Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.09.2007

LArbG Mainz: einstweilige verfügung, vergleich, ehre, kündigung, auflage, unterlassen, widerruf, gefährdung, brief, geschäftsführer

LAG
Mainz
10.09.2007
1 Ta 209/07
Gegenstandswert - einstweilige Verfügung; Unterlassen von Äußerungen
Aktenzeichen:
1 Ta 209/07
4 Ga 14/07
ArbG Trier
Entscheidung vom 10.09.2007
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des
Arbeitsgerichts Trier vom 30.07.2007 - 4 Ga 14/07 - wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird
auf 4.000,00 Euro für das Verfahren und auf 6.000,00 Euro für den Vergleich festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 5/8 zu tragen.
4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes für eine einstweilige
Verfügung, mit der verlangt wurde, bestimmte Äußerungen in Zukunft zu unterlassen.
Der Antragsteller ist der Vorgesetzte der Antragsgegnerin. Mit seinem Antrag verlangte er von der
Antragsgegnerin, die von ihr in einem Schreiben an die Geschäftsführung vom 08.01.2007 aufgestellten
Behauptungen in Zukunft zu unterlassen. Der Antragsteller befürchtete, durch die Äußerungen der
Antragsgegnerin seinen Arbeitsplatz zu verlieren und fühlte sich in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht und in seiner Ehre verletzt.
Das Verfahren wurde vor dem Arbeitsgericht durch nachfolgenden Vergleich vom 13.06.2007 erledigt:
"1. Die Beklagte enthält sich zukünftig sämtlicher folgender Äußerungen (wörtlich oder sinngemäß):
a) "Der Kläger erpresst sich private Gefälligkeiten (Schwarzarbeit oder Zigarettenbeschaffung) immer mit
der gleichen Art, dass er es schon geschafft hat, dass einige Mitarbeiter, zum Beispiel M. B. O. oder D. A.
gehen mussten und wenn nicht … es bei "normalen" Arbeitern eine Leichtigkeit sei, diese zu entfernen."
b) "Der Kläger habe gesagt, er halte seinen Bereich sauber, da lasse er sich von S. und dem Wichser H.
nicht in die Karten schauen, denn diese seien dumm wie Scheiße."
c) "Der Kläger habe der Beklagten vorgeschlagen, mal eine Nachtschicht zu machen, weil er dann auch
kommen würde, es gäbe ja genügend gemütliche Plätze für uns zwei."
2. Die Beklagte nimmt die Vorhalte "Wichser", "dumm wie Scheiße" zurück und entschuldigt sich hierfür
ausdrücklich.
3. Die Beklagte stellt klar, dass keinerlei Ehrabträglichkeiten gegenüber dem Kläger persönlich
beabsichtigt waren und entschuldigt sich für jedwede empfundene Ehrabträglichkeit gegenüber dem
Kläger ausdrücklich.
…"
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat das Arbeitsgericht den
Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 2.000,00 Euro für das Verfahren und auf 3.000,00 Euro für
den Vergleich festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom
01.08.2007
Beschwerde
Nach Auffassung der Beschwerdeführer habe im einstweiligen Verfügungsverfahren das Interesse des
Antragstellers an dem Erhalt seines Arbeitsplatzes im Vor gestanden. Dieses wirtschaftliche Interesse
entspreche seinem Vierteljahresverdienst in Höhe von 8.645,00 Euro. Aber auch die ehrverletzenden
Äußerungen der Antragsgegnerin rechtfertigten eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf
6.000,00 Euro, da deren Äußerungen unterschiedlicher Natur gewesen seien und in keinerlei
Zusammenhang gestanden hätten.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zu einem Teil Erfolg.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren war auf 4.000,00 Euro festzusetzen.
Die Bestimmung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich vorliegend unter
Beachtung des § 48 Abs. 4 GKG nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO sowie § 48
Abs. 2 GKG. Eines Rückgriffs auf § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bedarf es daher nicht.
Während sich § 48 Abs. 1 GKG auf vermögensrechtliche Ansprüche bezieht, gilt § 48 Abs. 2 GKG für
nichtvermögensrechtliche Ansprüche. Vermögensrechtlich ist dabei jeder Anspruch, der entweder auf
einer vermögensrechtlichen Beziehung beruht oder im wesentlichen wirtschaftlichen Interessen dienen
soll (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 89/07; Hartmann, Kostengesetze,
37. Auflage 2007, ´GKG § 48 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Das Begehren des Antragstellers war auf
das Unterlassen der im Schreiben vom 08.01.2007 gegenüber der Geschäftsführung getätigten
Behauptungen gerichtet, die sowohl seine Ehre und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als auch
wirtschaftliche Interessen - der Antragsteller fürchtete die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses - zu
beeinträchtigen in der Lage waren. Damit macht der Antragsteller nicht nur einen
nichtvermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts),
sondern auch einen vermögensrechtlichen Anspruch (Bestand des Arbeitsverhältnisses) geltend. In
derartigen Fällen kommt neben § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 2 GKG für den
nichtvermögensrechtlichen Teil auch ein eigener Wert nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3
ZPO für den vermögensrechtlichen Teil in Betracht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007
- 1 Ta 89/07; LAG Köln, Beschluss vom 06.06.2003 - 13(3) Ta 23/03; so offenbar auch Herget, in Zöller,
ZPO, 26. Auflage 2007, § 3 Rn. 16 - Widerruf). Dabei ist nach § 48 Abs. 4 GKG bei einem
Zusammentreffen eines nichtvermögensrechtlichen mit einem vermögensrechtlichen Anspruch nur der
höhere Anspruch maßgebend.
Nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 2 GKG ist bei der Streitwertfestsetzung für
nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,
insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und
Einkommensverhältnisse der Parteien, Ermessen auszuüben. Nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1
GKG, § 3 ZPO wird der Wert ebenfalls nach freiem Ermessen festgesetzt. Maßgebend ist dabei das
objektiv zu ermittelnde Interesse des Klägers (vgl. Heinrich, in: Musielak, ZPO, 5. Auflage 2007, § 3 Rn. 6)
bzw. Antragstellers.
Im Zusammenhang mit ehrverletzenden Äußerungen wird für Unterlassungsanträge regelmäßig ein
Betrag zwischen 3.000,00 Euro und 5.000,00 Euro angesetzt, der entsprechend den Einzelfallumständen
ermäßigt oder erhöht werden kann (vgl. Heinrich, in: Musielak, ZPO, 5. Auflage 2007, § 3 Rn. 36). Sofern
es den nichtvermögensrechtlichen Teil (Ehrverletzung, Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,
Verletzung des Ansehens) betrifft, ist im Rahmen der Ermessensentscheidung zunächst zu
berücksichtigen, dass der Brief "lediglich" an den Geschäftsführer der Arbeitgeberin ging und somit der
Adressatenkreis beschränkt war. Allerdings waren die Behauptungen der Antragsgegnerin
schwerwiegend und somit im Falle ihrer Unwahrheit auch geeignet, den Antragsteller erheblich in seiner
Ehre und auch in seinem Ansehen gegenüber seinem Vorgesetzten zu verletzen. Dies rechtfertigt eine
Erhöhung des Gegenstandswertes. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der begehrten Regelung - der
Antragsteller hat sein Verlangen im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht - erscheint bei
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein Betrag von 4.000,00 Euro als angemessen. Dem
steht auch nicht entgegen, dass mit einem Einlenken der Antragsgegnerin bereits im einstweiligen
Verfügungsverfahren zu rechnen gewesen war. Dies war zwar möglich, aber keineswegs sicher.
Soweit der vermögensrechtliche Teil, also die Gefährdung des Arbeitsplatzes betroffen ist, ergibt sich
keine höhere Bewertung. Zwar ist nach § 42 Abs. 4 S. 1 GKG bei Rechtstreitigkeiten über das Bestehen,
das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auf den Vierteljahresverdienst
abzustellen. Im vorliegenden Fall war Streitgegenstand jedoch weder der Bestand des
Arbeitsverhältnisses noch eine Kündigung desselben. Die Äußerungen der Antragsgegnerin haben
gerade keine Kündigung des Antragstellers ausgelöst. Vielmehr hat der Arbeitgeber wegen dieser
"lediglich" erste Ermittlungen angestellt. Solche Ermittlungen entsprechen aber mit Blick auf die
Gefährdung des Arbeitsverhältnisses nicht einem Streit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die
Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Das Interesse, sie zu vermeiden, wäre allenfalls - wie etwa eine
Abmahnung - mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten.
Damit war der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 4.000,00 Euro
festzusetzen.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich war auf 6.000,00 Euro festzusetzen,
weil die Parteien im Vergleich, und zwar weitergehend als im Verfahren, nicht nur eine Unterlassung,
sondern darüber hinaus auch teilweise einen Widerruf vereinbart haben.
Im Zusammenhang mit dem Widerruf ehrverletzenden Äußerungen wird regelmäßig ein Betrag von
2.000,00 Euro angesetzt, der entsprechend den Einzelfallumständen ermäßigt oder erhöht werden kann
(vgl. Steffen, AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 148). Maßgeblich für die
Wertbestimmung beim Widerruf ist die zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beantragten
Verhalten des Prozessgegners zu besorgen ist und die mit der jeweils begehrten Maßnahme beseitigt
werden soll. Nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend von einem Wert von 2.000,00 Euro auszugehen,
soweit es den nichtvermögensrechlichten Teil dieser Regelung betrifft. Zwar waren die beleidigenden
Äußerungen der Antragsgegnerin - "Wichser", "dumm wie Scheiße" - geeignet, den Antragssteller in seiner
Ehre zu beeinträchtigen. Da der Brief aber "lediglich" an den Geschäftsführer der Arbeitgeberin gerichtet
und somit der Adressatenkreis beschränkt war, erscheint eine zusätzliche Bewertung mit 2.000,00 Euro
als angemessen.
Auf eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers war durch diese beleidigenden
Äußerungen nicht abzustellen. Hieraus ergibt sich somit keine höhere Bewertung.
Der Gegenstandswert für den Vergleich war somit um 2.000,00 Euro auf 6.000,00 Euro zu erhöhen.
Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8
der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das
Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt. Die
Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer nach §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.