Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: mobbing, anweisung im einzelfall, haftung des arbeitgebers, arbeitsgericht, schmerzensgeld, form, fürsorgepflicht, verschulden, kündigung, wehr

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Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Sa 595/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 253 Abs
2 BGB, § 823 Abs 1 BGB, §
447 ZPO, § 448 ZPO
Schmerzensgeld wegen Mobbings - Umfang der
Darlegungslast
Leitsatz
1. Der Arbeitnehmer, der Schmerzensgeld wegen Mobbings beansprucht, muss im
Prozess die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret darlegen und ggf. beweisen,
dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige,
diskriminierende Verhaltensweisen darstellen und ob diese die Erkrankung des
Arbeitnehmers verursacht haben.
2. Das vom Kläger darzulegende Verschulden des Arbeitgebers muss sich nicht nur auf
die einzelnen "Tathandlungen" beziehen, sondern auch auf die hierdurch verursachte
Erkrankung des sog. Mobbingopfers (LAG Berlin, Urt. v. 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 -).
Der klagende Arbeitnehmer hat mithin darzulegen, dass der Arbeitgeber zumindest
damit rechnen musste, dass seine rechtswidrigen Handlungen geeignet waren, bei ihm,
dem Arbeitnehmer, Gesundheitsschäden auszulösen.
3. Bei dem festzustellenden Verschulden des Arbeitgebers ist auch zu beachten, dass
der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich gegen unrechtmäßige
Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen. Es ist mithin zu
prüfen, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-
Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern. Dies gebietet
letztlich auch die Schadensminderungspflicht.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom
15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schmerzensgeld wegen Mobbings.
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweiten Filialen.
Sämtliche Personalentscheidungen werden in der Verwaltung am Sitz der
Beklagten, d. h. in F. getroffen, während der tägliche Einsatz von den jeweiligen
Filialleitern organisiert und beaufsichtigt wird. Die einzelnen Filialen werden von
einem Gebietsbereichsleiter betreut, der sozusagen als Kontaktstelle zwischen
Personalleiter und Personalabteilung fungiert.
Der Kläger war vom 01.06.2003 bis zum 31.07.2004 durch vier aufeinander
folgende befristete Arbeitsverträge bei der Beklagten in deren Filialen in M. als
Verkäufer zu einem monatlichen Bruttogehalt von € 1.400,-- beschäftigt (Bl. 58 f.
d. GA.). Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund der Bezugnahme im
Haustarifvertrag der Tarifvertrag für den Einzelhandel in Bayern Anwendung. Für
Verkäufer gilt die Stellenbeschreibung vom 29.06.1995 (Bl. 60-62 d. GA.).
Der Kläger war ausschließlich eingesetzt in der Filiale N. Straße ... in M., wo er
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Der Kläger war ausschließlich eingesetzt in der Filiale N. Straße ... in M., wo er
hauptsächlich für den Video- und DVD-Bereich zuständig war. Darüber hinaus übte
er weitere Verkäufertätigkeiten aus. Aufgrund der Öffnungszeiten wurde in der
Filiale im Zweischichtsystem gearbeitet. Die Frühschicht war von 9:00 bis 17:00
Uhr und die Spätschicht von 13 bis 20:30 Uhr. Neben der Filialleiterin A. und dem
Kläger arbeiteten in der Filiale noch vier weitere Verkäufer/innen.
Im August 2003 wurde eine Kassendifferenz über € 850,-- festgestellt und Ende
Mai 2004 fehlten € 100,-- in der Kasse. Der Kläger wurde jeweils zu diesen
Fehlbeständen angehört. Während seiner Beschäftigungszeit wurde der Kläger
anstelle der tariflichen 5-Tagewoche sechs bis sieben Mal an sechs Tagen in der
Woche eingesetzt. Während Urlaubs- und Krankheitszeiten anderer Mitarbeiter
leistete der Kläger teilweise auch sog. Doppelschichten. Im September / Oktober
2003 begehrte der Kläger gegenüber den Filialleitern Frau B. und Herrn W. eine
Versetzung in deren jeweilige Filiale. Der Kläger wandte sich zumindest im Mai
2004 ein Mal wegen Mobbings an den Betriebsrat, nachdem dieser ein
Informationsblatt zum Thema Mobbing herausgegeben hatte. Seit August 2004 ist
der Kläger arbeitslos. Mit Schreiben vom 01.04.2005 beanspruchte der Kläger
gegenüber der Beklagten erfolglos Zahlung eines Schmerzensgeldes über €
5.000,-- da er während seiner Beschäftigungszeit durchgehend von seinen
Vorgesetzten gemobbt worden sei (Bl. 211-214).
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen
Parteivorbringens wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, sowie der
erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von € 5.000,-- mit Urteil vom
15.09.2006 zurückgewiesen. Aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten
Begriffs des Mobbings sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger ein
sog. Mobbing-Opfer sei. Aus dem Vortrag des Klägers, der sich auf handschriftlich
niedergelegte 17 Einzelfälle berufe, ergebe sich kein systematisches Handeln einer
oder mehrerer Personen, das dazu gedient habe, den Kläger zu kränken oder zu
diskriminieren. Ein systematisches Handeln könne nur dann angenommen werden,
wenn sich die gerügten Verhaltensweisen über einen Zeitraum von sechs Monaten
wöchentlich wiederholten. Dies sei hier nicht der Fall. Soweit sich der Kläger darauf
berufe, die Filialleiterin A... habe ihm mehrfach alle Arbeiten übertragen, obgleich
noch weitere Arbeitnehmer anwesend gewesen sei, sei der Vortrag
unsubstantiiert. Ohne Angabe von Daten und Umständen lasse sich nicht
feststellen ob hinter diesem Verhalten eine herabwürdigende Systematik gelegen
habe. Gleiches gelte in Bezug auf den Vorwurf, dass er „gegängelt“ und ständig
falsch beschuldigt worden sei. Auch in Zusammenhang mit den Diebstählen lasse
sich kein systematisches den Kläger erniedrigendes Verhalten der Beklagten
feststellen. Auch die Kollegen des Klägers seien befragt worden. Auch der
Umstand, dass er nur sechs bis sieben Mal innerhalb eines Jahres an sechs Tagen
in der Woche habe arbeiten müssen, belege kein Mobbing ihm gegenüber. Die
Nichtversetzung in eine andere Filiale stelle ebenfalls kein Mobbing dar, zumal kein
ordnungsgemäßer Antrag gestellt worden sei. Soweit eine Anweisung im Einzelfall
ungerechtfertigt gewesen sein sollte, so belege ein derartiger Einzelfall nicht den
behaupteten Mobbingvorwurf. Auch der Einsatz zu Doppelschichten sei kein
Mobbing, zumal nicht einmal feststehe, ob dieser Einsatz nicht gerechtfertigt war.
Letztlich komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger im Verhältnis zu den
übrigen Mitarbeitern unverhältnismäßig viele Überstunden habe leisten müssen.
Denn der Kläger habe die Kausalität zwischen dem behaupteten Mobbingverhalten
seiner Vorgesetzten und den behaupteten Gesundheitsschäden nicht dargelegt.
Diese könnten auch andere Ursachen haben, zumal sich der Kläger erst acht
Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Forderung auf
Schmerzensgeld an die Beklagte gewandt habe. Trotz gerichtlicher Aufforderung
habe er auch kein diesbezügliches ärztliches Attest eingereicht.
Gegen dieses ihm am 01.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2005
Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eingelegt und diese am
26.01.2006 begründet.
Der Kläger behauptet,
das Arbeitsgericht habe seine handschriftlichen Aufzeichnungen (Anlage K 1, Bl.
110 d. GA.) unzutreffend gewürdigt. Insbesondere habe er die gerügten Vorfälle
jeweils nach Daten und Personen hinreichend konkretisiert. Unter Missachtung
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jeweils nach Daten und Personen hinreichend konkretisiert. Unter Missachtung
seines Beweisangebots auf Parteivernahme habe das Arbeitsgericht gleichwohl
seinen Vortrag als unsubstantiiert gewertet. Das Gericht hätte den Kläger trotz
dessen Sorge wegen der Fahrtkosten nicht vom persönlichen Erscheinen
entbinden dürfen. Im Übrigen sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise davon
ausgegangen, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitgebers nicht dadurch
gerechtfertigt werden könne, dass andere Arbeitnehmer ebenso falsch behandelt
würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05,
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von €
5.000,00 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den
mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28.03.2005 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b,
66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes. Das Arbeitsgericht hat die dahingehende Zahlungsklage des
Klägers sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Zur
Vermeidung unnötiger Wiederholung kann auf die sorgfältigen
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Lediglich
ergänzend und auf den Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz
eingehend sei noch auf Folgendes hingewiesen:
1. Der Kläger beruft sich hinsichtlich seiner Zahlungsansprüche auf durch Mobbing
seiner Vorgesetzten verursachte gesundheitliche Schäden. Infolge des Mobbings
leide er unter erheblichen Depressionen, Nervenzusammenbrüchen und starken
Wutausbrüchen. Mobbing selbst ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage für
eine vertragliche oder deliktische Haftung des Arbeitgebers. Mithin kommt eine
Haftung für durch Mobbing verursachte Schäden oder Schmerzen nur dann in
Betracht, wenn die allgemeinen gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen auch
erfüllt sind. Eine mögliche gesetzliche Anspruchsgrundlage sind §§ 280, 253 Abs. 2
BGB. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes setzt mithin voraus, dass die
Tatbestandsvoraussetzungen einer Schadensersatz zusprechenden Norm erfüllt
sind. Der Kläger hat indessen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer
„positiven Vertragsverletzung“ nach § 280 Abs. 1 BGB nicht substantiiert
dargelegt. Als vertragliche Nebenpflicht trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht
gegenüber dem Arbeitnehmer. Insbesondere hat er das ihm zustehende
Direktionsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und die Arbeitsumgebung
menschengerecht und menschenwürdig zu gestalten sowie die Ehre und
Gesundheit des Arbeitnehmers zu bewahren und zu schützen. Verletzt der
Arbeitgeber diese ihm obliegenden Fürsorgepflichten fahrlässig oder gar
vorsätzlich, hat er dem Arbeitnehmer grundsätzlich die daraus entstandenen
Schäden nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzen. Unter den Voraussetzungen
kann daneben ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus deliktischer Haftung nach §§
823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bestehen.
a) Sowohl die vertragliche als auch die deliktrechtliche Anspruchsgrundlage setzen
einzelne, konkrete Tathandlungen des Schädigers voraus, mit denen dieser
rechtswidrig und schuldhaft in den geschützten Rechtskreis des sog.
Mobbingopfers eingegriffen hat. Das Arbeitsgericht ist insoweit von der von der
Rechtsprechung entwickelten zutreffenden Definition des Mobbings ausgegangen.
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Rechtsprechung entwickelten zutreffenden Definition des Mobbings ausgegangen.
Der Arbeitnehmer, der unter Berufung auf Mobbing Schmerzensgeld geltend
macht, hat im Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die begangenen
Rechtsgutverletzungen einschließlich des erforderlichen Verschuldens und der
daraus resultierenden Erkrankungen (LAG Hamm, Urt. v. 21.12.2004 - 13 (5) Sa
659/04 -, zit. n. Juris). Der Arbeitnehmer hat mithin die beanstandeten
Verhaltensweisen so konkret darzulegen und zu beweisen, dass in jedem Einzelfall
beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige, diskriminierende
Verhaltensweisen darstellen und ob diese die Erkrankung des Arbeitnehmers
verursacht haben. Das Verschulden des Arbeitgebers bzw. des für ihn Handelnden
muss sich nicht nur auf die einzelnen Tathandlungen, sondern auch auf die
hierdurch ausgelöste Erkrankung des sog. Mobbingopfers beziehen (LAG Berlin,
Urt. v. 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 -, NZA-RR 2005, 13 ff.). Der Arbeitnehmer hat
mithin auch darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitgeber zumindest damit
rechnen musste, dass dessen rechtswidrige Handlungen grundsätzlich auch
geeignet waren, bei ihm, dem Arbeitnehmer, Gesundheitsschäden auszulösen.
b) Diesen Voraussetzungen wird der Vortrag des Klägers nicht im Ansatz gerecht.
Das Arbeitsgericht hat sich eingehend mit den vom Kläger in seiner schriftlichen
Auflistung erhobenen 17 Vorwürfen auseinandergesetzt und ist zu dem
zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der klägerische Vortrag - trotz der 17
„Vorfälle“ - zu pauschal sei, um die Rechtswidrigkeit der jeweils beanstandeten
Weisungen und Anordnungen der Filialleiterin, des Gebietsleiters sowie seiner
Kolleginnen beurteilen zu können.
aa) Lediglich ergänzend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber
grundsätzlich berechtigt ist, die im Arbeitsvertrag lediglich rahmenmäßig
umschriebene vertraglich geschuldete Arbeit durch Arbeitsanweisungen zu
konkretisieren. Der Kläger hat nicht einmal im Ansatz substantiiert dargelegt, dass
die Beklagte bzw. die Filialleiterin das so definierte Direktionsrecht rechtswidrig
überschritten hat. Der Kläger war als Verkäufer eingestellt, sodass es
grundsätzlich nicht zu beanstanden war, dass die Filialleiterin ihn anwies, nicht nur
in der Video- und DVD-Abteilung zu arbeiten, sondern auch andere Tätigkeiten
(Warenannahme, Kasse, Aufräum- und Putztätigkeiten) zu übernehmen. Sofern
der Kläger meint, ihm seien von seinen Kolleginnen an einzelnen Tagen bestimmte
Aufräumtätigkeiten aus schikanösen Motiven heraus zugeteilt worden, so hätte er
die näheren Begleitumstände im Einzelnen darlegen müssen. Es kann diesseits
nicht beurteilt werden, welche Tätigkeiten in der Filiale an den besagten Tagen
Priorität hatten. Es steht dem Arbeitgeber auch grundsätzlich zu, gerade bei
krankheits- und urlaubsbedingten personellen Engpässen Überstunden in Form
von Doppelschichten und 6-Tagewoche anzuordnen. Der Kläger selbst räumt ein,
dass er zusätzliche Schichten leisten musste, wenn andere Mitarbeiter Urlaub oder
freie Tage hatten. Typische Urlaubsmonate sind Juli und August, sodass es auch
nicht verwundert, dass der Kläger gerade in diesen Monaten Überstunden geleistet
hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass dieser überobligatorische Einsatz des
Klägers einen diskriminierenden Hintergrund hatte.
bb) Ungeachtet dessen ist bei der Frage des Verschuldens des Arbeitgebers auch
zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich gegen
unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass ein Arbeitnehmer, der auf den Arbeitsplatz
angewiesen ist, in aller Regel in der schwächeren Position ist. Sofern er eine
Arbeitsanweisung wegen Überschreitung des Direktionsrechts nicht befolgt, setzt
er sich womöglich des Vorwurfs einer Arbeitsverweigerung mit der Gefahr einer
fristlosen Kündigung aus. Indessen darf diese Gefahr auch nicht dazu führen, dass
der Arbeitnehmer sehenden Auges alles „schluckt“ und sich im Nachhinein auf
Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend
macht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nicht selbst handelt,
sondern die jeweils unmittelbaren Vorgesetzten oder Kollegen des gemobbten
Arbeitnehmers. Gerade in diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich
beim Arbeitgeber direkt zu beschweren und vertragsgemäße Beschäftigung
einzufordern. Es ist mithin stets zu prüfen, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar
war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und
entsprechende Abhilfe zu fordern. Dies gebietet letztlich auch die
Schadensminderungspflicht.
Der Kläger hat sich - soweit ersichtlich - weder bei dem Bereichsleiter noch in der
Personalverwaltung der Beklagten über konkrete Arbeitsanweisungen beschwert
und insoweit auch zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass er bestimmte
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und insoweit auch zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass er bestimmte
Arbeiten und die angeordnete Mehrarbeit nicht leisten wollte. Mangels
gegenteiligen Vortrags konnte der Kläger die Mehrarbeit auch „abfeiern“. Hierfür
spricht zumindest sein entsprechender Eintrag im Oktober 2003 in der Anlage K 1.
cc) Auch steht es dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten grundsätzlich zu, konkrete
Arbeitsweisen und Schlechtleistungen zu beanstanden. Das Rügerecht
korrespondiert letztlich auch mit der Fürsorgepflicht. Dem Grundgedanken der
Fürsorgepflicht folgend hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer
verhaltensbedingten Kündigung auf beanstandete Leistungsmängel hinzuweisen.
Aus dem Vortrag des Klägers kann nicht geschlussfolgert werden, dass die
Beklagte bzw. die Vorgesetzten des Klägers das Direktionsrecht rechtswidrig
ausgeübt haben. Pauschale Vorwürfe wie „haben mich nicht in Ruhe gelassen“,
„haben mich gegängelt“, „bin schlecht angegriffen worden“, „bin die ganze Zeit
beobachtet worden“ ersetzen keinen fundierten Tatsachenvortrag.
dd) Der Arbeitgeber ist auch befugt, wenn nicht gar gegenüber allen „redlichen“
Arbeitnehmern verpflichtet, festgestellte Kassenfehlbestände aufzuklären. In
diesem Zuge hat er auch das Recht, alle Arbeitnehmer zu dem
Diebstahlsverdacht anzuhören. Dass hierdurch zunächst einmal alle Arbeitnehmer
verdächtigt werden, ist im Zuge der Ermittlungstätigkeit hinzunehmen. Es ist auch
nicht verwerflich, dass die Beklagte von allen Arbeitnehmern eine schriftliche
„Unschuldserklärung“ verlangte. Der Kläger hat insbesondere auch nicht
behauptet, dass die Beklagte bzw. die Filialleiterin und der Gebietsleiter ihn auch
nach Anhörung und Abgabe der Erklärung noch weiter unberechtigterweise
verdächtigt haben. Dass ein solcher Vorfall nicht nur für den Kläger, sondern für
alle beteiligen Personen unangenehm ist und eine psychische Belastung darstellt,
liegt auf der Hand, ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufklärungsarbeit
der Beklagten.
2. Der Kläger rügt mit der Berufungsbegründung auch zu Unrecht, dass das
Arbeitsgericht seinen Vortrag trotz des Beweisangebots der Parteivernahme als
unsubstantiiert gehalten habe.
a) Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass ein Beweisangebot keinen
substantiierten Tatsachenvortrag ersetzen kann. Mit Auflagenbeschluss vom
28.06.2005 ist der anwaltlich vertretene Kläger auch eingehend darauf
hingewiesen worden, was er vorzutragen hat, um seine Ansprüche schlüssig zu
machen. Hierauf hat der Kläger nur noch die Anlage K 1 eingereicht und auf deren
Inhalt Bezug genommen. Der Anlage K 1 ist indessen - wie oben ausgeführt - auch
nicht zu entnehmen, dass die Beklagte bzw. die für sie handelnden Personen den
Kläger fortgesetzt durch Überschreitung des Direktionsrechts angefeindet,
schikaniert oder diskriminiert haben. Den Vorwürfen ist nicht zu entnehmen, dass
die jeweils gerügten Anordnungen in Überschreitung des Direktionsrechts
erfolgten. Teilweise erschöpfen sie sich in pauschalen Floskeln wie „gängeln“ etc.
Infolge dieses pauschalen Vortrags war kein Beweis - in welcher Form auch immer
- zu erheben. Der für einen unsubstantiierten Vortrag angebotene Zeugenbeweis
ist stets als unzulässiger Ausforschungsbeweis zurückzuweisen.
b) Ungeachtet dessen lagen weder Voraussetzungen zur Vernehmung der
beweispflichtigen Partei nach § 447 ZPO, noch einer Vernehmung von Amts wegen
nach § 448 ZPO vor. Die Beklagte hat der Vernehmung des Klägers als Partei
unstreitig nicht zugestimmt. Schweigen auf einen dementsprechenden Antrag
kann nicht als Zustimmung gewertet werden. Die Zustimmung muss vielmehr als
Prozesshandlung ausdrücklich erklärt und protokolliert (§ 160 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO)
werden. Auch kam eine Vernehmung des Klägers nach § 448 ZPO nicht in
Betracht. Als Ausnahme zum zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz ist § 448
ZPO gegenüber anderen Beweismitteln subsidiär, d. h. es müssen zunächst alle
anderen Beweismittel ausgeschöpft sein. Der Kläger befand sich hinsichtlich der
strittigen Vorfälle gerade nicht in sog. Beweisnot. Er hätte sich auf das Zeugnis der
hieran beteiligten Personen (Filialleiterin, Bereichsleiter, Kolleginnen) berufen
können. Es wäre dann Sache des Gerichts gewesen, die Glaubwürdigkeit der
Zeugen und die Glaubhaftigkeit deren Aussagen zu würdigen und ggf. danach bei
etwaig verbleibenden Zweifeln noch den Kläger von Amts wegen nach § 448 ZPO
zu vernehmen.
3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf erkannt, dass der Kläger überdies nicht
dargetan habe, dass die Beklagte durch rechtswidrige Arbeitsanweisungen und
Behandlungen des Klägers diesen in seiner Gesundheit geschädigt hat. Mit diesem
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Behandlungen des Klägers diesen in seiner Gesundheit geschädigt hat. Mit diesem
entscheidungserheblichen Einwand hat sich der Kläger in der
Berufungsbegründung in keiner Weise auseinander gesetzt. Er hat nach wie vor
nicht unter Beweis gestellt, dass er überhaupt gesundheitliche Schäden in Form
einer psychischen Erkrankung davon getragen hat. Insbesondere hat er kein
diesbezügliches ärztliches Attest vorgelegt. Nicht jedes aggressive und
unbeherrschte Verhalten hat Krankheitswert. Nervenzusammenbrüche und
Depressionen sind diagnosefähige Erkrankungen und auch behandlungsbedürftig.
Der Kläger hat weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass er sich deshalb
(seit wann) in ärztlicher Behandlung befindet.
Ungeachtet dessen hat der Kläger den Ursachenzusammenhang zwischen den
behaupteten Mobbinghandlungen und dem aufgezeigten „Krankheitsbild“ nicht
dargelegt. Aggressives Verhalten und Depressionen sind nicht zwingend eine
Ursache von Mobbing. Auch Arbeitslosigkeit, Beziehungsstress und/ oder
finanzielle Nöte können ebenso Frustration und Aggressivität gegen jedermann
auslösen.
4. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen
wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.