Urteil des LAG Saarland vom 08.12.2010

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LArbG Saarbrücken Beschluß vom 8.12.2010, 1 TaBV 3/10
Wirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle - Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung
nach dem Arbeitsschutzgesetz
Leitsätze
Der Spruch einer Einigungsstelle, in dem Regelungen über eine aufgabenbezogene
Unterweisung nach § 12 ArbSchG getroffen werden, ist unwirksam, wenn nicht zuvor eine
Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchgeführt wurde.
Rechtsbeschwerde ist eingelegt beim BAG, Az. 1 ABR 13/11
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den
am 17. Februar 2010 verkündeten Beschluss des
Arbeitsgerichts Neunkirchen (2 BV 10/09) wird
zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Spruchs einer bei der Antragstellerin
gebildeten Einigungsstelle.
Die Antragstellerin befasst sich mit der Herstellung, dem Vertrieb sowie der Installation und
Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen. Sie beschäftigt in
39 Niederlassungen in Deutschland insgesamt etwa 2.800 Arbeitnehmer. Eine der
Niederlassungen der Antragstellerin befindet sich in H. . Der Betriebsrat der Niederlassung
in H. ist der Antragsgegner in dem vorliegenden Verfahren. Eingerichtet ist bei der
Antragstellerin auch ein Gesamtbetriebsrat. Ende März 2007 verständigten sich die
Antragstellerin und der Gesamtbetriebsrat auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur
Regelung der Gefährdungsbeurteilung, zur Regelung von Unterweisungen sowie der
erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen nach § 3 Absatz 2 und § 5 des
Arbeitsschutzgesetzes in Verbindung mit § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung sowie in
Verbindung mit § 12 des Arbeitsschutzgesetzes. Zur Regelung dieser Fragen wurde der
Gesamtbetriebsrat in der Folge im Auftrag der örtlichen Betriebsräte der Niederlassungen
der Antragstellerin (§ 50 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes) tätig.
Am 17. Dezember 2008 erging ein Teilspruch der Einigungsstelle, der eine
Betriebsvereinbarung über die "Unterweisung und erforderliche organisatorische
Vorkehrungen" (Blatt 14 Rückseite bis 32 Rückseite der Akten) zum Gegenstand hatte. Die
Antragstellerin hält diesen Teilspruch für unwirksam. Sie hat dies in erster Instanz damit
begründet, dass es eine betriebsübergreifenden Regelung für das gesamte Unternehmen
geben müsse, weshalb der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Absatz 1 des
Betriebsverfassungsgesetzes originär zuständig sei, nicht hingegen kraft Auftrags.
Insgesamt unwirksam sei der Teilspruch aber jedenfalls deshalb, weil nicht zuvor eine
Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden sei. Der Gesetzgeber gehe, so hat die
Antragstellerin weiter ausgeführt, davon aus, dass vor einer Unterweisung zunächst eine
Gefährdungsbeurteilung erstellt werden müsse. Der Inhalt der Unterweisung sei von dem
Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung abhängig. Welche Unterweisung erforderlich sei,
könne nur durch eine Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Davon gehe auch das
Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 12. August 2008 (9 AZR 1117/06, NZA
2009,102) aus. Hinzu komme, dass der Teilspruch der Einigungsstelle auch einzelne
unzulässige Regelungen enthalte.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt ,
festzustellen, dass der Teilspruch der bei dem Gesamtbetriebsrat
gebildeten Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam sei.
Der Antragsgegner hat in erster Instanz beantragt ,
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-
Brandenburg mit einem Beschluss vom 29. April 2008 in dem Verfahren mit dem
Aktenzeichen 12 TaBV 134/08 einen Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass der
Gesamtbetriebsrat zur Regelung der Unterweisung originär zuständig sei, bereits
zurückgewiesen habe. Die dagegen von der Antragstellerin eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde habe das Bundesarbeitsgericht mit einem Beschluss vom 9.
Dezember 2008 in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 ABN 38/08 zurückgewiesen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei der Teilspruch der Einigungsstelle auch
nicht deshalb unwirksam, weil zuvor eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen gewesen sei.
Eine Unterweisung setze nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht stets eine vorhergehende
Gefährdungsbeurteilung voraus. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass sich die
Antragstellerin seit dem Jahr 1996 sträube, den Anforderungen des § 5 des
Arbeitsschutzgesetzes entsprechende Gefährdungsbeurteilungen in den Betrieben
vorzunehmen. Auch die einzelnen sich aus dem Teilspruch der Einigungsstelle ergebenden
Regelungen seien nicht zu beanstanden.
In erster Instanz wurde an dem Verfahren auch der Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin
beteiligt. Er hat sich der von dem Antragsgegner in dem Verfahren vertretenen Auffassung
angeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und festgestellt, dass
der Teilspruch der bei dem Gesamtbetriebsrat gebildeten Einigungsstelle vom 17.
Dezember 2008 unwirksam sei. Das Arbeitsgericht hat, kurz zusammengefasst,
ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Teilspruch der Einigungsstelle schon deshalb
unwirksam sei, weil der Gesamtbetriebsrat für den Regelungsgegenstand des Teilspruchs
originär zuständig gewesen wäre. Unwirksam sei der Teilspruch nämlich jedenfalls zum
einen deshalb, weil er vorsehe, dass die Unterweisung in der Regel einmal jährlich
durchzuführen sei, während § 12 des Arbeitsschutzgesetzes eine Wiederholung der
Unterweisung nur vorsehe, soweit dies erforderlich sei. Unwirksam sei der Spruch der
Einigungsstelle darüber hinaus, weil sich aus den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes
ergebe, dass vor einer Unterweisung eine Gefährdungsbeurteilung stattfinden müsse.
Gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichts wendet sich der Antragsgegner mit seiner
Beschwerde. Der Antragsgegner hält die von dem Arbeitsgericht vertretene Auffassung für
unzutreffend. Die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle könne nicht daraus
hergeleitet werden, dass darin ein Turnus von einem Jahr für die Wiederholung der
Unterweisung vorgesehen sei. In § 12 Absatz 1 Satz 4 des Arbeitsschutzgesetzes sei
vorgesehen, dass die Unterweisung erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden
müsse. Die Einigungsstelle habe es für erforderlich gehalten, die in dem Teilspruch
genannten Themen mit aktualisierten Inhalten und anderer Schwerpunktsetzung jährlich
einmal zu vermitteln. Die Einigungsstelle habe mit dieser Regelung das ihr zustehende
Ermessen nicht überschritten. Nicht gefolgt werden könne auch der Auffassung des
Arbeitsgerichts, dass ohne Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des
Arbeitsschutzgesetzes eine Unterweisung nach § 12 des Arbeitsschutzgesetzes nicht
erfolgen könne. Bei allen durchzuführenden Tätigkeiten seien die jeweiligen
Gefährdungspotentiale bekannt. Weder aus § 12 des Arbeitsschutzgesetzes noch aus § 5
des Arbeitsschutzgesetzes lasse sich entnehmen, dass eine Gefährdungsbeurteilung vor
einer Unterweisung zu erfolgen habe. Sowohl die Gefährdungsbeurteilung als auch die
Unterweisung könnten daher in dem dafür vorgesehenen Mitbestimmungsverfahren
gesondert und einzeln geregelt werden. Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 des
Arbeitsschutzgesetzes habe die Antragstellerin bisher nicht vorgenommen. Aus diesem
normwidrigen Verhalten zu folgern, dass deshalb auch keine Unterweisung geregelt
werden dürfe, widerspreche dem Sinn und Zweck des Arbeitsschutzgesetzes.
beantragt
beantragt
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts den Antrag
der Antragstellerin zurückzuweisen.
beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Das
Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass es das Ziel des Arbeitsschutzgesetzes sei, die
Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, zu konsolidieren und zu
verbessern. Dieser Zweck könne aber nur dann erreicht werden, wenn die mit den
Arbeitsplätzen verbundenen Gefährdungen zunächst ermittelt würden und sodann eine
Eingrenzung und Definition der notwendigen Maßnahmen erfolge. Daher bedürfe eine
Unterweisung zwingend einer vorhergehenden Gefährdungsbeurteilung. Dies ergebe sich
nicht nur aus der Gesetzessystematik, sondern auch aus der Gesetzesbegründung.
Danach habe der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen unter Gesichtspunkten des
Arbeitsschutzes zu beurteilen und entsprechend dem dabei festgestellten
Gefährdungspotential Schutzmaßnahmen unter Beachtung bestimmter Grundsätze zu
ergreifen. Die Unterweisung nach § 12 des Arbeitsschutzgesetzes sei eine solche
Schutzmaßnahme. Demgemäß habe das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom
12. August 2008 (9 AZR 1117/06) auch ausdrücklich festgestellt, dass die Unterweisung
an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein müsse, also eine Gefährdungsbeurteilung
voraussetze. Dies werde auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur so vertreten. Eine
ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung durchgeführte Unterweisung sei sinnlos. Sie bürde
dem Arbeitgeber nur unnötige Kosten auf. Diese Auffassung hätten auch das
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung vom 19. Februar 2009 (1
TaBV 1871/08), das Landesarbeitsgericht Köln in einer Entscheidung vom 3. Mai 2010 (2
TaBV 90/09), das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 22. Juni 2010
(16 TaBV 11/10) und das Hessische Landesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 17.
Juni 2010 (9 TaBV 247/09) vertreten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Beschluss des
Arbeitsgerichts (Blatt 290 bis 298 der Akten), auf die Schriftsätze der Beteiligten in erster
und zweiter Instanz, insbesondere auf die Beschwerdebegründung (Blatt 335 bis 340 der
Akten) und auf die Beschwerdeerwiderung (Blatt 354 bis 364 der Akten) verwiesen, und
außerdem auf die Niederschrift über den Termin zur mündlichen Anhörung vor der Kammer
vom 8. Dezember 2010 (Blatt 377 bis Blatt 379 der Akten).
B.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht
festgestellt, dass der Teilspruch der Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam
ist. Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere
Beurteilung.
I.
Gesamtbetriebsrat konnte durch die Entscheidung der Kammer in seiner eigenen
Rechtsstellung nicht (mehr) betroffen werden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-
Brandenburg hat, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, mit einem Beschluss vom 29.
April 2008 (12 TaBV 134/08) entschieden, dass der Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin
für den Regelungsgegenstand, um den es hier geht, nicht zuständig ist, sondern
insoweit eine originäre Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte der Niederlassungen der
Antragstellerin besteht. Diese Entscheidung ist zwischenzeitlich rechtskräftig. Die Kammer
wäre daher, was diese Frage angeht, gehindert, in dem vorliegenden Verfahren zu einem
anderen Ergebnis zu gelangen. Die Rechtsposition des Gesamtbetriebsrates könnte
hinsichtlich dieser Frage daher durch die Entscheidung der Kammer nicht mehr berührt
werden. Zwar ist der Gesamtbetriebsrat an der Einigungsstelle beteiligt gewesen, er hat
dabei aber nicht eine eigene originäre Zuständigkeit wahrgenommen, sondern er wurde
dabei lediglich nach § 50 Absatz 2 BetrVG im Auftrag der örtlichen Betriebsräte der
Niederlassungen tätig. Nur diese sind daher Inhaber der hier in Betracht kommenden
Mitbestimmungsrechte. Mangels einer Betroffenheit in einer eigenen Rechtsposition war
daher der Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin nicht (weiter) an dem Verfahren zu
beteiligen (so zutreffend und ausführlich auch bereits: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 22.
Juni 2010, 16 TaBV 11/10, abrufbar bei juris). Daran ändert es auch nichts, dass eine
formelle Beteiligung des Gesamtbetriebsrates in dem Verfahren bislang erfolgt war (dazu
auch BAG, Beschluss vom 25. September 1996, 1 ABR 25/96, NZA 1997, 668).
II.
Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren lediglich die Feststellung erstrebt, dass der
Spruch der Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 für unwirksam erklärt wird, soweit
davon der Betrieb der Antragstellerin in betroffen ist. Nur diese Frage ist auch
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, nachdem sich das Arbeitsgericht Berlin, bei dem
die Antragstellerin zunächst ein gegen alle betroffenen örtlichen Betriebsräte gerichtetes
Verfahren eingeleitet hatte, mit seinem Beschluss vom 15. Juli 2009 (Blatt 181 bis 186 der
Akten) insoweit für unzuständig erklärt und die Sache - im Hinblick darauf, dass es um
einzelne originäre Zuständigkeiten der gehe - an das
Arbeitsgericht Neunkirchen verwiesen hat, soweit von dem Antrag der Antragstellerin die
Niederlassung in H., die in dem Bezirk des Arbeitsgerichts Neunkirchen liegt, betroffen war.
Entsprechend ist das Arbeitsgericht Berlin verfahren, soweit sich der von der Antragstellerin
gestellte Antrag gegen die Betriebsräte der übrigen Niederlassungen der Antragstellerin
richtete. Da es danach um jeweils gesonderte Verfahren gegen die einzelnen örtlichen
Betriebsräte geht, sind die Entscheidungen, die andere Arbeitsgericht und
Landesarbeitsgerichte in Bezug auf den Teilspruch der Einigungsstelle zwischenzeitlich
getroffen haben, auch nicht im Sinne von § 148 ZPO vorgreiflich. Dass der Antrag der
Antragstellerin demgemäß so zu verstehen ist, dass der Spruch der Einigungsstelle (nur)
insoweit für unwirksam erklärt werden soll, als er sich auf den Betrieb der Antragstellerin in
H. bezieht, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in dem Termin zur
mündlichen Anhörung vor der Kammer auf eine entsprechende Frage der Kammer hin
auch ausdrücklich klargestellt (zu der selben Problematik für andere Betriebe der
Antragstellerin auch das Hessische Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. Juni 2010, 9
TaBV 247/09, und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.
Oktober 2010, 21 TaBV 2/10, sowie das Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom
12. Oktober 2010, 9 TaBV 39/10, jeweils abrufbar bei juris).
III.
vom 17. Dezember 2008 (soweit er sich auf den Betrieb der Antragstellerin in H. bezieht)
unwirksam ist. Zu derselben Einschätzung sind - soweit sich der Teilspruch auf andere
Niederlassungen der Antragstellerin bezieht - auch das Landesarbeitsgericht Köln in seiner
Entscheidung vom 3. Mai 2010 (2 TaBV 90/09, abrufbar bei juris), das
Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2010 (16 TaBV
11/10, abrufbar bei juris), das Hessische Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom
17. Juni 2010 (9 TaBV 247/09, abrufbar bei juris), das Landesarbeitsgericht München
(Beschluss vom 12. Oktober 2010, 9 TaBV 39/10, abrufbar bei juris) sowie das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 14. Oktober 2010, 21 TaBV
2/10, abrufbar bei juris) gelangt, und zwar unter Hinweis darauf, dass eine Regelung zur
Unterweisung erst nach einer vorangegangenen Gefährdungsbeurteilung hätte getroffen
werden dürfen. Diese Auffassung teilt auch die Kammer.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt: Der
Spruch einer Einigungsstelle unterliege, was Rechtsfehler angehe, der vollen Überprüfung
durch die Arbeitsgerichte. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nummer 7
BetrVG betreffend den Gesundheitsschutz bestehe nur im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften. Ein davon losgelöstes oder über diese Vorschriften hinausgehendes
Mitbestimmungsrecht bestehe nicht. Die Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz seien so
ausgestaltet, dass jedenfalls Regelungen über eine aufgabenbezogene Unterweisung nach
§ 12 ArbSchG erst getroffen werden könnten, wenn zuvor eine Gefährdungsbeurteilung
nach § 5 ArbSchG durchgeführt worden sei. Daher könne ohne eine vorhergehende
Gefährdungsbeurteilung auch von der Einigungsstelle keine Regelung über eine
Unterweisung getroffen werden. Dies ergebe eine Auslegung des § 12 ArbSchG nach dem
Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie nach dem Sinn und Zweck der Norm. § 12
Absatz 1 Satz 1 ArbSchG schreibe vor, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten über
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und
angemessen unterrichten müsse. Nach § 5 Absatz 1 ArbSchG müsse der Arbeitgeber
durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung
ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich seien. Die Unterweisung
nach § 12 Absatz 1 Satz 1 ArbSchG müsse gemäß § 12 Absatz 1 Satz 4 ArbSchG an die
Gefährdungsentwicklung angepasst sein. Dadurch werde die Verknüpfung von
Unterweisung und Gefährdungsbeurteilung belegt. Demgemäß habe das
Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12. August 2008 (9 AZR 1117/06) auch
ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz
bei der Arbeit zu unterweisen habe und dass diese Unterweisung an die
Gefährdungsentwicklung angepasst sein müsse, dass die Unterweisung also eine
Gefährdungsbeurteilung voraussetze. Für den Vorrang der Gefährdungsbeurteilung spreche
auch die Entstehungsgeschichte der hier maßgeblichen Regelungen des
Arbeitsschutzgesetzes. So führe der Gesetzgeber in der Begründung zu dem Entwurf des §
5 ArbSchG aus, dass sich erst aufgrund einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen erkennen
lasse, welche Schutzmaßnahmen erforderlich seien. Nach der Vorstellung des
Gesetzgebers ziele, so führt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf weiter aus, § 12 ArbSchG
darauf ab sicherzustellen, dass Beschäftigte eine Gesundheitsgefährdung erkennen und
entsprechend den vorgesehenen Maßnahmen handeln könnten. Dies solle dadurch
geschehen, dass die Beschäftigten im Rahmen der Unterweisung auf die individuelle
Arbeitssituation zugeschnittene Informationen, Erläuterungen und Anweisungen erhalten.
Aus diesem Zusammenhang werde deutlich, dass ohne eine Gefährdungsbeurteilung eine
Unterweisung nicht möglich sei, weil erst aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung überhaupt
erkennbar werde, welche Schutzmaßnahmen nötig seien. Die Gefährdungsermittlung sei
das zentrale Element des technischen Arbeitsschutzes. Mit ihr beginne, wie das
Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12. August 2008 ebenfalls bereits
dargelegt habe, der Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers. Je genauer und
wirklichkeitsnäher die Gefährdungen im Betrieb ermittelt und beurteilt würden, desto
zielsicherer könnten konkrete Maßnahmen des Arbeitsschutzes getroffen werden. Es
müsse daher, bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz, vor einer Unterweisung festgestellt
werden, worin die möglichen Gefahren und Belastungen bei der Arbeit bestehen, woraus
sie sich ergeben und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich seien und
deshalb von dem Arbeitgeber getroffen werden müssten. Es müssten also vor einer
Unterweisung die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung bekannt sein. Diese seien
Grundlage für die Unterweisung. Eine Unterweisung, die durchgeführt werde, ohne dass die
konkreten Gefährdungen und Belastungen, denen die einzelnen Beschäftigten ausgesetzt
seien, und die dagegen zu treffenden Schutzmaßnahmen bekannt seien, sei sinnlos und
verfehle ihren Zweck. So werde das auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur
gesehen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass es in der Vergangenheit von dem
Arbeitgeber versäumt worden sei, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Allein dies
könne nicht dazu führen, dass von den gesetzlichen Vorgaben abgewichen werden dürfe.
Diese Vorgaben seien in der richtigen Reihenfolge abzuarbeiten und durchzusetzen. Daher
müsse sich der Betriebsrat auch fragen lassen, weshalb er nicht von seinem Initiativrecht
Gebrauch gemacht und über § 87 Absatz 1 Nummer 7 BetrVG die entsprechenden
Gefährdungsbeurteilungen initiiert habe. Die Unwirksamkeit der Regelungen zur
aufgabenbezogenen Unterweisung führe, so argumentiert das Landesarbeitsgericht
Düsseldorf schließlich, zur Unwirksamkeit des gesamten Teilspruchs vom 17. Dezember
2008. Die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung habe die Unwirksamkeit auch der
übrigen Bestimmungen der Betriebsvereinbarung zur Folge, wenn diese ohne die
unwirksamen Teile keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr darstelle. Dies
gelte auch für eine Betriebsvereinbarung, die durch den Spruch einer Einigungsstelle
zustande gekommen sei. Die Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung machten
den wesentlichen Teil einer Unterweisung nach § 12 ArbSchG aus. Eine Grundunterweisung
ohne eine zeitnahe aufgabenbezogene Unterweisung mache keinen Sinn. Beide bauten
aufeinander auf und stünden in einem engen Zusammenhang. Ohne die Regelungen zur
aufgabenbezogenen Unterweisung stelle der Teilspruch vom 17. Dezember 2008 daher
keine in sich geschlossene Regelung mehr dar.
Die Kammer hält diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf für
überzeugend. Zu demselben Ergebnis sind mit im wesentlichen gleicher Argumentation
auch das Landesarbeitsgericht Köln, das Hessische Landesarbeitsgericht, das
Landesarbeitsgericht München und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in den
weiter oben bereits zitierten Entscheidungen gelangt. Auch das Landesarbeitsgericht Berlin-
Brandenburg vertritt in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2009 (1 TaBV 1871/08,
abrufbar bei juris) in einem im wesentlichen gleich gelagerten Fall die selbe Auffassung.
Gestützt wird diese Auffassung durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.
August 2008 (9 AZR 1117/06, NZA 2009,102). Bereits in dieser Entscheidung hat das
Bundesarbeitsgericht, wenn auch in einem Individualverfahren, darauf hingewiesen, dass
die Unterweisung eine Gefährdungsbeurteilung .
Dem Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren lässt sich nichts
entnehmen, was eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Das gilt etwa, soweit der
Antragsgegner geltend macht, bei allen durchzuführenden Tätigkeiten seien die jeweiligen
Gefährdungspotentiale bekannt. Daraus möchte der Antragsgegner schließen, dass eine
Unterweisung auch ohne eine vorhergehende Gefährdungsbeurteilung erfolgen könne.
Diese Auffassung entspricht jedoch gerade nicht der Konzeption des
Arbeitsschutzgesetzes, die aus den bereits dargelegten Gründen darin besteht, dass für
konkrete Arbeitsplätze konkrete Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen sind, um beurteilen
zu können, welche daran anschließende Unterweisungen nötig und sinnvoll sind. Auch
soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners im Rahmen der Erörterung der
Sach- und Rechtslage in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer, um die
gegenteilige Auffassung des Antragsgegners zu stützen, auf § 5 Absatz 3 Nummer 5
ArbSchG hingewiesen hat, überzeugt dies die Kammer nicht. In § 5 Absatz 1 ArbSchG
heißt es zunächst, dass der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten
mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln habe, welche Maßnahmen des
Arbeitsschutzes erforderlich sind. In § 5 Absatz 2 ArbSchG heißt es dann weiter, dass der
Arbeitgeber die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen habe, wobei bei
gleichartigen Arbeitsbedingungen die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit
ausreichend sei. Unter § 5 Absatz 1 ArbSchG werden dann in fünf Ziffern Beispiele dafür
angeführt, woraus sich eine Gefährdung ergeben kann, nämlich etwa aus der Gestaltung
und der Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes (Ziffer 1), aus physikalischen,
chemischen und biologischen Einwirkungen (Ziffer 2), aus der Gestaltung, der Auswahl und
dem Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und
Anlagen sowie aus dem Umgang damit (Ziffer 3), oder aus der Gestaltung von Arbeits-
und Fertigungsverfahren, von Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und aus deren
Zusammenwirken (Ziffer 4). Als weiteres Beispiel, woraus sich eine Gefährdung ergeben
könne, wird schließlich unter § 5 Absatz 3 Nummer 5 ArbSchG noch eine unzureichende
Qualifikation und auch eine unzureichende Unterweisung der Beschäftigten angeführt. Auch
aus letzterem lässt sich für die von dem Antragsgegner vertretene Auffassung aber nichts
herleiten. Auch wenn zunächst eine Gefährdungsbeurteilung erstellt wurde, an die sich -
wie dies der Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes entspricht - eine darauf konkret
bezogene Unterweisung anschließt, kann diese Unterweisung im Einzelfall unzureichend
sein, woraus ein besonderes Gefährdungspotential resultieren kann. Dies kann zu einer
besonderen Gefährdungs führen, die es erforderlich macht, die Unterweisung
anzupassen (§ 12 Absatz 1 Satz 3 ArbSchG). Abgesehen davon: Selbst wenn § 5 Absatz 3
Nummer 5 ArbSchG (auch) den Fall im Auge haben sollte, dass eine (mangelhafte)
Unterweisung des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz erfolgt ist, ohne dass zuvor eine
Gefährdungsbeurteilung erstellt worden war, und dass sich erst daraus eine besondere
Gefährdung ergibt, könnte aus dieser singulären Regelung noch nicht geschlossen werden,
dass dadurch die oben skizzierte grundlegende Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes und
die sich dadurch ergebende Reihenfolge - zunächst Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung
und dann Vornahme einer Unterweisung - in ihrem Kern in Frage gestellt werden soll.
IV.
Rechtsbeschwerde war nach den §§ 92 Absatz 1 Satz 2, 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG
zuzulassen. Mit der selben, sich für andere Niederlassungen der Antragstellerin stellenden
Rechtsfrage sind derzeit eine Reihe weiterer Landesarbeitsgerichte befasst. Einige
Landesarbeitsgerichte, nämlich das Landesarbeitsgericht Köln, das Hessische
Landesarbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht München sowie das Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg, haben bereits Entscheidungen getroffen, die Rechtsbeschwerde zu
dem Bundesarbeitsgericht aber ebenfalls zugelassen.
dem Bundesarbeitsgericht aber ebenfalls zugelassen.
gez. Dier gez. Ehrhardt gez. Fontaine