Urteil des LG Aachen vom 22.06.2006

LG Aachen: mehrbelastung, grundsteuer, mieter, betriebskosten, abrechnung, einheit, anteil, zugang, ortsabwesenheit, vollstreckbarkeit

Landgericht Aachen, 6 S 211/05
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 211/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 81 C 206/05
Schlagworte:
Mietrecht; Nebenkostenabrechnung; formelle Ordnungsgemäßheit;
Vorwegabzug der Kosten von Gewerbeeinheiten
Normen:
BGB § 535 Abs. 2; § 556
Leitsätze:
1. Für eine formell ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnung ist
grundsätzlich ein Vorwegabzug der auf Gewerbeeinheiten entfallenden
Kosten erforderlich.
2. Ein Vorwegabzug ist nur ausnahmsweise dann nicht geboten, wenn
die durch die Gewerbeeinheit verursachten Kosten nicht zu einer ins
Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen.
3. Eine ins Gewicht fallende Mehrbelastung liegt bereits dann vor, wenn
die auf die Gewerbeeinheiten entfallenden Kosten die gesamten
Betriebskosten um mehr als 3 % erhöhen.
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Aachen
vom 23. September 2005, Az.: 81 C 206/05, abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 979,78 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
02. September 2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Tatbestand ist gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO entbehrlich.
1
Entscheidungsgründe
2
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
3
I.
4
Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus §§ 551 Abs. 3, 241 Abs. 1
BGB in Höhe von 979,78 € zu.
5
1.
6
Unstreitig haben die Kläger einen Kautionsbetrag in Höhe von 1.850,00 DM (945,89 €)
geleistet, der sich inklusive Zinsen nunmehr auf 979,78 € erhöht hat und aufgrund der
Beendigung des Mietverhältnisses zum 28. Februar 2003 zur Rückzahlung fällig ist.
7
2.
8
Der Kautionsrückzahlungsanspruch ist auch nicht gemäß §§ 387, 389 BGB durch die
von Seiten des Beklagten erklärte Aufrechnung untergegangen. Ein aufrechenbarer
Gegenanspruch aus § 535 Abs. 2 BGB auf Betriebskostennachzahlungen für die
Abrechnungszeiträume 2000 bis 2003 in Höhe von 1.200,52 € steht dem Beklagten
nicht zu.
9
Es kann dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen den
Klägern fristgerecht zugegangen sind, da die erstellten Abrechnungen bereits formell
nicht ordnungsgemäß sind, weshalb der Nachzahlungsanspruch zumindest nicht fällig
ist. Die Abrechnungen weisen nämlich keinen Vorwegabzug der auf die Gewerbeanteile
entfallenden Kosten aus. Ein solcher Hinweis ist jedoch grundsätzlich für eine formell
ordnungsgemäße Abrechnung erforderlich, da der Mieter nur so anhand der
Abrechnung nachvollziehen kann, ob die vorhandenen Gewerbeeinheiten bei der
Abrechnung mitenthalten und wie die Kosten auf die Gewerbeeinheiten umgelegt
worden sind (vgl. LG Frankfurt NJWE-MietR 1997, 26; LG Berlin DWW 1997, 151; LG
Aachen Urteil v. 22.11.2002, 5 S 157/02; LG Aachen Urteil v. 28.09.2005, 7 S 65/05).
Ein Vorwegabzug der auf die Gewerbeeinheiten entfallenden Kosten ist nur
ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn diese Kosten entweder in Bezug zu den
Gesamtkosten oder in Bezug auf die einzelne Kostenart nicht zu einer ins Gewicht
fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen (vgl. BGH Urteil vom 08.03.2006 –
VIII ZR 78/05; LG Berlin Grundeigentum 2002, 736; AG Düren WuM 2001, 46).
10
So verhält es sich hier jedoch nicht. Zwar behauptet der Beklagte eine ins Gewicht
fallende Mehrbelastung der Wohnraummieter liege aufgrund der Gewerbeeinheiten
nicht vor, dies wird jedoch durch den von Seiten des Beklagten zur Gerichtsakte
gereichten Abgabenbescheid vom 31.01.2002 (Bl. 62 GA) in Verbindung mit dem
Einheitswertbescheid (Bl. 113 f. GA) widerlegt. Danach hat sich die erhobene
Grundsteuer durch die Gewerbeeinheiten erhöht. Ein Anteil in Höhe von 53 % der
Grundsteuer entfällt allein auf die Gewerbeeinheiten, die jedoch lediglich 1/3 der
Gesamtfläche einnehmen.
11
Hinsichtlich der Kostenart Grundsteuer errechnet sich die Mehrbelastung für den
Abrechnungszeitraum 2002/2003 für die Kläger mithin wie folgt:
12
Grundsteuer gesamt: 13.558,98 €
13
davon Wohneinheiten (47 %): 6.372,72 €
14
Gesamtfläche Wohnungen (2/3 von 3.184 m²): 2.122,67 m²
15
Kosten pro m²: 3,00 €
16
Einheit Kläger (80 m²): 240,00 €
17
anteilig für 61 Tage: 40,11 €
18
abgerechnet: 56,94 €
19
Differenz: 16,83 €
20
Die Mehrbelastung der Kläger beläuft sich in Bezug auf die Kostenart Grundsteuer
demnach auf 30 %, was als eine erhebliche Mehrbelastung anzusehen ist.
21
Im Verhältnis zu den gesamten Betriebskosten beläuft sich die Mehrbelastung auf 4,05
% ( ca. 100,00 € jährlich). Nach Auffassung der Kammer ist auch hierin eine erhebliche,
unangemessene Mehrbelastung der Mieter zu sehen. Insoweit ist das Gericht der
Ansicht, dass im Hinblick auf die Gesamtkosten nicht unerhebliche Mehrkosten immer
dann zu bejahen sind, wenn die Gewerbeeinheiten die Betriebskosten um mehr als 3 %
erhöhen. Bereits bei dieser Marge handelt es sich um eine für den Mieter spürbare
Mehrbelastung, die ihn in finanzieller Hinsicht nicht unerheblich beeinträchtigt und
daher von ihm auch nicht hingenommen werden muss.
22
Der Beklagte hat insoweit auch nicht substanziiert dargelegt, dass die sich im Hinblick
auf die Grundsteuer ergebenden Nachteile für die Mieter im Rahmen anderer
Kostenarten wieder ausgeglichen werden, so dass die Nebenkostenabrechnungen
mangels Vorwegabzug der auf die Gewerbeeinheiten entfallenden Kosten formell
fehlerhaft sind, was dazu führt, dass Nachforderungsansprüche des Beklagten gegen
die Kläger nicht fällig sind.
23
3.
24
Die Kläger sind schließlich auch berechtigt, Gesamtleistung an sich zu verlangen, da
sie nach wie vor Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB sind. Das zwischen den
Parteien bestehende Schuldverhältnis ist nämlich nicht dadurch abgeändert worden,
dass die Kläger den Beklagten vorprozessual aufgefordert haben den jeweils hälftigen
Betrag an sie auszuzahlen (vgl. Bl. 23 GA). Das darin gegebenenfalls zu sehende
Vertragsänderungsangebot hat der Beklagte mangels einer entsprechenden Erklärung
nicht angenommen. Auch § 151 BGB ist insoweit nicht einschlägig, da danach nur der
Zugang der Annahme entbehrlich, eine Annahmehandlung – an der es vorliegend
gerade fehlt - jedoch erforderlich ist.
25
4.
26
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB
27
III.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung über die
29
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Streitwert:
30
1. Instanz: 1.009,42 €
31
2. Instanz: 979,78 €
32
Für den wegen Ortsabwesenheit
33
an der Unterschriftsleistung
34
verhinderten Präsidenten des
35
Landgerichts L
36
Richterin am Landgericht
37
X X Q
38