Urteil des LG Aachen vom 24.05.2005

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Landgericht Aachen, 33 Vollz 134/05
Datum:
24.05.2005
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
33 Vollz 134/05
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird verworfen.
Dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 1.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller verbüßt derzeit in der P1 eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen
Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Bedrohung aus einem Urteil vom 13.10.1994
(AZ1). Strafende ist auf den 28.02.2009 notiert. Im Anschluss hieran ist für den
Antragsteller die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus demselben Urteil
vorgemerkt.
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Der Antragsteller hatte bereits unter dem 01.09.2003 seine Verlegung in eine
sozialtherapeutische Abteilung/Anstalt beantragt. Nachdem dieses Begehren seitens
des Antragsgegners durch Bescheid vom 16.01.2004 abschlägig beschieden und der
hiergegen gerichtete Widerspruch zurückgewissen worden war, hatte der Antargsteller
auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Mit Beschluss vom 08.09.2004 (AZ2), auf
den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Kammer den
angefochtenen Bescheid aufgehoben und Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Mit Bescheid vom 23.12.2004 (AZ3) hat der Antragsgegner den Antrag auf Verlegung in
eine sozialtherapeutische Anstalt/Abteilung erneut abgelehnt. Zur Begründung ist
ausgeführt, die Verlegung des Antragstellers sei nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 StVollzG
"angezeigt", da der Antragsteller nach der Stellungnahme des
Anstaltspsychologen, SV1, v. 17.11.2004 nicht ausreichend behandlungsfähig sei. Der
Antragsteller habe eine testpsychologische Untersuchung verweigert. Es sei zwar von
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einer kurzfristigen Anpassungsleistung auszugehen, der Antragsteller sei jedoch stets
bald wieder in bekannte Verhaltensmuster zurückgefallen. Dieser Einschätzung stehe
die bislang offenbar konfliktarme Teilnahme am sozialen Training nicht entgegen. Der
Antragsteller habe offenbar gelernt, Verbalisierungsmuster zu bestimmten
Problemfeldern abzugeben. Es bleibe aber abzuwarten, ob der Antragsteller das
Training vollständig durchstehe. Unverändert sei davon auszugehen, dass eine
spezifische Deliktbearbeitung noch nicht sattgefunden habe. Eigene Schuldanteile
würden geleugnet, bagatellisiert und ausgeblendet. Hieran vermöge auch das
befürwortende Votum vom 29.09.2003 des SV1 nichts zu ändern. Diese Stellungnahme
sei von der Bemühung getragen, einen – wenn auch skeptisch beurteilten –
abschliessenden Behandlungsversuch zu unternehmen. Auch aus dem jüngeren
vollzuglichen Verhalten des Antragstellers seien keine durchgreifenden
Verhaltensänderungen ableitbar. Eine ihm in Aussicht gestellte Arbeit habe er
abgelehnt, die Beziehung zu einer Frau sei abgebrochen worden.
Mit Schreiben vom 04.01.2005 hat der Antragsteller gegen diesen Bescheid
Widerspruch eingelegt und diesen mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
12.01.2005 begründet. Dort ist ausgeführt, die negative Beurteilung der
Therapieeignung des Antragstellers beruhe auf einer fragwürdigen Diagnostik, da der
Antragsteller zu einer erneuten Begutachtung hinsichtlich der Frage der Eignung für die
Sozialtherapie bereit gewesen, dies jedoch seitens des Psychologen abgelehnt worden
sei. Das Gespräch habe vielmehr lediglich den Vollzugsplan zum Gegenstand haben
sollen. Zur Frage der Therapiefähigkeit und Therapiebedürftigkeit könne auf das
Gutachten SV2 v. 19.12.1997 verwiesen werden. Danach bedürfe der Antragsteller der
Hilfe und die motivationalen Ausgangsvoraussetzungen für einen Behandlungsbeginn
seien vergleichsweise günstig.
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Mit Bescheid vom 27.01.2005 (AZ4) wies der Präsident des Landesjustizvollzugsamts
den Widerspruch des Antragstellers aus den Gründen des Bescheids vom 23.12.2004
zurück.
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Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11.02.2005
auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Er macht geltend, die im Beschluss der
erkennenden Kammer v. 08.09.2004 geforderte umfassende Diagnostik habe nicht
stattgefunden. Der Antragsteller habe das Gespräch mit dem Anstaltspsychologen
verweigert, da dieser schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Drogenproblematik tätig
sei und hinsichtlich seiner – des Antragstellers – Person über keinerlei Fachkenntnisse
verfüge. Ausserdem sei das Vertrauensverhältnis zu diesem zerstört. Eine externe
Begutachtung sei durch den Anstaltspsychologen abgelehnt worden. Auch die
Beurteilung der vollzuglichen Entwicklung des Antragstellers seit Erarbeitung der
Stellungnahme sei fehlerrhaft. So habe er lediglich zwei Arbeitsstelle innegehabt und
die Beziehung zu Frau Z1 sei keinesfalls allein wegen des Verhaltens des
Antragstellers zerbrochen. Auch die Teilnahme des Antragstellers am sozialen Training
werde nicht ausreichend gewürdigt.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28.02.2005 hat der Antragsteller
wortgleiche "eidesstattliche Erklärungen" zweier Mitgefangener vom
14.01.2005 zur Akte gereicht, die ein Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem
Anstaltspsychologen vom 26.11.2004 widergeben sollen. Der Psychologe habe – nach
einer Verweigerung der Diagnostik durch den Antragsteller - sinngemäß ggeäußert:
"Wenn Sie nicht bereit sind, mit mir zu sprechen, lehne ich die Eignung ab, auch
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wenn Sie geeignet sein sollten".
Der Antragsteller hat darüber hinaus mit eigenem Schreiben vom 02.03.2005 mitgeteilt,
er werde "leider niemehr zu einem anderen Gutachter (SV2) vertrauen aufbauen
können, zu einem Sachverständigen aus einer JVA schon gar nicht mehr". Er
würde sich "auch keinem anderen Sachverständige mehr anvertrauen" und
werde sich "nie wieder einem Sachverständigen aus NRW unterziehen". Mit
weiterem Schreiben vom 03.05.2005 hat der Antragsteller mitgeteilt, er sei zu einer
Begutachtung nach Wahl der Kammer einerstanden.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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den Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheids vom 23.12.2004 (AZ3)
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2005 (AZ4) zu
verpflichten, ihn in eine sozaialtherapeutische Einrichtung/Abteilung zu
verlegen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu verwerfen.
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Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren.
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II.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. §§ 109 ff. StVollzG zulässig, bleibt in
der Sache indessen ohne Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat der Antragsgegner den Antrag des
Antragstellers, in eine sozialtherapeutische Einrichtung/Abteilung verlegt zu werden,
abgelehnt.
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§ 9 Abs. 1 StVollzG in der seit dem 31.01.1998 geltenden Fassung verpflichtet die
Vollzugsbehörde, einen Gefangenen, der – wie der Antragsteller unzweifelhaft – die in
der Vorschrift bestimten formellen Voraussetzungen erfüllt, in eine sozialtherapeutische
Anstalt zu verlegen, sofern seine Behandlung dort angezeigt ist.
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"Angezeigt" ist die Behandlung eines Gefangenen in der
sozialtherapeutischen Anstalt dann nicht, wenn der Gefangene nicht behandlungsbereit,
nicht behandlungsbedürftig und/oder nicht behandlungsfähig ist (vgl. Calliess/Müller-
Dietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Auflage 2005, § 9 Rz. 12 mit weit. Nachw.; Rehn in: AK-
Strafvollzugsgesetz, 4. Auflage 2000, § 9 Rz. 11 ff.). Im Falle des Antragstellers ist nur
letztere Einschränkung diskussionswürdig, ihr Vorliegen im Ergebnis aber zu bejahen:
Der Antragsgegner erachtet den Antragsteller mit aus Rechtsgründen nicht zu
beanstandenden Erwägungen als nicht therapiefähig.
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Die fehlende Eignung des Gefangenen zur Behandlung in einer sozaialtherapeutischen
Einrichtung muss – wie aus § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG folgt – auf Gründen beruhen, die in
der Person des Gefangenen selbst liegen (vgl. KG, B. v. 28.04.2000 – 5 Ws 754/99
Vollz, NJW 2001, 1806, 1807; OLG Frankfurt/Main, B. v. 27.08.2004 – 3 Ws 845/04,
NStZ-RR 2004, 349 = ZfStrVo 2005, 52 [LS]). Solche Gründe können auch in einer auf
Dauer angelegten, nicht korrigierbaren Verweigerung der Mitarbeit an der Behandlung
bestehen (KG, aaO; OLG Frankfurt/Main, aaO). Eine solche Verweigerungshaltung hat
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der Antragsgegner im Falle des Antragstellers rechtsfehlerfrei festgestellt; der
Antragsteller selbst hat sie im vorliegenden Vefahren eindrücklich demonstriert. Der
Antragsteller hat – wie er im Kern nicht in Abrede stellt – eine (erneute)
testpsychologische Untersuchung, die Aufschluss über seine Therapieeignung hätte
geben können, verweigert. Soweit der Antragsteller in der Widerspruchsbegründung
vom 12.01.2005 ausführt, der Anstaltypsychologe habe eine Begutachtung im Hibnlick
auf die Eignung des Antragstellers für die Sozialtherapie abgelehnt, hält der
Antragsteller dieses Vorbringen – wie insbesondere die von ihm beigebrachten zwei
"eidesstattlichen Erklärungen" erweisen – im gerichtlichen Verfahren nicht
mehr aufrecht. Er bringt nunmehr vielmehr vor, die Exploration (teilweise) verweigert zu
haben, weil der Anstaltspychologe mit seiner Persönlichkeitsproblematik nicht vertraut
sei bzw., weil dieser seine Eignung bereits attestiert hatte. Der Antragsteller
dokumentiert hiermit unmissverständlich, dass er zu bestimmen sucht, unter welchen
Umständen und Bedingungen eine Exploration stattzufinden hat. Es steht zu erwarten –
und wird durch die Entwicklung im gerictlichen Verfahren bestätigt -, dass der
Antragsteller auch in der sozialtherapeutischen Einrichtung ähnlich verfahren würde.
Dass aber eine solche Haltung ein therapeutisches Arbeitsbündnis nicht zu tragen
vermag, hat der Antragsgegner zu Recht angenommen.
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller mit mit eigenem Schreiben vom
02.03.2005 mitgeteilt, er werde "leider niemehr zu einem anderen Gutachter (SV2)
vertrauen aufbauen können, zu einem Sachverständigen aus einer JVA schon gar nicht
mehr". Er würde sich "auch keinem anderen Sachverständige mehr
anvertrauen" und werde sich "nie wieder einem Sachverständigen aus NRW
unterziehen". Die Behandlung in der sozialtherapeutishen Abteilung der JVA
Aachen umfasst ausweislich des der Kammer vorliegenden Behandlungskonzepts eine
verpflichtende Psychodiagnostik sowie – je nach Lage des Einzelfalles – ggf. auch die
Durchführung einer Psychotherapie. Vor der Aufstellung des ersten Behandlungsplans
wird über jeden Bewohner vom diagnostisch zuständigen Psychologen ein
Basisgutachten gefertigt. Es liegt auf der Hand, dass der Antragsteller sich dem
zuständigen Psychologen der sozialthetrapeutischen Abteiung würde öffnen und
anvertrauen müssen. Hierzu ist der Antragsteller offensichtlich nicht bereit, wie
gleichfalls seine Weigerung erweist, mit dem Anstaltspsychologen im Rahmen der
Exploration zusammenzuarbeiten. Diese Wertung wird auch nicht durch das Schreiben
des Antragstellers vom 03.05.2005 in Frage gestellt. Hier ist nur die Rede davon, dass
er bereit sei, sich von einem Sachverständigen nach Wahl der Kammer begutachten zu
lassen. Seine vorher erklärte Weigerung, sich einem anderen Sachverständigen als
eben SV2 anzuvertrauen und zu öffnen wird hierdurch weder erklärt noch in Frage
gestellt. (Auch) vor diesem Hintergrund ist der Antragsgegner rechtsfehlerfrei zu der
Einschätzung gelangt, im Falle des Antragstellers sei dessen Verlegung in eine
sozialtherapeutische Anstalt wegen dessen Behandlungsunfähigkeit nicht angezeigt.
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Prozesskostenhilfe konnte dem Antragsteller nach alledem nicht bewilligt werden, da
seinem Begehren die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114
ZPO)
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 60, 53 Abs. 1 und 3 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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I.
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1. Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die
Rechtsbeschwerde
Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zu ermöglichen.
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2. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorn
nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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II.
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3. Die Rechtsbeschwerde muss bei dem Landgericht Aachen
binnen eines
Monats
dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung
angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.
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4. Aus der Begründung muss hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung
einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen
Rechtsnorm angefochten wird. Wird die Verletzung einer Rechtsnorm über das
Verfahren gerügt, müssen die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden.
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5. Die/Der Antragsteller/in als Beschwerdeführer/in kann die
Rechtsbeschwerde
nur in einer von einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift
oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts
begründen.
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III.
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6. Gegen die Entscheidung über die Verpflichtung, Kosten oder notwendige Auslagen
zu tragen, kann, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- € übersteigt (vgl.
OLG Köln, B. v. 07.11.2003 – 2 Ws 607/03), bei dem Landgericht Aachen
binnen
einer Woche
Niederschrift der Geschäftsstelle sofortige Beschwerde eingelegt werden.
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IV.
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7. Befindet sich die/der Antragstellerin nicht auf freiem Fuß, kann sie/er die Erklärungen,
die sich auf die Rechtsbeschwerde oder die sofortige Beschwerde beziehen, auch zur
Niederschrift der Geschäftsstelle desjenigen Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die
Anstalt liegt, in der sie/er auf behördliche Anordnung verwahrt wird. Zur Wahrung der
Fristen genügt es, wenn innerhalb der Frist die Niederschrift aufgenommen wird.
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8. Bei schriftlichen Erklärungen genügt es zur Fristwahrung nicht, dass die Erklärung
innerhalb der Frist zur Post gegeben wird. Die Frist ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn
die Erklärung vor dem Ablauf der Frist bei dem Gericht eingeht.
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9. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen
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Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages.

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