumfang. Dieser stellte fest,
dass die komplette Kollektorenfläche thermisch geschädigt und nicht wiederherstellbar
sei. Die "Wechselrichter" seien jedoch weiter verwendbar, da diese ca. 20 Meter vom
eigentlichen Brandort entfernt gelegen hätten.
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Das Ingenieurbüro L geht in seinem Gutachten zur Wertermittlung von einem Zeitwert
der Anlage von ca. 58.000 € netto aus. Zunächst ging man von einem Restwert für die
"Wechselrichter" von je 2.127,50 bis 2.405,00 € aus. Da faktisch aber kein Markt für
Wechselrichter aus Gebrauchsanlagen vorhanden sei, seien maximal 25 % des
Neupreises anzusetzen. Unter dem 09.04.2008 stellte das Ingenieurbüro L 606,90 € in
Rechnung.
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Die Klägerin einigte sich mit ihrem Versicherungsnehmer gemäß der
Abfindungsvereinbarung auf einen Entschädigungsbetrag von 55.000 € für die
Photovoltaikanlage. Sie regulierte den an der bei ihr versicherten Photovoltaikanlage
entstandenen Schaden.
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Mit Schreiben vom 05.05.2009 machte die Klägerin bei der Beklagten die an ihren
Versicherungsnehmer gezahlte Entschädigung geltend. Mit weiterem Schreiben vom
25.05.2009 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Grundsätze des
Ausgleichsanspruchs bei Doppelversicherung zur Regulierung des hälftigen
Zeitwertschadens auf.
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Die Beklagte wies den Ausgleichsanspruch der Klägerin mit Schreiben vom 04.06.2009
zurück.
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Die Klägerin meint, die Abfindung an ihren Versicherungsnehmer sei angemessen und
zutreffend. Ihrem Versicherungsnehmer ständen wegen der Zerstörung der
Photovoltaikanlage vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche gegen seine
Mieterin, die Fa. E OHG zu. Der Brand sei schuldhaft herbeigeführt worden. Das
Verhalten des Geschäftsführers und Mitinhabers I1 und das Verhalten des Mitarbeiters
N sei fahrlässig gewesen. Die OHG habe als Mieterin für das Verhalten der
vorgenannten Personen gemäß § 278 BGB bzw. §§ 31 analog, 831 BGB einzustehen.
Ein Anscheinsbeweis spreche für die Ursächlichkeit der Flexarbeiten für den
Brandschaden.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Ausgleichsanspruch gemäß § 59 Abs. 2 VVG
a.F. analog zu, da sie die nach Regulierung grundsätzlich auf sie gemäß § 67 VVG a.F.
übergegangenen Schadensersatzansprüche wegen des zu Gunsten des Mieters nach
der einschlägigen Rechtsprechung bestehenden Regressverzichtes nicht habe geltend
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machen können. Sie könne nun die Hälfte des von ihr auf Zeitwertbasis regulierten
Schadens geltend machen. Zudem könne sie auch die verauslagten
Sachverständigenkosten verlangen, da diese nach der einschlägigen Rechtsprechung
auch im Verhältnis zum Mieter regressfähig gewesen wären. Die Entscheidung des
BGH vom 13.09.2006 (VersR 2006, 1398 ff.), in der der BGH im Rahmen einer
Hausratversicherung des Vermieters anders als für die Gebäudeversicherung keinen
Regressverzicht angenommen hat, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die
Photovoltaikanlage sei fest mit dem Gebäude verbunden und könne grundsätzlich in der
Gebäudeversicherung mitversichert sein. Der bloß formale Gesichtspunkt, ob die
Versicherung im Rahmen des Gebäudeversicherungsvertrags oder einer gesonderten
Versicherung bestehe, könne für die Frage des Regressverzichts keine Rolle spielen.
Zudem könne es nicht darauf ankommen, ob es sich um Gebäudeteile handele, die für
den Mieter ebenfalls von Nutzen seien, da sich der Regressverzicht auf Schäden am
Gebäude "insgesamt" erstrecke. Eine Prämienumlage sie nicht maßgeblich für den
Regressverzicht.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 28.357,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dem Vorgehen gegen den Mieter stünde kein Regressverzicht
entgegen. Deshalb stehe der Klägerin auch nicht in Analogie zu § 59 Abs. 2 VVG a.F.
ein Ausgleichsanspruch gegen sie zu. Die vom BGH hinsichtlich der
Hausratversicherung angestellten Überlegungen träfen in gleicher Weise auf die
Elektronikversicherung zu und müssten für diese gelten.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Ausgleichsanspruch gemäß § 59 Abs. 2
VVG a.F. zu.
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Voraussetzung für einen solchen Ausgleichsanspruch unter den Versicherern ist nach
der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.09.2006, IV ZR 273/05) zum einen, dass
der haftpflichtversicherte Schädiger dem geschädigten Versicherungsnehmer des
Gebäudeversicherers dem Grunde nach schadensersatzpflichtig ist, jedoch wegen des
konkludenten Regressverzichts des Gebäudeversicherers selbst nicht in Anspruch
genommen werden kann, zum anderen, dass auf Seiten des Schädigers eine
Haftpflichtversicherung besteht, die grundsätzlich den angerichteten Schaden abdeckt
(OLG Bamberg, Urt. vom 08.10.2009, 1 U 34/09; LG Kassel, Urt. vom 18.08.2009, 9 O
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393/08).
In der Gebäudeversicherung ergibt die ergänzende Vertragsauslegung einen
Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen Schaden am
Gebäude durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH, VersR 2001, 94 ff.; OLG
Köln, Beschl. vom 01.09.2008, 9 U 73/08). Dies gilt auch, wenn der Mieter eine
Haftpflichtversicherung unterhält, die Ansprüche wegen Schäden an gemieteten Sachen
deckt (OLG Köln, Beschl. vom 01.09.2008, 9 U 73/08). Dadurch wird der dem
Gebäudeversicherer durch § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. an sich eröffnete Rückgriff
beschränkt (BGH, Urt. vom 13.09.2006, IV ZR 26/04).
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In die zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer bestehende
Elektronikversicherung kann ein solcher Regressverzicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung nicht hineingelesen werden.
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Der von der Rechtsprechung angenommene Regressverzicht bei leicht fahrlässig
verursachten Schäden am Gebäude setzt voraus, dass dem Schädiger das Gebäude
oder die Räume des Gebäudes im Rahmen eines Mietverhältnisses oder ähnlichen
Nutzungsverhältnisses zum Gebrauch überlassen worden sind, wobei sich der
Regressverzicht auf Schäden am versicherten Gebäude insgesamt erstreckt (BGH, Urt.
vom 13.09.2006, IV ZR 26/04). Der BGH wollte in dieser Entscheidung klarstellen, dass
der Regressverzicht sich nicht lediglich auf Schäden erstreckt, die an den dem Mieter
überlassenen Räumlichkeiten entstanden sind, da das Gebäude einheitlich versichert
ist. Voraussetzung für die Anwendung dieses Grundsatzes wäre aber, dass die
Photovoltaikanlage im Rahmen einer Gebäudeversicherung mitversichert ist, denn nur
dann ist sie Teil eines einheitlich versicherten Gebäudes.
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Die bei der Klägerin versicherte Photovoltaikanlage ist zwar fest mit dem Gebäude
verbunden, jedoch ist die Anlage nicht im Rahmen der Gebäudeversicherung
mitversichert, sondern es wurde eine spezielle Elektronikversicherung für diese
abgeschlossen.
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Ist die Photovoltaikanlage separat versichert, kann der Grundsatz, dass sich der
Regressverzicht auf das versicherte Gebäude insgesamt erstreckt, keine Anwendung
finden, da sich die Anlage dann nicht von anderen vom Gebäude unabhängig
versicherten Sachen, wie z.B. Hausrat, unterscheidet. Eine dahingehende
Unterscheidung stellt auch nicht etwa ein Abstellen auf einen bloß formalen
Gesichtspunkt dar. Vertragliche Beziehungen in Gestalt eines Gebrauchsrechts und von
Obhutspflichten bestehen nur hinsichtlich des Gebäudes, nicht aber hinsichtlich der
Photovoltaikanlage an sich.
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Der BGH hält es für verfehlt, die Grundsätze zum Regressverzicht des
Gebäudeversicherers auf die Hausratversicherung zu übertragen (BGH, Urt. vom
13.09.2006, IV ZR 26/04). Es ist ebenfalls nicht gerechtfertigt, diese Grundsätze durch
Verselbständigung des Gesichtspunktes, eine Belastung des Mietverhältnisses zu
vermeiden, auf die Elektronikversicherung auszudehnen. Ansonsten müsste, um eine
Belastung des Mietverhältnisses zu vermeiden, etwa auch dem Kraftfahrzeug-
Kaskoversicherer und dem Krankheitskostenversicherer des Vermieters ein
Regressverzicht zugemutet werden, wenn der Mieter das Kraftfahrzeug des Vermieters
oder den Vermieter verletzt (BGH, Urt. vom 13.09.2006, IV ZR 26/04). Der
Versicherungsschutz erstreckt sich bei diesen Versicherungen auf Güter, die allein im
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Interesse des Vermieters stehen. Die Photovoltaikanlage steht ebenfalls ausschließlich
im Interesse des Vermieters. Dieser verkauft nämlich die mit der Anlage gewonnene
Energie im Rahmen eines sog. Einspeisevertrages an die O AG. Der Mieter hat
dagegen keinen erkennbaren Vorteil von der Photovoltaikanlage. Zudem hat der Mieter
in keiner Weise die Prämien für die Elektronikversicherung zu tragen. Deshalb wird
weder er noch der Vermieter auf den Gedanken kommen, der Vermieter sei irgendwie
gehalten, den Mieter vor einem Regress des Elektronikversicherers zu bewahren.
Der Regress ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es wegen eines
stillschweigenden mietvertraglichen Haftungsverzichts wegen leicht fahrlässiger
Schadensverursachung an einem nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. übergegangenen
Anspruch fehlt. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist eine generelle
mietvertragliche Haftungsbegrenzung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige
Schadensverursachung nicht mehr anzunehmen (BGH, Urt. vom 13.09.2006, IV ZR
26/04). Davon abgesehen betraf die frühere Rechtsprechung zum Haftungsverzicht bei
Überlassung von Gebäuderäumen ebenfalls nur den Regress des Gebäudeversicherers
(BGH, Urt. vom 13.09.2006, IV ZR 26/04). Von den Parteien wird eine solche
mietvertragliche Haftungsbegrenzung auch nicht vorgetragen.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.
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III.
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Streitwert: 28.357,82 €
36
C
C1
X1
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