Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

LArbG Schleswig-Holstein: rechtliches gehör, arbeitsgericht, vergütung, vertretung, verfahrensbeteiligter, geburt, ratenzahlung, maurer, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht

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Gericht:
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ta 80/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 121 Abs 2 ZPO
Hörbehinderter Verfahrensbeteiligter - Beiordnung eines
Rechtsanwaltes
Leitsatz
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet es, auch bei einem einfach gelagerten
Sachverhalt einem hörbehinderten Kläger zur Wahrnehmung seiner Rechte einen
Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe beizuordnen, wenn der hörbehinderte
Kläger der mündlichen Verhandlung nur schwer folgen kann und der Rechtsanwalt über
Erfahrungen in der Verständigung mit Hörbehinderten verfügt.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts
Lübeck vom 11.03.2005 - 5 Ca 199/05 - abgeändert:
Dem Kläger wird Rechtsanwalt K. in G. beigeordnet. Mehrkosten i. S. v. § 121 Abs.
3 ZPO dürfen nicht entstehen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger im Rahmen der Prozesskostenhilfe
Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.03.2002 bis 31.12.2004 als Maurer in dem
Betrieb des Beklagten beschäftigt. Es war ein Bruttolohn von 12,28 EUR je Stunde
bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Bis einschließlich
September 2004 hatte der Beklagte die Vergütung abgerechnet, den Lohn für
September allerdings erst am 03.11.2004 gezahlt. Für die Monate Oktober bis
Dezember 2004 erhielt der Kläger keine Zahlung. Mit der am 17.01.2005 vor dem
Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger Zahlung der Vergütung für die
Monate Oktober bis Dezember 2004 in Höhe von insgesamt 6.149,83 EUR brutto
gefordert und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt K. zu bewilligen. Der Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung vom
21.02.2005 nicht erschienen. Entsprechend dem Antrag des Klägers ist ein
Versäumnisurteil dahingehend ergangen, dass der Beklagte an den Kläger
4.215,73 EUR brutto zu zahlen hat. Dieses am 03.03.2005 zugestellte
Versäumnisurteil ist von dem Beklagten nicht angegriffen worden.
Mit Beschluss vom 11.03.2005 hat das Arbeitsgericht dem Kläger
Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, jedoch den Antrag auf Beiordnung
des Rechtsanwalts zurückgewiesen und dies damit begründet, der Kläger hätte die
Klage ohne weiteres selbst, ggf. mit Hilfe der Rechtsantragsstelle des
Arbeitsgerichts, erheben können. Die Vergütung für die Monate Oktober und
Dezember sei unstreitig und der Lohn für Dezember 2004 lasse sich ohne weiteres
errechnen. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18.03.2005 sofortige
Beschwerde eingelegt, in der er geltend macht, die Beiordnung eines
Rechtsanwalts sei dringend erforderlich gewesen, da er aus persönlichen Gründen
anwaltlicher Unterstützung bedürfe. Er leide seit seiner Geburt an einer
hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits und sei deshalb in der
Kommunikationsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Er hat hierzu den Bescheid des
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Kommunikationsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Er hat hierzu den Bescheid des
Versorgungsamtes ... vom 09.03.1978 und eine Ablichtung des
Schwerbehindertenausweises beigefügt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde
nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht
vorgelegt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auf Nachfrage ergänzend mitgeteilt,
er sei selbst hörbehindert, wenn auch nicht in dem Grad wie der Beschwerdeführer.
Er habe aufgrund seiner Hörbehinderung eine Internatsschule für Hörbehinderte in
Schleswig besucht und sei in Gesprächen mit Schwerhörigen und Gehörlosen
grundlegend geübt.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Vorliegend ergibt sich trotz des
einfach gelagerten Sachverhaltes ein Grund in den persönlichen Verhältnissen des
Klägers, ihm einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen.
Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO ist, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht
vorgeschrieben ist, der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter
Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen
Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt
vertreten ist. Die Erforderlichkeit bestimmt sich im Einzelfall nach der Schwierigkeit
der Sach- und Rechtslage und auch nach den persönlichen Verhältnissen der
Partei. Dazu gehört auch ihre Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich auszudrücken
(Reichold/Putzo, Rnr. 5 zu § 121 ZPO. Vorliegend ergibt sich daher die
Notwendigkeit, dem Kläger zu Gewährung seines Rechtes auf rechtliches Gehör
einen Rechtsanwalt beizuordnen. Der Kläger wäre zwar, wie das Arbeitsgericht
zutreffend ausgeführt hat, ohne weiteres in der Lage gewesen, die Klage selbst
durch einen Brief oder auch zu Protokoll der Rechtsantragsstelle zu erheben. Dies
hätte mit Sicherheit keine Probleme bereitet, auch nicht für den hörbehinderten
Kläger.
Der Kläger, dessen Hörbehinderung durch Vorlage von Unterlagen glaubhaft
gemacht ist, benötigte indes für die mündliche Verhandlung anwaltlicher Hilfe,
wenn denn nicht ein Gehörlosen-Dolmetscher hinzugezogen werden sollte, wie der
Kläger zutreffend darlegt. Da der von dem Kläger gewählte Rechtsanwalt
seinerseits hörbehindert und aufgrund seiner Schulausbildung und Erfahrung in der
Lage ist, sich mit anderen hörbehinderten Personen zu verständigen, war er
geeignet, als dem Kläger Prozessbevollmächtigter die erforderliche Hilfe zu
gewähren. Dem Kläger ist daher aufgrund der besonderen Situation ein Anwalt
beizuordnen.
Eine Kostenentscheidung ist aufgrund des Obsiegens des Klägers entbehrlich.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.