Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: arbeitsgericht, unterbrechung, insolvenz, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, umweltrecht, zivilprozessrecht, arbeiter, quelle

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Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ta 249/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 ZPO, § 240 ZPO, § 21
InsO, § 22 InsO
Unterbrechung des Rechtsstreits wegen Insolvenz nicht bei
Zustimmungsvorbehalt
Leitsatz
Die Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 ZPO tritt noch nicht ein, wenn das
Insolvenzgericht bestimmt, dass Verfügungen des Schuldners der Zustimmung des
vorläufigen Insolvenzverwalters bedürfen. Ein sog. steckengebliebenes PKH-Gesuch
liegt noch nicht vor, wenn der Kläger etwa eine Woche vor Insolvenzeröffnung seinen
Antrag formuliert und noch eine Stellungnahme des Beklagten (späterer
Insolvenzschuldner) erforderlich ist.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Weigerung des Arbeitsgerichts Elmshorn in
Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.11.2005 - 2 Ca 421 c/05 - , dem
Kläger Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsstreits zu bewilligen, wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger Bewilligung der Prozesskostenhilfe für
seine Klage.
Mit seiner am 28.2.2005 erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, die Beklagte zur
Zahlung von 7.851,14 EUR brutto zu verurteilen. Er hat vorgetragen, er sei seit
Oktober 1990 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Die Beklagte schulde ihm
die Jahressonderleistungen sowie das Urlaubsgeld für die Jahre 2003 und 2004.
Zwar habe die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2003 (Bl. 5 d.A.) Zahlung
angekündigt. Dies sei jedoch nicht geschehen. Am 27.6.2005 ist durch Beschluss
des AG Pinneberg (.. IN …/05) ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden.
Das Insolvenzverfahren ist am 1.9.2005 eröffnet worden.
Am 13.7.2005 hat der Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter
Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen. Das Arbeitsgericht hat den Kläger mit
Verfügung vom 16.8.2005 aufgefordert, klarzustellen, für welchen zu stellenden
Antrag er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Dem Schriftsatz vom
30.5.2005 sei zu entnehmen, dass der ursprünglich gestellte Antrag nicht mehr in
vollem Umfang verfolgt werden solle. Eine konkrete Antragsumstellung sei aber
nicht erfolgt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.8.2005 den Antrag
angekündigt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.364,40 EUR brutto nebst
Zinsen zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat unter Hinweis auf die Unterbrechung des
Rechtsstreits über die beantragte Prozesskostenhilfe nicht entschieden. Der Kläger
hat am 9.11.2005 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen
hat.
II. Die sofortige Beschwerde hat nicht Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im
derzeitigen Stadium versagt, weil der Rechtsstreit inzwischen gem. § 240 ZPO
wegen des Insolvenzverfahrens unterbrochen ist.
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Die Unterbrechung ist allerdings nicht bereits durch den Beschluss vom 27.6.2005
eingetreten. Zutreffend verweist der Kläger darauf, dass dieser Beschluss vom
27.6.2005 nur eine vorläufige Maßnahme zum Gegenstand hatte. Dabei ist
bestimmt worden, dass Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit Zustimmung
des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter
ist aber nicht als sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden.
Dafür wäre erforderlich gewesen, dass das Insolvenzgericht dem Schuldner ein
allgemeines Verfügungsverbot auferlegte, § 22 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. InsO.
Tatsächlich ist aber angeordnet worden, dass Verfügungen der Schuldnerin der
Zustimmung bedürfen. Dabei handelt es sich nicht um ein allgemeines
Verfügungsgebot (Uhlenbruck, Rn. 11 zu § 22 InsO). Dementsprechend ist in
diesem Zeitpunkt auch noch nicht eine Unterbrechung des Rechtsstreits gem. §
240 ZPO eingetreten (OLG Karlsruhe Urteil vom 14.3.2003 - 14 U 207/01 - zitiert
nach juris; OLG Celle Beschluss vom 13.6.2003 - 5 W 25/02 - zitiert nach juris; OLG
Celle Beschluss vom 11.2.2000 - 11 U 12/00 - zitiert nach juris; KG Beschluss vom
9.10.2000 - 26 W 7002/00 - zitiert nach juris; BGH Urteil vom 21.6.1999 - II ZR
70/98 - DB 1999,1650). Nach § 240 S. 2 ZPO ist Voraussetzung, dass die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf
einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Die Unterbrechung des
Rechtsstreits hat damit erst am 1.9.2005 durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens stattgefunden. Damit ist auch das Verfahren auf Bewilligung
der Prozesskostenhilfe unterbrochen worden (LAG Hamm Beschluss vom 3.2.1999
- 4 Sa 1050/98 - zitiert nach juris; OLG Köln Beschluss vom 15.11.2002 - 2 U 79/02
- zitiert nach juris).
Eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe kommt dennoch nicht in Betracht. Im
derzeitigen Stadium ist eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage nicht
gegeben. Mit den zuletzt angekündigten Anträgen kann der Klage derzeit nicht
stattgegeben werden. Für ein unterbrochenes oder ruhendes Verfahren darf
Prozesskostenhilfe nicht mehr gewährt werden (LAG Hamm Beschluss vom
11.11.2003 - 4 Ta 795/03 - NZA-RR 2004,102).
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Bewilligung noch erfolgen
müsse, weil das Arbeitsgericht die Bearbeitung seines Prozesskostenhilfegesuchs
verzögert habe (sog. stecken gebliebenes Gesuch). Von einem solchen wird
gesprochen, wenn das PKH-Gesuch rechtzeitig eingegangen, aber vom Gericht vor
Instanzbeendigung nicht hat beschieden werden können oder infolge nicht
ordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht entschieden worden ist (LAG Hamm
Beschluss vom 8.8.2003 - 4 Ta 489/02 - NZA-RR 2003,156). Zutreffend weist das
Arbeitsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss darauf hin, dass auch der
Gegenseite Gelegenheit zur Stellungnahme zur Erfolgsaussicht zu geben war.
Angesichts des Zeitpunkts der Umformulierung der Anträge kann eine
Verzögerung der Bearbeitung durch das Arbeitsgericht nicht festgestellt werden.
Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich. Gegen
diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.