Urteil des LAG Saarland vom 07.03.2007

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LArbG Saarbrücken Beschluß vom 7.3.2007, 2 TaBV 8/06
Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle - Betriebsschließung -
Gemeinschaftsbetrieb
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 13. November 2006 verkündeten
Beschluss des Arbeitsgerichts Neunkirchen (1 BV 23/06) wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Der Antragsteller ist der Betriebsrat der Antragsgegnerin, der K. GmbH. Im August 2006
teilte die Antragsgegnerin ihren Arbeitnehmern mit, dass sie sich entschlossen habe, den
Betrieb zum 31. Dezember 2006 zu schließen. Anfang Oktober 2006 forderte der
Antragsteller die Antragsgegnerin auf, mit ihm Verhandlungen über einen Sozialplan
aufzunehmen. Das lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis darauf ab, dass die
Voraussetzungen für die Erstellung eines Sozialplans nach den §§ 111 und 112 des
Betriebsverfassungsgesetzes nicht vorlägen, weil in dem Unternehmen nicht mehr als
zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt seien.
In dem vorliegenden Verfahren will der Antragsteller erreichen, dass für eine einzurichtende
Einigungsstelle, die einen Sozialplan erstellen soll, ein Vorsitzender bestimmt und außerdem
die Anzahl der Beisitzer festgesetzt wird. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die
gesetzlichen Voraussetzungen dafür lägen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin
vor. In erster Instanz hat der Antragsteller zum einen geltend gemacht, in dem
Unternehmen der Antragsgegnerin seien mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer
beschäftigt. Zum anderen hat er die Ansicht vertreten, dass die Antragsgegnerin
zusammen mit der R. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb bilde, weshalb der
Schwellenwert des § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes, nämlich mehr als zwanzig
wahlberechtigte Arbeitnehmer, auf jeden Fall überschritten sei.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen wendet
sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er seinen Antrag aus erster Instanz
weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen
der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts
(Blatt 75 bis 85 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten im
Beschwerdeverfahren verwiesen. Das Beschwerdegericht hat den Beteiligten mit einer
Verfügung vom 16. Februar 2007 (Blatt 122 und 123 der Akten) rechtliche Hinweise
erteilt.
B.
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag
des Antragstellers zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Das
Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere
Beurteilung.
Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig (§ 98 Absatz 1 Satz 2 ArbGG).
Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle dann, wenn deren Zuständigkeit unter
keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist; das muss bei fachkundiger
Beurteilung durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar sein (dazu beispielsweise LAG
Köln, Beschluss vom 13. Januar 1998 in dem Verfahren 13 TaBV 60/97, LAGE Nummer 33
zu § 98 ArbGG mit umfangreichen weiteren Nachweisen; dazu außerdem der Beschluss
der Kammer vom 14. Mai 2003, 2 TaBV 7/03). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.
Dem Antragsteller steht offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht nach den §§ 111 und 112
BetrVG zu. Davon ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
1.
zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Dass bei der Antragsgegnerin in der Regel nicht
mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind, hat das
Arbeitsgericht zutreffend dargelegt. Dagegen wendet sich der Antragsteller im
Beschwerdeverfahren auch nicht mehr.
2.
auch dann nicht zustehen, wenn seine Einschätzung zuträfe, dass die Antragsgegnerin und
die R. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten haben, dem nicht nur die
Arbeitnehmer der Antragsgegnerin angehörten, sondern auch Arbeitnehmer der R. GmbH .
Dabei kann offen bleiben, ob in einem solchen Fall die Erstellung eines Sozialplans
grundsätzlich in Betracht kommt, was in der Rechtsprechung und der
rechtswissenschaftlichen Literatur unterschiedlich beurteilt wird (dazu etwa Annuß, in:
Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 10. Auflage 2006, Randnummer 26 zu § 111
BetrVG, und Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 23. Auflage 2006, Randnummern 20 bis
23 zu § 111 BetrVG, jeweils mit einer Übersicht zum Meinungsstand).
Selbst dann, wenn man diese Frage bejahen wollte, wäre nämlich weitere Voraussetzung
für die Anwendung der §§ 111 und 112 BetrVG, dass für diesen Gemeinschaftsbetrieb ein
Betriebsrat gebildet wurde, der Rechte nach den §§ 111 und 112 BetrVG geltend machen
kann. Die Rechte nach den genannten Vorschriften stehen dem Betriebsrat des Betriebes
zu, der von der Betriebsänderung betroffen ist. Hat ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden,
so wäre dieser von der Betriebsänderung betroffen. Ein Betriebsrat für einen
Gemeinschaftsbetrieb ist aber nicht gebildet worden. Gebildet wurden stattdessen in der
ersten Hälfte des Jahres 2006 ein Betriebsrat für einen bei der Antragsgegnerin
bestehenden Betrieb und ein Betriebsrat für einen bei der R. GmbH bestehenden Betrieb.
Damit sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, die
betriebsverfassungsrechtliche Organisation und als Folge davon auch das Bestehen und die
Reichweite von Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte für die laufende Wahlperiode
geklärt.
Diese betriebsverfassungsrechtliche Situation ist eindeutig. Die von dem Antragsteller
vertretene gegenteilige Auffassung würde, worauf das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht
aufmerksam gemacht hat, darauf hinauslaufen, dem Antragsteller ein
Mitbestimmungsrecht für eine Organisationseinheit zuzugestehen, für die er nicht gewählt
worden ist und für die er demgemäß auch nicht über ein Mandat aller zu dieser
Organisationseinheit gehörenden Arbeitnehmer verfügt. Das ist aber ausgeschlossen. Wird
ein Betriebsrat wirksam für eine als betriebsratsfähig angesehene Einheit gewählt, so
stehen ihm Mitbestimmungsrechte nur für diese Einheit zu, und zwar unabhängig davon,
ob die betreffende Einheit tatsächlich betriebsratsfähig gewesen ist oder das nicht der Fall
gewesen ist, etwa weil der Betriebsbegriff verkannt wurde; der so gewählte Betriebsrat
repräsentiert dann auch nur diese Einheit, weiter können seine Mitbestimmungsrechte
nicht reichen (BAG, Urteil vom 8. Juni 1999, 1 AZR 831/98, NZA 1999, 1168 mit weiteren
Nachweisen, gerade für den Fall einer Betriebsänderung nach den §§ 111 und 112 BetrVG;
ebenso bereits BAG, Beschluss vom 27. Juni 1995, 1 ABR 62/94, NZA 1996, 164; dazu
außerdem BAG, Urteil vom 3. Juni 2004, 1 AZR 577/03, NZA 2005,175).
Die von dem Antragsteller vertretene Auffassung findet auch in der
rechtswissenschaftlichen Literatur keine Stütze. Der Hinweis des Antragstellers auf eine
Kommentarstelle bei Fitting (Betriebsverfassungsgesetz, 21. Auflage 2002, Randnummer
33 zu § 111 BetrVG) ist nicht einschlägig. Diese Kommentarstelle betrifft nicht den
Gemeinschaftsbetrieb. Dort heißt es vielmehr nur ganz allgemein und zutreffend, dass die
Entstehung des Beteiligungsrechts nach den §§ 111 und 112 BetrVG vom Bestehen eines
Betriebsrates in dem Betrieb, der von der Betriebsänderung betroffen ist, abhängig ist
(ebenso Fitting auch in der 23. Auflage des Kommentars aus dem Jahr 2006). Betroffen
von der Betriebsänderung wäre hier aber, falls tatsächlich ein Gemeinschaftsbetrieb
bestanden hätte, wie bereits erwähnt, der Gemeinschaftsbetrieb. Für einen solchen
Gemeinschaftsbetrieb wurde aber kein Betriebsrat gewählt. Auch Fitting diskutiert
demgemäß die Problematik des maßgeblichen Schwellenwerts bei dem Bestehen eines
Gemeinschaftsbetriebs nur unter der Prämisse, dass ein
Betriebsrat gebildet ist (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 23. Auflage 2006,
Randnummer 20 zu § 111 BetrVG).
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts konnte
danach keinen Erfolg haben.