Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 06.04.2011

LArbG Mainz: arbeitsgericht, vergütung, gegenleistung, auskunft, leiter, geschäftsbeziehung, kündigung, lebenserfahrung, werklohn, unselbständigkeit

LAG
Mainz
06.04.2011
3 Ta 62/11
Klage einer arbeitnehmerähnlichen Person
Aktenzeichen:
3 Ta 62/11
10 Ca 1893/10
ArbG Mainz
Entscheidung vom 06.04.2011
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011
- 10 Ca 1893/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.530,00 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Vertrag vom 27.12.2005 oder Vertrag) abgeschlossen. Dort werden der Beklagte als "Auftraggeber" und
der Kläger als "Auftragnehmer" bezeichnet.
Wegen der weiteren Regelungen des Vertrages vom 27.12.2005 wird auf Bl. 33 d.A. verwiesen. Nach
vorangegangener außergerichtlicher Korrespondenz (vgl. dazu u.a. das Schreiben des Beklagten vom
07.09.2010, Bl. 44 d.A.) erhob der Kläger die Klage vom 23.09.2010, die dem Beklagten am 28.09.2010
zugestellt wurde. Nach näherer Maßgabe der einzelnen Klageanträge nebst entsprechender
Klagebegründung begehrt der Kläger im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren - 10 Ca 1893/10 -
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom 27.12.2005 ein Arbeitsverhältnis besteht,
2. festzustellen, dass dieses Arbeitsverhältnis weder durch mündliche Kündigung vom 26.07.2010 noch
durch schriftliche Kündigung vom 04.09.2010 aufgelöst worden ist,
3. festzustellen, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern
unverändert fortbesteht,
4. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Leiter
"Innendienst und Einkauf" bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 2 weiter
zu beschäftigten,
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.600,00 EUR netto (nebst Zinsen) zu zahlen,
6.1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.500,00 EUR netto (nebst) Zinsen zu zahlen.
6.2. die Beklagte zur verurteilen, dem Kläger Auskunft über den monatlichen Bruttoumsatz der
Gesamtfirma B. D. seit einschließlich Mai 2010 zu erteilen,
6.3. erforderlichenfalls: die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben an
Eides statt zu versichern,
6.4. an den Kläger in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe einen Betrag in
Höhe von 0,1 % des Gesamtumsatzes netto zu zahlen,
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5498,00 EUR netto (nebst Zinsen) zu zahlen,
8. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen und
9. hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsanträge abgewiesen werden - die Beklagte zu verurteilen,
dem Kläger ein endgültiges (qualifiziertes) Zeugnis zu erteilen.
Wegen der Formulierung der Klageanträge im Einzelnen wird auf Bl. 18 f. d.A. (= S. 2 f. der Klageschrift)
verwiesen. Der Kläger behauptet, als Leiter des Innendienstes und der Logistik für den Beklagten tätig
gewesen zu sein.
Mit dem Beschluss vom 15.12.2010 - 10 Ca 1893/10 - entschied das Arbeitsgericht, dass für das
Erkenntnisverfahren - 10 Ca 1893/10 - der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die
Klageanträge zu 1 bis 4 sowie zu 8 und 9 eröffnet sei. Die Anträge zu 5, 6 und 7 trennte das Arbeitsgericht
im Beschluss vom 15.12.2010 ab und verwies diese an das Landgericht Mainz. Auf die sofortige
Beschwerde des Klägers half das Arbeitsgericht dieser mit dem Beschluss vom 02.02.2011 - 10 Ca
1893/10 - wie folgt ab:
Der Abtrennungsbeschluss im Beschluss vom 15.12.2010 - 10 Ca 1893/10 - wird aufgehoben. Der
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist im Verfahren - 10 Ca 1893/10 - für alle Anträge eröffnet.
Gegen den am 10.02.2011 zugestellten Beschluss vom 02.02.2011 - 10 Ca 1893/10 - legte der Beklagte
am 14.02.2011 mit dem Schriftsatz vom 11.02.2011
sofortige Beschwerde
zugleich. Wegen aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 11.02.2011
(Bl. 427 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011 - 10 Ca 1893/10 - aufzugeben und so zu
beschließen, wie im durch den aufzuhebenden Beschluss aufgehobenen Beschluss des Arbeitsgerichts
Mainz vom 15.12.2010 - 10 Ca 1893/10 -.
Der Kläger beantragt,
die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011
- 10 Ca 1893/10 - zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 02.02.2011 nach näherer Maßgabe seiner
Beschwerdeerwiderung vom 21.02.2011 (Bl. 447 ff. d.A.), worauf verwiesen wird. Der
Beschwerdeerwiderung war das Schreiben des W. I. vom 21.02.2011 (Bl. 458 f. d.A.) beigefügt.
Mit dem Beschluss vom 02.03.2011 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht
ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Zur näheren Darstellung des Sach-
und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen, - insbesondere auf die
tatbestandlichen Teile der Beschlüsse des Arbeitsgerichts vom 15.12.2010 - 10 Ca 1893/10 - (Bl. 132 ff.
d.A.), vom 02.02.2011 - 10 Ca 1893/10 - (Bl. 420 ff. d.A.) und vom 02.03.2011 - 10 Ca 1893/10 - (Bl. 460 ff.
d.A.).
II. 1.
fristgerecht eingelegt worden. Die hiernach zulässige Beschwerde bleibt erfolglos, da sie unbegründet ist.
Das Beschwerdevorbringen des Beklagten rechtfertigt es nicht, die Rechtswegfrage anders zu beurteilen
als dies das Arbeitsgericht zuletzt getan hat.
2.
02.03.2011 - jeweils 10 Ca 1893/10 - zur Rechtswegfrage vertretene Auffassung. Die tatsächlichen und
rechtlichen Erwägungen, mit denen das Arbeitsgericht diese Auffassung begründet hat, macht sich die
Berufungskammer in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. In Bezug auf die im
Beschwerdeverfahren - 3 Ta 62/11 - verfahrensgegenständlichen Klageanträge zu 5., 6. und 7. des
Verfahrens - 10 Ca 1893/10 - ist der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2
ArbGG anzusehen, die die beklagte Partei als "Arbeitgeber" in Anspruch nimmt. Das Arbeitsgericht ist von
dem zutreffenden Begriff der "arbeitnehmerähnlichen Person" ausgegangen. (Auch) bei der Subsumtion
sind dem Arbeitsgericht keine Fehler unterlaufen.
a)
durchaus auch für mehrere Auftraggeber tätig sein kann. Kennzeichnend für eine arbeitnehmerähnliche
Person - wie den Kläger - ist, dass die Beschäftigung für einen der Auftraggeber wesentlich ist und die
hieraus fließende Vergütung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt. Insoweit ist in tatsächlicher
Hinsicht mit dem Arbeitsgericht festzustellen, dass der Kläger den deutlich überwiegenden Teil seiner
Gesamteinkünfte von dem Beklagten bezogen hat. Dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in seiner
Geschäftsbeziehung zu dem Beklagten lag, hat der Kläger in tatsächlicher Hinsicht hinreichend dargetan.
Hinreichend und ebenso qualifiziert dargetan, hat der Kläger weiter, dass er auf die Einkünfte aus seiner
Tätigkeit für den Beklagten zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage angewiesen ist (vgl.
BAG 11.04.1997 - 5 AZB 33/96 -). Soweit es um die Tatsachen geht, aufgrund derer der Kläger wegen
seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen ist, gelten diese
gemäß § 138 ZPO als unstreitig. Nach den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift des § 138 ZPO hat sich jede
Partei zu den vom Gegner dargelegten Tatsachen einzulassen und zu erklären. Ein einfaches Bestreiten
ist einer Partei hiernach nicht ohne weiteres gestattet. Unsubstantiiert bzw. mit Nichtwissen dürfen nur
solche Tatsachen bestritten werden, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer
eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Aus diesem Grunde ist es dem Beklagten jedenfalls nicht gestattet,
die Höhe der Zahlungen, die er in den letzten Jahren an Vergütung (oder unter anderer Bezeichnung) an
den Kläger geleistet hat, zu bestreiten (s. dazu im Einzelnen die Angaben des W. I. im Schreiben vom
13.01.2011, Anl. K 11 = Bl. 326 f. d.A.; vgl. dazu auch das weitere Schreiben vom 21.02.2011, Anl. K 40 =
Bl. 458 d.A.). In rechtserheblicher Weise dürfen weiter die Tatsachen nicht unsubstantiiert bestritten
werden, die sich auf die Gegenleistung des Klägers erstrecken, für die der Beklagte dem Kläger unstreitig
Vergütung bzw. "Werklohn" o.ä. gezahlt hat. Es kann aufgrund der Lebenserfahrung nicht angenommen
werden, dass der Beklagte keine Kenntnis von Art, Inhalt und zeitlichem Umfang der Gegenleistung des
Klägers hat, für die er, der Beklagte, Zahlungen an den Kläger geleistet hat. Das Vorbringen des Klägers
ist so zu verstehen, dass der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bei dem Beklagten als Auftraggeber
gelegen hat und dass die wirtschaftliche Existenz des Klägers weitgehend davon abhingen. Dem
Beklagten ist erstinstanzlich und im (weiteren) Beschwerdeverfahren kein Vortrag gelungen, der als
hinreichendes Bestreiten dieser Darlegungen des Klägers gewertet werden könnte.
b)
dem Beklagten seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial
schutzbedürftig ist. Insoweit kann mit dem Arbeitsgericht auf den vom Kläger vorgelegten E-Mail-Verkehr
verwiesen werden (insbesondere auf die mit dem Schriftsatz des Klägers vom 12.01.2011 vorgelegten
Anlagen K 13, K 14, K 15, K 18, K 19, K 20, K 21, K 22, K 23, K 24, K 25, K 26, K 27, K 28, K 29, K 30, K 31,
K 32 und K 34). Den daraus ersichtlichen Formulierungen des Beklagten lässt sich entnehmen, dass das
Maß der Abhängigkeit des Klägers von dem Beklagten nach der Verkehrsanschauung einen solchen
Grad erreicht hat, wie dies im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt. (Auch) die vom
Kläger geleisteten Dienste sind nach ihrer sozialen bzw. soziologischen Typik mit denen eines
Arbeitnehmers vergleichbar. In diesem Zusammenhang kann es - wie vorliegend der Fall - ausreichend
sein, wenn die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern
erbracht wird.
3.
erfolglos.
Der Streitwert wurde mit einem Bruchteil des entsprechenden Hauptsachestreitwertes (ausgehend von
dem geschätzten Streitwert der Anträge zu 5, 6 und 7) festgesetzt.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.