Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.07.2006

LArbG Mainz: auszahlung, stundung, entstehung der forderung, auflage, fälligkeit, bilanz, beendigung, arbeitsgericht, tarifvertrag, kündigung

LAG
Mainz
20.07.2006
1 Sa 82/06
Bestimmung des Auszahlungstages einer tariflichen Sonderzahlung durch Betriebsvereinbarung
Aktenzeichen:
1 Sa 82/06
3 Ca 1304/05
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 20.07.2006
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom
09.12.2005 - Az: 3 Ca 1304/05 - abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 910,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem gesetzlichen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB jährlich daraus seit dem 01.04.2005 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf die betriebliche Sonderzahlung für das Jahr
2004.
Der Kläger war seit September 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch
ordnungsgemäße, betriebsbedingte Kündigung am 28.02.2005 (Vergleich vom 12.05.2005 - 1 Sa 67/05).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die tarifvertraglichen Regelungen für das Elektrohandwerk,
insbesondere der Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen für das Elektrohandwerk (TV-
Sonderzahlungen) Anwendung.
Nach § 2 TV-Sonderzahlungen gilt:
1. Arbeitnehmer, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem
Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche
Sonderzahlung. Ausgenommen sind die Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis
gekündigt haben.
2. Die Sonderzahlung wird nach folgender Staffel gezahlt:
nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit 50% jeweils eines Monatsverdienstes
6. ... Arbeitnehmer, die bis zum 30. Juni des Auszahlungsjahres ausscheiden, erhalten die halbe
Sonderzahlung.
7. Fälligkeit
a) Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.
b) Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne
der Ziffer 1 spätestens der 15. Dezember.
c) Über Abschlagszahlungen können Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden.
Im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Situation, insbesondere wegen der akuten Liquiditätsengpässe, hat die
Beklagte mit ihrem Betriebsrat am 26.11.2004 in Bezug auf die Sonderzahlung die folgende Vereinbarung
getroffen:
1. Der Auszahlungszeitpunkt für die betriebliche Sonderzahlung - Weihnachtsgeld - wird wie folgt
festgelegt:
• Mit der Novemberentgeltzahlung erhält jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin € 600,-- brutto. Die
Differenz zum restlichen Anspruch wird gestundet.
• Über den Auszahlungszeitpunkt des Restes der tariflichen Sonderzahlung entscheiden die
Betriebsparteien nach Abschluss des Geschäftsjahres 2004; d.h. nach Vorlage der Bilanz und der Gewinn
und Verlustrechnung, spätestens jedoch im März 2005.
Entsprechend dieser Vereinbarung hat der Kläger mit der Novemberentgeltzahlung 600,00 Euro erhalten.
Rechnerisch würde sich aber nach dem TV-Sonderzahlungen bezogen auf das Kalenderjahr 2004 für den
Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 1510,00 Euro ergeben. Den Differenzbetrag von 910,00 Euro hat
der Kläger mit seiner Klage geltend gemacht.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Betriebsvereinbarung habe einen Auszahlungszeitpunkt nicht festgelegt. Lediglich bezogen auf den
Teilbetrag in Höhe von 600,00 Euro sei ein solcher Zeitpunkt bestimmt worden. In Bezug auf den
Restbetrag sei lediglich festgelegt worden, dass die Betriebsparteien zu einem späteren Zeitpunkt über
den Auszahlungszeitpunkt entscheiden wollen. Nach § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen gelte damit der
15.12.2004 als Auszahlungszeitpunkt.
Zudem habe er - der Kläger - das gesamte Jahr 2004 in einem Arbeitsverhältnis gestanden, sein
Arbeitsverhältnis selbst auch nicht gekündigt, insbesondere an dem im Tarifvertrag genannten Zeitpunkt,
dem 15.12.2004 in einem Arbeitsverhältnis gestanden, sodass ihm der Anspruch auf Sonderzahlung in
voller Höhe zustehe.
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne die Beklagte auch keine weitere Stundung der restlichen
Sonderzahlung erwarten. Mit Ausscheiden aus dem Betrieb sei zum einen die betriebliche
Regelungsbefugnis der Betriebsparteien entfallen, zum anderen sei für eine solche Stundungsregelung
die Geschäftsgrundlage zum Wegfall gekommen.
Jedenfalls sei der Restbetrag in Höhe von 910,00 Euro spätestens mit dem 31.03.2005 fällig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 910,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB p.a. hieraus seit dem 01.04.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt:
Auszahlungszeitpunkt für die Sonderzahlung sei nicht der 15.12.2004 gewesen. Vielmehr hätten die
Betriebsparteien für den vom Kläger verlangten Anteil der Sonderzahlung in Höhe von 910,00 Euro die
Festlegung des Auszahlungstages auf die Zeit nach Vorlage der Bilanz verlegt. Der Auszahlungstag
reiche damit weit bis in das Jahr 2005 hinein, sodass nur Mitarbeiter einen Anspruch auf die
Sonderzahlung hätten, die zu diesem Zeitpunkt noch Beschäftigt sind. Da das Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger am 28.02.2005 geendet habe, sei er damit zum Auszahlungstag nicht mehr bei der Beklagten
beschäftigt gewesen und habe dementsprechend auch keinen Anspruch auf die Sonderzahlung.
Zur Ergänzung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und
Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Mit Urteil vom 09.12.2005 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein der Klage in Höhe von
155,00 Euro stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Nach dem Arbeitsgericht haben sich die Betriebspartner im Rahmen ihrer Vereinbarungsbefugnis darauf
geeinigt, über den Auszahlungszeitpunkt des Restes der tariflichen Sonderzahlung spätestens nach
Vorliegen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nach Abschluss des Geschäftsjahres 2004 im
März 2005 zu entscheiden. Der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 sei somit zu entnehmen, dass ein
Auszahlungszeitpunkt bis 31.12.2004, d.h. zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des
Klägers mit der Beklagten nicht festgelegt worden war. Folglich stünde der Kläger, bezogen auf den
Auszahlungszeitpunkt bezüglich des Restes der tariflichen Sonderzahlungen nicht mehr in einem
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Der Kläger habe somit die unter § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen
vorgegebene Anspruchsvoraussetzung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag
nicht erfüllt, noch erfüllen können.
Eine andere rechtliche Betrachtungsweise ergebe sich auch nicht im Hinblick darauf, dass nach der
Vereinbarung die Differenz zum restlichen Anspruch gestundet sein sollte. Denn die Tarifvertragsparteien
haben mit dem Auszahlungstag Fälligkeit vorausgesetzt und regeln wollen. Dies ergebe sich
insbesondere aus § 2 Ziffer 7 TV-Sonderzahlungen, in dem die Befugnis, den Zeitpunkt der Auszahlung
durch Betriebsvereinbarung regeln zu können, unter dem Gesichtspunkt der Fälligkeit geregelt worden ist.
Hieraus ergebe sich auch nicht die Folge, dass auf die unter § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen
aufgenommene Regelung mit spätester Fälligkeit am 15.12. des laufenden Jahres hätte zurück gegriffen
werden können bzw. müssen. Denn die Betriebspartner dürften auch über Abschlagzahlungen
Regelungen treffen.
Nach dem Arbeitsgericht habe der Kläger aus Gründen der Gleichbehandlung aber zumindest einen
Anspruch auf die hälftige Sonderzahlung. Denn nach § 2 Ziffer 4 Abs. 6 TV-Sonderzahlungen hätten
bereits die bis spätestens 30.06. eines Kalenderjahres ausgeschiedenen Mitarbeiter einen Anspruch auf
die hälftige Sonderzahlung.
Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidung wird auf das erstinstanzliche Urteil (Blatt 36 ff. d.A.)
verwiesen.
Mit Schreiben vom 31.01.2006, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 01.02.2006,
hat der Kläger gegen das ihm am 04.01.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am
Rhein vom 09.12.2005, AZ: 3 Ca 1304/05 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 24.02.2006,
eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland- Pfalz am 28.02.2006, begründet.
Der Kläger trägt hierzu unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vor:
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Auszahlungszeitpunkt der im TV-Sonderzahlungen
genannte 15. Dezember gewesen. Die Betriebsparteien hätten gerade keinen Auszahlungszeitpunkt
geregelt. In der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 handele es sich nur um eine scheinbare Regelung.
Unter Ziffer 1. sei trotz des vorhergehenden Wortlautes lediglich eine Regelung über eine
Abschlagszahlung und eine Stundung vereinbart. Begriffslogisch setze die Stundung aber eine fällige
Forderung voraus. Die Betriebsparteien seien daher bereits von einer fälligen Forderung ausgegangen.
Des Weiteren hätte es bis zum 15.12.2004 einer Festlegung des Zeitpunktes der Auszahlung bedurft.
Denn ein anderer Zeitpunkt als der 15. Dezember könne nur dann gesetzt werden, wenn der im
Tarifvertrag genannte Zeitpunkt noch nicht verstrichen ist. Tatsächlich sei ein solcher
Auszahlungszeitpunkt aber nie festgelegt worden. Weiterhin verstoße eine andere Regelung als die des
Auszahlungszeitpunkts gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Zudem müsse sich eine Regelung des Zeitpunkts der
Auszahlung daran orientieren, dass der TV-Sonderzahlung ein Erdienen der Ansprüche auf
Sonderzahlung im betreffenden Jahr als Anknüpfungspunkt für die Sonderzahlung sieht, und
insbesondere auch berücksichtigen, dass die Regelung des § 2 Ziffer 1 S. 2 TV-Sonderzahlungen den
Anspruch auf die Sonderzahlung sonst vom Verbleiben der Arbeitnehmer über Jahre hinweg abhängig
machen würde. Darüber hinaus könne sich die Beklagte auch nicht auf eine Stundung des restlichen
Anspruchs berufen. Es fehle bereits an einer Ermächtigungsgrundlage zum Abschluss einer
Stundungsvereinbarung für alle Arbeitnehmer.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.12.2005 - AZ: 3 Ca 1304/05 abzuändern
und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basissatz gemäß § 247 BGB jährlich daraus seit dem 01.04.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz und führt
ergänzend aus:
Die Betriebsparteien hätten die tarifliche Öffnungsklausel genutzt, um einen Auszahlungstag festzulegen.
In der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 hätten die Betriebsparteien als Auszahlungszeitpunkt den
31.03.2005 festgelegt. Es sei Sache der Betriebsparteien, dass dieser Auszahlungstag bis zum heutigen
Zeitpunkt noch nicht realisiert worden sei. Der TV-Sonderzahlungen enthalte auch keinen Ansatzpunkt
dafür, den Auszahlungszeitpunkt in einem angemessenen Zeitraum zu bestimmen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze
nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m.
§§ 517, 519 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist deshalb zulässig.
B.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet und hat somit Erfolg. Der Kläger hat für das Jahr 2004 einen
Anspruch auf Zahlung der restlichen betrieblichen Sonderzahlung in Höhe von 910,00 Euro brutto (dazu
unter I.). Dieser Anspruch des Klägers ist auch nicht gestundet (dazu unter II.).
I.
Da dem Kläger mit erstinstanzlichem Urteil bereits ein Betrag in Höhe von 155,00 Euro rechtskräftig
zugesprochen worden ist, war hierüber nicht mehr zu befinden.
Auch der mit der Berufung geltend gemachte Restbetrag steht dem Kläger zu. Dies ergibt sich aus
folgendem:
Auszahlungstag im Sinne des § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen ist der 15.12.2004 gewesen. An diesem
Tag stand der Kläger unstreitig in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und gehörte ihrem Betrieb
ununterbrochen sechs Monate an. Die Voraussetzungen des § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen sind somit
erfüllt.
Nach § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen gilt, falls der Zeitpunkt der Auszahlung durch
Betriebsvereinbarung im Sinne des § 2 Ziffer 7a TV-Sonderzahlungen nicht geregelt ist, als
Auszahlungstag im Sinne des § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen spätestens der 15. Dezember.
1. Ein anderer Zeitpunkt für die Auszahlung im Sinne des § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen ist jedenfalls
in Bezug auf den Restbetrag von 910,00 Euro insbesondere nicht durch die Betriebsvereinbarung vom
26.11.2004 festgelegt worden.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Betriebsvereinbarungen wie Tarifverträge
und wie Gesetze objektiv auszulegen. Ausgangspunkt ist der Wortlaut der Regelung und ihre Systematik,
so wie sie nach außen in Erscheinung getreten ist. Dabei hat sich die Auslegung auch daran zu
orientieren, ob ihr Ergebnis in sich verständlich und umsetzbar ist. Im Zweifel gebührt derjenigen
Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch
brauchbaren Regelung führt. Daneben kann es auch auf die Entstehungsgeschichte der
Betriebsvereinbarung ankommen. Dabei können Sitzungsniederschriften, Protokollnotizen oder
gemeinsame, sogar nachträgliche Erklärungen der Betriebspartner von Bedeutung sein sowie der
Umstand, wie die Betriebsvereinbarung im Betrieb über längere Zeit hin tatsächlich gehandhabt worden
ist (vgl. nur BAG, Urteil vom 22.05.2001 - 3 AZR 491/00 - EZA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr 3
m.w.N.).
b) Die Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 beginnt in Ziffer 1 mit der Formulierung "der
Auszahlungszeitpunkt für die tarifliche Sonderzahlung - Weihnachtsgeld - wird wie folgt festgelegt". Diese
Formulierung legt nahe, dass die Betriebsparteien in ihrer Vereinbarung eine Regelung nach § 2 Ziffer 7a
TV-Sonderzahlungen treffen wollten.
Im ersten Unterpunkt der Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung wird dementsprechend im ersten Satz die
Zahlung eines Teils der Sonderzahlung in Höhe von 600,00 Euro "mit der Novemberentgeltzahlung"
festgelegt. Hierbei handelt es sich zweifelsohne um eine Regelung nach § 2 Ziffer 7a TV-
Sonderzahlungen. Denn es wird ein konkreter Zeitpunkt für die Auszahlung festgelegt.
Im zweiten Unterpunkt der Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung heißt es weiter: "Über den
Auszahlungszeitpunkt des Restes der tariflichen Sonderzahlung entscheiden die Betriebsparteien nach
Abschluss des Geschäftsjahres 2004; d.h. nach Vorlage der Bilanz und der Gewinn und Verlustrechnung,
spätestens jedoch im März 2005". Hierin liegt keine Regelung des Zeitpunkts der Auszahlung im Sinne
des § 2 Ziffer 7a TV-Sonderzahlungen. Denn dieser Vereinbarung lässt sich entgegen der Auffassung der
Beklagten (Blatt 73 d.A.) nicht entnehmen, dass sie "tatsächlich die Regelung des Auszahlungspunktes:
den 31. März des Jahres 2005" enthält. Vielmehr lässt sich dem Satz nur entnehmen, dass der Zeitpunkt
gerade erst nach Vorlage der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, spätestens jedoch im März
2005 bestimmt werden sollte. Die Betriebsparteien haben also nicht den Zeitpunkt der Auszahlung im
Sinne des § 2 Ziffer 7a TV-Sonderzahlungen, sondern den Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitpunkts
der Auszahlung festgelegt. Für diese Auslegung spricht auch, dass eine Auszahlung, wie sich dem
Schriftsatz der Beklagten vom 28.03.2006 (Blatt 72 d.A.) entnehmen lässt, auch am 31.03.2005 nicht
erfolgt ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung im zweiten Satz des ersten Unterpunktes der
Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004, wonach "die Differenz zum restlichen Anspruch …
gestundet" wird. Die Stundung ist das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung bei Bestehenbleiben
der Erfüllbarkeit (vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, BGB, 65. Auflage 2006, § 271 Rn. 12 m.w.N.). Dabei
bezeichnet die Fälligkeit den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann
(Heinrichs, in: Palandt, BGB, 65. Auflage 2006, § 271 Rn. 1). Vor diesem Hintergrund ließe sich der Satz
dahin verstehen, dass die Betriebsparteien die Fälligkeit hinausschieben wollten und damit auch die
Entstehung des Anspruchs verhindern wollten. Hierfür spricht die Verknüpfung des Tages der Auszahlung
als Fälligkeitstag und der Entstehung des Anspruchs, wie sie in § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen
vorgenommen worden ist. Dagegen spricht aber, dass die Stundung, also das Hinausschieben der
Forderung denknotwendig zumindest die Möglichkeit der Entstehung des Anspruchs voraussetzt.
Letzteres ist aber bei der im TV-Sonderzahlungen geregelten Verknüpfung nicht möglich. Jedenfalls wäre
aber selbst bei diesem Verständnis gerade keine Vereinbarung über den Zeitpunkt der Auszahlung im
Sinne des § 2 Ziffer 1 bzw. Ziffer 7a TV-Sonderzahlungen getroffen worden, sodass die Regelung bei
diesem Verständnis keinen über § 2 Ziffer 7a TV-Sonderzahlungen hinausgehenden Sinn hätte.
Nach der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 sollte somit in Bezug auf den Differenzbetrag lediglich
die Entscheidung über die Bestimmung des Zeitpunkts der Auszahlung hinausgeschoben werden.
c) Weder kann das Eintreten der Fiktion des § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen - entgegen der Auffassung
des Arbeitsgerichts - nicht dadurch verhindert werden, dass ein Auszahlungszeitpunkt bis zum Zeitpunkt
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht festgelegt worden war. Noch kann das Eintreten der Fiktion
des § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen dadurch verhindert werden, dass die Bestimmung des Zeitpunkts
der Auszahlung hinausgeschoben wird. Vielmehr muss der Zeitpunkt der Auszahlung, um den Eintritt der
Fiktion zu verhindern, spätestens zu dem in § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen festgelegten Zeitpunkt, dem
15. Dezember des jeweiligen Jahres, genau bestimmt sein.
Dies ergibt sich schon aus § 2 Ziffer 7a TV-Sonderzahlung, der ausdrücklich die Regelung des Zeitpunkts
der Auszahlung verlangt.
Hierfür spricht aber auch Sinn und Zweck des § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen. Dieser besteht darin,
spätestens am 15. Dezember eines jeden Jahres Klarheit über den Auszahlungstag im Sinne des § 2
Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen und somit über die Anspruchsvoraussetzungen zu schaffen. Das
Hinausschieben des Festlegens eines Auszahlungstages würde diese Klarheit jedoch wieder beseitigen
und damit gegen den mit der Regelung verfolgten Sinn und Zweck verstoßen.
Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Frage der Zulässigkeit der
Bestimmung eines nach dem 15. Dezember gelegenen Termins als Auszahlungstag nicht Gegenstand
des Urteils ist. Zweifel hieran könnten sich jedenfalls daraus ergeben, dass die betriebliche
Sonderzahlung nach § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen je Kalenderjahr gewährt werden soll.
2. Ein anderer Zeitpunkt für die Auszahlung im Sinne des § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen ist soweit
ersichtlich auch nicht aufgrund einer weiteren, gegebenenfalls nachträglichen Vereinbarung bestimmt
worden. Die Zulässigkeit gerade einer nachträglichen Bestimmung kann daher vorliegend dahinstehen.
Bedenken gegen eine solche ergeben sich insbesondere aus dem Sinn und Zweck des § 2 Ziffer 7b TV-
Sonderzahlungen selbst. Denn eine Vereinbarung nach dem 15. Dezember des jeweiligen Jahres würde
die mit § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen angestrebte Klarheit wieder beseitigen und damit zu einer
die mit § 2 Ziffer 7b TV-Sonderzahlungen angestrebte Klarheit wieder beseitigen und damit zu einer
erheblichen Unsicherheit führen. Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen nachträglichen Vereinbarung
könnten sich weiterhin auch daraus ergeben, dass die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 Ziffer 1 TV-
Sonderzahlungen je Kalenderjahr gewährt werden soll.
II.
Der Anspruch des Klägers ist auch fällig. Denn eine Stundung des Restbetrags in Höhe von 910,00 Euro
besteht nicht.
1. Der Kläger selbst hat eine Stundung nicht gewährt. Vielmehr hat er die Forderung bereits mit Schreiben
vom 23.12.2004 sowie vom 30.03.2005 geltend gemacht.
2. Auch durch die Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 ist die Forderung nicht gestundet worden.
a) Der zweite Satz des ersten Unterpunktes der Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004,
wonach "die Differenz zum restlichen Anspruch … gestundet" wird, ließe sich auch dahin verstehen, dass
die Betriebsparteien vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Ziffer 1 TV-Sonderzahlungen, damit
vom Bestehen bzw. der baldigen Entstehung der Forderung ausgegangen sind und diese Forderung
stunden wollten.
b) Eine solche Stundungsabrede in der Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 wäre aber unwirksam.
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur können die Betriebsparteien in bereits
entstandene oder fällige Ansprüche des Arbeitnehmers nicht durch Stundung eingreifen (vgl. LAG Baden-
Württemberg, Urteil vom 27.04.1977 - 8 Sa 203/76 - DB 1977, 1706; Fitting, BetrVG, 22. Auflage 2004,
§ 77 Rn. 59; Kreutz, in: GK-BetrVG, 8. Auflage 2005, § 77 Rn. 321 ff.; Richardi, in: Richardi, BetrVG,
10. Auflage 2006, § 77 Rn. 121 m.w.N.; Berg, in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Auflage 2006, § 77
Rn. 39; Kania, in: Erfurter Kommentar, 6. Auflage 2006, BetrVG, § 77 Rn. 38a; Löwisch/Rieble, TVG,
2. Auflage 2004, § 4 Rn. 347; Franzen, in: Erfurter Kommentar, 6. Auflage 2006, TVG, § 4 Rn. 87).
Die Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 würde, wollte man sie als Stundungsabrede verstehen, gegen
§ 4 Abs. 4 S. 1 TVG und § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen. Denn der Anspruch des Klägers auf die restliche
Sonderzahlung in Höhe von 910,00 Euro war am 15.12.2004 entstanden. Mit der Stundung dieses
Anspruchs würden die Betriebsparteien in unzulässiger Weise in den tarifvertraglichen Anspruch
eingreifen. Ein solcher Eingriff wäre hier auch nicht deshalb zulässig, weil es eine tarifvertragliche
Öffnungsklausel gibt.
c) Jedenfalls wäre eine Stundung allenfalls bis zum 31.03.2005 erfolgt. Dies ergibt sich schon aus der
Betriebsvereinbarung vom 26.11.2004 selbst. Denn dem zweiten Unterpunkt der Ziffer 1 lässt sich
entnehmen, dass eine Stundung längstens bis 31.03.2005 erfolgen sollte und dann erneut über die
Angelegenheit verhandelt werden sollte.
III.
Nach §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB hat der Kläger gegen die Beklagte auch den
geltend gemachten Anspruch auf Verzugszinsen. Die Beklagte ist zwar nach §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
BGB bereits seit dem 15.12.2004 in Verzug. Insoweit sieht sich das Gericht jedoch nach § 64 Abs. 6
ArbGG i.V.m. §§ 528 S. 1, 308 ZPO an den Antrag des Klägers gebunden, der Verzugszinsen erst ab dem
01.04.2005 fordert.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO
D.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.