Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.03.2008

LArbG Mainz: schutzwürdiges interesse, befristeter vertrag, befristung, rechtspflicht, arbeitsgericht, merkblatt, bezahlung, ferien, auskunft, meinung

LAG
Mainz
28.03.2008
6 Sa 708/07
Vergütungsansprüche für die Sommerferien
Aktenzeichen:
6 Sa 708/07
8 Ca 1234/07
ArbG Mainz
Urteil vom 28.03.2008
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28. September 2007 - 8 Ca
1234/07 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob der im Schuldienst des beklagten Landes stehenden Klägerin für
die Zeit vom 15.07.2006 bis 27.08.2006 - Sommerferien - Vergütungsansprüche zustehen.
Die Klägerin war mit zahlreichen befristeten Verträgen vom 11. November 2002 ab und zuletzt mit einem
solchen vom 23. Januar 2006 für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis längstens 14. Juli 2006 mit wöchentlich
15 Unterrichtsstunden sowie für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis längstens 6. Juli 2006 im Umfang von
wöchentlich drei Unterrichtsstunden tätig.
Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 1. August 2006 wurde sie ab 28. August 2006 auf unbestimmte Zeit mit
durchschnittlich wöchentlich 18 Unterrichtsstunden beschäftigt. Im Gegensatz zur früheren Handhabung
zahlte die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum, der den Sommerferien entsprach, keine
Vergütung.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin € 4.131,73 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen.
Das beklagte Land hat
Klageabweisung
beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Leistungsklage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt,
die Begründung einer betrieblichen Übung scheide aus, wenn der Arbeitgeber Leistungen erkennbar
aufgrund einer Rechtspflicht erbringen wollte. Grundlage der früheren Zahlungen für die Sommerferien
2003 bis 2005 sei jeweils ein befristeter Arbeitsvertrag gewesen, der den Zeitraum der Sommerferien
umfasst habe. Im Jahr 2006 hätten in dieser Zeit keine arbeitsvertraglichen Beziehungen bestanden. Ein
Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus einer unterlassenen Pflicht zur Aufklärung über die
Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung; die Klägerin sei bereits am 09.09.2003 durch ein entsprechendes
Merkblatt informiert gewesen. Außerdem begründe die Nichtbeachtung der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB
III vorgesehene Pflicht keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts.
Das beklagte Land habe die Klägerin auch nicht von einer Arbeitslosmeldung abgehalten. Der Klägerin
sei zum Zeitpunkt der in § 37b SGB III vorgesehenen Frist weder ein erneuter befristeter Arbeitsvertrag
zugesagt noch eine Entlohnung für
die Zeit der Sommerferien versprochen worden. Aus Sicht der Klägerin hätten zu Beginn der
Sommerferien 2006 die Modalitäten einer weiteren Beschäftigung nicht festgestanden. Gegen das der
Klägerin am 16.10.2007 zugestellte Urteil richtet sich deren am 06.11.2007 eingelegte und am 16.01.2008
begründete Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Die Klägerin bringt
zweitinstanzlich
das beklagte Land habe regelmäßig im Nachhinein befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, aufgrund
derer die Klägerin Gehaltszahlungen für die Zeit der Sommerferien erhalten habe. Daher sei es
rechtsfehlerhaft, wenn das Entstehen einer betrieblichen Übung verneint würde. Auch bei den Verträgen
der Jahre 2003, 2004 und 2005 habe keine Rechtspflicht bestanden, die Verträge rückwirkend
abzuschließen. Der Klägerin hätte im Jahre 2006 ein Vertrag abgeboten werden müssen, der rückwirkend
die unterrichtsfreie Zeit berücksichtige. Sie - die Klägerin - habe in der unterrichtsfreien Zeit auch in
Kenntnis der Rektorin Tätigkeiten erbracht, um den Unterrichtsstoff für das kommende Schuljahr
vorzubereiten (Beweis: Schulleiterin Z. ). Der Anspruch bestünde auch nach dem
Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Sachgrund, warum die Klägerin bei Abschluss eines unbefristeten
Vertrages schlechtere Bedingungen erfahre als die Jahre zuvor, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen bestünde
auch ein Schadenersatzanspruch, da das beklagte Land verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin darüber
zu informieren, dass bei Abschluss eines unbefristeten Vertrages die unterrichtsfreie Zeit nicht
rückwirkend bezahlt würde. Die Situation sei mit dem Sachverhalt aus der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 29.09.2005 zu vergleichen. Ihr - der Klägerin - sei in Aussicht gestellt worden,
dass sie an der Schule verbliebe und der Verbleib auch erforderlich sei.
Die Klägerin hat zweitinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.09.2007, Aktenzeichen 8 Ca
1234/07, zu verurteilen, an die Klägerin € 4.131,37 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 zu zahlen.
Das beklagte Land hat
Zurückweisung der Berufung
beantragt
die verfolgten Ansprüche seien nicht begründet. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin sei nicht
feststellbar, zumal diese am 09.09.2003 ein Merkblatt zur Verpflichtung wegen Arbeitslosmeldung
erhalten habe. Die Klägerin hätte sich schon jeweils nach Beendigung der vorangegangenen befristeten
Arbeitsverhältnisse entsprechend den Hinweisen im Merkblatt verhalten müssen. Die Entscheidung, die
Klägerin ein weiteres Mal und dazu unbefristet zu beschäftigen, sei erst Anfang August 2006 - letztlich mit
Abschluss des Arbeitsvertrages vom 01.08.2006 - gefallen. Das beklagte Land hätte sich auch gegen die
Klägerin entscheiden können. Im Übrigen habe die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie vor Beginn der
Sommerferien 2006 beim beklagten Land bzw. der ADD nachgefragt habe, ob ihr Arbeitsverhältnis
fortgesetzt würde und hierbei keine verbindliche Auskunft erhalten zu haben. Der Einsatz von Lehrkräften
könne aufgrund dienstlicher Bedürfnisse oder eingetretener Gegebenheiten erst in den Sommerferien
erfolgen. Die Äußerung der Rektorin begründe kein rechtsverbindliches Vertrauen; jedenfalls nicht
dahingehend, dass das beklagte Land finanziell in den Ferien einstehen würde. Die
Vergütungszahlungen in der Vergangenheit seien immer erst dann erfolgt, wenn zuvor eine vertragliche
Grundlage geschaffen worden sei. Eine evtl. betriebliche Übung sei durch den Abschluss eines
unbefristeten Arbeitsvertrages durchbrochen worden.
Zur Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.01.2008 (Bl. 106 - 110 d. A.) zur
Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 25.02.2008 (Bl. 127 - 131 d. A.)
und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom
28.03.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet.
II.
Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 28.09.2007 - 8 Ca 1234/07 - zu Recht darauf
erkannt, dass der Klägerin für die Zeit vom 15. Juli 2006 bis 27. August 2006 die verfolgten
Vergütungsansprüche nicht zustehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer auf die
diesbezüglichen Feststellungen des Arbeitsgerichts Bezug, macht sich diese zueigen und sieht hier
gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer weiteren Darstellung ab.
Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden
Ausführungen:
1. Soweit die Berufung rügt, es sei rechtsfehlerhaft, dass das Arbeitsgericht das Entstehen einer
betrieblichen Übung verneint habe, zumal auch in den Jahren 2003, 2004 und 2005 keine Rechtspflicht
bestanden habe, die befristeten Verträge rückwirkend abzuschließen, kann dem nicht gefolgt werden.
Unabhängig davon, dass für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes von der Rechtssprechung die
Grundsätze der betrieblichen Übung nicht für uneingeschränkt anwendbar gehalten werden, weil in
großem Umfang Rechts- und Haushaltsvorschriften ebenso wie Tarifvorschriften zu beachten seien und
im Zweifel der Grundsatz des Normvollzugs gelte (vgl. ErfK-Preis, 8. Auflage 2008, 230 BGB, § 611 Rz 226
m. w. N. auf BAG 14.01.2004 AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 19; 29.09.2004 AP BGB § 242
Betriebliche Übung Nr. 67), hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass eine betriebliche Übung nicht
entsteht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch
bestimmte Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG 19.06.2001 - 1 AZR 598/00 = EzA BetrVG 1972, § 77
Nr. 67; 27.06.1985 - 6 AZR 392/81 = BAGE 49, 151, 159) oder irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen
Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (vgl.
BAG Urteil vom 18.04.2007, 4 AZR 653/05 m. w. N.).
An der Auffassung der Berufung ist richtig, dass für das beklagte Land keine Rechtspflicht zum
rückwirkenden Abschluss von befristeten Verträgen und damit zur Bezahlung der Sommerferien in der
Vergangenheit bestanden hat; entscheidend ist jedoch nach Meinung der Berufungskammer, dass
aufgrund des Grundsatzes der Privatautonomie ein rückwirkender Vertragsabschluss möglich war und
durch die jeweils rückwirkende Befristung Rechtsgrundlagen für die in der Vergangenheit jeweils erfolgte
Zahlung geschaffen wurden. Damit war Basis für die Bezahlung der unterrichtsfreien Zeit der jeweilige
Vertrag, der das Entstehen einer betrieblichen Übung entfallen ließ. Hinzu kommt, dass die
Rechtsbeziehung mit dem beklagten Land insbesondere nach Ablauf der letzten Befristung am 6. Juli
bzw. 14. Juli 2006 endete und damit über diesen Zeitpunkt hinaus auf einen für die Begründung einer
betrieblichen Übung maßgeblichen Bindungswillen nicht geschlossen werden konnte (vgl. auch BAG
Urteil vom 21.01.1997 - 1 AZR 572/96). Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin war zu diesem
Zeitpunkt jedenfalls nicht gegeben, zumal auch kein Angriff auf die Wirksamkeit der letzten Befristung
erfolgte.
2. Auch soweit sich die Klägerin für ihren Anspruch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mit der
Begründung stützt, ein Sachgrund für die Verschlechterung der Bedingungen, sei nicht ersichtlich, vermag
dies nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Zwar genießt ein Arbeitnehmer im Verhältnis zum
Arbeitgeber den Schutz durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Diesem Grundsatz ist
auch die öffentliche Hand, soweit sie als Arbeitgeberin handelt, unterworfen (vgl. ErfK-Dieterich/Schmidt,
aaO 10 GG Art. 3 Rz 29). Für die Heranziehbarkeit dieses Grundsatzes als Anspruchsbegründung fehlte
es nach Meinung der Berufungskammer bereits an der Möglichkeit der Feststellung einer
Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund (Erfk,-Preis, aaO., BGB 230 § 611 Rz. 589). Zwischen den
Arbeitsverhältnisformen eines befristeten und eines unbefristeten Vertrages bestehen gravierende
Unterschiede. Diese sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass ein befristeter Vertrag mit Ablauf
der Befristung regelmäßig seine Wirksamkeit verliert, während der unbefristete Vertrag nur durch
Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung beendet werden kann.
Vorliegend war Sachgrund für die Bezahlung in den Sommerferien immer ein zulässigerweise
rückwirkend zustandegekommener Arbeitsvertrag. Die letzte Befristung war abgelaufen. Sie eröffnete dem
beklagten Land die Möglichkeit, sich auf eine weitere Vertragsgestaltung einzulassen, aber auch, wegen
des Prinzips der Vertragsfreiheit überhaupt von einer erneuten Rechtsbindung abzusehen. Hierin liegt der
Sachgrund. Es bestand keine Rechtsverpflichtung bei der erneuten - unbefristeten - Vertragsgestaltung
rückwirkende Zeiträume abzudecken. Aus diesen Gründen kann offen bleiben, ob auch
haushaltsrechtliche Gründe die Vorgehensweise des beklagten Landes zu rechtfertigen vermögen. Nach
den Bekundungen des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung werden befristete Verträge
haushaltsrechtlich aus Vertretungsstellen, und unbefristete Verträge ebenso wie Beamtenstellen aus
festen Planstellen heraus bewirtschaftet.
3. Soweit die Klägerin vorbringt, sie habe in der unterrichtsfreien Zeit auch in Kenntnis der Rektorin
Tätigkeiten erbracht, um den Unterrichtsstoff für das kommende Schuljahr vorzubereiten, fehlt es an
substantiierten Ausführungen zur Begründung eines evtl. Anspruches. Die angebotene Vernehmung der
Zeugin Z. wäre zivilprozessual unzulässige Ausforschung. Im Übrigen ist unstreitig, dass die Klägerin vor
Beginn der Sommerferien 2006 beim beklagten Land bzw. der ADD nachgefragt habe, ob ihr
Arbeitsverhältnis fortgesetzt würde und sie keine verbindliche Auskunft erhalten habe. Dies bedeutet
zugleich auch, dass aus einer Äußerung der Rektorin zur Benötigung der Klägerin kein verbindliches
Vertrauen auf Fortsetzung der bisherigen Verhaltensweise begründet werden konnte, jedenfalls nicht
dahin, dass das beklagte Land finanziell und in Zukunft in den Ferien einstehen würde. Hierauf hat das
beklagte Land zu Recht hingewiesen.
III.
Für die Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht
vor.