Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: neues vorbringen, verjährungsfrist, arbeitsgericht, firmenbezeichnung, unternehmen, vergütung, erwerb, rechtskraft, erfüllung, abrechnung

1
2
3
4
5
Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Sa 150/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 1 HGB, § 195 BGB,
§ 196 Abs 1 Nr 9 BGB, Art
229 § 6 Abs 1 BGBEG, Art
229 § 6 Abs 4 S 2 BGBEG
Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäftes für
Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer - Ablauf der
Verjährungsfrist
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom
2.3.2006 - 3 Ca 1640 b/05 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihres
Ehemannes verpflichtet ist, dem Kläger Vergütung zu zahlen.
Der Kläger war in der Zeit vom 15.06. bis 17.12.2001 bei der Transportgesellschaft
K. in K., …straße … als LKW-Fahrer beschäftigt. Das Unternehmen arbeitete mit
einem LKW. Maßgeblich tätig war dort R. K., der Ehemann der Beklagten, der
bereits am 10.1.2001 die eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht …
(Az.: DR II …/01) abgegeben hatte. Dort hatte er angegeben, seinen
Lebensunterhalt durch Transportfahrten und Aushilfsjobs zu finanzieren und kein
Vermögen zu haben (Bl. 26 d.A.). Der Kläger war seinerzeit mit R. K. befreundet
gewesen. Er war der einzige angestellte Fahrer. Ob R. K. unter dem Namen „B. …
gesellschaft“ handelte, ist jetzt strittig. Der Kläger in diesem Arbeitsverhältnis
nicht die volle vereinbarte Vergütung erhalten. Er hat deshalb am 20.12.2002
gegen R. K. vor dem Arbeitsgericht Elmshorn Klage erhoben (3 C 2749 b/02), mit
der Abrechnung und Zahlung begehrt hat. Am 10.2.2003 ist ein Versäumnisurteil
gegen R. K. verkündet worden, mit dem er verurteilt worden ist, dem Kläger
Abrechnung für die Zeit vom 15.6.2001 bis 17.12.2001 zu erteilen und an ihn
1.789,52 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Dieses Versäumnisurteil ist am
25.2.2003 zugestellt worden (Bl. 17 der BA).
Die Beklagte hat am 22.4.2002 unter dem Namen „B…gesellschaft“ eine Tätigkeit
aufgenommen (Gewerbeauskunft Bl. 21 BA). Gegenstand ihrer Tätigkeit ist die
Vermietung von Baumaschinen und Containern, Arbeiten mit Baumaschinen,
Erdbau- und Abbrucharbeiten und Transporte. Für die Zeit vom 15.08.02 bis zum
15.06.03 hat sie von der Fa. M. Handel + Transport in … einen LKW mit 2
gebrauchten Abrollcontainer Fabrikat MAN, 26.403 FNLC mit Hüffermann
Spezialaufbau (Fahrzeug-Ident-Nr. …), Baujahr 9/1997, gemietet (Bl. 39 d.A.). Eine
Halteranfrage des Klägers bei der Zulassungsbehörde (Bl. 16 d.A.) vom 4.6.2003
ergab, dass am 6.5.2003 ein LKW mit dem amtlichen Kennzeichen: … ist auf die
Beklagte zugelassen war.
Am 13.10.2004 hat der Kläger die vorstehende Klage erhoben, mit der er geltend
macht, die Beklagte sei durch Geschäftsübernahme Rechtsnachfolgerin von R.K.
geworden.
Der Kläger hat beantragt,
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.789,52 EUR zuzüglich fünf
Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2002 zu zahlen
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin, für die durch rechtskräftiges
Versäumnisurteil vom 10.02.2003 Az.: 3 Ca 2749 b/02 ArbG Elmshorn titulierte
Forderung des Klägers gegen R. K., ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie hafte nicht, da zum Zeitpunkt der
Gewerbeanmeldung das Arbeitsverhältnis des Klägers zu ihrem Ehemann bereits
beendet gewesen sei. Im Übrigen seien die Ansprüche verjährt.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin für die durch
rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 10.02.2003 Az.: 3 Ca 2749 b/02 ArbG
Elmshorn titulierte Forderung des Klägers gegen R. K. , …straße .., K. ist.
2. Dem Kläger ist Vollstreckungsklausel zu dem Versäumnisurteil des
Arbeitsgerichts Elmshorn vom 10.02.2003 Az.: 3 Ca 2749 b/02 in Sachen B. gegen
R. K. zur Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte G. K. zu erteilen.
Es hat ausgeführt, die Beklagte hafte nach § 25 HGB analog für die
Verbindlichkeiten ihres Ehemannes, da sie unter der Bezeichnung „B…
gesellschaft“ die Geschäfte weitergeführt habe. Der Anspruch sei auch nicht
verjährt, da er der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
EG BGB unterliege.
Gegen dieses am 10.3.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.4.2006 mit
Fax und 12.4.2006 im Original Berufung eingelegt und diese am 19.4.2006
begründet.
Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen,
dass sie Rechtsnachfolgerin für die titulierte Forderung des Klägers gegen ihren
Ehemann sei und dem Kläger eine Vollstreckungsklausel gegen die Beklagte zu
erteilen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Beklagte, was bestritten
werde, durch die Verwendung der Firmenbezeichnung „B…gesellschaft“ den
Tatbestand des § 25 Abs. 1 HGB ausgelöst haben sollte, hätte dies lediglich die
Wirkung einer kumulativen Schuldübernahme, würde also lediglich zu einer
gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten neben der Haftung des
Ehemannes führen. Auch in diesem Fall wäre die Forderung des Klägers gegenüber
der Beklagten aber in jedem Fall verjährt. Die Verjährungseinrede wiederhole sie.
Das Versäumnisurteil gegen ihren Ehemann sei für sie nicht bindend, weil die
Rechtskraft erst nach einer Firmenfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB
eingetreten wäre. Im Verhältnis zu ihr sei durch die Klage gegen ihren Ehemann
eine Hemmung des Anspruchs nicht eingetreten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus, dadurch, dass dem
Kläger Vollstreckungsklausel jetzt auch gegen die Beklagte erteilt worden sei,
entfalle die ursprüngliche Haftung des Ehemannes R. K. nicht. Im Ergebnis
hafteten die Eheleute K. jetzt gesamtschuldnerisch. Die Beklagte hafte für die
Verpflichtung ihres Ehemannes als Inhaberin der B…gesellschaft. Das bestreite sie
letztlich nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten hafte der fortführende
Geschäftsinhaber für die Verbindlichkeiten des bisherigen Firmeninhabers gem. §
25 HGB. Anderes könne auch nicht der von der Beklagten zitierten Entscheidung
des BGH entnommen werden. Unzutreffend sei, dass Verjährung des Anspruchs
23
24
25
26
27
29
31
32
des BGH entnommen werden. Unzutreffend sei, dass Verjährung des Anspruchs
eingetreten sei. Die Verjährung sei durch die Erhebung der Klage gegen R. K.
gehemmt gewesen und habe nicht am 9.5.2005 geendet. In der Verhandlung vom
9.11.2004 sei die Auffassung des Arbeitsgerichts erörtert worden, es sei eine
Berichtigung des Versäumnisurteils gemäß § 319 ZPO möglich. Der
entsprechende Antrag habe jedoch nicht Erfolg gehabt. Danach habe er, der
Kläger, die Klage gegen die Beklagte fortgesetzt. Er habe das Verfahren also
immer weiter betrieben.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen
Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
1. So hat das Arbeitsgericht entgegen § 308 ZPO mit dem Ausspruch zu 2 mehr
ausgeurteilt, als der Kläger überhaupt beantragt hat. Insoweit kann das Urteil
ohnehin nicht Bestand haben.
2. Aber auch im Übrigen ist das Urteil abzuändern.
2.1 Eine Haftung der Beklagten für die Verpflichtungen des R. K. gem. § 25 HGB
analog kommt zwar in Betracht. Jedoch ist die Beklagte nicht Rechtsnachfolgerin
i.S. des § 729 ZPO geworden, so dass eine Umschreibung des Versäumnisurteils
nicht in Betracht kommt.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass gem. § 25 HGB der
Erwerber eines Handelsgeschäftes auch für Vergütungsansprüche der
Arbeitnehmer hafte und dass die Vorschrift seit der Handelsrechtsreform vom
22.06.1998 grundsätzlich jeden Gewerbetreibenden trifft, gleichgültig, ob er im
Handelsregister eingetragen ist, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art
oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht
erfordert, § 1 Abs. 2 HGB.
Voraussetzung einer Haftung nach § 25 HGB ist der Erwerb des Unternehmens
und die Fortführung des Handelsgeschäfts unter derselben Firmenbezeichnung.
Dabei genügt für die Erfüllung des Merkmals „Erwerb“ jede
Unternehmensübertragung und -überlassung (Baumbach/Hopt, Rn. 4 zu § 25
HGB). Erforderlich ist auch, dass das Handelsgeschäft fortgeführt wird. Es genügt
die Fortführung des Handelsgeschäfts im wesentlichen Kern, wobei auch ein
wesentlicher Unternehmensteil ausreichen kann (Baumbach/Hopt, Rn. 6 zu § 25
HGB). Dafür, dass die Beklagte das Unternehmen ihres Ehemannes fortgeführt
hat, sprechen, dass sie unter derselben Anschrift im wesentlich gleichen
Tätigkeitsfeld aktiv wird und dass sie weiterhin mit demselben LKW arbeitet.
Die Haftung des Erwerbers des Geschäfts eines Nichtkaufmannes kommt
allerdings nicht, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist, unmittelbar nach §
25 HGB in Betracht (str., s. Baumbach/Hopt, Rn. 2 zu § 25 HGB, m.w.N.). Hier kann
allenfalls eine Rechtsscheinhaftung bei Fortführung der Bezeichnung des
Geschäftes greifen (Baumbach/Hopt, Rn. 6 zu § 25 HGB).
Die Rechtsscheinhaftung ist Teil der Vertrauenshaftung (Baumbach/Hopt, Rn. 9 zu
§ 5 HGB). Geschützt wird das Vertrauen des Vertragspartners in die Kontinuität
des Unternehmens. Dies ist hier der Fall, da die Beklagte das Geschäft unter der
Firmenbezeichnung „B…gesellschaft“ weitergeführt und sich im Gewerberegister
als Geschäftsführerin eintragen lassen hat. Die Beklagte hat zwar in der
Berufungsverhandlung bestritten, dass ihr Ehemann bereits unter dem Namen
„B…gesellschaft“ tätig gewesen sei. Dieses Bestreiten ist allerdings neues
Vorbringen, das nicht mehr berücksichtigt werden kann. Erstinstanzlich war diese
Tatsache unstreitig, wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils
ergibt, § 314 ZPO. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte hierzu lediglich
ausgeführt:
„Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte - was bestritten wird - durch
die Verwendung der Firmenbezeichnung B…gesellschaft den Tatbestand des § 25
Abs. 1 HGB ausgelöst haben sollte, hätte dies lediglich die Wirkung einer kraft
Gesetzes eintretenden kumulativen Schuldübernahme, würde also lediglich zu
einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten neben der Haftung des
Ehemannes führen.“
33
34
35
36
38
39
40
Dies ist nicht so zu verstehen, dass die Beklagte die Kontinuität der
Firmenbezeichnung bestreiten will, sondern, dass die die Anwendbarkeit des § 25
Abs. 1 HGB auf diesen Sachverhalt leugnet, wie auch aus dem folgenden Vortrag
deutlich wird. Dass die Beklagte unter dem Namen „B…gesellschaft“ tätig wird, ist
unstreitig. Auch hat sie nicht ausdrücklich bestritten, dass ihr Ehemann zuvor
unter derselben Firma handelte. Das erstmalige Bestreiten in der
Berufungsverhandlung ist nicht mehr zulässig, § 67 ArbGG.
Jedoch ist die Beklagte nicht Rechtsnachfolgerin, sondern Gesamtschuldnerin mit
ihrem Ehemann geworden, § 421 BGB. Denn der behauptete Übergang des
Geschäfts hat bereits vor Erhebung der Klage gegen R. K. stattgefunden (BGH
Urteil vom 08.05.1989 - II ZR 237/88 - NJW-RR 1989,1055).
2.2 Eine gegenüber der Beklagten bestehende Forderung ist indes bereits verjährt.
Die Arbeitslohnforderung des Klägers ist vor dem 31.12.2001 entstanden. Gem. §
196 Abs. 1 Nr. 9 BGB a.F. betrug die Verjährungsfrist 2 Jahre und begann mit dem
Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war, § 201 BGB a.F.. Nach §
195 BGB n.F. beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Sie beginnt mit
dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 Nr. 1
BGB n.F.. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB in der
ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung Anwendung auf die an diesem Tag
bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche. Statt der Unterbrechung durch
eine Klage tritt die Hemmung der Verjährung ein, soweit der Umstand ab dem
1.1.2002 eintritt, Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB. Läuft jedoch die Verjährungsfrist nach
dem BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung früher ab, als die in der
Fassung ab dem 1.1.2002, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der nach der
bisherigen Fassung bestimmten Frist vollendet, Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB.
Die Verjährungsfrist begann mithin mit dem 1.1.2002 zu laufen und endete, sofern
nicht eine Hemmung eintrat, mit Ablauf des 31.12.2003.
Der Ablauf der Verjährungsfrist ist gegenüber der Beklagten nicht durch die Klage
gegen R. K. gehemmt gewesen. Da die Beklagte nicht Rechtsnachfolgerin, sondern
Gesamtschuldnerin mit ihrem Ehemann geworden ist, greifen die Regelungen der
§§ 421 ff. BGB (BGH a.a.O.). Dies bedeutet, dass Erfüllung, Erlass und Verzug
jeweils auch für die anderen Schuldner gilt, §§ 422 bis 424 BGB. Andere als die in
§§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem
Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in
dessen Person sie eintreten, § 425 Abs. 1 BGB. Das gilt auch für die Verjährung
einschließlich der Hemmungs- und Neubeginnstatbestände. Sie entfalten
Wirkungen nur gegenüber dem Gesamtschuldner, bei dem die Voraussetzungen
dieser Tatbestände gegeben sind (Rüßmann in jurisPK-BGB, Rn. 12 zu § 425 BGB ).
Ebenso hat die Rechtskraft eines Urteils zwischen einem Gesamtschuldner und
dem Gläubiger nur Einzelwirkung (Rüßmann, a.a.O., Rn. 16).
Auf die Frage, ob und wie lange die Verjährung gegenüber R. K. unterbrochen war,
kommt es daher nicht an, ebenso wenig, ob der vorliegende Rechtsstreit zeitweise
nicht betrieben worden ist und daher eine Hemmung endete. Denn die Verjährung
war bereits vor Erhebung der Klage gegen die Beklagte eingetreten. Sie konnte
nicht mehr gehemmt werden.
Das angefochtene Urteil ist daher abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge
aus § 91 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.