Urteil des LG Aachen vom 11.04.2003

LG Aachen: reparatur, form, demontage, fahrzeug, aufwand, mangel, fahren, diagnose, inhaber, entlastungsbeweis

Landgericht Aachen, 5 S 40/03
Datum:
11.04.2003
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 40/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 80 C 468/02
Schlagworte:
Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenverkäufers
Normen:
BGB §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3
Leitsätze:
Der einen Gebrauchtwagenhandel ohne angegliederte Fachwerkstatt
betreibende Fahrzeugverkäufer ist vor der Weiterveräußerung allenfalls
zu einer Untersuchung verpflichtet, die ohne besonderen Aufwand oder
gar Demontage des Pkw durchgeführt werden kann. Einen im Rahmen
dieser (eingeschränkten) Untersuchung nicht erkennbaren Mangel hat
der Gebrauchtwagenverkäufer nicht im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 276
Abs. 1 BGB zu vertreten.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.01.2003 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Aachen - 80 C 468/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 313 a, 540
Abs. 2 ZPO abgesehen.
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Gründe
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung des Klägers hat in der Sache keinen
Erfolg.
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Das Amtsgericht hat die auf Ersatz von Nutzungsausfall für den mit Vertrag vom
15.3.2002 erworbenen Pkw BMW 750i betreffend den Zeitraum 18.6. bis 15.7.2002
sowie weiterer Kosten für die Überprüfung des Fahrzeuges nach erfolgreichem
Reparaturabschluß gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
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Die in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfene Frage, ob dem Käufer eines
mangelhaften Gebrauchtfahrzeuges für den Zeitraum, in dem ihm das Fahrzeug wegen
eines technischen Mangels und infolge einer anschließend durchgeführten Reparatur
nicht zur Verfügung steht, generell keine abstrakt zu berechnende
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Nutzungsentschädigung gewährt werden kann, bedarf vorliegend keiner
abschließenden Entscheidung, da dieser Nutzungsausfall nicht durch eine von dem
Kläger zu vertretende Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280 Abs.1, 276 Abs.1 BGB
verursacht worden ist.
Allerdings bestehen in der bislang veröffentlichten Literatur unterschiedliche
Auffassungen darüber, ob derartige Mangelfolgeschäden als eine Form des
"Schadensersatzes neben der Leistung" unmittelbar aus den §§ 280 Abs.1 Satz 1, 437
Nr.3 BGB zu ersetzen sind (so Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 280 Rd.18 a.E.
und Rd.20; Lorenz NJW 2002, 2501 unter bb) und 2503 unter cc); Schubel JuS 2002,
319 unter bb) und cc) mit Hinweis auf die entsprechende Begründung zu § 437, BT-
Drucks. 14/6040, S.225) oder als Schäden, die aus der verspäteten Nutzbarkeit der
geschuldeten Sache resultieren, nur unter den engeren Verzugsvoraussetzungen der §§
286, 280 Abs.2, 437 Nr.3 BGB (so Dauner-Lieb in: Anwaltskommentar zum Schuldrecht,
2002, § 280 Rd.42ff., insbesondere Rd.48). Selbst bei Bejahung der Ersatzfähigkeit des
hier von dem Kläger geltend gemachten Nutzungsausfalls unmittelbar aus § 280 Abs.1
Satz 1 BGB wäre jedoch neben einer objektiven Pflichtverletzung des Beklagten
erforderlich, dass dieser die Pflichtverletzung in Form der Lieferung des infolge eines
Defektes an dem Automatikgetriebe mangelhaften Pkw (§ 434 Abs.1 BGB) zu vertreten
hätte. Hinsichtlich dieser letztgenannten Anspruchsvoraussetzung ist dem Beklagten
jedoch der ihm im Streitfalle gemäß § 280 Abs.1 Satz 2 BGB obliegende
Entlastungsbeweis "gelungen", da sich die hierfür erforderlichen Umstände bereits aus
dem unstreitigen Sachvortrag beider Parteien ergeben.
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Der Kläger hat sowohl in der Klageschrift, als auch mit Schriftsatz vom 28.11.2002
vorgetragen, dass der Rückwärtsgang des Automatikgetriebes bei der Übergabe des
Fahrzeuges am 15.3.2002 ordnungsgemäß bedient beziehungsweise eingelegt werden
konnte und sich der Pkw erstmals am 17.6.2002 nicht mehr rückwärts fahren ließ. Der
hierfür ursächliche Defekt an dem Automatikgetriebe konnte zunächst auch mittels einer
elektronischen Diagnose durch eine BMW-Fachwerkstatt nicht ermittelt werden, da kein
Fehler in dem sogenannten EGS-Steuergerät abgelegt war. Aufgrund des hierdurch zu
vermutenden mechanischen Defektes wurde das Automatikgetriebe des Pkw sodann
auf Veranlassung des Beklagten in dieser Fachwerkstatt einer aufwendigen Reparatur
unterzogen.
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Hieraus folgt, dass der Getriebemangel des Fahrzeuges für den Beklagten als Inhaber
eines Gebrauchtwagenhandels ohne angegliederte Fachwerkstatt auch bei einer ohne
besonderen technischen Aufwand oder gar Demontage des Pkw durchzuführenden
Untersuchung vor der Veräußerung an den Kläger nicht erkennbar gewesen ist und der
Beklagte diesen erst nachträglich festgestellten Mangel und damit auch den
Nutzungsausfall des Fahrzeuges nicht im Sinne der §§ 280 Abs.1, 276 Abs.1 BGB zu
vertreten hat. Zu weiteren, über diese ohnehin umstrittene eingeschränkte
Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenverkäufers (vgl. Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 7. Aufl. 2000, Rd. 1898ff. m.w.N.) hinausgehenden Maßnahmen war der
Beklagte dem Kläger gegenüber auch nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages
vom 15.3.2002 nicht verpflichtet (§ 276 Abs.1 Satz 1 BGB; vgl. ferner: Palandt/Heinrichs,
aaO., § 280 Rd.19).
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Auch eine gegebenenfalls über die §§ 286, 280 Abs.2, 437 Nr.3 BGB
schadensersatzbegründende Pflichtverletzung des Beklagten in Form einer verzögerten
Durchführung der als Nacherfüllung anzusehenden Reparatur des Fahrzeuges (§ 439
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Abs.1 BGB) liegt nicht vor. Der Beklagte hat die Reparaturarbeiten unverzüglich nach
Erhalt des klägerischen Schreibens vom 1.7.2002 in Auftrag gegeben, mit der Folge,
dass das Fahrzeug innerhalb der von dem Kläger gesetzten Frist wieder instandgesetzt
worden ist.
Aus den vorbezeichneten Gründen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Ersatz der
Überprüfungskosten in Höhe von 26,91 EUR zu. Aus § 439 Abs.2 BGB können diese
Kosten nicht verlangt werden, da es sich hierbei nicht um zur Mängelbeseitigung
erforderliche Aufwendungen handelt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gegen diese Entscheidung wird die Revision nicht zugelassen, da die
Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die sich aus den Umständen
des vorliegenden Einzelfalles ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen
der Kammer begründen keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Ebenso
wenig begründet die sich an allgemeine schuldrechtliche Grundsätze anschließende
Auslegung des § 280 Abs. 1 BGB durch die Kammer die Erforderlichkeit einer
diesbezüglichen übergerichtlichen Leitentscheidung im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr.
2 ZPO.
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Berufungsstreitwert:
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a. X2 X3
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