Urteil des LAG Saarland vom 20.01.2010

LArbG Saarbrücken: era, treu und glauben, arbeitsgericht, zulage, minderung, tarifvertrag, vergütung, form, vergleich, entstehungsgeschichte

LArbG Saarbrücken Urteil vom 20.1.2010, 2 Sa 55/09
Besitzstandszulage - Anrechnung einer späteren Erschwerniszulage -
Entgeltrahmenabkommen Metall- und Elektroindustrie Saarland
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Mai
2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts
Saarbrücken (2 Ca 1895/08) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des
Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang dem Kläger eine tariflich vereinbarte
Besitzstandszulage zusteht.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit Juni 1999 als Schweißer beschäftigt. Auf das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die
Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes Anwendung. Mit Wirkung ab
dem 1. April 2007 wurde in dem Betrieb der Beklagten das Entgeltrahmenabkommen
(ERA) für die Metall- und Elektroindustrie eingeführt. Das Entgeltrahmenabkommen sieht in
seinem § 12 eine „Erschwerniszulage“ vor. § 12 des Entgeltrahmenabkommens hat
folgenden Wortlaut:
"§ 12
Erschwerniszulage
(1) Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass
Arbeitsbedingungen, die zu Arbeiten unter hohen körperlichen
Belastungen oder besonders starken Umgebungseinflüssen führen,
möglichst zu vermeiden sind.
(2) Die mit der Erfüllung der Arbeitsaufgabe verbundenen normalen
Erschwernisse (körperliche Belastungen und Umgebungseinflüsse)
(Protokollnotiz zu § 12 Ziff. (2): Körperliche Belastungen sind alle
Belastungen, die zu körperlichen Reaktionen führen.) sind mit dem
Grundentgelt der jeweiligen Entgeltgruppe abgegolten.
Für Beschäftigte, die Arbeitsaufgaben unter körperlichen
Belastungen
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oder unter Umgebungseinflüssen
ausführen, die über die normalen Erschwernisse ganz
erheblich hinaus gehen, wird für jede derartige
Arbeitsstunde eine Zulage gezahlt.
Da die Art der Erschwernisse wesentlich von den
jeweiligen Betriebsverhältnissen abhängig ist, sind der
Grund und die Höhe der jeweiligen Erschwerniszulage -
soweit diese nicht anderweitig abgegolten sind - durch
Betriebsvereinbarung zu regeln.
(3) Die vorgenannte Erschwerniszulage ist grundsätzlich in Geld zu
vergüten.
Im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
ist die Zulage durch die Gewährung von zusätzlicher
bezahlter Freizeit abzugelten. Durch freiwillige
Betriebsvereinbarung kann der Freizeitausgleich an Stelle
der Vergütung in Geld auch für alle Arbeitnehmer oder für
Gruppen von Arbeitnehmern vereinbart werden.“
Die in § 12 Absatz 2 Satz 3 des Entgeltrahmenabkommens vorgesehene
Betriebsvereinbarung wurde in dem Betrieb der Beklagten am 14. November 2007
geschlossen. Die „Betriebsvereinbarung über Art und Höhe von Erschwerniszulagen“ (Blatt
8 und 9 der Akten) gilt ab dem 1. November 2007. Sie sieht unter anderem eine
Erschwerniszulage für Schweißer in Höhe von 90 EUR im Monat vor. Darüber, dass der
Kläger diese Erschwerniszulage beanspruchen kann, sind sich die Parteien einig.
Mit dem Entgeltrahmenabkommen wurden die Grundsätze für die Eingruppierung der
Arbeitnehmer gegenüber dem zuvor geltenden Tarifrecht erheblich verändert. In dem
„Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und
Elektroindustrie (ERA-ETV)“ wurde deshalb eine Besitzstandsregelung vereinbart. In § 5
dieses Tarifvertrages heißt es:
"§ 5
Besitzstandregelung
(1) Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des
Entgeltrahmenabkommens darf nach Maßgabe der nachfolgenden
Vorschriften für den einzelnen Beschäftigten keine Minderung seines
bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn
zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst
oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller
Leistungszulage, erfolgen.
(2) Unabhängig von den Kriterien gemäß § 12 des
Entgeltrahmenabkommens ist für Arbeiten an Arbeitsplätzen, die
zum Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens auf
Grund von Belastungen in eine höhere Lohngruppe eingruppiert sind,
als die, in die sie auf Grund der übrigen Anforderungsmerkmale
einzugruppieren wären, eine Zulage in Höhe der bisherigen Differenz
zwischen diesen beiden Lohngruppen festzulegen.
(3) Diese Zulage entfällt, wenn die Belastung wegfällt oder wenn eine
Betriebsvereinbarung gemäß § 12 des Entgeltrahmenabkommens
abgeschlossen wird.
(4) Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt …
d. h.: Grundlohn zuzüglich
■ Leistungszulage oder
■ Prämienehrverdienst oder
■ Akkordmehrverdienst
oder
Grundgehalt zuzüglich Leistungszulage
… zum Stichtag der Ersteinführung des ERA das neue tarifliche ERA-
Entgelt ….
d. h.: Grundlohn zuzüglich
■ Leistungszulage oder
■ Mehrverdienst oder
■ Zielerreichungszulage
■ und Erschwerniszulage oder Zulage gem. § 5 Ziff. (2)
… überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens
durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.
Ein evtl. bestehender manteltarifvertraglicher
Verdienstaus-gleich bleibt hiervon unberührt.
(5) Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. (4) in Höhe von
- bis zu 10 % des bisherigen tariflichen Entgeltes wird als
Ausgleichszulage,
-eine in Einzelfällen darüber hinausgehende Differenz als
Überschreiterzulage
- zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.
Die Überschreiterzulage nimmt an Tariferhöhungen teil.
Erfahrungszulage:
Beschäftigte der
- Gehaltsgruppe K/T 2 b nach dem 8. Beschäftigungsjahr,
- Gehaltsgruppe K/T 3 a und b nach dem 8.
Beschäftigungsjahr,
- Gehaltsgruppe K/T 4 im 7. und 8. Beschäftigungsjahr,
- Gehaltsgruppe K/T 5 a im 5. und 6. Beschäftigungsjahr
erhalten statt der Ausgleichszulage eine Erfahrungszulage.
Diese wird wie die Überschreiterzulage behandelt.
Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil.
Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts
in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach
der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Beschäftigten
durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. (10) erfolgen. Alle
nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis
auf 1%-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf
die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet.
(6) Auf die Ausgleichszulage und die Überschreitzulage werden in
voller Höhe angerechnet:
- individuelle Erhöhungen des
Grundentgeltanspruches zzgl. daraus
resultierender Erhöhungen der Leistungszulage,
des Mehrverdienstes bzw. der
Zielerreichungszulage
- Erhöhungen der Erschwerniszulage
Eine Erhöhung oder Minderung der Leistungszulage, des
Mehrverdienstes und der Zielerreichungszulage führen zu
keiner Veränderung der Ausgleichszulage.
(7) Die Ausgleichszulage geht nicht in die Berechnung der
Leistungszulage, des Mehrverdienstes nach Kennzahlenvergleich
bzw. der Zielerreichungszulage sowie sonstiger tariflicher Zulagen
ein.“
Eine Besitzstandszulage in Höhe der Differenz zwischen seinem früheren Lohn nach dem
alten Tarifrecht und dem Lohn nach dem neuen Tarifrecht erhielt auch der Kläger in Form
der Ausgleichszulage ab dem 1. April 2007. Nachdem die „Betriebsvereinbarung über Art
und Höhe von Erschwerniszulagen“ mit Wirkung zum 1. November 2007 in Kraft getreten
war und dem Kläger deshalb ab diesem Zeitpunkt eine Erschwerniszulage gezahlt wurde,
kürzte die Beklagte die Ausgleichszulage des Klägers in Höhe des Betrages der
Erschwerniszulage, also in Höhe von 90 EUR monatlich, so dass dem Kläger lediglich noch
eine Ausgleichszulage in Höhe von 97,26 EUR gezahlt wurde. Dagegen wendet sich der
Kläger mit seiner Klage. Er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf eine
Ausgleichszulage in Höhe von 187,26 EUR. Er beansprucht in dem vorliegenden
Rechtsstreit die monatliche Differenz von 90 EUR für die Zeit von August 2008 bis April
2009.
Der Kläger hat geltend gemacht, eine Berechtigung der Beklagten zur Anrechnung der
Erschwerniszulage auf die Ausgleichszulage ergebe sich nicht aus § 5 Absatz 6 ERA-ETV.
Diese Regelung betreffe nur die Erhöhung der Erschwerniszulage, nicht deren erstmalige
Einführung. Hier gehe es aber um die erstmalige Einführung einer Erschwerniszulage in der
Zeit nach der Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb. Wenn die
Tarifvertragsparteien auch in einem solchen Fall eine Anrechnung der Erschwerniszulage
auf die Ausgleichszulage gewollt hätten, so hätten sie dies, so hat der Kläger weiter
ausgeführt, in dem Tarifvertrag vereinbart. Das sei aber nicht geschehen.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
erstens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2008 zu zahlen,
zweitens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 90 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2008 zu zahlen,
drittens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 13. März 2009 zu zahlen, und
viertens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 180 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Regelung in § 5 Absatz 4 ERA-ETV. Nach dieser Regelung
werde auch die Erschwerniszulage in den Entgeltvergleich miteinbezogen. Sinn und Zweck
der Regelung über die Besitzstandszulage sei es, dass die Arbeitnehmer durch die
Einführung des neuen Tarifrechts keine finanziellen Einbußen erleiden sollten. Der
Lohnrahmen nach dem alten tariflichen Entgelt habe nicht unterschritten werden sollen.
Durch die Einführung des Entgeltrahmenabkommens hätten die Beschäftigten aber auch
keinen höheren Entgeltanspruch erwerben sollen. Folge man der Auffassung des Klägers,
so führe dies aber dazu, dass der Beschäftigte aufgrund der Zahlung der Ausgleichszulage
ein höheres Entgelt erziele als vorher. Zweck der Besitzstandzulage sei es aber lediglich
gewesen, das bisherige Entgelt abzusichern. Die Regelung in § 5 Absatz 6 ERA-ETV müsse
daher dahin verstanden werden, dass die erstmalige Gewährung einer Erschwerniszulage
in der Zeit nach der Einführung des Entgeltrahmenabkommens ebenso auf die
Ausgleichszulage anzurechnen sei wie die Erhöhung einer schon zuvor vorhandenen
Erschwerniszulage, denn nur so lasse sich der Gesamtkostenvergleich in § 5 Absatz 4 ERA-
ETV erklären.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat, kurz
zusammengefasst, ausgeführt, die Auslegung der gesamten Regelungen in dem
Einführungstarifvertrag zu dem Entgeltrahmenabkommen ergebe, dass von der
Anrechnungsklausel in § 5 Absatz 6 ERA-ETV über den Fall der Erhöhung einer
Erschwerniszulage hinaus auch der Fall einer erstmals eingeführten Erschwerniszulage
erfasst sei. In dem Einführungstarifvertrag zu dem Entgeltrahmenabkommen hätten die
Tarifvertragsparteien eine Besitzstandsregelung vereinbart. Aus Anlass der erstmaligen
Anwendung dieses Entgeltrahmenabkommens dürfe grundsätzlich keine Minderung des
tariflichen Entgelts eintreten. Demzufolge regele der Tarifvertrag in seinem § 5, dass das
bisherige tarifliche Entgelt dem neuen tariflichen Entgelt nach dem
Entgeltrahmenabkommen gegenüberzustellen sei. Demgemäß werde auch die
Erschwerniszulage in den Entgeltvergleich mit einbezogen. Nach dem Willen der
Tarifvertragsparteien und nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen sollten die
Beschäftigten durch die Einführung des Entgeltrahmenabkommens keine finanziellen
Einbußen erleiden, deren status quo habe erhalten bleiben sollen. Umgekehrt solle durch
die Einführung des Entgeltrahmenabkommens aber auch kein höherer Entgeltanspruch
entstehen, was jedoch letztlich der Fall wäre, wenn die durch Betriebsvereinbarung
geregelte Erschwerniszulage nicht auf die Ausgleichszulage angerechnet werden könnte.
Nur auf diese Weise erkläre sich auch der Gesamtkostenvergleich in § 5 Absatz 4 ERA-ETV.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er hält die von dem Arbeitsgericht
vertretene Rechtsauffassung für unzutreffend. Das Arbeitsgericht widerspreche sich bei
seiner Argumentation. Das Arbeitsgericht führe aus, dass aus Anlass der erstmaligen
Anwendung des Entgeltrahmenabkommens grundsätzlich keine Minderung des tariflichen
Entgelts eintreten dürfe. Hier gehe es jedoch nicht um die erstmalige Anwendung des
Entgeltrahmenabkommens, sondern um die wesentlich später abgeschlossene
Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulagen. Damit stelle sich überhaupt nicht die
Frage, welches Entgelt im Zusammenhang mit der erstmaligen Anwendung des
Entgeltrahmenabkommens zu sichern gewesen sei. Es gehe vielmehr um die Frage der
Berücksichtigung späterer Lohnerhöhungen. Die Erschwerniszulage könne daher nur dann
angerechnet werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens aufgrund einer Betriebsvereinbarung in dem Betrieb bereits
eingeführt gewesen sei und sie sich später lediglich in der Höhe verändere. Auch in § 5
Absatz 6 ERA-ETV sei demgemäß ausdrücklich nur von der Erhöhung der
Erschwerniszulage die Rede. Die von dem Arbeitsgericht vertretene Auffassung
widerspreche auch dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages. Nach dem alten Tarifsystem
habe man im Saarland bei der Eingruppierung nur in den unteren Lohngruppen
Erschwernisse berücksichtigt. Im Zuge der Verhandlungen habe sich die
vertragsschließende Gewerkschaft, die IG Metall, dafür entschieden, dass Erschwernisse
bei der Erbringung der Arbeitsleistung künftig nicht mehr als Eingruppierungsmerkmal
berücksichtigt werden sollten. Stattdessen sei eine Erschwerniszulage vereinbart worden.
In § 5 Absatz 2 ERA-ETV sei allerdings eine Übergangsregelung für diejenigen Beschäftigten
gefunden worden, die wegen der an ihrem Arbeitsplatz vorhandenen Erschwernisse nach
dem alten Tarifsystem höher eingruppiert gewesen seien. Diese Übergangsregelung gelte
solange, bis im Betrieb eine neue, für alle Beschäftigten einheitliche Regelung in Form einer
Erschwerniszulage nach § 12 des Entgeltrahmenabkommens getroffen werde. Auch dies
spreche dafür, dass die Erschwerniszulage, die nach dem Stichtag der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens vereinbart werde, nicht mehr in die Vergleichsbetrachtung
einzubeziehen sei. Entgeltbestandteile, die zu diesem Stichtag nicht vorhanden sein, seien
für die Berechnung der Ausgleichszulage nicht von Bedeutung.
beantragt,
erstens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2008 zu zahlen,
zweitens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 90 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2008 zu zahlen,
drittens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 13. März 2009 zu zahlen, und
viertens die Beklagte zu verurteilen, an ihn 180 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2009 zu zahlen.
beantragt
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend. Sie betont erneut, dass es
Sinn und Zweck des Einführungstarifvertrages zu dem Entgeltrahmenabkommen gewesen
sei, Beschäftigte so in den neuen Entgelttarifvertrag zu überführen, dass sie dabei keine
finanziellen Einbußen erleiden. Da eine Reihe von Mitarbeitern, wie auch der Kläger, durch
die Umsetzung des Entgeltrahmenabkommens eigentlich Geld hätten verlieren müssen,
hätten die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass diesen Mitarbeitern eine Ausgleichszulage
gezahlt wird. Gleichzeitig sei aber auch gewollt gewesen, dass diese Mitarbeiter durch die
Einführung des Entgeltrahmenabkommens nicht mehr verdienen sollten. Aus diesem Grund
sei ein abschmelzbarer Besitzstand vereinbart worden. Die von dem Kläger vertretene
Auslegung des Tarifvertrages würde auch, so führt die Beklagte weiter aus, zu Brüchen,
Verwerfungen und Zufälligkeiten führen. Dies zeige die Umsetzung der
Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulage in dem Betrieb der Beklagten. Dort
würden, in Abhängigkeit von den Belastungen in den verschiedenen Arbeitsbereichen,
unterschiedlich hohe Erschwerniszulagen gezahlt. In dem Bereich der Schweißerei und der
Lackiererei seien es monatlich 90 EUR monatlich, in dem Bereich der sogenannten
Blasenfertigung seien es hingegen nur 45 EUR im Monat. Wenn ein Mitarbeiter aus dem
Bereich der Blasenfertigung in den Bereich der Lackiererei versetzt werde, steige seine
Erschwerniszulage von 45 EUR monatlich auf 90 EUR im Monat. Die Differenz von 45 EUR
wäre, so argumentiert die Beklagte weiter, auch nach der von dem Kläger vertretenen
Auslegung des Tarifvertrages eine Erhöhung der Erschwerniszulage und somit
selbstverständlich auf die Ausgleichszulage anrechenbar. Eine solche an Zufälligkeiten
orientierte Differenzierung sei nicht gewollt gewesen. Auch der Auffassung des Klägers,
eine Erschwerniszulage könne nur dann angerechnet werden, wenn sie aufgrund einer
Betriebsvereinbarung zum Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens bereits
vereinbart gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Denn der Abschluss einer
Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulage sei erst nach der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens überhaupt zulässig gewesen. Der Abschluss einer
Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulage am selben Tag, an dem auch das
Entgeltrahmenabkommen in dem Betrieb eingeführt worden sei, wäre ein historischer
Zufall, der in der Praxis so gut wie keine Bedeutung gehabt habe. Die Praxis habe
demgemäß auch gezeigt, dass die ganz überwiegende Anzahl der Betriebsvereinbarungen
über eine Erschwerniszulage erst zeitlich versetzt nach der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens zustande gekommen sei. Der Hinweis des Klägers auf die
Übergangsregelung in § 5 Absatz 2 ERA-ETV führe auch nicht weiter, da diese
Übergangsregelung nur für Beschäftigte der früheren Lohngruppen 1 bis 3 gelte.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die
Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Blatt 41 bis 53 der Akten) und auf
die Schriftsätze der Parteien in erster und zweiter Instanz, insbesondere auf die
Berufungsbegründung (Blatt 65 bis 67 der Akten) und auf die Berufungserwiderung (Blatt
77 bis 85 der Akten), Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend
entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Dass die
Ausgleichszulage lediglich gekürzt um die Erschwerniszulage entsteht, ergibt sich dabei
nach Auffassung der Kammer bereits aus § 5 Absatz 4 ERA-ETV.
I.
auf Zahlung der Besitzstandzulage entsteht. Danach ist ein Vergleich anzustellen zwischen
dem bisherigen tariflichen Entgelt und dem neuen tariflichen Entgelt nach dem
Entgeltrahmenabkommen. Überschreitet das bisherige tarifliche Entgelt das neue tarifliche
Entgelt nach dem Entgeltrahmenabkommen, so ist eine Besitzstandszulage in Höhe der
Differenz zu zahlen. Zu dem neuen tariflichen Entgelt des Klägers zählt auch die
Erschwerniszulage, denn die Erschwerniszulage wurde mit dem Entgeltrahmenabkommen
erstmals eingeführt. Deshalb ist auch die Erschwerniszulage in den Entgeltvergleich mit
einzubeziehen. Das gilt auch dann, wenn die Erschwerniszulage in dem Betrieb aufgrund
einer Betriebsvereinbarung geregelt wird, die nicht zeitgleich mit dem
Entgeltrahmenabkommen in Kraft getreten ist, sondern erst zeitlich danach. Das folgt aus
einer Auslegung der neuen tarifvertraglichen Regelungen.
Bei der Auslegung einer Tarifnorm ist zunächst von deren Wortlaut auszugehen, wobei der
maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht
eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu
berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat.
Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte
für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der
Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie
Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung
an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages,
gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die
Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel
gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (dazu etwa BAG, Urteil vom
4. April 2001, 4 AZR 180/00, BAGE 97, 271, und BAG, Urteil vom 18. April 2007, 4 AZR
661/05, abrufbar bei juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Von diesen Grundsätzen
ausgehend ergibt sich für den hier zu entscheidenden Fall folgendes:
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Erschwerniszulage nur dann in den
Entgeltvergleich einzubeziehen ist, wenn sie auf einer Betriebsvereinbarung beruht, die
zeitgleich mit dem Entgeltrahmenabkommen in Kraft getreten ist. Diese Auslegung der
tarifvertraglichen Vorschriften wird - das ist dem Kläger zuzugestehen - durch den Wortlaut
der tarifvertraglichen Regelungen in § 5 ERA-ETV gestützt. Denn zum einen heißt es in § 5
Absatz 1 ERA-ETV, aus Anlass der „erstmaligen Anwendung“ des
Entgeltrahmenabkommens dürfe für den einzelnen Beschäftigten keine Minderung seines
bisherigen tariflichen Entgelts erfolgen. Und in § 5 Absatz 4 ERA-ETV ist formuliert, dass die
Besitzstandzulage dann zu zahlen ist, wenn „das bisherige tarifliche Entgelt … zum
Stichtag der Ersteinführung des ERA das neue tarifliche ERA-Entgelt … überschreitet".
Besonders aufgrund der zuletzt genannten Formulierung meint der Kläger, es komme für
den Entgeltvergleich allein auf den Stichtag der Ersteinführung des
Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb an. Dieses Verständnis des Wortlauts der
tariflichen Regelungen dürfte jedoch bereits nicht zwingend sein. Die Passage in § 5 Absatz
4 ERA-ETV „zum Stichtag der Ersteinführung des ERA“ lässt sich nämlich auch allein auf die
vorangegangene, lediglich durch einen konkretisierenden Einschub unterbrochene Passage
der Tarifnorm beziehen, also auf „das bisherige tarifliche Entgelt“. Davon ausgehend käme
es nur hinsichtlich des bisherigen tariflichen Entgelts auf den Stichtag der Ersteinführung
des Entgeltrahmenabkommens an, während die daran anschließende Formulierung „das
neue tarifliche ERA-Entgelt" nicht zeitlich begrenzt ist. Diese Frage muss jedoch nicht weiter
vertieft werden.
Denn dass die hier zu entscheidende Frage nicht im Sinne des Klägers beantwortet werden
kann, ergibt sich - selbst wenn man den Wortlaut des Tarifvertrages insoweit als eindeutig
ansehen und daher einer des Tarifvertrages aufgrund weiterer Kriterien nicht für
zulässig halten wollte - zumindest aus einer Auslegung des Tarifvertrages.
Auch tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung zugänglich, sofern
eine unbewusste Regelungslücke vorliegt. Eine unbewusste Tariflücke kann, ohne dass
damit ein Eingriff in die durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden
ist, durch die Gerichte für Arbeitssachen geschlossen werden, wenn sich unter
Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen
Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (dazu beispielsweise BAG, Urteil vom 29. April
2004, 6 AZR 101/03, NZA 2005, 57 mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen
liegen hier nach Auffassung der Kammer jedenfalls vor.
Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV ist es zu verhindern, dass ein
Arbeitnehmer, obwohl er weiterhin die selbe Arbeit verrichtet, durch das neue Tarifrecht
hinsichtlich der Vergütung nicht gestellt wird als zuvor. Deshalb sieht § 5 Absatz
4 ERA-ETV einen Entgeltvergleich zwischen der Vergütung des Arbeitnehmers nach dem
alten Tarifrecht und der Vergütung des Arbeitnehmers nach dem neuen Tarifrecht vor. Die
Erschwerniszulage, so wie sie in § 12 des neuen Entgeltrahmenabkommens ausgestaltet
ist, ist eine wesentliche Neuerung des neuen Tarifrechts. Dabei ist eine der Besonderheiten
der neuen tariflichen Regelung, dass sich die Voraussetzungen für die Zahlung einer
Erschwerniszulage nicht bereits unmittelbar aus dem Tarifvertrag ergeben. Die konkreten
Voraussetzungen, unter denen eine Erschwerniszulage zu zahlen ist, sollten vielmehr, weil
die Art der Erschwernisse wesentlich von den jeweiligen Verhältnissen im Betrieb abhängig
ist, ebenso wie deren Höhe in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Diese
Gestaltung kann dazu führen, dass die Erschwerniszulage nicht exakt zeitgleich mit der
Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb gezahlt wird, sondern erst
später, nämlich dann, wenn die Betriebsvereinbarung über die Regelung der
Erschwerniszulage, wie dies auch in dem vorliegenden Fall geschehen ist, erst zeitlich nach
der Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb geschlossen und als
Zeitpunkt, zu dem die Betriebsvereinbarung in Kraft treten soll, ein Zeitpunkt vereinbart
wird, der nach dem Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem
Betrieb liegt. Einen Grund, diesen Fall anders zu behandeln als den Fall, in dem die
Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulage zeitgleich mit der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb in Kraft tritt, vermag die Kammer nicht zu
erkennen. Wollte man das anders sehen, so hätten die Arbeitnehmer eines Betriebs, in
denen die Betriebsvereinbarung über die Erschwerniszulage zum selben Zeitpunkt in Kraft
tritt, zu dem auch das Entgeltrahmenabkommen in dem Betrieb eingeführt wird,
gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, bei denen die Betriebsvereinbarung über die
Erschwerniszulage zeitlich etwas später in Kraft tritt, und seien es auch nur wenige Tage
oder Wochen, einen erheblichen Vorteil. Ein sachlicher Grund dafür, diese unterschiedliche
Behandlung zu rechtfertigen, ist aber nicht erkennbar.
Die Beklagte weist zudem zu Recht darauf hin, dass es Sinn und Zweck der
Besitzstandszulage gewesen ist, das bisherige Entgelt der Beschäftigten der Höhe nach
abzusichern, es sollte nicht sein als bisher. Zweck der Besitzstandszulage war es
hingegen nicht, den Beschäftigten einen über diesen Sicherungszweck hinausgehenden
zu verschaffen. Ein solcher, sachlich nicht gerechtfertigter Vorteil entstünde aber
dann, wenn man der Auffassung des Klägers - und der Auffassung der Kläger in den beiden
Parallelverfahren, in denen zur selben Zeit ebenfalls eine Entscheidung der Kammer
ergangen ist - folgen wollte. Um es an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen: Der
Arbeitnehmer erhält ab dem 1. April 2007 zunächst eine Besitzstandszulage in Höhe von
140 EUR. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das neue tarifliche Entgelt
nach dem Entgeltrahmenabkommen niedriger ist als das Entgelt nach dem alten Tarifrecht.
In Höhe des Betrages von 140 EUR wird die Besitzstandszulage dabei zunächst deshalb
gezahlt, weil die in dem Entgeltrahmenabkommen vorgesehene Betriebsvereinbarung noch
nicht zustande gekommen und deshalb eine Einkommensdifferenz in dieser Höhe
ausgeglichen werden muss. Ein solcher Ausgleich ist aber nicht mehr in vollem Umfang
geboten, sobald die - in dem Entgeltrahmenabkommen vorgesehene - Erschwerniszulage in
Höhe von 90 EUR ausgezahlt wird. Die Besitzstandszulage gleichwohl in voller Höhe
weitergewähren zu wollen, hieße, einen Einkommensverlust abzusichern, der nicht
vorhanden ist. Das kann nicht der Wille der Tarifvertragsparteien gewesen sein.
vorhanden ist. Das kann nicht der Wille der Tarifvertragsparteien gewesen sein.
Und zu bedenken ist schließlich auch noch, dass nach § 5 Absatz 6 ERA-ETV eine
der Erschwerniszulage auf die Besitzstandszulage in voller Höhe anzurechnen ist. Weshalb
eine solche spätere Erhöhung der Erschwerniszulage zu einer Kürzung der
Besitzstandszulage führen soll, nicht aber die dem Arbeitnehmer gezahlte
, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Berücksichtigt die Kammer all dies, so muss sie davon ausgehen, dass die
Tarifvertragsparteien, wenn sie den Fall, um den es in dem vorliegenden Rechtsstreit geht,
bei Abschluss des Tarifvertrages bedacht hätten, auch für diesen Fall eine Einbeziehung der
Erschwerniszulage in die Vergleichsberechnung vereinbart hätten.
Der Hinweis des Klägers auf die Regelung in § 5 Absatz 2 ERA-ETV rechtfertigt schon
deshalb keine andere Beurteilung, weil die dort für eine Übergangszeit geregelte Zulage nur
Arbeitnehmer betrifft, die nach dem früheren Tarifrecht in die drei untersten Lohngruppen
eingruppiert gewesen sind. Zu diesen Arbeitnehmern gehört der Kläger aber nicht.
II.
ergibt sich aus § 97 Absatz 1 ZPO. Die Revision war nach § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG
zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Der Tarifvertrag, um den es hier
geht, gilt für alle Betriebe tarifgebundener Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie im
Saarland.
gez. Dier gez. Dr. Bungart gez. Koch