Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: arbeitsgericht, fristlose kündigung, niedersachsen, vergleich, abschlag, feststellungsklage, ausbildung, gärtner, leistungsklage, auflage

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Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ta 196/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 45 Abs 1 S 2 GKG 2004, §
19 RVG, § 32 RVG, § 33 RVG
Streitwertfestsetzung - Weiterbeschäftigungsanspruch als
uneigentlicher Hilfsantrag
Leitsatz
Kündigt ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit "für den Fall des Obsiegens" den
Hilfsantrag an, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, ist dieser
unechte Hilfsantrag auch bei der anwaltlichen Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen
soweit nicht über ihn entschieden wird oder hierzu eine vergleichsweise Regelung
getroffen wird.
Tenor
Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Elmshorn vom 15.09.2009 – 4 Ca 134 b/09 – wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger stand seit dem 01.09.2006 bei der Beklagten zu 1 in einem
Ausbildungsverhältnis. Er erhielt zuletzt 585,-- EUR brutto monatlich. Die Beklagte
zu 1 hat das Ausbildungsverhältnis sowohl am 16.01.2009 und dann erneut am
04.03.2009 fristlos gekündigt. Der Kläger hat sich jeweils unter Beachtung der
Klagefrist gegen die Kündigungen beim Arbeitsgericht Elmshorn gewehrt. Er hat
insgesamt folgende Anträge erhoben:
1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Ausbildungsverhältnis nicht aufgrund der von der Beklagten zu 1.
ausgesprochenen fristlosen Kündigung, datiert mit dem 16. Januar 2009,
dem Kläger zugegangen am 17. Januar 2009 mit sofortiger Wirkung
aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der
Kündigung der Beklagten zu 1. entstehen wird.
3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger EUR
850,-- brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit
dem 01.03.2009 zu zahlen,
4. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit
seinem Klagantrag zu 1. aus der Klageschrift vom 02.02.2009 als
Auszubildenden zum Gärtner/Fachrichtung Baumschule weiter zu
beschäftigen,
5. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
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5. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Ausbildungsverhältnis auch nicht durch die weitere (fristlose) Kündigung
der Beklagten zu 1. vom 04.03.2009, zugegangen am 06.03.2009, mit
sofortiger Wirkung beendet worden ist,
6. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Ausbildungsverhältnis auch nicht aufgrund anderer
Beendigungstatbestände beendet werden wird,
7. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger auch aus der
weiteren Kündigung der Beklagten zu 1. vom 04.03.2009 entstehen wird,
8. die Beklagte zu 1. für den Fall des Obsiegens des Klägers in erster Instanz
als Gärtner/Fachrichtung Baumschule weiter auszubilden.
Der Rechtsstreit endete am 29.04.2009 durch einen Vergleich mit folgendem
Inhalt:
1. Das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien endet einvernehmlich
mit Ablauf des 30.04.2009.
2. Die Beklagten zahlen an den Kläger für den Verlust des Ausbildungsplatzes
eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 7.000,-- EUR
brutto.
3. Die Beklagten verpflichten sich, das Ausbildungsverhältnis bis zum
30.04.2009 ordnungsgemäß abzurechnen und die sich daraus ergebenden
Nettobeträge an den Kläger zu zahlen.
4. Dem Kläger im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses zustehender Urlaub
ist diesem in natura gewährt worden.
5. Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen Ansprüche aus
dem Ausbildungsverhältnis, dessen Beendigung sowie dieser Rechtsstreit
erledigt. Wechselseitige Vorwürfe werden nicht aufrechterhalten und
etwaige Strafanzeigen zurückgenommen. Von der Generalquittung nicht
umfasst sind die gesetzlichen Verpflichtungen zur Erteilung eines
Ausbildungszeugnisses und Erteilung etwaiger Arbeitsbescheinigungen
oder sonstiger Bescheinigungen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht Elmshorn mit Beschluss
vom 15.09.2009 (Blatt 93 d. A.) den Wert des Streitgegenstandes auf 7.067,50
EUR festgesetzt. Es hat dabei den Streitwert der ersten Kündigung vom
16.01.2009 mit 1,5 Gehältern à 585,-- EUR bewertet. Für die Klaganträge zu 2. und
zu 7., gerichtet auf die Feststellung des Bestehens einer gesamtschuldnerischen
Schadensersatzpflicht der Beklagten, ist es von insgesamt 3.000,-- EUR
ausgegangen; den Klagantrag zu 3. hat es mit der Höhe des Zahlungsbegehrens
von 850,-- EUR bewertet. Der mit Ziffer 4. eingereichte zweite
Kündigungsschutzantrag wurde mit drei Gehältern à 585,-- EUR, also 1.755,-- EUR,
bewertet; das Weiterbeschäftigungsbegehren der Klaganträge zu 4. und zu 8. mit
insgesamt einem Gehalt à 585,-- EUR. Den mit Klagantrag zu 6. gestellten
allgemeinen Feststellungsantrag hat das Arbeitsgericht mit 0 bewertet.
Gegen diesen dem Klägervertreter am 17.09.2009 zugestellten
Wertfestsetzungsbeschluss hat er am 22.09.2009 Beschwerde eingelegt. Er meint,
der Kündigungsschutzantrag zu 1. sei nicht nur mit 1,5 sondern mit drei
Bruttomonatsgehältern zu bewerten; der auf Feststellung eines
Schadensersatzanspruches gerichtete Klagantrag zu 2. sei mit wenigstens 6.000,-
- EUR (Blatt 88 d. A.), wenn nicht gar mit 9.000,-- EUR (Blatt 100 d. A.) zu
bewerten. Der Antrag zu 7., mit dem erneut die Feststellung einer
Schadensersatzverpflichtung begehrt wird, habe ebenfalls einen eigenständigen
Streitwert. Die Bewertung des allgemeinen Feststellungsantrages (Antrag zu 6.)
mit 0 wird nicht beanstandet; der mit Antrag zu 8. formulierte
Weiterbeschäftigungsantrag sei unabhängig von der bereits erfolgten Bewertung
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Weiterbeschäftigungsantrag sei unabhängig von der bereits erfolgten Bewertung
des Weiterbeschäftigungsantrages zu Ziff. 4 nochmals mit einem
Bruttomonatsgehalt zu bewerten.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dabei unter anderem
darauf hingewiesen, dass schon der mit Antrag zu 4 als bedingter Antrag
angekündigte Weiterbeschäftigungsantrag an sich nicht zu berücksichtigen
gewesen wäre, da er letztendlich nicht angefallen ist (vgl. Nichtabhilfebeschluss
vom 29.10.2009, Blatt 103 d. A.). Es hat die Sache dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist gemäß § 32 Abs. 2
Satz 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig. Der
Beschwerdewert ist angesichts dessen, dass der Klägervertreter u.a. eine
Werterhöhung für die Schadensersatzanträge zu 2 und 7 um mehr als 6.000,--
EUR und für den unter Ziffer 8 angekündigten zweiten Weiterbeschäftigungsantrag
um 585,-- EUR begehrt, erreicht.
In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
1. Den Klagantrag zu 1. hat das Arbeitsgericht im Rahmen des ihm nach § 3 ZPO
zustehenden Ermessens gemäß § 42 Abs. 4 GKG zutreffend mit 1,5
Bruttomonatsgehältern bewertet.
a) Die Streitwertfestsetzung bei Mehrfachkündigungen, die der Arbeitnehmer in
einem Kündigungsprozess angegriffen hat, wird in Rechtsprechung und Schrifttum
außerordentlich kontrovers beurteilt (s. hierzu und zum Folgenden LAG Schleswig-
Holstein, Beschl. vom 19.12.2001 - 6 Ta 184/01 - mit Nachw.). Nach der ständigen
Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts ist in solchen Fällen darauf abzustellen,
welchen zeitlichen Bereich ein Feststellungsantrag mit dem ihm innewohnenden
Streitgegenstand umfasst. Hierbei wird der Feststellungsantrag hinsichtlich der
zeitlich ersten Kündigung in jedem Fall begrenzt durch den Feststellungsantrag
hinsichtlich der zeitlich zweiten und der jeweils weiteren Kündigung. Dabei ist
jeweils auf den Kündigungstermin abzustellen (LAG Schl.-Holst., a.a.O.; Beschl.
vom 31.07.2003 - 1 Ta 77/03 -; Beschl. vom 20.06.2005 – 1 Ta 25/05). Liegen
zwischen der ersten Kündigung und der zweiten Kündigung sowie einer dritten
Kündigung weniger als 3 Monate, so kann der Streitwert auch nur nach dem
Zeitraum bemessen werden, der zwischen diesen Kündigungen liegt (LAG Schl.-
Holst. vom 08.02.2007- 1 Ta 265/08; vgl. auch LAG München vom 08.05.1989, Jur.
Büro 1989, 1389 f.). Die letzte Kündigung bemisst sich dann nach den
Grundsätzen des § 42 Abs. 4 GKG (früher: 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG). Die
vorangehenden Kündigungen werden nach der sog. Differenztheorie mit dem
Arbeitsentgelt bewertet, das der Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen erster
und zweiter Kündigung erhalten hätte, wobei jeweils die Obergrenze des § 42 Abs.
4 GKG zu beachten ist. Die einzelnen Streitwerte sind sodann gemäß § 5 ZPO zu
addieren. (vgl. nur LAG Schl.-Holst. vom 08.02.2007, Az. 1 Ta 285/06; LAG Schl.-
Holst. vom 09.01.2007, Az. 1 Ta 262/06; LAG Schl.-Holst. vom 20.06.2005, 1 Ta
25/05; vgl. auch LAG München vom 12.12.2006, 7 Ta 378/06; LAG Berlin vom
02.11.2005, 17 Ta (Kost) 6073/05; LAG Hamburg vom 30.05.2002, 6 Ta 14/02; LAG
Niedersachsen vom 17.04.2001, 3 Ta 118/01).
b) Die Kündigungssachverhalte der beiden Kündigungen waren vorliegenden nicht
identisch. Zwischen dem Ausspruch der ersten Kündigung vom 16.01.2009 und
dem Ausspruch der zweiten Kündigung vom 04.03.2009 liegt ein zeitlicher Abstand
von rund 1,5 Monaten. Damit ist für den Klagantrag zu 1 zutreffend der Wert mit
1,5 Gehältern à 585,-- EUR = 877,50 EUR berücksichtigt worden. Der zweite
Kündigungsschutzantrag (Klagantrag zu 5) ist korrekt mit 1.755,-- EUR (3 x 585,--
EUR) bewertet worden.
2. Die auf die Feststellung von Schadensersatzansprüchen aus Anlass der beiden
Kündigungen gerichteten Anträge zu 2. und 7 hat das Arbeitsgericht zutreffend mit
insgesamt nicht mehr als 3.000,-- EUR bewertet.
a) Der Kläger hat unbezifferte Feststellungsanträge gestellt. Die Wertfestsetzung
richtet sich daher nach § 3 ZPO und erfolgt nach freiem Ermessen des Gerichtes
unter dem Gesichtspunkt der Schätzung im Sinne des § 287 ZPO. Dabei ist das
wechselseitige Vorbringen heranzuziehen.
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Es ist anerkannt, dass bei einer positiven Feststellungsklage ein Abschlag
gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage zu machen ist. Dabei
kann auch je nach Fallkonstellation ein Abschlag von mehr als 20 % gegenüber
dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorgenommen werden (vgl. nur
Zöller-Herget, Kom. zur ZPO, § 3 ZPO Stichworte Feststellungsklage,
Schadensersatz; Thomas/Putzo, Rz. 65 zu § 3 ZPO, m. w. N.). Ausnahmsweise
können auch nur 50 % des Wert eines Leistungsanspruchs (BGH - RR 01, 316),
oder sogar nur 40 % oder auch nur 20 % festgesetzt werden (Baumbach/
Lauterbach/ Albers/ Hartmann Rz. 53 zu § 3 ZPO m.w.N.). Bei der
Schadensschätzung ist vom wahren Interesse des Klägers auszugehen. Es kommt
auch darauf an, wie hoch das Eintrittsrisiko eines künftigen Schadens ist (vgl.
Baumbach u.a., a.a.O.) und was im Einzelnen vorgebracht wurde.
b) Das mit Klagantrag zu 2. geltend gemachte
Schadensersatzfeststellungsbegehren wurde seitens des Klägervertreters während
des laufenden Rechtsstreits mit keinem Wort begründet; das mit dem Klagantrag
zu 7. geltend gemachte Begehren mit einer möglicherweise auf die Kündigung
vom 04.03.2009 zurückzuführenden längeren Ausbildungsdauer.
Der vor diesem Hintergrund mit 3.000,-- EUR für die Klaganträge zu 2. und zu 7.
festgesetzte Betrag ist unter Berücksichtigung des dem Arbeitsgericht Elmshorn
zustehenden Ermessensspielraums nicht zu beanstanden. Die im Rahmen der
Streitwertanhörung vom Klägervertreter vorgebrachten Angaben zur Höhe des
sich aus § 23 Abs. 1 und Abs. 2 BBiG ergebenden möglichen
Schadensersatzanspruches sind beliebig gegriffen, nicht näher spezifiziert und
nach Ansicht der Berufungskammer ergebnisbezogen. Das ergibt sich bereits
daraus, dass der Klägervertreter in der Streitwertanhörung noch von einem
möglichen Gegenstandswert von 6.000,-- EUR ausgegangen ist, während er ihn im
Rahmen der Beschwerdebegründung ohne veränderte Tatsachen mit 9.000,-- EUR
berücksichtigt wissen will. Das Ausbildungsverhältnis des Klägers sollte ausweislich
der Klageschrift aufgrund von Fehlzeiten wegen Krankheit ursprünglich
vereinbarungsgemäß jedenfalls am 31.01.2010 enden. Es ist nicht ersichtlich, dass
ihm durch die Kündigungen vom 16.01.2009 und vom 04.03.2009 ein Gesellenlohn
in Höhe von 2.000,-- EUR für die Dauer von rund sechs Monaten als Schaden
entgangen sein könnte. Woraus soll entnommen werden, dass der Kläger die
Ausbildung am 31.01.2010 erfolgreich beendet und dann – nahtlos - Gesellenlohn
in der genannten Höhe erhalten hätte? Es sind auch Lohnersatzleistungen
denkbar. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, vor welchem Hintergrund sich aus einer
verzögerten Ausbildung ein notwendiger Umzug, zusätzliche Prüfungsgebühren
etc. ergeben sollen. Soweit der Klägervertreter die Anträge zu 2 und zu 7 jeweils
gesondert bewertet wissen will, ist angesichts der Existenz von zwei Kündigungen
auch eine etwaige überholende Kausalität zu berücksichtigen. Bei wirtschaftlicher
Betrachtung ist § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG anzuwenden, wonach nur der Wert des
höheren Anspruches maßgebend ist, wenn Ansprüche denselben Gegenstand
betreffen. Angesichts all dieser Gesichtspunkte ist die Bewertung der beiden
Schadensersatzbegehren mit 3.000,-- EUR unter keinem erdenklichen
Gesichtspunkt ermessensfehlerhaft.
3. Die Bewertung des mit dem Klagantrag zu 3. geltend gemachten
Zahlungsbegehrens in Höhe von 850,-- EUR wird nicht vom Kläger beanstandet
und ist im Übrigen auch korrekt.
4. Die mit dem Klagantrag zu 4. angegriffene Kündigung vom 04.03.2009 ist mit
drei Gehältern à 585,-- EUR = 1.755,-- EUR rechtlich nicht zu beanstanden.
Insoweit wird auf die Ausführungen Ziffer 1a dieses Beschlusses verwiesen.
5. Beide angekündigten sogenannte uneigentliche Weiterbeschäftigungsanträge
hätten bei der anwaltlichen Wertfestsetzung nicht streitwerterhöhend
berücksichtigt werden dürfen.
a) Das Arbeitsgericht Elmshorn hat den mit dem Antrag zu 5. geltend gemachten
Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet,
den mit dem Klagantrag zu 8. im Zusammenhang mit der weiteren Kündigung
erneut gestellten Weiterbeschäftigungsantrag hingegen mit „0“. Es hat in der
Nichtabhilfeentscheidung darauf hingewiesen, dass an sich beide Anträge mit „0“
zu bewerten gewesen wären. Soweit der Klägervertreter sich gegen diese
Wertfestsetzung mit der Begründung wendet, jeder dieser
Weiterbeschäftigungsanträge sei insoweit jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt
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Weiterbeschäftigungsanträge sei insoweit jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt
zu bewerten, kann dem nicht gefolgt werden. Diese als uneigentliche Hilfsanträge
angekündigten Anträge sind nicht bei der Wertfestsetzung werterhöhend zu
berücksichtigen, weil über sie weder entschieden noch eine vergleichsweise
Regelung getroffen wurde (so auch LAG Düsseldorf vom 27.07.2000 – 7 Ta 249/00;
LAG Köln vom 04.07.1995, MDR 1995, 1150; LAG Hamm vom 18.10.2006- 6 Ta
551/06; LAG Niedersachsen vom 09.03.2009, 15 Ta 53/09; LAG Schleswig-Holstein
vom 14.01.2003, 2 Ta 224/02; LAG Hessen vom 23.04.1999 - 15/6 Ta 28/98;
ErfK/Koch 9. Aufl. § 12 ArbGG, Rz 17). Insoweit folgt die 3. Kammer des
Landesarbeitsgerichts-Schleswig-Holstein der langjährigen ständigen
Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (vgl. nur LAG
Schleswig-Holstein vom 06.12.2008 – 2 Ta 195/08; LAG Schleswig-Holstein vom
14.01.2003 – 2 Ta 224/02 – zitiert nach Juris; LAG Schleswig-Holstein vom
23.12.2005 - 1 Ta 228/05) und weicht damit ausdrücklich von einer Entscheidung
der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 25.06.2009 – 6
Ta 112/09 – und einer Entscheidung der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts
Schleswig-Holstein vom 13.08.2009, 1 Ta 100 d/09, ab.
b) Kündigt ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit „für den Fall des
Obsiegens“ den Hilfsantrag an, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu
verurteilen, ist dieser unechte Hilfsantrag bei der Wertfestsetzung nicht zu
berücksichtigen, wenn die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen wird. Das gilt
nicht nur für den Gerichtsgebührenstreitwert sondern auch für die anwaltliche
Wertfestsetzung. Entsprechendes gilt, wenn in einem Vergleich nicht über einen
derartigen Hilfsantrag eine Regelung getroffen wird.
aa) Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F.) wird ein
hilfsweise geltend gemachter Anspruch nur dann mit dem Hauptanspruch
zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht oder er in einem
Vergleich geregelt wurde. § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG sind wortgleich mit §
19 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F..
bb) Zwar wird vertreten, dass der Gerichtsgebührenstreitwert für die
Anwaltsgebühren nicht maßgebend sei, weil sich die anwaltliche und die
gerichtliche Tätigkeit nicht auf denselben Gegenstand bezögen. Der Anwalt sei
anders als das Gericht mit dem Weiterbeschäftigungsbegehren befasst gewesen,
so dass diese Befassung gemäß § 33 Abs. 1 RVG zusätzlich zu bewerten sei (vgl.
GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rz. 186; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage,
VV 3100, Rz. 132; LAG Hamm vom 26.05.1989 – 8 Ta 65/89 – LAGE § 19 GK Nr. 6;
LAG Nürnberg vom 13.03.2008 – 6 Ta 57/08; LAG Niedersachsen vom 17.04.2001,
3 Ta 118/01; LAG Rheinland-Pfalz vom 16.04.1992, 10 Ta 76/92; LAG Berlin vom
09.03.2004 – 17 Ta 6010/04 – NZA-RR 2004, 492; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG,
2. Auflage, § 12 Rz. 150).
cc) Einer Addition stehen jedoch der Wortlaut des Gesetzes und die
Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. Die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1
RVG (vormals § 10 BRAGO) setzt voraus, dass sich die Gebühren für die
anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die
Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder dass es an einem solchen
Wert fehlt. Das bedeutet, dass der Wert für die Gerichtsgebühren von dem für die
anwaltliche Tätigkeit abweichen kann. Das ist hier aber nicht der Fall. Damit sollten
Fälle erfasst werden, in denen ein Gerichtsbeschluss nach dem
Gerichtskostengesetz nicht ergehen konnte, z.B. gerichtsgebührenfreie Verfahren
oder wenn sich die Gegenstandswerte der gerichtlichen und der anwaltlichen
Tätigkeit nicht decken. Demgegenüber bestimmt aber § 32 Abs. 1 RVG (ehemals §
9 Abs. 1 BRAGO), dass dann, wenn der für die Gerichtsgebühren maßgebende
Wert gerichtlich festgesetzt wird, die Festsetzung auch für die Gebühren des
Rechtsanwalts maßgebend ist. Hieraus folgt, dass § 32 RVG hinsichtlich der
Anwaltsgebühren auf die Wertvorschriften verweist, die für die Gerichtsgebühren
gelten. Hierzu zählt auch § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Die Regelung in § 45 GKG hat ihren Grund ersichtlich darin, dass für Anträge, mit
denen das Gericht sich nicht befasst hat und entsprechend den Anträgen der
Parteien auch nicht befassen sollte, Gebühren nicht erhoben werden sollen. Dies
gilt nicht nur für die sogenannten echten Hilfsanträge, d. h. solche Anträge, die für
den Fall gestellt sind, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt, sondern auch für
sogenannte unechte oder uneigentliche Hilfsanträge, d.h. Hilfsanträge, die nicht
als zusätzlicher Antrag, sondern ausdrücklich nur für den Fall des Erfolgs mit dem
Hauptantrag gestellt werden (LAG Schleswig-Holstein vom 14.01.2003 – 2 Ta
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Hauptantrag gestellt werden (LAG Schleswig-Holstein vom 14.01.2003 – 2 Ta
224/02 – zitiert nach Juris, Rz. 11 m.w.N.; vgl. LAG Bremen vom 30.07.2001, 1 Ta
51/01 – zitiert nach Juris Rz. 11 f; LAG Düsseldorf 27.07.2000 – 7 Ta 249/00 Rz. 4).
Insoweit ist auch für die anwaltliche Wertfestsetzung die für Hilfsanträge mit § 45
Abs. 1 Satz 2 GKG (vormals 19 Abs. 1 Satz 2 GKG) gewollte kostenrechtliche
Besserstellung für die Partei zu berücksichtigen. Nach der Neufassung der
Vorschrift durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 und nach der weiteren
Neufassung ab 01.07.2004 erweist sich diese Auffassung umso mehr als richtig.
Dem Gesetzgeber war die Kontroverse um den uneigentlichen Hilfsantrag
bekannt. Gleichwohl hat er ihn nicht aus dem Geltungsbereich des § 45 Abs. 1 GKG
herausgenommen (vgl. LAG Hamm vom 18.10.2006 – 6 Ta 551/06 – zitiert nach
Juris, Rz. 17; LAG Niedersachsen vom 09.03.2009 – 15 Ta 53/09 – zitiert nach Juris,
Rz. 11).
dd) Dem steht auch nicht entgegen, dass beim uneigentlichen Hilfsantrag Haupt-
und Hilfsantrag nicht in einem Alternativverhältnis stehen. Bei einem
uneigentlichen Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung im Falle des Obsiegens mit
dem Kündigungsschutzantrag handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG
um einen zulässigen Hilfsantrag (BAG vom 08.04.1988 – 2 AZR 777/87, AP Nr. 4
zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung). § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist nicht zu
entnehmen, dass die einzelnen Arten des Hilfsantrags kostenrechtlich
unterschiedlich zu behandeln sind. Eine kumulative Klagehäufung, die die
Zusammenrechnung von Haupt- und Hilfsantrag rechtfertigen, liegt sowohl bei
einem unechten als auch bei einem echten Hilfsantrag immer erst dann vor, wenn
über den Hilfsantrag entschieden worden ist (LAG Niedersachsen vom 09.03.2009
– 15 Ta 53/09 – zitiert nach Juris, Rz. 13 m. w. N.; vgl. auch LAG Bremen vom
30.07.2001 – 1 TA 51/01 – zitiert nach Juris Rz. 10 f m. w. N.).
ee) Auch vor dem Hintergrund, dass Kündigungsschutzantrag und
Weiterbeschäftigungsantrag wirtschaftlich zwei Streitgegenstände darstellen und
der Rechtsanwalt - anders als das Gericht – im Zeitpunkt der Klageeinreichung mit
beiden befasst ist, ergibt sich nichts anderes.
Das alleine kann eine gesonderte Berücksichtigung nicht gebieten. Auch bei
Anträgen auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 9,10 KSchG ist
ausdrücklich eine Streitwerterhöhung ausgeschlossen (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG),
obgleich der Rechtsanwalt mit ihnen befasst ist, zu ihnen argumentieren muss. Es
besteht zudem die Wahlmöglichkeit, den allgemeinen
Weiterbeschäftigungsanspruch unbedingt geltend zu machen. Geschieht das,
dann ist er – auch im Hinblick auf die anwaltliche Tätigkeit - streitwerterhöhend zu
berücksichtigen. Wird der Anspruch aber ausdrücklich nur als unechter Hilfsantrag
für den Fall des Obsiegens geltend gemacht, kann das nicht ignoriert werden. Es
ist insoweit abzustufen und dem klar erklärten Willen des Klägers Rechnung zu
tragen. Der Antrag ist in Anwendung des GKG bei der Wertfestsetzung nur zu
berücksichtigen, wenn über ihn entschieden wird oder eine andere Regelung
getroffen wurde.
c) Demnach können die Anträge zu 5. und zu 8. als sogenannte uneigentliche
Hilfsanträge nicht berücksichtigt werden, weil über sie keine Entscheidung
ergangen ist. Der Rechtsstreit ist durch Vergleich beendet worden. Dieser enthält
hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruches keine Regelung.
Nur unter dem Gesichtspunkt des Verschlechterungsverbotes erfolgt vorliegend in
Bezug auf die für den Antrag zu 5 erfolgte Bewertung mit einem Betrag von 585,--
EUR keine Abänderung des Wertfestsetzungsbeschlusses zu Lasten des Klägers.
6. Die Bewertung des allgemeinen Feststellungsantrages mit „0“ wurde nicht
angegriffen. Sie entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung des LAG
Schleswig-Holstein. Die Summe aller aufgeführten Einzelwerte ergibt den
festgesetzten Betrag in Höhe von 7.067,50 EUR. Die angefochtene
Wertfestsetzung ist zu bestätigen.
Die Beschwerde des Klägervertreters war daher kostenpflichtig zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§
68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).