Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 13.12.2006

LArbG Mainz: betriebsrat, vorläufige einstellung, verfügung, auskunft, unterrichtung, unternehmen, urlaub, arbeitsunfähigkeit, arbeitsgericht, informationsanspruch

LAG
Mainz
13.12.2006
9 TaBV 44/06
Auskunftsanspruch des Betriebsrates
Aktenzeichen:
9 TaBV 44/06
4 BV 124/05
ArbG Mainz
Entscheidung vom 13.12.2006
Tenor:
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.03.2006,
Az.: 4 BV 124/05 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um einen Auskunftsanspruch des Betriebsrates. Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden:
die Arbeitgeberin) betreibt in C-Stadt einen Supermarkt, in welchem ca. 55 - 60 Kassierarbeitsplätze
eingerichtet sind. Soweit der Personalbedarf für den Bereich dieser Kassierarbeitsplätze nicht durch
Stammpersonal gedeckt werden kann, stellt die Arbeitgeberin Tagesarbeitskräfte ein.
Im Rahmen des Verfahrens nach §§ 99, 100 BetrVG unterrichtet sie den Beteiligten zu 1., also den bei ihr
errichteten Betriebsrat (im Folgenden: der Betriebsrat) über die vorläufige Durchführung von personellen
Maßnahmen nach § 100 BetrVG regelmäßig mit Schreiben, in denen der Zeitraum mitgeteilt wird, für
welchen Tagesarbeitskräfte an der Kasse eingesetzt werden sollen, darüber hinaus die Anzahl der
benötigten Tagesarbeitskräfte sowie die Zahl der wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs, Freizeitausgleichs
oder Ausscheidens aus dem Betrieb nicht zur Verfügung stehenden Kassierer/innen (vgl. die
Unterrichtungsschreiben der Arbeitgeberin vom 06.07.2005, 06.10.2005, 14.10.2005 und 30.11.2005; Bl.
4 ff. d. A.).
Mit seinem beim Arbeitsgericht Mainz eingeleiteten Beschlussverfahren begehrt der Betriebsrat im
Rahmen der Mitteilungen nach § 100 BetrVG die namentliche Nennung der erkrankten Mitarbeiter/innen
mit Arbeitsunfähigkeitszeiträumen, die namentliche Nennung von beurlaubten Mitarbeiter/innen und die
namentliche Nennung von Mitarbeiter/innen, die aus dem Unternehmen ausgeschieden sind.
Der Betriebsrat hat vorgetragen,
aufgrund der Häufigkeit der Anträge nach § 100 BetrVG sei er, ausgehend von den bisherigen Angaben
der Arbeitgeberin, nicht in der Lage diese auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, so dass er die Erforderlichkeit
der personellen Einzelmaßnahmen nicht beurteilen könne. Deshalb seien die weitergehenden
Informationen notwendig.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 100 BetrVG
hinsichtlich der Begründung für die Einstellung von Tagesarbeitskräften, bzw. Leiharbeitnehmern Auskunft
darüber zu erteilen, welche Mitarbeiter für welchen Zeitraum erkrankt sind, welche Mitarbeiter sich in dem
genannten Zeitraum im Urlaub befinden sowie welche Mitarbeiter wann aus dem Unternehmen
ausgeschieden sind.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung,
nach § 99 Abs. 1 BetrVG habe sie lediglich mitzuteilen, weshalb sie aus ihrer subjektiven Sicht die
vorläufige Einstellung oder Versetzung für dringend erforderlich halte. Hierbei sei es ausreichend, die
Zahl der jeweils nicht zur Verfügung stehenden Kassierer/innen und den Grund ihrer Abwesenheit zu
benennen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 15.03.2006 (Bl. 27 ff. d. A.) den Antrag des Betriebsrates
zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf
Auskünfte im beantragten Umfang, zumal es genüge, wenn der Betriebsrat darüber informiert sei, wie
viele Kassierer/innen wegen Urlaub oder Krankheit abwesend seien. Hieraus könne nämlich abgeleitet
werden, wie viele Tagesarbeitskräfte eingestellt werden müssten. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb
ohne Vorliegen der Namen von nicht zur Verfügung stehenden Kassierer/innen, Rechte anderer
Arbeitnehmer aus dem Betrieb betroffen sein könnten, so dass der Betriebsrat Widerspruchsgründe nach
§ 99 BetrVG geltend machen könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 3 f. des
Beschlusses vom 15.03.2006 (= Bl. 29 f. d. A.) Bezug genommen.
Der Betriebsrat, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Mainz am 12.07.2006 zugestellt worden ist,
hat am 08.08.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 02.10.2006
sein Rechtsmittel begründet nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis zum 12.10.2006 verlängert
worden war.
Der Betriebsrat macht geltend,
er benötige die Angabe der Namen von jenen Kassierer/innen, die wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs,
Freizeitausgleichs oder Ausscheidens aus dem Betrieb nicht zur Verfügung stünden, damit er seine
betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten nach § 100 BetrVG geltend machen könne.
Stichprobenartige Überprüfungen hätten ergeben, dass keine Übereinstimmungen zwischen den
Angaben der Antragsgegnerin und dem Kenntnisstand des Betriebsrates gegeben sei.
Das Informationsrecht nach § 99 BetrVG beziehe sich zwar auf die einzustellenden Personen, umfasse
aber auch die weiteren Beteiligten. Dem Betriebsrat müsse die Möglichkeit gegeben werden, seine
Rechte und Pflichten, anhand von Namensangaben zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung des Betriebsrates wird auf dessen
Schriftsatz vom 28.09.2006 (Bl. 64 ff. d. A.) verwiesen.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.03.2006, Az. 4 BV 124/05 abzuändern und der
Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 100 BetrVG
hinsichtlich der Begründung für die Einstellung von Tagesarbeitskräften bzw. Leiharbeitnehmern Auskunft
darüber zu erteilen, welche Mitarbeiter für welchen Zeitraum erkrankt sind, welche Mitarbeiter sich in dem
genannten Zeitraum im Urlaub befinden sowie welche Mitarbeiter wann aus dem Unternehmen
ausgeschieden sind.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung,
die überschaubare Betriebsgröße - es seien weniger als 300 Mitarbeiter beschäftigt - und der Umstand,
dass die Anträge sich vorrangig auf die Kassenzone beziehen würden, ermögliche eine Überprüfung vor
Ort ohne größeren Aufwand. Für die Unterrichtung des Betriebsrates im Rahmen des § 100 BetrVG
schreibe das Gesetz keine besondere Form vor. Durch die Mitteilung der Anzahl der ausgefallenen
Kassierer/innen, die Gründe für deren Ausfall und die Anzahl der für einen bestimmten Zeitraum
benötigten Tagesaushilfskräfte werde dem Informationsanspruch des Betriebsrates genüge getan.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin
vom 15.11.2006 (Bl. 117 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gem. §§ 87 ff. ArbGG zwar zulässig, in der Sache
aber nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Mainz hat den Antrag des Betriebsrates, der Arbeitgeberin aufzugeben, dem
Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 100 BetrVG hinsichtlich der Begründung für die
Einstellung von Tagesarbeitskräften bzw. Leiharbeitnehmern Auskunft darüber zu erteilen, welche
Mitarbeiter für welchen Zeitraum erkrankt sind, welche Mitarbeiter sich in dem genannten Zeitraum im
Urlaub befinden sowie welche Mitarbeiter wann aus dem Unternehmen ausgeschieden sind, zu Recht als
unbegründet zurückgewiesen. Im Betriebsverfassungsgesetz gibt es keine Rechtsgrundlage für den
geltend gemachten Auskunftsanspruch.
A.
Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorläufig durch, so
hat er den Betriebsrat gem. § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG unverzüglich von der vorläufigen personellen
Maßnahme zu unterrichten. Dabei ist auch die sachliche Dringlichkeit der Maßnahme darzulegen (vgl.
Fitting u. a., BetrVG, 21. Auflage, § 100 Rz. 8).
Dieser Informationspflicht ist im vorliegenden Fall die Arbeitgeberin gerecht geworden, zumal sie dem
Betriebsrat vor der vorläufigen Durchführung der Einstellungsmaßnahmen regelmäßig mitgeteilt hat, wie
viele Personen für welchen Zeitrahmen als Tagesarbeitskräfte eingestellt werden sollen und wie viele
Personen des Stammpersonals im Kassenbereich aus welchen Gründen (Arbeitsunfähigkeit, Urlaub,
Freizeit und Ausscheiden aus dem Betrieb) nicht zur Verfügung stehen (vgl. die vom Betriebsrat
erstinstanzlich vorgelegten Mitteilungsschreiben vom 06.07.2005, 06.10.2005, 14.10.2005 und
30.11.2005; Bl. 4 ff. d. A.).
Soweit der Betriebsrat nunmehr verlangt, dass auch die Namen der nicht zur Verfügung stehenden
Stammarbeitnehmer im Rahmen des Antrages nach § 100 BetrVG genannt werden sollen, bringt er zum
Ausdruck, dass er den Angaben der Arbeitgeberin nicht traut und diese überprüfen möchte.
Eine Information über die Namen jener Arbeitnehmer, die wegen Urlaubs, Freizeitausgleichs oder
Langzeiterkrankungen nicht arbeiten, bedarf es aber schon deshalb nicht, weil diese Namen dem
Betriebsrat, aufgrund von vorweg vorgelegten Einsatz-, Urlaubs- und Freizeitplänen ohnehin bekannt
sind. Der Betriebsrat kann nicht eine Unterrichtung über Umstände verlangen, die er bereits kennt.
Ähnliches gilt hinsichtlich der Namen ausgeschiedener Mitarbeiter. Eine Unterrichtung über den
gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf ist in § 92 Abs. 1 BetrVG gesetzlich geregelt. Dass die
Arbeitgeberin gegen diese Unterrichtungspflicht verstößt, wird vom Betriebsrat nicht behauptet. Mithin ist
ihm bekannt, welche Arbeitsplätze besetzt bzw. frei sind. Eine darüber hinausgehende namentliche
Bennennung ausgeschiedener Mitarbeiter auch noch im Zusammenhang mit § 100 BetrVG ist mithin nicht
erforderlich.
Soweit Arbeitnehmer wegen kurzfristig eingetretener Arbeitsunfähigkeit ausfallen, ist nicht ersichtlich, dass
die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Auskunft geeignet wäre, das offenbar gegebene
Misstrauen des Betriebsrates zu beseitigen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass Namensangaben eine
größere Richtigkeitsgewähr bieten als Zahlenangaben. Die vom Betriebsrat angestrebte Kontrolldichte
kann daher nur erreicht werden, wenn er vor Ort, d. h. im Kassenbereich die Zahlenangaben der
Arbeitgeberin überprüft. Einer vorherigen Nennung der Namen von kurzfristig erkrankten Arbeitnehmern
im Kassenbereicht bedarf es hingegen nicht. Eine solche Namensnennung würde lediglich einen
zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf Seiten der Arbeitgeberin verursachen, ohne dass dem eine
wesentliche Erweiterung der Kontrollmöglichkeiten des Betriebsrates gegenüberstünde.
B.
Soweit der Betriebsrat geltend macht, aus §§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergebe sich die Pflicht der
Arbeitgeberin, im vorliegenden Fall Namen zu nennen, kann dahinstehen, ob im Rahmen einer
Unterrichtung nach § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG auch die Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verlangt
werden kann. Selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich der vom Betriebsrat verfolgte
Unterrichtungsanspruch nicht aus §§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Hiernach hat der Arbeitgeber in Unternehmen
mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung,
Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen
Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Mit der
Formulierung "Auskunft über die Person der Beteiligten" ist nicht das Personal gemeint, das zum
Einstellungszeitpunkt bereits in dem Betrieb arbeitet, sondern es sind neben jenem Stellenbewerber, den
der Arbeitgeber einstellen möchte, auch die anderen Stellenbewerber gemeint, welche seiner Ansicht
nach nicht zum Zuge kommen sollen; dementsprechend sind die Personalien aller, also auch der nicht
vom Arbeitgeber zur Einstellung vorgesehenen Bewerber mitzuteilen (st. Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes; vgl. z. B. Beschluss vom 06.04.1973 - 1 ABR 13/72 = AP Nr. 1 zu § 99 BetrVG
1972). Ein Auskunftsanspruch über die bereits beschäftigten Mitarbeiter ergibt sich hieraus im
vorliegenden Fall nicht.
Es ist nämlich darüber hinaus auch nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die Namen des nicht zur
Verfügung stehenden Stammpersonales eine Rolle bei der Geltendmachung von Widerspruchsgründen
im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG spielen sollen. Der Betriebsrat hat auch im Beschwerdeverfahren einen
derartigen Zusammenhang nicht nachvollziehbar dargelegt.
C.
Der in § 80 Abs. 2 BetrVG geregelte Auskunftsanspruch bezieht sich auf ein Unterrichtungsrecht des
Betriebsrates für Aufgaben, für die keine Sondervorschrift über einen Informationsanspruch existiert. Er
bietet mithin keine Rechtsgrundlage für die vom Betriebsrat ausdrücklich - wie der gestellte
Beschwerdeantrag zeigt - im Zusammenhang mit § 100 BetrVG verlangte Auskunft. Der Umfang dieses
Informationsrechtes richtet sich ausschließlich und abschließend nach der speziellen Regelung in § 100
Abs. 2 S. 1 BetrVG.
Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrates zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Beachtung von §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG
an einem gesetzlich begründeten Anlass.