Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: ordentliche kündigung, faires verfahren, berufungsschrift, fax, zeichnung, arbeitsgericht, original, absicht, schriftstück, berufungsfrist

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Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Sa 118/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 66 Abs 1 ArbGG, § 64 Abs 6
ArbGG, § 519 Abs 4 ZPO, §
130 Nr 6 ZPO
Erkennbarkeit der Unterschrift auf der Berufungsschrift
Leitsatz
Berufungen müssen mit der Unterschrift der Person versehen sein, die den Schriftsatz
verantwortet. Lesbarkeit der Unterschrift ist nicht erforderlich. Es reicht aber nicht aus,
wenn die Berufungsschrift mit einem Zeichen versehen ist, aus dem sich auch nicht
unter Hinzuziehung des hinzugesetzten Namens des Unterzeichners erkennen lässt,
um welche Buchstaben es sich handeln soll. Wird der Prozessbevollmächtigte am
frühen Nachmittag (hier: 15.07 Uhr) des letzten Tages der Berufungsfrist per Telefax
davon unterrichtet, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sei,
kann er sich nicht darauf berufen, die Grundsätze eines fairen Verfahrens seien verletzt.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom
23.1.2003 - 2 Ca 3514/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Gründe
I.
23.1.2003, zugestellt am 10.2.2003, mit dem das Arbeitsgericht festgestellt hat,
dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch fristlose, sondern durch
ordentliche Kündigung geendet hat.
Der am 7.3.2003 per Fax und 10.3.2003 im Original eingegangene Schriftsatz
weist an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle folgenden Schriftzug auf:
Mit Verfügung vom 10.3.2003, am selben Tag gegen 15:07 Uhr mit Fax an die
Beklagtenvertreter abgesandt, wurde darauf hingewiesen, dass Bedenken zur
Zulässigkeit der Berufung bestehen, da die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß
unterzeichnet sei. Mit dem am 14.3.2003 eingegangenen Schriftsatz vom
13.3.2003, der wie folgt abgezeichnet war:
Für den Berufungskläger
wandte der Beklagte ein, es handele sich um die Unterschrift seiner
Prozessbevollmächtigten, nicht um ein Kürzel. Der Schriftsatz vom 24.3.2003 ist
wie folgt gezeichnet:
Der Beklagte trägt vor, die Berufung sei nicht unzulässig, weil der Schriftsatz
erkennbar unterzeichnet sei. Die Unterschrift sei noch nie beanstandet worden. Ein
faires Verfahren fordere, dass zuerst eine Warnung erfolge.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Der Beklagte hat die Frist für die Einlegung der Berufung von einem Monat nach
Zustellung des angefochtenen Urteils, die am 10.3.2003 ablief, § 66 Abs. 1 ArbGG,
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Zustellung des angefochtenen Urteils, die am 10.3.2003 ablief, § 66 Abs. 1 ArbGG,
versäumt. Der Berufungsschriftsatz genügt nicht den Formvorschriften. Gem. § 64
Abs. 6 ArbGG, §§ 519 Abs. 4, 130 Ziff. 6 ZPO müssen vorbereitende Schriftsätze
mit einer Unterschrift der Person versehen sein, die den Schriftsatz verantwortet.
Sofern die Berufungsschrift von der Beklagtenvertreterin abgezeichnet sein sollte,
kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Zeichen um eine
Unterschrift handelt. Es ist nicht zu erkennen dass sie mit diesem Zeichen ein „E“,
ein „l“ oder etwas Anderes schreiben wollte. Schon gar nicht kann festgestellt
werden, dass damit eine vollständige Unterschrift geleistet werden sollte. Es
handelt sich damit nicht um einen Schriftzug, der als Unterschrift gewertet werden
könnte, denn eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus (vgl.
hierzu: LAG Berlin Beschluss vom 12.10.2001 - 6 Sa 1727/01 - NJW 2002,989).
Nicht notwendig ist, dass die Unterschrift lesbar ist. Es muss sich aber um die
Wiedergabe eines Namens handelt und es muss sich aus ihr die Absicht einer
vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen (BAG Beschluss vom 30.8.2000 5
AZB 17/00 - NZA 2000,1248). Das ist hier nicht der Fall.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den von dem Beklagten zitierten
Entscheidungen. Im Gegenteil ergibt sich aus der angezogenen Entscheidung des
BGH (vom 8.10.1991 - XI ZB 6/91 - NJW 1992,243), dass es erforderlich ist, dass
ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell
gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle
Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten
Handzeichen zu versehen. Dabei könne der Namenszug flüchtig geschrieben sein
und brauche weder die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen noch im
ganzen lesbar zu sein, wobei bei der Prüfung, ob eine Unterschrift vorliegt, eine
dem Schriftzug beigefügte vollständige Namenswiedergabe in Maschinen- oder
Stempelschrift zur Deutung vergleichend herangezogen werden könne.
Maßgebend sei, dass die Unterschrift sicherstelle, dass das Schriftstück auch vom
Unterzeichner stammt. Diesen Anforderungen genügt das Zeichen gerade nicht.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann auch nicht aus der Art der
Zeichnung erkannt werden, dass es sich um die Unterschrift seiner
Prozessbevollmächtigten handeln sollte. Denn die „Unterschrift“ der
Beklagtenvertreterin erfolgt nicht gleichbleibend., wie sich aus dem oben
Wiedergegebenen ergibt. Ein Buchstabe ist, auch wenn der druckschriftlich
hinzugefügte Name betrachtet wird, nicht erkennbar. Weder kann ein „E“ noch ein
„l“ oder gar der Rest des (Doppel-)Namens identifiziert werden.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass in anderen Fällen ein
gleichartiges Zeichen seiner Prozessbevollmächtigten vom Gericht nicht
beanstandet worden sei. Ob dies zutrifft, kann nicht überprüft werden. Dass die
Klagerwiderung vom Arbeitsgericht nicht beanstandet worden ist, reicht alleine
nicht aus, um einen Vertrauensschutz zu begründen. Es kann daraus nicht
gefolgert werden, dass die „Unterschrift“ der Beklagtenvertreterin jahrelang
anerkannt worden wäre. Zudem muss der Beklagtenvertreterin als Rechtsanwältin
die Problematik einer unzureichenden Unterschrift bekannt sein, da diese Frage in
Fachliteratur und Rechtsprechung regelmäßig behandelt wird. Auch sind
entsprechende Entscheidungen des LAG Schleswig-Holstein, in denen die
Berufung wegen der „Unterschrift“ als unzulässig verworfen worden ist,
veröffentlicht (z.B. Beschluss vom 10.9.1999 - 4 Sa 510/98 -; vom 20.8.1990 - 4 Sa
210/90 - ; vom 6.7.1989 - 4 Sa 118/89 - sämtlich zitiert nach JURIS).
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterschrift unter einen
bestimmenden Schriftsatz stellen auch nicht lediglich eine „Förmelei“ dar. Sie
dienen vielmehr der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (LAG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 10.9.1999 - 4 Sa 510/98 - ).
Soweit der Beklagte die Grundsätze eines fairen Verfahrens anspricht, sei darauf
hingewiesen, dass sofort, nachdem das Original der Berufungsschrift vorgelegt
worden war, die Beanstandung der Zeichnung per Fax mitgeteilt wurde, um ihm
noch Gelegenheit zu geben, innerhalb der Berufungsfrist eine ordnungsgemäß
unterzeichnete Berufung einzureichen. Diese Chance hat er indes nicht
wahrgenommen.
Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zu verwerfen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da nicht ersichtlich ist, dass die
Bedeutung des Falls über den Einzelfall hinausginge.