Urteil des LG Aachen vom 14.07.2004
LG Aachen (konto, schuldner, beschwerde, gläubiger, antrag, zpo, sache, eröffnung, bezug, vorsätzlich)
Landgericht Aachen, 6 T 81/04
Datum:
14.07.2004
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
Abteilung 6
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 81/04
Schlagworte:
Versagung der Restschuldbefreiung
Normen:
Inso § 290 Abs. 1
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zu 1.
zurückgewiesen.
G r ü n d e
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I.
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Unter dem 06.06.2000 beantragte der Beteiligte zu 1. gemäß § 305 InsO die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zugleich beantragte er unter
Bezugnahme auf § 287 InsO die Erteilung von Restschuldbefreiung. Als "Anlage 4" zu
seinem Insolvenzantrag legte der Beteiligte zu 1. ein Vermögensverzeichnis vor; in der
dortigen Rubrik II. 1 kreuzte der Beteiligte zu 1. auf die Frage nach "Girokonten,
Tagegeldkonten, Termin- oder Festgeldkonten, Fremdwährungskonten" die Antwort
"nein" an. Tatsächlich bestand zu diesem Zeitpunkt bei der Deutschen Bank ein auf den
Namen des Beteiligten zu 1. laufendes Girokonto.
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Das Insolvenzgericht leitete auf den Antrag des Beteiligten zu 1. zunächst das
gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren ein. Mit Beschluss vom 08.01.2002
nahm es das Verfahren über den Eröffnungsantrag wieder auf und leitete es in das
Regelinsolvenzverfahren über, nachdem durch Änderung des § 304 InsO (Gesetz zur
Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 - BGBl. I, S.
2710) die Anwendbarkeit der §§ 304 ff. InsO auf den Beteiligten zu 1. entfallen war.
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Mit Schreiben vom 07.12.2002 und 13.01.2003 teilte der Beteiligte zu 2. mit, er habe am
05.11.2002 von der Existenz des auf den Beteiligten zu 1. laufenden Girokontos
erfahren. Ergänzend gab er im Schlusstermin vom 19.03.2003 an, dass er auch bei
Befragungen, die er - der Beteiligte zu 2. - zur Vorbereitung seines
Sachverständigengutachtens vom 04.02.2002 und seines Berichtes vom 27.06.2002 in
seiner Eigenschaft als Sachverständiger bzw. Insolvenzverwalter durchgeführt habe,
vom Beteiligten zu 1. nicht über die Existenz dieses Kontos unterrichtet worden sei.
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Auf Antrag der Beteiligten zu 3. und 4. hat das Amtsgericht mit Beschluss vom
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23.01.2004 gemäß § 290 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 InsO die beantragte Restschuldbefreiung
versagt. Gegen diesen ihm am 28.01.2004 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu
1. mit Schriftsatz vom 05.02.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, er
habe während des Insolvenzverfahrens keine Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten
verletzt. Bei dem Konto handele es sich - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - um
ein Treuhandkonto, welches er im Jahre 1999 für den von ihm geleiteten "1. offiziellen
Schumacher-Fan-Club" eingerichtet habe. Eine Versagung der Restschuldbefreiung
gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO komme zudem bereits deshalb
nicht in Betracht, weil die Vorschrift nach der Insolvenzrechtsnovelle auf ihn überhaupt
nicht anwendbar sei.
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
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den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 23.01.2004 aufzuheben und die
Fortsetzung des Restschuldbefreiungsverfahrens anzuordnen.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 14.05.2004 nicht
abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Der zunächst
zuständige Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 01.06.2000 gem. § 568 S.
2 Nr. 2 ZPO, § 4 InsO der Kammer zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf den
angefochtenen Beschluss vom 23.01.2004 (Bl. 566 ff d.A.) sowie den
Nichtabhilfebeschluss vom 14.05.2004 (Bl. 627 f d.A.) Bezug genommen.
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II.
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Die gemäß § 289 Abs.2 S. 1 InsO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise
eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat in der Sache selbst keinen
Erfolg. Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss zu Recht unter Bezugnahme
auf § 290 Abs. 1 Nrn. 5. und 6 InsO die Erteilung der Restschuldbefreiung versagt. Auch
das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
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Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist die Restschuldbefreiung auf Antrag eines
Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3
InsO vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens,
seiner Gläubiger und die gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob
fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Gemäß § 290 Abs. 1
Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung zudem auch dann zu versagen, wenn der
Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach
der Insolvenzordnung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Die Voraussetzungen
beider Vorschriften liegen vor.
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1.
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Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass auch in der vorliegenden
Fallgestaltung der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 305 Abs. 1 Nr. 3
InsO anwendbar ist. Denn zu dem Zeitpunkt, in dem der Beteiligte zu 1. den
Eröffnungsantrag gestellt hat, trafen auf ihn die Voraussetzungen des § 304 InsO a.F.
zu. Er war deshalb verpflichtet, mit seinem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 näher bezeichneten Verzeichnisse
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vorzulegen und die erforderlichen Angaben - wahrheitsgemäß und vollständig - zu
machen.
Um dieser Verpflichtung vollständig nachzukommen, hätte der Beteiligte zu 1. auch das
von ihm zunächst verschwiegene "Treuhandkonto" angeben müssen. Der Beteiligte zu
1. war Inhaber dieses Kontos, über welches nicht unerhebliche Zahlungsvorgänge
abgewickelt wurden. Hieraus folgt - selbstverständlich - die Verpflichtung des Beteiligten
zu 1., auch dieses Konto im Rahmen des Vermögensverzeichnisses anzugeben. An
dieser Verpflichtung ändert auch der Einwand des Beteiligten zu 1. nichts, es handele
sich bei dem Konto um ein "Treu- und Fremdkonto", welches er für die Mitglieder des
von ihm geleiteten Fan-Clubs geführt habe. Dies gilt bereits deshalb, weil die Aussage
überhaupt nicht zutrifft. Nach dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1.
(Stellungnahme vom 08.04.2003, Bl. 516 d.A.) sind auf dem Konto nämlich auch
Zahlungen zu Gunsten der "Lynen Logistic GmbH" (seiner Arbeitgeberin) eingegangen,
die er ebenfalls treuhänderisch entgegengenommen haben will. Auch beschränkt eine
etwaige treuhänderische Bindung des Kontos jedenfalls im Außenverhältnis nicht die
Möglichkeiten des Beteiligten zu 1., über ein Guthaben zu verfügen. Bereits diese
Möglichkeit stellt einen Vermögenswert dar. Ob dieser letztlich zur
Gläubigerbefriedigung herangezogen werden kann oder nicht, hatte der Beteiligte zu 2.
als Insolvenzverwalter zu prüfen. Für diese Prüfung war er aber gerade auf die
vollständige und richtige Information durch den Beteiligten zu 1. angewiesen.
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2.
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Darüber hinaus liegt auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO objektiv
vor. Denn der Beteiligte zu 1. hat nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des
Beteiligten zu 2. auch im Rahmen der durch ihn - den Beteiligten zu 2. - als
Insolvenzverwalter durchgeführten Befragung keine Angaben zu dem tatsächlich
vorhandenen Konto gemacht. Da der Beteiligte zu 1. aus den bereits dargelegten
Gründen zur Offenbarung dieses Kontos verpflichtet war, hat er auch während des
Insolvenzverfahrens seine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht verletzt.
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3.
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Der Beteiligte zu 1. hat auch zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 290 Abs. 1 Nrn. 5
und 6 InsO gehandelt. Zur weiteren Begründung kann die Kammer auf die hierzu vom
Insolvenzgericht dargelegten Überlegungen Bezug nehmen. Auch nach Einschätzung
der Kammer besteht kein Zweifel daran, dass dem Beteiligten zu 1. sowohl bei der
Erstellung des Vermögensverzeichnisses als auch im weiteren Verlauf des
Insolvenzverfahrens die Existenz des hier in Rede stehenden Kontos bewusst war. Sie
teilt auch die Einschätzung des Insolvenzgerichts, dass der Beteiligte zu 1. nicht
ernsthaft glauben konnte, die Existenz dieses Kontos redlicherweise gegenüber dem
Gericht oder dem Beteiligten zu 2. verschweigen zu dürfen.
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4.
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Schließlich steht der Versagung der Restschuldbefreiung auch nicht der Umstand
entgegen, dass der Beteiligte zu 2. die darauf befindlichen Gelder nach Prüfung letztlich
freigegeben hat. Denn zu den Voraussetzungen einer Versagung der
Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nrn. 5 oder 6 gehört nicht, dass sich die
Pflichtverletzung des Schuldners zum Nachteil der verfahrensbeteiligten Gläubiger
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ausgewirkt hat. Dieser teilweise in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen
Auffassung (vgl. etwa LG Saarbrücken, in: NZI 2000, S. 380 ff.) vermag die Kammer sich
nicht anzuschließen. Gegen eine solche Einschränkung spricht nicht nur der Wortlaut
der Vorschrift, sondern auch der mit ihr verfolgte Zweck: § 209 InsO soll gewährleisten,
dass nur der redliche Schuldner gegen den Willen seiner Gläubiger
Restschuldbefreiung erlangen kann. Unter den Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nrn.
5 und 6 handelt der Schuldner aber auch dann unredlich, wenn sich der von ihm
begangene Verstoß im Ergebnis nicht auf die Befriedigung der Gläubiger ausgewirkt hat
(wie hier etwa LG Heilbronn, InVo 2002, S. 417 f. LG Aachen, Beschluss vom
24.06.2003 - 3 T 219/03).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 97 ZPO.
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Beschwerdewert:
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K L M
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