Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.07.2006

LArbG Mainz: allgemeine geschäftsbedingungen, treu und glauben, arbeitsgericht, fälligkeit, arbeitsentgelt, form, abweisung, klagefrist, quelle, arbeitsrecht

LAG
Mainz
19.07.2006
9 Sa 198/06
Zweistufige Ausschlussfrist und AGB
Aktenzeichen:
9 Sa 198/06
3 Ca 1906/05
ArbG Koblenz
Entscheidung vom 19.07.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.01.2006, Az.: 3 Ca
1906/05, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Leistung von Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges und die
Anwendbarkeit einer zweistufigen Ausschlussklausel.
Von einer erneuten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen
Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen abgesehen und auf
die Zusammenhang im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.01.2006 (dort S. 2 - 4 =
Bl. 54 - 56 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.478,08 € brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe
von 5 % über dem Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 19.01.2006 die Klage als unbegründet abgewiesen und
ausgeführt, die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges seien
gem. § 26 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz in
der Fassung vom 18.12.1996, gültig ab dem 01.01.1997 (im folgenden: GMTV) verfallen. Die
Anwendbarkeit des GMTV auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis folge aus Ziffer 7
des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21.01.1991, in welcher die Parteien vereinbart hätten, dass die
tariflichen Bestimmungen für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen- und Metallindustrie
Rheinland/Rheinhessen auf das Beschäftigungsverhältnis Anwendung finden würden. Die Einbeziehung
der tariflichen Regelung sei, wenn im Übrigen unterstellt werde, dass es sich hierbei um allgemeine
Geschäftsbedingungen handele, mit den §§ 305 ff. BGB vereinbar. Eine unangemessene Benachteiligung
der Klägerin i. S. v. § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB sei nicht feststellbar, da durch die einzelvertragliche
der Klägerin i. S. v. § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB sei nicht feststellbar, da durch die einzelvertragliche
Ausschlussfrist keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung getroffen
worden sei (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB); gesetzlich gelte nämlich nur das Verjährungsrecht. Auch das
Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht verletzt, zumal durch die arbeitsvertragliche
Verweisung auf den Tarifvertrag eindeutig der Regelungszweck in Ziffer 7 des schriftlichen
Arbeitsvertrages wiedergegeben sei. Hiernach solle der GMTV in seiner Gesamtheit Anwendung finden.
Die Dauer der Fristen aus § 26 GMTV, nämlich jeweils 3 Monate für die erste und zweite Stufe sei nach §
307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu beanstanden, da nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts einzelvertragliche Ausschlussfristen mit jeweils dreimonatiger Dauer zur
schriftlichen Geltendmachung bzw. Klageerhebung nicht als unangemessen kurz anzusehen seien.
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin die zweite Stufe der in § 26 GMTV geregelten Ausschlussfrist nicht
eingehalten. Demnach sei ein Anspruch, dessen Erfüllung die Gegenseite abgelehnt habe, innerhalb von
3 Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung sei
ausgeschlossen. Die Klägerin habe einen Teil der Annahmeverzugsansprüche durch ihre
Kündigungsschutzklage schon vor deren Fälligkeit geltend gemacht und der Arbeitgeber habe durch
Ankündigung des Klageabweisungsantrages diese vor Fälligkeit bereits abgelehnt. Für den letzten Monat
aus dem Annahmeverzugszeitraum, nämlich den September 2004 könne man die Frist zur klageweisen
Geltendmachung mithin entweder mit Fälligkeit, also mit dem 15.10.2004 beginnen lassen oder erst 3
Monate später - während deren die Ablehnung durchgehend vorlag - mithin mit dem 15.01.2005. In jedem
Fall habe die Zahlungsklage der Klägerin, welche erst am 24.06.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen
sei, die anschließende dreimonatige Frist zur Klagerhebung nicht gewahrt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 4 ff. des
erstinstanzlichen Urteiles vom 19.01.2006 (= Bl. 56 ff. d. A.) verwiesen.
Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 15.02.2006 zugestellt worden ist, hat am
02.03.2006 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 09.05.2006 ihr
Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.05.2006 verlängert worden
war.
Die Klägerin macht geltend,
sie habe erst mit der rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreites Kenntnis davon erhalten,
dass ihr Arbeitsverhältnis noch bis zum 30.09.2004 fortbestanden habe. Eine dreimonatige Ausschlussfrist
könne daher auch erst mit dieser Kenntnis der Klägerin, also erst ab dem 15.06.2005 eingreifen, so dass
die am 24.06.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene Zahlungsklage die vereinbarte Ausschlussfrist
gewahrt habe.
Bei dem von der Beklagten verwandten Arbeitsvertrag handele es sich zweifellos um einen
Formulararbeitsvertrag. Die darin vereinbarte Anwendbarkeit der tariflichen Ausschlussfristen sei mit dem
wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechtes nicht vereinbar. Sie verstoße gegen Treu und
Glauben und benachteilige die Klägerin unangemessen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin
vom 09.05.2006 (Bl. 87 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
5.478,08 € brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
Antragszustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus,
die Fälligkeit eines Anspruches und die Kenntnis des Anspruchsberechtigten vom Bestehen des
Anspruches seien zwei völlig unterschiedliche Dinge, die nicht miteinander vermengt werden dürften.
Die hier vereinbarte zweistufige Ausschlussfrist benachteilige die Klägerin nicht unangemessen i. S. v. §
307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 310 Abs. 4 BGB sei eine inhaltliche Überprüfung tarifvertraglicher
Regelungen dem Regelungsbereich der §§ 305 - 309 BGB entzogen; im Übrigen liege keine von den
gesetzlichen Verjährungsfristen abweichende oder diese ergänzende Regelung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom
06.06.2006 (Bl. 98 ff. d. A) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der
Sache jedoch nicht begründet.
Der Klägerin steht für die Zeit vom 24.03.2004 bis 30.09.2004 kein Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen
Annahmeverzugs (§§ 615, 293 ff. BGB) in Höhe von 5.478,08 € mehr zu, da die Geltendmachung dieser
Forderung gem. Ziffer 7 der schriftlichen Einstellungsvereinbarung vom 21.01.1991 i. V. m. § 26 Nr. 3
GMTV ausgeschlossen ist. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin die zweite Stufe
der - durch Inbezugnahme des GMTV - vereinbarten Ausschlussfrist (gerichtliche Geltendmachung
innerhalb von 3 Monaten nach Anspruchsentstehung) nicht gewahrt hat. Soweit sich aus den
nachfolgenden Ausführungen keine Abweichungen ergeben, macht sich die Berufungskammer die
rechtlich zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts zu eigen und nimmt Bezug auf die schriftlichen
Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 4 ff. = Bl. 56 ff. d. A.).
Die mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg.
Hierzu im Einzelnen:
1.
Für die gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Arbeitsentgeltansprüche war nicht
notwendig, dass die Klägerin Kenntnis vom rechtskräftigen Ausgang des von ihr geführten
Kündigungsrechtsstreites hatte. Entsprechend der Auffassung, welche sie im Rahmen des
Kündigungsprozesses vertrat, bestand das Arbeitsverhältnis fort, so dass sie infolgedessen
konsequenterweise auch die damit zusammenhängenden Arbeitsentgeltforderungen innerhalb der
vertraglich vereinbarten Fristen hätte geltend machen müssen.
2.
Die Ablehnung des Annahmeverzugslohnanspruches der Klägerin durch die Beklagte erfolgte im
Rahmen des Kündigungsrechtsstreites mit dem Antrag der Beklagten auf Abweisung der
Kündigungsklage. Dass das Bundesarbeitsgericht insoweit anderer Auffassung ist, kann zumindest
derzeit nicht festgestellt werden, zumal der 8. Senat zuletzt in seinem Urteil vom 13.02.2003 (-
8 AZR 236/02 - = AP Nr. 244 zu § 613 a BGB) im Zusammenhang mit einer zweistufigen Ausschlussfrist,
die Auffassung vertreten hat, die zweite Stufe beginne mit der Ablehnung, die im Rahmen der
Kündigungsschutzklage an sich im Abweisungsantrag zu sehen sei. Die in der Entscheidung des 9.
Senats vom 11.12.2001 (= NZA 2002, 816 ff.) in einem obiter dietum geäußerten Zweifel an dieser
Auffassung, teilt der 8. Senat offenbar nicht. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung des 8.
Senats, da ein Kündigungsantrag auf der einen Seite und der Klageabweisungsantrag auf der anderen
Seite in ihrer Bedeutung für Ausschlussfristen gleichwertig behandelt werden müssen.
3.
Selbst wenn unterstellt wird, dass es sich bei der von den Parteien getroffenen Einstellungsvereinbarung
vom 21.01.1991 um allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. von § 305 BGB handelt, ist eine
unangemessene Benachteiligung der Klägerin i. S. d. § 307 BGB nicht feststellbar. Zwar greift die
Einschränkung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht ein, da durch die individualrechtliche Vereinbarung
von tariflichen Ausschlussfristen von der gesetzlichen Verjährungsregelung abgewichen bzw. diese
Regelung ergänzt wird (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - = AP Nr. 1 zu § 310 BGB). Jedoch
ergibt sich keine Unwirksamkeit der vorliegend vereinbarten Ausschlussfrist aus § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V.
m. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
(§ 310 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz BGB) ist festzustellen, dass es sich bei einer dreimonatigen Frist für die
gerichtliche Geltendmachung eines Anspruches um eine Frist handelt, die im Bereich des Durchschnitts
von üblichen tariflichen Ausschlussfristen liegt. In weiten Bereichen des Arbeitsrechtes gelten relativ kurze
Ausschlussfristen auf normativer Grundlage, so dass dem prägende Bedeutung zukommt.
Ausschlussfristen sollen rasch Rechtsklarheit schaffen, aber andererseits dem Gläubiger eines
Anspruches auch die Möglichkeit geben, nach sachgemäßer Prüfung die Forderung fristgemäß beziffern
zu können. Dies ist im Falle einer dreimonatigen Klagefrist der Fall (vgl. BAG Urt. v. 25.05.2005, 5 AZR
572/04 = AP Nr. 1 zu § 310 BGB).
Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem
gesetzlich begründeten Anlass.