Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 13.10.2005

LArbG Mainz: härte, treu und glauben, berufliches fortkommen, arbeitsgericht, stadt, zulage, unterbrechung, dienstzeit, beamtenverhältnis, begriff

LAG
Mainz
13.10.2005
4 Sa 648/05
Beschäftigungszeit
Aktenzeichen:
4 Sa 648/05
2 Ca 88/05
ArbG Trier
Entscheidung vom 13.10.2005
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10.02.2005 - 2 Ca 88/05 - wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Anerkennung von Beschäftigungszeiten nach § 19 BAT.
Der Kläger, geboren am 11.04.1955 war vom 11.01.1977 bis 31.07.1980 als Arbeiter bei der
Standortverwaltung B-Stadt beschäftigt. Vom 01.08. bis zum 31.08.1980 war er Beamtenanwärter im
Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz und begründete ab dem 01.09.1980 wiederum ein
Arbeitsverhältnis bei der Beklagten. Die Beendigung erfolgte auf eigenen Wunsch. Nachdem der Kläger
zunächst als Arbeiter tätig war, war er ab dem 01.08.1988 Angestellter und zwar zuletzt Fernschreiber bei
der Fernmeldeanlage der Bundeswehr in B-Stadt. Er wurde zum 01.11.2003 als Schreiber zum 0./FmBtl.
000 in B-Stadt versetzt und ist seit dem nicht mehr in Wechselschicht sondern im Tagesdienst tätig.
Seit dem 01.11.2003 erhält er die Wechselschichtzulage nach § 83 BAT nicht mehr, stattdessen wird ihm
gem. § 6 Abs. 1 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen eine persönliche Zulage in
gleicher Höhe gewährt, die allerdings künftig auf Erhöhung der Bezüge angerechnet wird. Bei einer
Beschäftigungszeit von 25 Jahren unterbleibt die Verringerung der Zulage, deswegen begehrt der Kläger
die Feststellung der Dienstzeit.
Er hat vorgetragen, die Eigenkündigung habe er nicht ausgesprochen, um eine besser bezahlte Stellung
zu erhalten, vielmehr sei seinerseits bereits ein Personalabbau zu befürchten gewesen. Die
Nichtanrechnung der früheren Beschäftigungszeit stelle eine unbillige Härte dar.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigung vom 01.11.1977 bis 31.07.1980 bei der
Standortverwaltung B-Stadt als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, frühestens zum Abschluss des Tarifvertrages über den sozialverträglichen
Personalabbau am 30.11.1991 könne von einem mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbau
ausgegangen werden. Die Berücksichtigung von Zeiten vor einer Beurlaubung setze ein Ausscheiden aus
den im BRRG aufgeführten Gründen voraus. Der Wechsel des Klägers in den Tagesdienst sei primär
deswegen erfolgt, weil der Dienstposten des Klägers aufgrund eingeführter Digitalisierung weggefallen
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 16.06.2005 verwiesen.
In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Nichtanrechnung
der Beschäftigungszeit stelle keine unbillige Härte dar. Sie verstoße nicht in grober Weise gegen Treu und
Glauben und müsse von jedem unbefangenen Beobachter als Ungerechtigkeit empfunden werden. Es sei
in erster Linie festzustellen, auf wessen Veranlassung und in wessen Interesse der Angestellte das
Arbeitsverhältnis gelöst habe. Seien es ausschließlich persönliche Interessen, werde in der Regel eine
unbillige Härte zu verneinen sein, handele es sich dagegen um Umstände, die überwiegend anderen
Interessen dienten, z. B. Ausscheiden wegen Krankheit oder aus familiären Gründen, sei es in der Regel
nicht gerechtfertigt, den Arbeitnehmer bei späterer Wiedereinstellung die Anrechnung der
vorausgegangenen Zeiten als Beschäftigungszeit zu versagen.
Der Kläger habe allein aus persönlichen Gründen sein Arbeitsverhältnis beendet, um sich beruflich zu
verändern.
Schließlich rechtfertige auch die persönliche Situation am 01.11.2003, als er in den Tagesdienst
wechselte, nicht die Annahme einer unbilligen Härte. Die Frage, ob die Nichtanrechnung der bisherigen
Beschäftigungszeit eine unbillige Härte darstelle, sei allein auf die Umstände im Zeitpunkt der
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zu beziehen.
Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf 3.681,36 € festgesetzt.
Gegen das dem Kläger am 27.07.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.08.2005 eingelegte und
gleichzeitig begründete Berufung. Der Kläger vertritt die Auffassung, es läge eine unbillige Härte vor, er
habe beinahe bereits drei Jahre Dienstzeit bei der Beklagten zurückgelegt, die allein wegen der
Unterbrechung von einem Monat nicht berücksichtigt wurden. Gerade diese Situation führe dazu, dass
eine unbillige Härte anzunehmen sei, weil seine persönliche Situation es mit sich gebracht hat, dass er
aus dem Wechseldienst ausscheiden musste.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, seine Beschäftigung vom
01.11.1977 bis 31.07.1980 bei der Standortverwaltung B-Stadt als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT
anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 13.10.2005.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Die Berufung ist nicht etwa deswegen unzulässig, weil hinsichtlich des Wertes des
Beschwerdegegenstandes erhebliche Zweifel bestehen. Das Arbeitsgericht hat den Wert des
Beschwerdegegenstandes mit 3.681,36 € festgesetzt und dabei ersichtlich die 36-fache monatliche
Zulage zu Grunde gelegt.
Der Inhalt des TV UmBw sieht aber gerade nicht vor, dass diese Zulage vollständig innerhalb der
nächsten 36 Monate nicht gezahlt wird, sondern nur in dem im Tarifvertrag genannten Rahmen abgebaut
wird. Ein Abbau entfällt ganz bei einer mehr als 25-jährigen Beschäftigungszeit, bei einer kürzeren
Beschäftigungszeit tritt eine Anrechnung gem. § 6 Abs. 3 des TV UmBw an, die allerdings auch nicht eine
vollständige Anrechnung bei künftigen Tariflohnerhöhungen, sofern es diese im öffentlichen Dienst
überhaupt geben sollte, zur Folge hat.
Allerdings ist die tarifliche Situation nicht so eindeutig, dass auf den ersten Blick ersichtlich wäre, dass die
Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil offensichtlich fehlerhaft den Wert des Streitgegenstandes
über 600,00 € angenommen hat.
Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist daher davon auszugehen, dass das Rechtsmittel
zulässig ist, weil der Kläger in vollem Umfang unterlegen ist und das Arbeitsgericht den Wert des
Streitgegenstandes auf einen Betrag über 600,00 € festgesetzt hat.
II.
Die Berufung erweist sich in der Sache aber nicht als erfolgreich.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend das Vorliegen einer
unbilligen Härte verneint. Die Kammer nimmt, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, voll
umfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils.
Lediglich zur Ergänzung sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Im Urteil vom 14.10.2004 - 6 AZR 501/03 - hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, was die Tarifpartner
mit dem Begriff der unbilligen Härte gemeint haben. Die Beachtung des Grundsatzes erfordert, dass die
wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen
berücksichtigt werden. Mit dem Tarifmerkmal der unbilligen Härte im tariflichen Auffangtatbestand wollten
die Tarifvertragsparteien Besonderheiten des Einzelfalles beim Ausscheiden des Angestellten auf
eigenen Wunsch gerecht werden. Allerdings ist den vor der Generalklausel speziell geregelten
Ausnahmetatbeständen, die für die dort aufgeführten Fälle den Begriff der unbilligen Härte konkretisieren,
zu entnehmen, von welcher Art und welchem Gewicht die Gründe sein müssen, die den Angestellten
veranlasst haben, von sich aus das Arbeitsverhältnis zu beenden. Typische Gründe für ein Ausscheiden
des Angestellten auf eigenen Wunsch sollte der als Ausnahmevorschrift geregelte Auffangtatbestand nicht
erfassen.
Jede Nichtanrechnung einer vor der Unterbrechung zurückgelegten Zeit ist zwar ungeachtet ihrer Dauer
eine Härte im Sinne der Generalklausel. Die Nichtanrechnung muss jedoch darüber hinaus unbillig sein.
Da typische Gründe für ein Ausscheiden den Auffangtatbestand nicht erfassen, hier der Kläger auf
eigenen Wunsch ausgeschieden ist, um sich bei einem anderen Dienstherrn, dem Land Rheinland-Pfalz
in einem Beamtenverhältnis als Polizeibeamter beruflich fortzuentwickeln, ist dies ein typischer Grund für
das Ausscheiden eines Angestellten aus eigenem Wunsch.
Weiter ist, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht auf die Zeit abzustellen, in denen die
Nichtanrechnung materiell-rechtliche Auswirkungen haben wird, es kommt, wie vom Arbeitsgericht
zutreffend dargestellt, allein darauf an, ob die Nichtanrechnung aus Gründen, die im Zeitpunkt des
Ausscheidens des Klägers auf eigenen Wunsch liegen, eine unbillige Härte darstellen würde.
Es ist davon auszugehen, dass den Tarifvertragsparteien Fallgestaltungen der vorliegenden Art bewusst
waren. Wenn sie dennoch davon abgesehen haben, Wünsche auf berufliches Fortkommen bei einem
anderen Dienstherrn im Beamtenverhältnis als anrechnungsunschädlich zu regeln, bringen sie damit zum
Ausdruck, dass diese nicht zwangsläufig dasselbe Gewicht haben sollen wie die in § 19 Abs. 1
Unterabsatz 2 BAT ausdrücklich geregelten Gründe.
Ergibt sich nach allem, dass die Nichtanrechnung der dreijährigen Dienstzeit keine unbillige Härte
darstellt, konnte das Klagebegehren des Klägers nicht erfolgreich sein. Seine gegen die
klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung musste mit der Kostenfolge des §
97 Abs. 1 ZPO der Zurückweisung unterliegen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2
ArbGG nicht.