Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.01.2008

LArbG Mainz: betriebsrat, arbeitsgericht, krankheit, produktion, gespräch, depression, arbeitsfähigkeit, fibromyalgie, rückenleiden, verfügung

LAG
Mainz
10.01.2008
11 Sa 579/07
krankheitsbedingte Kündigung
Aktenzeichen:
11 Sa 579/07
3 Ca 1270/06
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 10.01.2008
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.06.2007 - AZ: 3 Ca
1270/06 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten
vom 23.05.2006 nicht aufgelöst worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
Der am 12.09.1961 geborene Kläger ist seit dem 30.05.1994 ununterbrochen bei der Beklagten
beschäftigt. Er ist seiner getrennt lebenden Ehefrau sowie seinem Kind zum Unterhalt verpflichtet.
Die Beklagte ist ein Hersteller hochwertiger Kunststofffolien und von Kunststoffprodukten. Sie beschäftigt
regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer; bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der Arbeitsvertrag vom 29.11.1995 zu Grunde. Auf diesen
Arbeitsvertrag wird verwiesen (vgl. Bl. 28 und 29 d. A.).
Der Kläger wurde seit Beginn des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten ununterbrochen im
Schichtbetrieb in der Produktion beschäftigt. Nachdem der Kläger hier mit verschiedenen Tätigkeiten
betraut gewesen ist, wurde er zuletzt nur noch an dem Wickler BK 6 eingesetzt. Zu den typischen
Tätigkeiten am Wickler des BK 6 gehören:
- - Mithilfe beim Einfahren des Kalanders
- - Vorrichten des Wickelbocks und Einstellung der jeweiligen Parameter
- (z. B. Breite)
- - Einspannen der Eisenrohre
- - Verpackungsmaterial vorrichten
- - Programmierung der Waage (Ausdruck, Rollenetikett)
- - Ein- und Aushängen der fertigen Ware
- - Abfallbeseitigung
- - Kontrolle der laufenden Produktion (auf Knoten, Löcher, Farbstreifen)
- - Erstellung der Ablieferungsbelege
- - Führen der Q-Regelkarte
- - Zuschneiden der Papphülsen
Wegen der bildlichen Darstellung dieses Arbeitsbereiches wird auf die von der Beklagten in Abschrift zur
Gerichtsakte gereichten Lichtbilder wie Blatt 30 bis 51 d. A. verwiesen.
In einer Mitteilung des Werksarztes der Beklagten - Herrn Dr. K. S. - vom 15.01.2002 wurde dieser
empfohlen, den Kläger bis auf weiteres keine Hebe- und Tragearbeiten durchführen zu lassen. Bücken
sollte vermieden werden. Der Werksarzt empfahl weiter die Durchführung eines Heilverfahrens (vgl. die
Mitteilung wie Bl. 52 d. A.). Aufgrund dieser Empfehlung des Werksarztes absolvierte der Kläger in der Zeit
vom 20.03.2002 bis 17.04.2002 eine Heilmaßnahme.
Nach deren Beendigung führten die Parteien unter dem 17.07.2002 ein Gespräch. Auf die Gesprächsnotiz
vom 17.07.2002 wird verwiesen (vgl. Bl. 53 d. A.). Im Verlauf dieses Gesprächs erklärte der Kläger, dass
die Schmerzen nur noch schlimmer geworden und viele Schmerzen hingekommen seien.
Daraufhin wurde festgelegt, den Kläger nach Möglichkeit nicht an den Wickelvorrichtungen BK 7, 8 und 9
einzusetzen.
In einem weiteren Fehlzeitengespräch vom 06.05.2003 - festgehalten in dem Formular zur Dokumentation
von Fehlzeitengesprächen wie Bl. 54 d. A. - gab der Kläger an, dass er seit Januar 2003 wieder
Schmerzmittel nehme und seit März 2003 wieder in ärztlicher Behandlung sei. Im Dezember 2002 habe er
einen Bandscheibenvorfall im Bereich Hals- und Nackenkopf erlitten. Im Februar 2003 sei das Gleiche
aber noch viel schlimmer gewesen. Im April 2003 sei er an Grippe erkrankt gewesen. Der Kläger gab an,
starke Schmerzmittel nehmen zu müssen, nach deren Einnahme er Magenbeschwerden und
Konzentrationsstörungen habe. Weiter gab der Kläger an, dass die Tabletten eigentlich nicht so schlimm
seien, er bekomme hierdurch aber verschiedene Angstzustände. Weiter heißt es in dieser Dokumentation:
Getroffene Vereinbarungen und Maßnahmen:
Werksarzt Hr. Dr. Sch. wird unverzüglich eingeschaltet.
Wir brauchen definitiv eine Aussage was und wo Hr. A. noch arbeiten kann. Bewertet werden müssen
Krankheitsbild und die Einnahme von Schmerzmitteln
-Arbeiten an den drehenden Maschinenteilen zulässig?
Der Mitarbeiter hat eine Tätigkeit als Staplerfahrer vorgeschlagen.
Diagnose des Werksarztes wird abgewartet.
Mit dem Mitarbeiter übereinstimmend wurde vereinbart, dass er sich weiterhin maximal um die Erhaltung
seiner Gesundheit bemüht.
Weitere Beobachtung der Fehlzeiten.
Am 20.05.2003 fand dann ein Gespräch des Klägers mit dem Werksarzt wegen der Fehlzeitenhäufigkeit
statt. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist in dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 20.05.2003
festgehalten. Auf dieses Schreiben wird verwiesen (vgl. Bl. 55 d. A.).
Mit Schreiben vom 21.05.2003 (Bl. 57 d. A.) teilte der Werkarzt dann der Beklagten mit:
"Sehr geehrter Herr S.,
die derzeitigen schmerzhaften Erkrankungen unseres Mitarbeiters A. lassen aus meiner Sicht trotz
Heilverfahrens einen Einsatz am jetzigen Arbeitsplatz nicht zu. Gabelstaplerfahren kommt wegen der
Wirbelsäulenbelastung nicht in Frage.
Die Medikamenteneinnahme lässt Arbeiten mit Selbstgefährdung nicht zu (Nebenwirkung laut
Beipackzettel). Ich halte ein Gespräch mit dem Arzt des Medizinischen Dienstes für dringend erforderlich."
Unter dem 14.10.2003 fand ein weiteres Fehlzeitengespräch mit dem Kläger statt. Auf das entsprechende
Formular zur Dokumentation von Fehlzeitengesprächen wird verwiesen (vgl. Bl. 59 d. A.). Unter dem
08.03.2004 wurde der Kläger dann nach seinem gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand befragt und
weiter ob er sich in ärztlicher Behandlung befinde. Auf die Gesprächsnotiz wie Blatt 60 d. A. wird
verwiesen. Weiter wurde unter dem 16.11.2004 ein entsprechendes Gespräch geführt. Auch auf die hierzu
gefertigte Gesprächsnotiz wird verwiesen (vgl. Bl. 61 d. A.).
Mit Schreiben vom 26.04.2006 hörte die Beklagte dann den Betriebsrat zu einer beabsichtigten
fristgerechten Kündigung an. Auf dieses Anhörungsschreiben wird verwiesen (vgl. Bl. 62 d. A.).
Auf Veranlassung des Betriebsrates entband der Kläger daraufhin seine Ärzte von der ärztlichen
Schweigepflicht gegenüber dem Werksarzt. Der Werksarzt führte daraufhin ein Gespräch mit dem
behandelnden Arzt des Klägers, Herrn Dr. St., dessen Inhalt der Werksarzt mit Schreiben vom 09.05.2006
der Beklagten mitteilte (vgl. Bl. 14 d. A.).
Daraufhin hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 17.05.2006 erneut zu einer
beabsichtigten fristgerechten Kündigung an. In diesem Anhörungsschreiben (vgl. Bl. 66 d. A.) heißt es u.
a.:
Begründung:
Krankheit
Herr A. fehlte die letzten Jahre wie folgt:
2005: 63 Arbeitstage (Krankheit)
2004: 14 Arbeitstage (Krankheit)
2003: 77 Arbeitstage (7 Krankheit, 70 aufgrund eines Betriebsunfalls)
2002: 33 Arbeitstage (Krankheit)
In 2006 ist bisher kein Fehltag aufgetreten. Allerdings gab Herr A. an, dass er eigentlich nicht arbeiten
könne.
Diese Aussage wurde nun auch von unserem Werksarzt bestätigt (siehe Schreiben). Es wurde festgestellt,
dass ein chronisches Rückenleiden besteht. Aufgrund der Rückenbeschwerden sollten keine Hebe- und
Tragearbeiten ausgeführt werden. Auch der Einsatz als Gabelstaplerfahrer scheidet aus.
Weiterhin wurde von seinem behandelnden Hausarzt eine Depression bestätigt. Aufgrund dieser
seelischen Problematik verbietet sich Nachtarbeit.
Wir können daher Herrn A. im Produktionsbetrieb nicht leidensgerecht einsetzen.
Auch andere Einsatzmöglichkeiten wurden geprüft und für negativ beschieden.
Herr A. wird bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist einseitig von der Arbeit freigestellt.
Unter dem 23.05.2006 (vgl. Bl. 5 und 6 d. A.) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung.
Mit Schreiben vom 23.05.2006 (vgl. Bl. 4 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende
Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.09.2006. Gleichzeitig wurde der Kläger in diesem Schreiben bis zum
30.09.2006 unter Fortzahlung seines Entgeltes von der Arbeit freigestellt.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 09.06.2006 beim Arbeitsgericht
Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage.
Zu deren Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:
Es sei nicht zutreffend, dass er in der Weise gesundheitlich eingeschränkt sei, dass er nicht mehr in der
Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Schon gar nicht sei zu befürchten,
dass er sich selbst bei Fortsetzung seiner Tätigkeiten gefährde bzw. gesundheitliche Schäden
davontrage. Er sei ohne weiteres in der Lage, seine bisherige Tätigkeit im Betrieb der Beklagten weiterhin
auszuüben. Es sei nicht damit zu rechnen, dass es in der Zukunft zu krankheitsbedingten Ausfällen
diesbezüglich komme.
Er sei im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit ohne weiteres voll einsetzbar. Er sei zudem auch in der
Lage, an einem anderen Kalander zu arbeiten, dies auch im Wechsel. Er könne des Weiteren alleine an
einem Wickelbock arbeiten. Er sei in der Lage, den anfallenden Abfall zu beseitigen.
Es könne sein, dass er in der Vergangenheit für kürzere Zeit einen "abwesenden Eindruck" gemacht habe.
Hier habe er für kurze Zeit Schmerzmittel eingenommen gehabt. Diese nehme er jedoch schon länger
nicht mehr ein. Eine etwaige diesbezügliche Beeinträchtigung sei schon lange nicht mehr gegeben.
Er könne sich zudem einen Einsatz im Walzenlager vorstellen. Es sei nicht richtig, dass hier regelmäßiges
Heben und Tragen anfalle. Es werde mit einem Kran gearbeitet. Er habe sich - unstreitig - in der
Vergangenheit auf intern ausgeschriebene Stellen im Walzenlager mehrfach beworben, sei jedoch von
der Beklagten nie berücksichtigt worden.
Er könne auch ohne weiteres als Staplerfahrer eingesetzt werden, im Bereich Magazin/Warenausgabe
arbeiten oder etwa als "Hausmeister" eingesetzt werden.
Die Betriebsratsanhörung zu seiner Kündigung sei zudem nicht ordnungsgemäß erfolgt. Dort werde
angegeben, dass er erklärt habe, er könne nicht arbeiten. Dies sei nicht richtig. Eine solche Erklärung
habe er nicht abgegeben. Die Aussage des Werksarztes, es bestehe ein chronisches Rückenleiden, sei
falsch. Falsch sei auch, dass ein Einsatz als Gabelstaplerfahrer nicht möglich sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom
23.05.2006, ihm zugegangen am 23.05.2006, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen:
Der Kläger sei aufgrund seiner gesundheiitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, seinen
arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Bei Fortsetzung seiner Tätigkeit bestehe die
begründete Befürchtung, dass der Kläger sich selbst gefährde bzw. weiteren gesundheitlichen Schaden
davon trage.
Der Kläger sei nicht in der Lage, den Arbeitsplatz an einem anderen Kalander einzunehmen, schon gar
nicht den Arbeitsplatz mehrmals an einem Tag zu wechseln. Auch die alleinige Betreuung des Wickelbock
sowie weitere hiermit verbundene Arbeiten sei bei ihm nicht möglich.
Wenn ein Rollenwechsel erforderlich gewesen sei, sei der Kläger meistens auf Toilette oder zur
Kaffeepause verschwunden. Wenn er alleine am Wickelbock tätig gewesen sei, dann habe er erst die
zweitrangige Tätigkeit ausgeführt und dann die wichtigere, d. h. er habe erst die Papiere für den Auftrag
ausgefüllt und habe gehofft, dass in dieser Zeit ein anderer Mitarbeiter komme, um die Rolle zu wechseln.
Hinzu komme, dass der Kläger an manchen Tagen einen "klaren" Eindruck und an anderen Tagen einen
völlig "abwesenden" Eindruck gemacht habe. Der Kläger sei geistig abwesend gewesen oder habe nach
dem Eindruck der Arbeitskollegen unter der Wirkung schwerer Schmerzmittel gestanden. Es habe sich
immer wieder die Frage gestellt, ob der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge und der
Arbeitssicherheit überhaupt an drehenden Teilen beschäftigt werden könne. Denn hierbei sei größte
Vorsicht der Mitarbeiter zum eigenen Schutz und zum Schutz der Kollegen geboten.
Das Walzenlager sei nicht in Betracht gekommen, da hier regelmäßig das Heben und Tragen anfalle, also
körperlich belastende Arbeit. Auch hätten sich auf innerbetriebliche Ausschreibungen Mitarbeiter
beworben, die weit aus qualifizierter gewesen seien. Auch als Staplerfahrer hätten Lasten (bis zu 25 kg)
gehoben und getragen werden müssen. Diesen "stressigen" Arbeitsplatz habe man dem Kläger auch mit
Rücksicht auf die Medikamenteneinnahme nicht überantworten wollen. Schließlich habe es bei der
Nachkontrolle und dem Versand keinen freien Arbeitsplatz gegeben.
Was aber zunehmend Sorgen bereitet habe, seien die vom Kläger auch eingeräumten
Konzentrationsschwierigkeiten gewesen. Die Tätigkeit an den laufenden Maschinen lasse ein Gefährdung
des Klägers nicht ausschließen. Eine Erklärung sei die Einnahme starker Schmerzmittel gewesen; aber
nachdem der Kläger erklärt gehabt habe, dass er zwischenzeitlich nur noch harmlose oder keine
Schmerzmittel einnehme, hätten die Ursachen auch im psychischen Bereich gesucht werden müssen.
So sei versucht worden, den Kläger aus dem Schichtbetrieb herauszunehmen und in die - auch einmal
von ihm selbst gewünschte - Nachkontrolle umzusetzen. Am 22.11.2005 habe sich der Kläger in der
Nachkontrolle angesehen und habe einige Rollen selbständig prüfen können. Er habe diese Tätigkeit von
06:00 bis ca. 11:00 Uhr ausgeübt. Dann habe er erklärt, dass er diese Tätigkeit nicht den ganzen Tag
ausüben könne. Die Arbeit sei ihm zu schwer. Er habe den Arbeitsplatz verlassen und sei nach Hause
gegangen, dass es ihm nicht gut gehe.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen
Sachverständigengutachtens. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird verwiesen (vgl. Bl. 83 bis 103 d. A.).
Weiter hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben durch schriftliche Beantwortung der Beweisfrage durch den
Zeugen Dr. St.. Auf die schriftliche Beantwortung wie Blatt 158 bis 160 d. A. sowie die ergänzende
Beantwortung (Bl. 171 und 172 d. A.) wird verwiesen.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat mit Urteil vom 06.06.2007 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es im Hinblick auf die im vorliegenden
Verfahren vorgelegten ärztlichen Aussagen zu der vollen Überzeugung gelangt sei, dass es der
Beklagten - auch aus Fürsorge für den Kläger - nicht mehr zumutbar sei, den Kläger weiterhin im Bereich
der Produktion zu beschäftigen. Der Kläger, der u. a. an laufenden Maschinen eingesetzt sei, könne bei
eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit in diesem Bereich nicht mehr eingesetzt werden. Würde er die
von ihm benötigten Schmerzmittel zukünftig nicht mehr zu sich nehmen, könnte er - wie durch den
Hausarzt dargelegt - in diesem Tätigkeitsbereich seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht mehr
erfüllen. Insoweit handele es sich um einen für den Kläger tragischen Kreislauf. Körperlich sei er aufgrund
verschiedener Ursachen nicht mehr in der Lage schmerzfrei zu arbeiten. Versetze er sich durch die
Einnahme von Medikamenten in einen Zustand, um die bei der Arbeit auftretenden Schmerzen ertragen
zu können, so fehle es an seiner Konzentrationsfähigkeit. Den insoweit zeitweise abwesend auftretenden
Kläger bei eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit im Bereich der Produktion weiter einzusetzen, sei der
Beklagten nicht möglich, denn diesbezüglich habe die Beklagte sowohl bezogen auf den Kläger als auch
hinsichtlich der übrigen Mitarbeiter eine Fürsorgeverpflichtung dahingehend, ein erhöhtes Unfallrisiko
auszuschließen. Dieses liege nach Überzeugung der Kammer aber dann vor, wenn der Kläger dauerhaft
nur nach Einnahme von Schmerzmitteln, die seine Konzentrationsfähigkeit stark einschränkten, zu einem
Arbeitseinsatz fähig sei.
Dem Kläger müsse zugestanden werden, dass er möglicherweise auch über den Zeitpunkt des
Kündigungszugangs durch die Beklagte auf seinem bisherigen Arbeitsplatz hätte beschäftigt werden
können. Die Beklagte sei aber nach voller Überzeugung des Gerichts verpflichtet, die persönliche
Situation des Klägers zu berücksichtigen, dessen Arbeitsverhalten zu bewerten und die sich hieraus
ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen.
Andere Arbeitsplätze stünden der Beklagten nicht zur Verfügung, um den Kläger mit leichteren, körperlich
nicht zu beanspruchenden Arbeiten zu beschäftigen.
Als Staplerfahrer könne der Kläger aufgrund seiner Medikamenteneinnahme nicht beschäftigt werden. Im
Rahmen der Nachkontrolle sei der Kläger nur kurzfristig einsetzbar gewesen. Es sei auch nicht erkennbar,
in wie weit die Beklagte im Rahmen eines Ringtausches die Möglichkeit gehabt habe, den Kläger
anderweitig mit leichteren Tätigkeiten zu beschäftigen.
Obgleich der Kläger weiter Zweifel an der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung vorgetragen gehabt
habe, habe die Kammer davon auszugehen gehabt, dass der Betriebsrat durch die Beklagte
entsprechend der Vorgaben des § 102 Abs. 1 BetrVG vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß
angehört worden sei.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsverhältnisses wird auf die
Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen (vgl. Bl. 192 bis 206 d. A.).
Dieses Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.06.2007 ist dem Kläger am 06.08.2007 zugestellt
worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 24.08.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
eingelegte und am 01.10.2007 begründete Berufung.
Zur deren Begründung trägt der Kläger wie folgt vor:
Das erstinstanzliche Urteil stütze seine klageabweisende Entscheidung darauf, dass er - der Kläger -
aufgrund der Einnahme von Schmerzmitteln (Iboprofen und Tilidin) nicht in der Produktion eingesetzt
werden könne und ohne die Schmerzmittel seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen körperlich nicht
mehr erfüllen könne. Dies sei nicht zutreffend und decke sich auch nicht mit dem Ergebnis der
Beweisaufnahme.
Es sei zudem festzustellen, dass noch vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung der Werksarzt Dr.
Sch. nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt Dr. St. festgestellt habe, dass Medikamente, die die
Vigilität negativ beeinflussten, nicht verordnet worden seien. Diese Feststellung des Betriebsarztes datiere
auf den 09.05.2006.
Er - der Kläger - könne ohne Gefährdung von sich oder anderen Personen in der Produktion auch in
Anbetracht der Medikamente, die er einnehme bzw. eingenommen habe, eingesetzt werden. Der
Sachverständige, komme in seinem Gutachten zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Kläger seine
Arbeitsleistung an einem nach ergonomischen und arbeitsphysiologischen Grundprinzipien konzepierten
Arbeitsplatz ohne Weiteres erbringen könne.
Der Kläger beantragt daher:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.06.2007, AZ: 3 Ca 1270/06, wird aufgehoben,
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 23.05.2006, zugegangen am 23.05.2006, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils im Wesentlichen vor:
Dem Kläger sei zwar einzuräumen, dass er gegenüber dem Sachverständigen in der Tat Angaben über
die von ihm eingenommene Medikamente gemacht habe (Seite 6 des Gutachtens). Insoweit sei das
Arbeitsgericht von einer unrichtigen Annahme ausgegangen. Gleichwohl erweise sich das gefundene
Ergebnis als zutreffend.
Die Schlussfolgerung des Gutachters, die Einnahme der Medikamente durch den Kläger sowie durch die
bei dem Kläger vorliegende allgemeine Schwäche, Konzentrationsstörungen, Schlafstörung, chronische
Erschöpfung und erheblich verringerte und körperliche Leistungsfähigkeit sei bei einer an ergonomischen
und arbeitsphysiologischen Grundprinzipien konzipierten Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation
reparabel und habe mit einer Medikamenteneinnahme nichts zu tun, sei nicht nachvollziehbar. Auch
soweit der Gutachter den Kläger körperlich für derart leistungsfähig halte, dass Arbeiten mit
Arbeitsgegenständen bis 25 kg - auch in höherer Frequenz während einer Schicht - nicht zu
maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen werde, stehe diese Diagnose in eklatantem
Widerspruch zu der sorgfältig begründeten Aussage des Dr. St., nach der der Kläger an einer ernsthaften
Bandscheibenerkrankung und nicht an einer lapidaren, häufig auftretenden Degeneration der Wirbelsäule
leide und die Gewichtsbelastung zwar von großer Wichtigkeit, aber nicht entscheidend sei, sondern
vielmehr die Grundhaltung des Bewegungsablaufs des Körpers.
Nach Grundeinschätzung von Dr. St. sei dem Kläger lediglich kurzfristig, d. h. für maximal fünf Minuten
eine Belastung von 5 bis 7 kg möglich und zumutbar. Letztlich könne es für die Frage, ob der Kläger
weiterhin an drehenden Anlagen mit Arbeiten in Zwangshaltung und mit Hebe- und Tragetätigkeiten
sowie bei hohen Temperaturen ohne Eigen- oder Fremdgefährdung eingesetzt werden könne,
dahinstehen, ob die von seinen Vorgesetzten geschilderten Einschränkungen seiner Reaktions- und
Aufnahmefähigkeit auch auf der Medikamenteneinnahme oder ausschließlich auf der Fibromyalgie
beruhten. Auch ohne diese präzise medizinische Zuordnung diagnostiziere Dr. St. bei dem Kläger ein
somatoformes Krankheitsbild eines chronischen Schmerzsyndroms, das sich chronifiziert habe und nach
seiner Einschätzung ursächlich fast nicht bzw. nur äußerst schwierig und langwierig behandelbar sei
sowie eine psychische Erkrankung, die seine Unfähigkeit zu weiteren entsprechenden
Arbeitsverrichtungen verstärke und sich in Verhangenheit , Verminderung von Antrieb und Psychomotorik
auswirke.
Aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers, er komme seit drei Jahren nicht ohne Schmerzmittel
aus, dem eindeutig wahrgenommenen Auftreten typischer Nebenwirkungen und Auswirkungen dieser
Medikamente auf die Reaktionsfähigkeit und das seelische Wohlbefinden des Klägers sowie der
Feststellung des den Kläger behandelnden Hausarztes, dass dieser zu seiner bisherigen Tätigkeit nicht
länger in der Lage sei und auch der Schmerzzustand fast nicht bzw. nur äußerst schwierig und langwierig
behandelbar sei, sei nach Einschätzung der Beklagten der Beweis geführt, dass der Kläger künftig zur
Erfüllung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit objektiv nicht mehr in der Lage sei. Zutreffend
weise das Arbeitsgericht darauf hin, dass das effektiv fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch die
subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers ersetzt werden könne, er sei trotzdem gesundheitlich hierzu
in der Lage. Ein freier leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger stehe nicht zur Verfügung, weder zu
gleichwertigen noch zu geringwertigeren Bedingungen. Den jeweiligen Vorstellungen des Klägers sei sie
immer nachgegangen und habe diese durch die jeweiligen Abteilungen, auch unter Mitwirkung des
werksärztlichen Dienstes, überprüfen lassen. Jedoch sei entweder der Kläger wegen fehlender
Qualifikation zu den von ihm genannten Tätigkeiten nicht im Stande oder sämtliche Arbeitsplätze besetzt
gewesen oder es hätten gesundheitliche Bedenken bestanden bzw. die körperlichen Anforderungen an
den Stelleninhaber hätten noch weit über denen gelegen, zu denen sich der Kläger jeweils noch in der
Lage gesehen habe.
Die erstinstanzlich vorgetragenen Einwände gegen die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung habe das
Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Mit ebenfalls überzeugender Begründung
habe das Arbeitsgericht den Einwand zurückgewiesen, die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung
kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2007
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Berufung ist insgesamt zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
I.
Das Rechtsmittel der Berufung, mit dem insgesamt die Abänderung des Urteil des ersten Rechtszuges
beantragt wird, ist gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft.
Die Berufung ist zudem gemäß der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 519, 520 ZPO form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden; die Berufung erweist sich damit als zulässig.
II.
Auch in der Sache hat die Berufung Erfolg. Auf diese war deswegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen vom 06.06.2007 abzuändern.
Der Kläger kann die Feststellung verlangen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die
Kündigung der Beklagten vom 23.05.2006 nicht aufgelöst worden ist.
Die insgesamt in zulässiger Weise zu den Gerichten für Arbeitssachen erhobene Kündigungsschutzklage
ist begründet. Die Kündigung vom 23.05.2006 ist gemäß des unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien anwendbaren §§ 1, 2 KSchG rechtsunwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist. Sie ist nicht
durch Gründe, die in der Person des Klägers liegen, bedingt.
Die streitbefangene krankheitsbedingte Kündigung erweist sich gemessen an den von der
Rechtssprechung hierzu entwickelten Grundsätzen als nicht wirksam.
1
arbeitgeberseitige Kündigung durch eine wie immer geartete Erkrankung des Arbeitnehmers motiviert
worden ist.
Unter Krankheit ist dabei ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der eine
Heilbehandlung notwendig macht (BAG, 05.04.1976, DB 1976 Seite 1386). Dabei ist der Arbeitnehmer
nur dann arbeitsunfähig, wenn er aufgrund dieser Erkrankung nicht die volle vertraglich vereinbarte
Arbeitsleistung erbringen kann (BAG, 13.06.2006, 9 AZR 229/05, NZA 2007, 91).
Alledings kann alleine eine Erkrankung des Arbeitnehmers als solche eine Kündigung noch nicht
rechtfertigen, d. h. allein mit dem Hinweis auf eine aktuelle oder frühere Krankheit kann der Arbeitgeber
eine Kündigung nicht wirksam erklären. Die Erkrankung des Arbeitnehmers spielt lediglich insoweit eine
Rolle, als sie die Ursache der betriebsstörenden Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes ist und ggfls.
Anhaltspunkte für die notwendige Prognose der weiteren Entwicklung liefert (Dörner/Luczak,/Wildschütz,
Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 6. Auflage, D Rd-Nr. 1105). Deswegen scheidet eine
krankheitsbedingte Kündigung allein aus "Fürsorge" des Arbeitgebers aus.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund objektiver Umstände
(insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren
Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch künftig mit
erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss (sog. Negativprognose), die
entstandenen und künftig zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen und sich infolge einer
umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
nicht zugemutet werden kann.
2.
einer lang andauernden Erkrankung, wegen des feststehenden Unvermögens, die geschuldete
Arbeitsleistung auf Dauer zu erbringen sowie die erhebliche Minderung der Leistungsfähigkeit - entwickelt
und besondere Voraussetzungen formuliert, die im jeweiligen Fall vorliegen müssen, damit die betroffene
krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
Dabei scheiden im Streitfall die Fallgruppen der häufigen Kurzerkrankungen sowie der lang andauernden
Erkrankung aus, weil die Beklagte die streitbefangene Kündigung nicht mit den in der Vergangenheit
aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers rechtfertigen wollte und weil der Kläger im
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung jedenfalls nicht "andauernd" arbeitsunfähig war. Im Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung vom 23.05.2006, zugegangen am gleichen Tage, hat der Kläger seine
Arbeitsverpflichtungen erfüllt. Im Laufe des Jahres 2006 waren auch keine krankheitsbedingten Fehlzeiten
aufgetreten.
In Betracht kommt somit allenfalls die Fallgruppe des Unvermögens, die geschuldete Arbeitsleistung
(vollumfänglich) zu erbringen.
3.
Arbeitsleistung zu erbringen, erfolgt in drei Stufen:
a.
erforderlich.
Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des
Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen;
sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden.
In einer dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen
Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers
führen (BAG; 24.11.2005, 2 AZR 514/04, NZA 2006, 665; BAG, 12.04.2002, 2 AZR 148/01, NZA 2002,
1081).
Bei
feststehender
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG, 29.04.1999, 2 AZR 431/98, NZA 1999,
978; BAG, 28.02.1990, 2 AZR 401/98, AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).
b.
die maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die soziale Rechtfertigung. Die spätere tatsächliche
Entwicklung kann nicht mehr zur Bestätigung oder Korrektur herangezogen werden, um Zweifel zu
beseitigen (BAG, 29.04.1999, a. a. O., BAG, 12.04.2002, a. a. O.).
Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung keine Nachforschungen über den
Gesundheitszustand des Arbeitnehmers anstellen. Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nicht auf
den Kenntnisstand des Arbeitgebers, sondern auf den objektiven Zustand des Arbeitnehmers bei Zugang
der Kündigung an. Allerdings muss der Arbeitnehmer auch auf Anfrage des Arbeitgebers keine Auskunft
erteilen (BAG, 25.11.1982, DB 1983, Seite 1047).
4.
Kündigung steht im Streitfall bereits entgegen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitsleistung
erbracht hat. Auch die weiteren Feststellungen im zugrundeliegenden Verfahren rechtfertigen diese
Annahme nicht.
a.
dauernden Leistungsunvermögens bzw. einer erheblichen Leistungsminderung des Klägers u. a. damit
begründet, dass der Kläger nach Feststellung des Zeugen Dr. St. wegen der Medikamenteneinnahme in
seiner Arbeitsleistung erheblich beeinträchtigt sei.
Auf diesen Gesichtspunkt kann die Entscheidung aber schon deswegen nicht gestützt werden, weil die
Beklagte den Betriebsrat im Anschreiben vom 17.05.2006 hierzu nicht angehört hat, auch nicht anhören
wollte und nach Ausspruch der Kündigung diesen Gesichtspunkt auch nicht nachgeschoben hat.
aa.
mitzuteilen. Dabei muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner
subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind
(BAG, 16.09.2004, 2 AZR 511/03, EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10 m. w. Nw.). Kommen aus Sicht des
Arbeitgebers mehrere Kündigungssachverhalte in Betracht, so führt ein bewusstes Verschweigen eines -
von mehreren - Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung. Die Mitteilung der
Kündigungsgründe ist "subjektiv determinert", der Arbeitgeber muss nur die Umstände mitteilen, auf
denen sein Kündigungsentschluss beruht.
Ob die mitgeteilten Tatsachen die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen oder nicht, ist im
Rahmen der Überprüfung der Wirksamkeit der Anhörung gemäß § 102 BetrVG nicht von Bedeutung.
Wegen Verletzung einer Mitteilungspflicht ist eine Kündigung nur dann nichtig, wenn der Arbeitgeber
Gründe, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben, bewusst nicht oder unvollständig
mitteilt.
bb.
weißt aber dabei nicht auf andere Kündigungsgründe oder Umstände hin, die einen bestimmten
Sachverhalt überhaupt erst kündigungsrechtlich relevant machen, dann ist die Kündigung nicht nach §
102 BetrVG unwirksam. Es ist dem Arbeitgeber dann aber verwehrt, den Kündigungssachverhalt im
Kündigungsschutzprozess um diese Umstände zu erweitern, soweit in dem Nachschieben von Gründen
nicht nur eine Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe liegt (BAG, 13.05.2004, 2 AZR
329/03, NZA 2004, 1037 m. w. Nw.).
cc.
angegeben habe, dass er eigentlich nicht arbeiten könne. Diese Aussage sei auch - insoweit nimmt die
Beklagte Bezug auf das Schreiben des Werksarztes vom 09.05.2006 - von diesem bestätigt worden. Es
sei festgestellt worden, dass ein chronisches Rückenleiden bestehe. Aufgrund der Rückenbeschwerden
sollten keine Hebe- und Tragearbeiten ausgeführt werden. Auch der Einsatz als Gabelstaplerfahrer
scheide aus. Weiterhin sei von dem behandelnden Hausarzt eine Depression bestätigt worden. Aufgrund
der seelischen Problematik verbiete sich Nachtarbeit. Sie könne daher den Kläger im Produktionsbetrieb
nicht leidensgerecht einsetzen. Auch andere Einsatzmöglichkeiten seien geprüft und für negativ
beschieden worden.
Im Unterschied zu der vorangegangenen Anhörung vom 26.04.2006 (vgl. Bl. 62 d. A.) stellt die Beklagte
damit zur Begründung der beabsichtigten Kündigung gerade nicht mehr darauf ab, dass der Kläger unter
schweren Schmerzmitteln gearbeitet habe und dies eine erhebliche Selbst- bzw. Gefährdung der
Kollegen bedeute. Dies ist ersichtlich darauf zurückzuführen, dass der Werksarzt Dr. Sch. im Schreiben
vom 09.05.2006 ausdrücklich herausstellt, dass bei dem Kläger Medikamente, die die Vigilität negativ
beeinflussten, damals nicht verordnet worden waren.
Die Beklagte hat damit bewusst und eindeutig den Umstand der Einnahme von Schmerzmitteln durch den
Kläger und die daraus möglicherweise folgenden Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit nicht zum
Gegenstand der Betriebsratsanhörung vom 17.05.2006 gemacht.
Auch der Betriebsrat hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 23.05.2006 ausgeführt, dass er davon
ausgegangen sei, dass die ursprünglich beabsichtigte, krankheitsbedingte Kündigung nicht mehr
ausgesprochen werde, nachdem sich herausgestellt habe, dass der Kläger in seiner Arbeitsfähigkeit
durch die Einnahme von Schmerzmitteln nicht beeinträchtigt sei.
b.
stützen, zu denen sie den Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 17.05.2006 angehört hat.
Bei diesen Umständen handelt es sich allenfalls um mögliche Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit des
Klägers wegen eines chronischen Rückenleidens sowie wegen einer Depression. Demgegenüber sind
die Beeinträchtigungen wegen der Einnahme von Schmerzmitteln kündigungsrechtlich nicht mehr
relevant.
aa.
und widersprüchlich.
Soweit die Beklagte herausstellt, dass von dem Werksarzt bestätigt worden sei, dass der Kläger nicht
arbeiten könne und dass festgestellt worden sei, dass ein chronisches Rückenleide bestehe, deckt sich
diese Aussage nicht mit der des beigefügten Schreibens vom 09.05.2006. In diesem Schreiben vom
09.05.2006 führt der Werksarzt lediglich aus, dass der Kläger wegen des bereits bekannten
Rückenleidens in dauernder ärztlicher Behandlung stehe. Aus ärztlicher Sicht solle der Kläger keine
Hebe- und Tragearbeiten durchführen, ein Gabelstaplerfahren sei nicht indiziert.
Dabei bringt der Werksarzt nicht zum Ausdruck, dass der Kläger wegen dieser Beeinträchtigung nicht in
der Lage sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Vielmehr nimmt der Werksarzt nur noch
einmal Bezug auf die im Rahmen der Fehlzeitengespräche immer wieder besprochenen
Beeinträchtigungen des Klägers im Zusammenhang mit seinem Rückenleiden. Außerdem stellt der
Werksarzt noch einmal heraus, dass der Kläger keine Hebe- und Tragearbeiten durchführen solle. Damit
wiederholt der Werksarzt nur noch einmal seine Einschätzung, die er bereits in der Mitteilung vom
15.01.2002 (vgl. Bl. 52 d. A.) gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hat und die in der Folge
immer wieder Gegenstand der Fehlzeitengespräche gewesen ist. Weiter bringt der Werksarzt zum
Ausdruck, dass er das Gabelstaplerfahren nicht empfehle ("ist nicht indiziert"). Schließlich empfiehlt der
Werksarzt dann bei der nächsten AU-Meldung bei der A. Zweifel an der AU anzumelden. Damit macht der
Werksarzt deutlich, dass er gerade nicht von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers - schon gar keiner
dauernden - ausgegangen ist.
Wenig eindeutig ist schließlich der Hinweis der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 17.05.2006 auf
eine vorliegende Depression des Klägers sowie darauf, dass sich wegen dieser seelischen Problematik
die Nachtarbeit verbiete.
Diese Ausführungen stehen zudem teilweise im Widerspruch zu den Darlegungen der Beklagten im
zweiten Teil des Anhörungsschreibens vom 17.05.2006, in dem sie Ausführungen zu verhaltensbedingten
Umständen macht. Im vorletzten Absatz verweist die Beklagte darauf, dass sich die Kollegen über die
Arbeitsweise des Klägers beschwerten. Der Kläger sei bereits nur an bestimmten Anlagen eingesetzt
worden. Das Entgegenkommen der Beklagten zahle der Kläger in keiner Weise zurück. Seine
Arbeitskollegen bemängelten an ihm eine eigensinnige, unabgestimmte Arbeitsweise.
In dem die Beklagte hier darlegt, dass der Kläger seine Arbeit in nicht zufriedenstellender Weise verrichte,
setzt sich die Beklagte in Widerspruch zu der Ausführung, dass sie davon ausgehe, dass der Kläger die
geschuldete Arbeitsleistung gar nicht erbringen könne.
bb
vom 17.05.2006 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist, dass die Beklagte den Kläger
wegen der Beeinträchtigungen infolge des chronischen Rückenleidens sowie wegen des Vorliegens
einer Depression kündigen wollte. Selbst wenn die Rechfertigung der Kündigung auf diesen - allenfalls
verwertbaren - Sachverhalt gestützt wird, ist die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt.
Es steht keineswegs fest, dass der Kläger wegen dieser - zum Teil unstreitigen - Beeinträchtigungen auf
Dauer nicht im Stande ist, die der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung vollständig zu erbringen.
Der Kläger - der im Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen Kündigung seine Arbeitsleistung erbracht
hat - hat hierzu immer wieder betont, dass er auch künftig im Stande sei, die geschuldete Arbeitsleistung
zu erbringen. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat insoweit zwar eingewandt, dass es
bereits in der Vergangenheit zu krankheitsbedingten Beeinträchtigungen in der Arbeitsleistung des
Klägers wegen des Rückenleidens gekommen sei. Die Beklagte hat hierzu insbesondere die mit dem
Kläger geführten zahlreichen Fehlzeitengespräche dargelegt. Die Beklagte hat aber gerade nicht im
Einzelnen vorgetragen, dass der Kläger
wegen
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Soweit in der Vergangenheit krankheitsbedingte Fehlzeiten wegen des Rückenleidens des Klägers
entstanden sind, sind diese vorliegend nicht kündigungsrelevant, weil die Beklagte die Kündigung gerade
nicht auf die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten und Kurzerkrankungen des Klägers stützen
wollte.
cc.
dass der Kläger durchaus im Stande war (und ist), die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
(1).
Zeitpunkt 23.05.2006 ein Arbeitseinsatz des Klägers an dem zuletzt inne gehabten Arbeitsplatz durchaus
möglich gewesen sei. Dies habe jedoch eine nach ergonomischen und arbeitsphysiologischen
Grundprinzipien konzepierte Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation vorausgesetzt. Diese bestehe
insbesondere darin, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten durch einzelne Personen vermieden
werde. Voraussetzungen hierfür seien u. a. Hebe- und Tragehilfen sowie eine Arbeitsorganisation, welche
gewährleiste, dass beim Heben und Tragen schwerer Teile eine zweite Person zur Verfügung stehe. Trotz
der somatoformen Störung habe eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses positive Rückwirkungen auf
den Erkrankungsverlauf, insbesondere wenn dies psychotherapeutisch begleitet werde.
Der Kläger sei im Hinblick auf seine persönliche Leistungsfähigkeit durchaus in der Lage, Hebe- und
Bewegungsarbeiten mit Lasten durchzuführen. Die alleinige Handhabung - auch in höherer Frequenz
während einer Schicht - von Arbeitsgegenständen bis ca. 25 kg führe bei dem Kläger zu keinen
maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Diese Ausführungen des Sachverständigen sind nach der allein entscheidenden Beurteilung durch das
Berufungsgericht überzeugend (§ 286 ZPO).
Der Sachverständige ist aufgrund einer umfassenden und eingehenden Untersuchung des Klägers zu
seinen Einschätzungen gelangt. Dabei verweist der Sachverständige darauf, dass der Kläger im Rahmen
seiner Untersuchung ausführlich körperliche Symptome geschildert hat, die sich auf Bewegungs- und
Druckschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke vorrangig fokussieren. Er habe
den Eindruck gewonnen, dass jede Körperbewegung für den Kläger beschwerlich sei und ihn die
insgesamt vierstündige anamnestische Befragung sehr angestrengt habe. Dieser Eindruck stehe auffällig
im Gegensatz zu dem guten Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers sowie nur unwesentlich
eingeschränkten Funktionen der Wirbelsäule und der großen und kleinen Gelenke. Maßgebliche
Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule könnten nicht festgestellt werden.
Bei dem Kläger sei deswegen von einer somatoformen Schmerzstörung im Sinne einer Fibromyalgie
auszugehen. Dabei handele es sich um eine chronische Schmerzkrankheit mit Symptomen des Gelenk-
bzw. Bewegungsapparates. Der für eine Fibromyalgie typische Symptomenkomplex liege bei dem Kläger
fast voll inhaltlich vor.
Allerdings sage das subjektive Empfinden von Schmerzen im Bereich des Bindegewebes und der
Muskeln, was die wörtliche Übersetzung des Begriffs Fibromyalgie sei, wenig über den Umfang der
tatsächlichen Beeinträchtigung aus. Dies dokumentiere sich bei dem Kläger in der auffälligen Diskrepanz
zwischen den erheblichen Bewegungsschmerzen der Wirbelsäule und einer nur unmaßgeblichen
objektiven Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule.
Hieraus ergebe sich ein Teufelskreis. Unter bestimmten Voraussetzungen könne der Kläger objektiv die
Arbeitsaufgaben am zuletzt inne gehabten Arbeitsplatz weiterhin ausüben, wenn er denn wolle. Sein
Wille, dies zu tun, sei aber wegen der subjektiv empfundenen Schmerzsymptomatik erheblich
eingeschränkt. Auf der anderen Seite bestehe eines der Behandlungselemente darin, dass eine
weitgehende Rückübernahme der sozialen Verantwortung in Familie und Beruf angestrebt werde. Damit
habe die Wiederaufnahme und Fortführung der Arbeit eine therapeutische Komponente und verhindere
mittelfristig eine Chronifizierung des Leidens.
Diese Ausführungen des Sachverständigen hat die Beklagte zur Kenntnis genommen und als solche nicht
angegriffen.
Die Beklagte setzt sich in ihrer Stellungnahme vom 17.01.2007 im Wesentlichen mit der Ausgestaltung der
Arbeitsabläufe auseinander. Weiter verweist die Beklagte darauf, dass sie sich nicht in der Lage sehe, den
Kläger so zu beaufsichtigen und ihn, falls er wegen subjektiv empfundener Schmerzen seine Arbeit
gerade nicht ausüben wolle (obwohl er könnte), so zu motivieren und einzusetzen, dass die Fortführung
seiner Arbeit den vom Gutachter therapeutischen Wert zu erreichen vermöge. Wegen des subjektiven
Schmerzempfindens sei der Kläger so sehr leistungsgemindert, dass er künftig nicht mehr in der Lage
sein werde, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen im geschuldeten Umfang nachzukommen.
Die Beklagte stellt damit die Feststellungen des Sachverständigen im Ergebnis nicht in Frage. Soweit sich
die Beklagte gegen die Feststellungen des Sachverständigengutachtens wendet, stellt die Beklagte nur
heraus, dass der Arbeitsplatz des Klägers den von dem Sachverständigen geforderten Vorgaben
entspreche.
Der Kernaussage des Sachverständigen - nämlich, dass der Kläger im Stande ist, die geschuldete
Arbeitsleistung zu erbringen, tritt die Beklagte nicht entgegen. Dass der Kläger dabei nach den
Feststellungen des Sachverständigen bei der Verrichtung der Arbeit Schmerzen verspürt, führt nicht dazu,
dass es dem Kläger deswegen objektiv nicht möglich wäre, diese Arbeit zu verrichten. Der gesamte
Verlauf der Krankheitsgeschichte des Klägers, der Gegenstand der zahlreichen Fehlzeitengespräche
gewesen ist, zeigt, dass der Kläger trotz dieses Schmerzempfindens bereit und in der Lage war, die
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Ob und inwieweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Einnahme von Schmerzmitteln
angewiesen ist, muss dahinstehen, weil dies nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung war.
Die Beklagte hat zudem keinen einzigen Fall geschildert, in dem der Kläger sich unter Hinweis auf seine
Schmerzen geweigert hätte, ihm aufgetragene Arbeiten durchzuführen. Soweit die Beklagte -
unsubstantiiert - dem Kläger mangelhaftes Arbeiten in der Vergangenheit vorwirft, sind diese Vorwürfe
insgesamt dem verhaltensbedingten Bereich zuzuordnen.
Dass der Kläger bei der Verrichtung der Arbeit wegen des von dem Sachverständigen festgestellten
Fibromyalgiesyndrom Schmerzen verspürt, begründet deswegen keineswegs die Annahme, dass der
Kläger nicht im Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der Kläger hat in der
Vergangenheit trotz dieser Schmerzen die geschuldete Arbeitsleistung ohne wesentliche
Beanstandungen - jedenfalls soweit dies anhand des Vorbringens der Beklagten feststellbar ist - erbracht.
Als Ergebnis des insgesamt sorgfältig erstellten und nachvollziehbar und überzeugend begründeten
Sachverständigengutachtens steht damit fest, dass der Kläger
in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
(2).
Allerdings steht die Aussage des Zeugen in einem auffälligen Widerspruch zu den Feststellungen des
Sachverständigengutachtens.
Dieser hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.05.2007 ausgeführt, dass der Kläger für Arbeiten,
bei denen Heben und Tragen von Lasten anfielen, nicht mehr ausreichend in der Lage sei. Ursache
hierfür sei die Bandscheiben - und Wirbelsäulenerkrankung. Die dem Kläger zumutbaren
Gewichtsbelastungen sollten maximal bis 20 kg sein. Wichtiger allerdings sei die Art des
Bewegungsablaufes bei der Arbeit. Arbeiten in bückender Haltung, Arbeiten verbunden mit dauerndem
Drehen, Heben und Klettern seien nicht mehr möglich. Nach Einschätzung von Herrn Dr. St. bestünde bei
dem Kläger eine diesbezügliche Berufsunfähigkeit. Obwohl er ihn nicht orthopädisch untersucht habe,
müsse er aufgrund seiner Erfahrung feststellen, dass der Kläger für solche wie oben geschilderte Arbeiten
nicht mehr in der Lage sei.
In der Ergänzung vom 04.06.2007 (Bl. 171 und 172 d. A.) führt der Zeuge Dr. St. aus, dass
Arbeitsvorgänge, bei denen Heben und Tragen von Lasten der überwiegende Vorgang seien, bei einer
Bandscheibenerkrankung - wie sie bei dem Kläger vorliege - nicht mehr möglich sei. Der Arbeitsvorgang,
den der Kläger geschildert habe, sei in Haltung, Bewegung und Transport von Lasten bzw. von Gewichten
komplex. Die Arbeit sei auch über längere Zeit in gebückter Haltung ausgeführt worden. Die Lasten
würden transportiert und gehalten, zum Einen müsse der Arbeiter hier Strecken und Wege zurücklegen
und müsse seinen Körper hierbei in verschiedene Positionen bringen bzw. durch Drehen des Körpers die
Position stabilisieren und verändern. Und dies nicht nur eine Minute, sondern über mehrere Stunden pro
Tag. Nach seiner Ansicht sei dem Kläger kurzfristig eine Belastung von 5 bis 7 kg zumutbar, allerdings
über eine Zeitdauer von über 5 Minuten, nicht mehr. Die Gewichtsbelastung sei nicht der einzig
entscheidende Punkt. Es sei auch der bei der Arbeit erforderliche Bewegungsablauf bzw.
Positionshaltung - Wechsel des Körpers.
Dabei wird allerdings schon nicht deutlich, wie der sachverständige Zeuge Dr. St. zu diesen
Einschätzungen gelangt ist, nachdem er selbst einräumt, dass er den Kläger nicht orthopädisch untersucht
hat.
Prozessual verwertbar ist die Aussage zudem nur, soweit der Zeuge sein Wissen über bestimmte
Tatsachen bekundet.
Auch der sachverständige Zeuge kann nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen
Sachkunde wahrgenommen hat (§ 412 ZPO). Dem gegenüber ist es Aufgabe des Sachverständigen, dem
Gericht die für die Entscheidung notwendigen Einschätzungen, tatsächlichen Beurteilungen und
Prognosen zur Verfügung zu stellen.
Solche Tatsachen, die der Zeuge aufgrund eigener Sachkunde wahrgenommen hat, schildert er aber
gerade nicht. Vielmehr enthält die Stellungnahme im Wesentlichen Einschätzungen, Beurteilungen und
Prognosen. Zu deren Begründung bezieht sich der Zeuge im Wesentlichen auf seine Erfahrungen.
Welche konkreten Tatsachen er wahrgenommen hat, legt der Zeuge nicht dar. Die Aussage des Zeugen
steht schon deswegen dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht entgegen.
(3.)
der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. St. einen anderen Inhalt als die erste Instanz.
Das Berufungsgericht kann den objektiven Beweis oder Erklärungswert einer Zeugenaussage anders als
das Erstgericht würdigen, ohne die Beweisaufnahme wiederholen zu müssen (vgl. BGH; NJW - RR 1986,
285; BGH, NJW 1992, 741; BGH, NJW 1998, 384). Ein vom Erstgericht verwertetes
Sachverständigengutachten kann grundsätzlich vom Berufungsgericht anders gewürdigt werden, ohne
den Sachverständigen selbst angehört zu haben, wenn das Erstgericht den Sachverständigen im
Anschluss an sein schriftliches Gutachten im ersten Rechtszug nicht noch mündlich gehört hat (BGH,
12.10.1993, NJW 1994, Seite 803).
Das Berufungsgericht hat der Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs
festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der
Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb
eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO). Das Arbeitsgericht als Gericht des ersten
Rechtszuges hat aber gerade zu der Frage der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers wegen
des Rückenleidens keine Tatsachen festgestellt.
5
Ergebnis der anzustellenden umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist, dass es der Beklagten
selbst bei Unterstellung eines entsprechenden Unvermögens des Klägers sowie daraus folgender
betrieblicher Beeinträchtigungen nicht unzumutbar wäre, den Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist
weiter zu beschäftigen.
Hierbei ist von Bedeutung, dass der Kläger über Jahre seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat,
obwohl gesundheitliche Beeinträchtigungen bekannt waren. Selbst wenn der Kläger wegen dieser
Beeinträchtigungen in der Vergangenheit Schmerzmittel eingenommen haben sollte, vermochte die
Beklagte im zugrunde liegenden Verfahren nicht deutlich zu machen, dass deswegen eine erhebliche
Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Klägers erfolgt ist.
Auch im Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung war der Kläger arbeitsfähig. Die Beklagte vermochte
daher aktuelle betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen, die auf dieses Krankheitsbild
zurückzuführen sind, nicht aufzuzeigen.
Soweit mögliche Beeinträchtigungen daraus folgen, dass der Kläger in der Vergangenheit oder zum
Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung Schmerzmittel eingenommen hat, wollte und konnte in der
Folge die Beklagte die Kündigung auf diesen Umstand nicht stützen.
Die weiteren Beeinträchtigungen, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhalten des
Klägers beschreibt, müssen unberücksichtigt bleiben, weil diese nicht dem Bereich der
krankheitsbedingten Kündigung sondern dem Bereich der verhaltensbedingten Kündigung zuzuordnen
sind. Eine entsprechende Zuordnung hat die Beklagte selbst im Anhörungsschreiben vom 17.05.2006
gegenüber dem Betriebsrat vorgenommen.
Demgegenüber würde die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Kündigung für den Kläger
eine gravierende Beeinträchtigung bedeuten, die auch gemessen an den Interessen der Beklagten von
diesem nicht hinzunehmen ist.
Der Kläger war im Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung bereits seit etwa 13 Jahren - also eine
erhebliche Zeitdauer - bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger lebt getrennt von seiner Ehefrau und ist
dieser sowie seinem Kind zum Unterhalt verpflichtet.
Aufgrund seiner besonderen psychischen Konstitution und seiner sozialen Situation hat der Verlust des
Arbeitsplatzes für den Kläger - worauf auch der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen hat -
erhebliche negative Auswirkungen. Der Sachverständige betont, dass gerade im Hinblick auf das
Krankheitsbild des Klägers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses positive Rückwirkungen auf den
weiteren Erkrankungsverlauf habe.
Der Kläger hat auch im Rahmen der Kammerverhandlung vom 10.01.2008 deutlich gemacht, dass für ihn
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten von ganz erheblicher Bedeutung ist; andere
Perspektiven hat er nach seiner Einschätzung derzeit nicht.
Von der Beklagten wird damit nicht die Weiterbeschäftigung als Therapieersatz verlangt. Der Kläger ist
aufgrund der Feststellungen im Verfahren in der Lage eine Arbeitsleistung von Wert zu erbringen. Die von
dem Sachverständigen angeregte psychotherapeutische Begleitung kann im Rahmen eines betrieblichen
Eingliederungsmanagements geleistet werden.
6.
mit dem Einwand des Klägers auseinandergesetzt hat, er sei ggfls. auf einem anderen Arbeitsplatz
"leidensgerecht" weiterzubeschäftigen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hätte der Kläger hier keinen konkreten freien Arbeitsplatz
benennen müssen. Vielmehr muss im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Kündigung der
Arbeitnehmer nur darlegen, wie er sich eine weitere Beschäftigung vorstellt und warum an den anderen
Arbeitsplätzen der personenbedingte Kündigungsgrund für den Arbeitgeber so wenig ins Gewicht fällt,
dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar wäre (BAG, 05.08.1976, DB 1976, Seite
2307; BAG, 12.07.2007, 2 AZR 716/06, juris).
Insbesondere war für die Kammer nicht nachvollziehbar, weswegen eine Weiterbeschäftigung des
Klägers als Gabelstaplerfahrer nicht möglich sein soll. Diese Tätigkeit hatte der Kläger bereits in dem
Fehlzeitengespräch vom 06.05.2003 vorgeschlagen. Soweit der Werksarzt in dem Schreiben vom
09.05.2006 hierauf Bezug genommen hat, empfiehlt dieser lediglich das Gabelstaplerfahren nicht. Dabei
ist das Gabelstaplerfahren als solches eine Tätigkeit, die - dies ist gerichtsbekannt - gerade nicht mit
besonderen körperlichen Belastungen verbunden ist. Der Gabelstapler ist ein Großgerät, dessen Zweck
es ist, schwere Hebe- und Transportleistungen auszuführen. Die Bedienung und das Führen dieses
Großgerätes ist mit nur geringen körperlichen Belastungen verbunden.
Soweit solche körperlichen Belastungen aufgrund von Zusammenhangstätigkeiten mit dem
Gabelstaplerfahren bei der Beklagten gegeben sein sollten, hat die Beklagte hierzu keinen Vortrag
geleistet.
Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die Funktionen der Wirbelsäule bei dem Kläger nur
unwesentlich eingeschränkt seien. Der Einsatz als Gabelstaplerfahrer ist damit möglich.
Im Zusammenhang mit der krankheitsbedingten Kündigung ist es auch nicht entscheidend, dass zu deren
Zeitpunkt ein Arbeitsplatz als Gabelstaplerfahrer nicht frei war. Ggfls. wäre die Beklagte verpflichtet
gewesen, diesen Arbeitsplatz durch Versetzung für den Kläger frei zu machen. Grundsätzlich ist der
Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung verpflichtet, leidensgerechte
Arbeitsplätze frei zu machen oder zu schaffen, soweit das im Rahmen des Direktionsrechts möglich ist.
Dazu gehört neben der Änderung von Arbeitsabläufen und dem Umverteilen von Aufgaben (BAG,
12.07.1995, 2 AZR 762/94, AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit) möglicherweise auch die Versetzung
anderer Mitarbeiter (BAG, 29.01.1997, 2 AZR 9/96, BAGE 85/107). Auch hierzu hat die Beklagte keinen
ausreichenden Vortrag geleistet.
7.
streitentscheidend nicht mehr an.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war abzuändern und es war festzustellen, dass das
Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23.05.2006 nicht beendet worden ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestanden
angesichts der Kriterien des § 72 ArbGG nicht.