Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 08.06.2006

LArbG Mainz: fristverlängerung, avb, arbeitsgericht, wiederverheiratung, behandlung, pensionskasse, anfang, isolation, akte, tod

LAG
Mainz
08.06.2006
6 Sa 47/06
Witwenrente und Wiederverheiratung
Aktenzeichen:
6 Sa 47/06
1 Ca 1684/05
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 08.06.2006
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.11.2005 - Az.: 1 Ca
1684/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist der Ehemann der am 07.04.2003 verstorbenen Karin A., die bei der Beklagten zu 1)
beschäftigt war. Der Kläger erhält auf seinen Antrag hin von der Beklagten zu 2), der rechtlich
selbstständigen Pensionskasse der Beklagten zu 1), eine betriebliche Hinterbliebenenrente von zuletzt
286,27 € monatlich.
Nachdem der Kläger am 01.10.2004 wieder heiratete, teilte er mit Schreiben vom 17.01.2005 der
Beklagten zu 1) seine Wiederverheiratung mit, woraufhin mit Schreiben vom 08.02.2005 mitgeteilt wurde,
dass sein Anspruch auf eine Rentenabfindung deshalb entfallen sei, weil er nicht innerhalb von drei
Monaten nach seiner Wiederverheiratung den entsprechenden Antrag gestellt habe.
Der Kläger hat seine Klage, welche am 08.07.2005 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, im
Wesentlichen damit begründet, dass er keine Kenntnis von der Ausschlussfrist gehabt habe und im
Rentenbescheid keine konkrete Frist angegeben gewesen sei und er habe um eine Fristverlängerung, die
die Satzung im besonderen Falle vorsehe, beantragt.
Der Kläger sei nach dem Freitod seiner verstorbenen Frau psychisch so schwer getroffen gewesen, dass
er sich von der Außenwelt isoliert und den Alltag verdrängt habe und sei erst wieder Anfang 2005 nach
psychologischer Behandlung wieder in der Lage gewesen, sich zu fangen, stehe aber noch in
psychologischer Behandlung.
Diese außergewöhnlichen Umstände rechtfertigten eine Fristverlängerung, die die Satzung in § 29 Abs. 1
Satz 2 vorsehe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen an ihn 17.160,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 13. Mai 2005 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen ihm nachträglich Fristverlängerung zur Stellung des
Antrags auf Auszahlung der Rentenabfindung zu gewähren.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben es im Wesentlichen damit begründet,
dass die Klage gegen die Beklagte zu 1) deshalb unbegründet sei, weil die Verpflichtete aus dem
allgemeinen Versicherungsbedingungen ausschließlich die Beklagte zu 2) sei.
Ein Anspruch auf die Rentenabfindung im Falle der Wiederverheiratung sei deshalb ausgeschlossen, weil
der Kläger die einschlägige Frist, § 29 Abs. 1 Satz 2 AVB, nicht gewahrt habe.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch darauf, dass die in § 29 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AVB enthaltene
Ausnahmeregelung zur Anwendung komme, weil beim Kläger keine besonderen Umstände vorgelegen
hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger aus seiner Isolation von der Außenwelt und
Verdrängung des Alltags sich erst Anfang 2005 wieder gefangen haben solle, aber am 01.10.2004 eine
neue Ehe eingegangen sei.
Das Arbeitsgericht hat im Urteil vom 17.11.2005 die Klage abgewiesen und dies damit begründet,
dass die Versäumung der Frist den Anspruch des Klägers ausschließe. Der Kläger habe die dreimonatige
Ausschlussfrist nicht beachtet, innerhalb derer er seine Wiederverheiratung anzeigen und eine
Rentenabfindung beantragen muss. Der Kläger sei im Bewilligungsschreiben vom 12.06.2003
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jede Änderung der die Betriebsrente betreffenden Verhältnisse,
wobei auch eine Heirat aufgelistet gewesen sei, unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen habe.
Dem Kläger sei auch nicht die von ihm beantragte Fristverlängerung zu gewähren, weil kein besonderer
Fall im Sinne dieser Vorschrift schlüssig dargelegt worden sei. Wenn der Kläger in der Lage gewesen sei,
bereits am 01. Oktober 2004 eine neue Ehe einzugehen, dann hätte er auch die dreimonatige
Ausschlussfrist wahren können. Gründe, die das Berufen des Vorstandes auf die Ausschlussfrist und die
Versagung einer Fristverlängerung als unbillig erscheinen ließen, seien nicht erkennbar.
Nach Zustellung des Urteils am 02.01.2006 ist Berufung am 18.01.2006 eingegangen, die am 28.02.2006
im Wesentlichen damit begründet worden ist,
dass ein besonderer Fall im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AVB deshalb vorliege, weil der
Kläger durch den Tod seiner im April 2003 verstorbenen Ehefrau psychisch so schwer getroffen gewesen
sei, dass er alles um sich herum verdrängt und gar nicht mehr beachtet habe. Der Kläger sei noch im Juni
2005 in psychologischer Behandlung gewesen, die das Ziel gehabt habe, den Kläger aus seiner Isolation
zu holen und wieder an die Außenwelt heranzuführen. Ab Mitte/Ende Januar 2005 sei der Kläger wieder
vollständig in der Lage gewesen, seine Geschäfte zu ordnen und liegen gebliebene Vorgänge in Angriff
zu nehmen.
In dieser Situation müsse von einem Ausnahmetatbestand ausgegangen werden, der zu einer
Fristverlängerung führe, weswegen der Antrag des Klägers rechtzeitig gestellt worden sei.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.11.2005, Az.: 1 Ca 1684/05, wird abgeändert und die
Beklagten/Berufungsbeklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger/Berufungskläger
17.160,00 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2005 zu
bezahlen;
hilfsweise:
Die Beklagten/Berufungsbeklagten werden verurteilt, dem Kläger nachträglich Fristverlängerung zur
Stellung des Antrags auf Auszahlung der Rentenabfindung zu gewähren.
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1) führt dazu aus,
dass der Anspruch des Klägers auf Rentenabfindung deshalb nicht gegeben sei, weil er die Abfindung
nicht innerhalb von drei Monaten nach seiner Wiederverheiratung beantragt habe.
Ein besonderer Fall im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 AVB liege deshalb nicht vor, weil das
Arbeitsgericht zu Recht darauf abgehoben habe, dass der Kläger am 01.10.2004 habe wieder eine neue
Ehe eingehen können, was gegen die Behauptung streite, dass er sich erst Anfang 2005 habe wieder
fangen können.
Darüber hinaus habe der Kläger kurz nach dem Tod seiner Frau das für die Gewährung der
Hinterbliebenenrente notwendige Antragsformular der Beklagten zu 2) nebst der erforderlichen
Unterlagen am 08.05.2003 eingereicht, nachdem es am 30.04.2003 an ihn verschickt worden war.
Zumindest sei die Nichtbewilligung der Fristverlängerung nicht willkürlich, weil es sich um eine Kann-
Regelung handele, die den Vorstand zu einer Fristverlängerung lediglich berechtigte, aber nicht
verpflichte.
Die Beklagte zu 2) verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit,
dass sie auf die im Streit befindliche Forderung nicht in Anspruch genommen werden könne, weil die
geforderte Leistung allein von der BASF-Pensionskasse VVAG, geleistet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schreiben, die im
Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind, ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Blatt 38 bis 41
der Akte).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht die
Klage im vollen Umfang abgewiesen hat.
Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts in vollem Umfang an und
verzichtet deshalb auf die Darstellung eigener Entscheidungsgründe.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt lediglich Anlass zu nachstehender ergänzender
Bemerkung:
Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist bereits deshalb nicht begründet, weil die Leistung aus
Pensionszahlungen, allein um diese geht es, nur satzungsgemäß von der Beklagten zu 2) erbracht
werden.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist ebenfalls im Hauptantrag nicht begründet, weil der Kläger die
einzuhaltende Anzeigefrist des § 29 Abs. 1 Satz 2 Abs. 1 AVB unstreitig nicht beachtet hat.
Der Hilfsantrag, darauf gerichtet, den Vorstand der Beklagten zu 2) zu verurteilen, dem Kläger eine in § 29
Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AVB vorgesehene Ausnahmeregelung zuteil werden zu lassen, die seinen
Antrag als rechtzeitig gestellt sieht, ist ebenfalls nicht begründet, weil im Falle des Klägers keine derartige
Ausnahmesituation erkannt werden kann. Auf die Kenntnisse des Klägers von der einzuhaltenden Frist,
kommt es, wie das Arbeitsgericht richtig ausführt, nicht an, zumal dann nicht, wenn man die Erläuterung
zum Schreiben vom 12.06.2003 ansieht, wo unter besonderem Hinweis aufgeführt ist, dass Änderungen,
ausdrücklich ist Heirat angeführt, unaufgefordert mitzuteilen sind und zwar unverzüglich. Aus dieser
Unverzüglichkeitsregelung kann der Kläger entnehmen, dass er demnächst und nicht drei Monate später
hätte die Mitteilung machen müssen.
Der Einwand des Klägers, seine psychische Verfassung habe dies verhindert, ist vom Arbeitsgericht als
nicht schlüssig genug dargelegt zurückgewiesen worden, wobei auch die Berufungskammer keine
Psychologen zu Rate ziehen muss, um davon ausgehen zu können, dass bei einem erwachsenen
Menschen, der im Oktober 2004 eine Ehe eingeht, zumindest so viel Einsichtsfähigkeit gegeben ist, dass
er wesentliche Vorgänge so deutlich wahrnimmt, dass er sie intellektuell verarbeiten und
dementsprechend auch reagieren kann. Dazu zählt auch, dass er erkennt, dass er Leistungen der
Pensionskasse bezieht, die ihm als Witwer zuerkannt worden sind.
Auch der Umstand, dass der Kläger, was in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2006 zur Sprache
kam, seiner Arbeit bei der Stadtverwaltung Ludwigshafen ohne irgendwelche großen Störungen
nachgegangen ist, führt dazu, keinen Ausnahmefall im Sinne des § 29 Abs. 1, 2. Halbsatz AVB
anzunehmen.
Nach dem vorstehenden ist die Berufung des Klägers nicht begründet und demgemäß kostenpflichtig
zurückzuweisen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die gesetzlichen
Vorgaben in § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass die
Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde nach § 72 a ArbGG angefochten werden kann.