Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 25.10.2005

LArbG Mainz: firma, wirtschaftliches interesse, geschäftsführer, form, kundschaft, betriebsübergang, betriebsinhaber, schreinerei, betriebsmittel, anschluss

LAG
Mainz
25.10.2005
5 Sa 427/05
Überstundenvergütung bei Betriebsinhaberwechsel
Aktenzeichen:
5 Sa 427/05
6 Ca 686/04
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Entscheidung vom 25.10.2005
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige
Kammern Landau in der Pfalz - vom 26.04.2005 - 6 Ca 686/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.117,39 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Mittels Mahnbescheid vom 05.01.2004 machte der Kläger - in Höhe von 9.262,26 EUR - eine
"rückständige Gehaltsforderung für den Zeitraum 01.01.2001 bis 31.01.2002" gegen den Beklagten
geltend. Mit dem Schriftsatz vom 30.06.2004 (Bl. 12 ff. d. A.) begründete der Kläger im Anschluss an den
Widerspruch des Beklagten vom 07.01.2004 seine sodann in Höhe von 18.115,40 EUR geltend gemachte
Forderung. Dabei verwies er u.a. auf die handschriftliche "Gehaltsaufstellung" (Bl. 18 d. A.) und auf das
Schriftstück "Auftragsbestätigung vom 08.02.2002" (Bl. 22 d. A.). Im Anschluss an die Güteverhandlung
vom 20.07.2004 kündigte der Kläger mit dem Schriftsatz vom 07.12.2004 eine "ergänzende
Klagebegründung" an, die umgehend erfolgen werde. Mit dem Schriftsatz vom 17.01.2005 (Bl. 57 ff. d. A.)
begründete der Kläger die schließlich von ihm in Höhe von 10.117,39 EUR brutto (nebst Zinsen) gegen
den Beklagten geltend gemachte Forderung. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des
(erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen
auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 26.04.2005 - 6 Ca 686/04 - (dort S. 3 f. = Bl. 109 f.
d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 29.04.2005 zugestellte Urteil vom
26.04.2005 hat der Kläger am 25.05.2005 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter
Berufungsbegründungsfrist (- s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 18.07.2005 - 5 Sa 427/05 -, Bl.
141 d. A.) - am 29.07.2005 mit dem Schriftsatz vom 29.07.2005 begründet.
Zuvor hatte der Kläger mit dem Schriftsatz vom 08.07.2005 (Bl. 137 f. d. A.), worauf verwiesen wird, zu der
Frage vorgetragen, ob die Berufungsschrift ordnungsgemäß unterschrieben worden ist. Zwecks
Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
29.07.2005 (Bl. 142 ff. d. A.) verwiesen. Der Kläger trägt dort u. a. vor:
Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (08.02.2002) hätten ihm gegenüber der Firma S. noch restliche
Mehrarbeitsvergütungsansprüche wie folgt zugestanden:
1.617,76 Stunden x 11,25 EUR = 18.199,80 EUR
hierauf bezahlt: 8.082,41 EUR
Gesamtbetrag: 10.117,39 EUR
Bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (01.02.1999) sei zwischen ihm und dem damaligen Inhaber
der Firma S. (D. Z.) sowie dem damaligen Geschäftsführer M. H. ein Stundensatz von 22,00 DM/11,25
EUR pro Stunde vereinbart worden.
Der Kläger habe jeweils monatliche Stundenzettel führen sollen, - wobei die (Arbeitsvertrags-) Parteien
zunächst von einer 20 Stunden-Woche ausgegangen seien. Wenn der Kläger weitere Stunden für die
Firma S. leisten sollte, hätten diese - dies sei weiter vereinbart worden - ihm ebenfalls mit dem genannten
Stundensatz vergütet werden sollen. Er, der Kläger, habe sämtliche von ihm im Zeitraum vom 01.01.2001
bis zum 31.01.2002 geleisteten Stunden in Form einer Excel-Tabelle erfasst und gegenüber dem
Bevollmächtigten und Geschäftsführer der Firma S., M. H. , geltend gemacht bzw. ihm vorgelegt. Jede
einzelne von dem Kläger zu leistende Stunde sei mit dem Bevollmächtigtem und Geschäftsführer Haspel
abgesprochen und ausdrücklich angeordnet worden. Es handele sich hierbei um Kundeneinsätze des
Klägers. Der Kläger sei von D. Z. immer wieder vertröstet worden. Trotz des gestellten Insolvenzantrages
seien die Geschäfte in den damaligen Geschäftsräumen der Firma S., Bismarckstraße 26, 67454
Hassloch, mit den gleichen Mitarbeitern (M. H. ,A. S. , B. S. und dem Kläger) über den 31.01.2002 mit
gleichen Kunden, in den gleichen Geschäftsräumen und mit den gleichen Betriebsmitteln weitergeführt
worden. Zusammen mit dem D. Z. und dem Beklagten sei die Firma des Beklagten mit der Firmierung " K.
C. Unternehmensberatung" ab dem 01.02.2002 im Außenverhältnis zum Weiterbetreiben der Firma
genutzt worden, - was sich auch aus der vorgelegten Rechnung vom 08.02.2002 entnehmen lasse. Hier
sei ein Drucker Epson Stylus an die Schreinerei R. K. geliefert worden. D. Z. und der Beklagten hätten
dem Zeugen K. glaubhaft gemacht, dass die Lieferung und Rechnungsstellung dann durch die Firma "C.
Unternehmungsberatung" in J. erfolgen würde.
Die Aufmachung und Form der Rechnung sei überdies auch mit den vormals durch die Firma S. erstellten
Rechnungen identisch. Im Rahmen seiner weiteren Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 29.07.2005
dort insbesondere S. 7 ff. = Bl. 148 ff. d. A.) führt der Kläger weiter dazu aus,
dass die Art des Betriebes beibehalten worden sei,
dass die materialen Betriebsmittel auf den Beklagten übergegangen seien,
dass die Hauptbelegschaft vom Beklagten übernommen worden sei und
dass die gesamte Kundschaft ebenfalls mit übernommen worden sei.
Es sei keinesfalls zu irgendeiner Unterbrechung des Betriebes gekommen.
Zum damaligen Zeitpunkt habe für den Kläger weiterhin der frühere Geschäftsführer der Firma S., M. H. ,
als Rechtspartner fungiert. Der Beklagte habe ein persönliches und wirtschaftliches Interesse gehabt,
dass die ursprüngliche Firma S. und damit die Kunden gerettet würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom
26.04.2005 abzuändern
und
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.117,39 EUR brutto zuzüglich 5 Prozent Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der
Berufungsbeantwortung vom 26.08.2005 (Bl. 171 ff. d. A.), auf die verwiesen wird.
Der Beklagte merkt dort u.a. an, dass die klägerseits unter Anlage K 4 vorlegte "(gefälschte?)
Auftragsbestätigung" dem Beklagten bis zu deren Vorlage in diesem Verfahren nicht bekannt gewesen
sei. Das Arbeitsgericht habe zu Recht ausgeführt, dass der Kläger seine Behauptung, es liege ein
Betriebsübergang von der Firma S. auf den Beklagten vor, nicht hinreichend dargelegt habe. Bis zur
pauschalen Behauptung des Klägers in der Klageschrift habe der Beklagte von einer angeblichen
Geschäftsfortführung seinerseits keine Kenntnis gehabt. Er, der Beklagte, habe zu keinem Zeitpunkt die in
der Auftragsbestätigung (Anlage K 4) enthaltenen Waren an eine Schreinerei K. geliefert oder von einem
solchen Geschäft Kenntnis erlangt. Der Beklagte bestreitet, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt
Mehrarbeitsstunden geleistet habe. Der Beklagte behauptet, der Inhaber der Firma S., D. Z. , habe zu
keinem Zeitpunkt irgendwelche Überstunden gegenüber dem Kläger angeordnet. Soweit sich der Kläger
auf das Zeugnis des M. H. berufe, weist der Beklagte darauf hin, dass Haspel zu keinem Zeitpunkt
Geschäftsführer bzw. Inhaber der Firma S. gewesen sei oder in anderer Weise befugt gewesen sei,
Überstunden abzusprechen oder gar anzuordnen. Der Beklagte bestreitet
- die Beibehaltung der Art des Betriebes und
- den Übergang materieller Betriebsmittel auf ihn.
Er, der Beklagte, habe auch zu keinem Zeitpunkt mit irgendwelchen Vermietern Verhandlungen über eine
Verlängerung von Mietverträgen geführt oder in seinem Namen führen lassen.
Zu näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist an sich statthaft. Die Berufungskammer unterstellt - trotz diesbezüglicher Zweifel -
zugunsten des Klägers, dass das handschriftliche Gebilde, das sich am Ende der Berufungsschrift (dort S.
2 = Bl. 119 u. 127 d. A.) befindet, dort als Unterschrift für den Namen "B." stehen soll. Das individuelle
Gepräge dieses handschriftlichen Gebildes deutet darauf hin, dass dadurch der Nachname des
Prozessbevollmächtigten des Klägers ("B.") ausreichend gekennzeichnet werden soll. Folgt man dem,
dann ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und im Übrigen mit dem Schriftsatz vom 29.07.2005
auch form- und fristgerecht begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als
unbegründet.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1.
Die Unbegründetheit der Klage ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nicht ausreichend zur
Anordnung und Notwendigkeit der von ihm behaupteten Überstunden vorgetragen hat. Im Hinblick auf die
substantiiert bestreitende Einlassung des Beklagten hätte der Kläger insoweit sein
anspruchsbegründendes Vorbringen noch näher in einer Darstellung konkreter Einzelheiten zergliedern
müssen. Daran hat es der Kläger fehlen lassen. Die Anordnung einer Beweisaufnahme setzt einen
hinreichend konkreten schlüssigen Sachvortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Partei voraus. Da
es an diesem hinreichend konkreten Sachvortag des Klägers fehlt, durfte seinen Beweisangeboten wegen
des Verbotes des Ausforschungsbeweises nicht nachgegangen werden. Das Vorbringen des Klägers wird
den - sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebenden - Anforderungen, die an die
schlüssige Begründung eines (Überstunden-)Vergütungsanspruches zu stellen sind, nicht gerecht.
2.
Unabhängig davon - und darauf wird das vorliegende Berufungsurteil zusätzlich gestützt - ist die Klage
auch deswegen unbegründet, weil der Kläger die Passivlegitimation des Beklagten nicht schlüssig
dargelegt hat.
Die in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge (= Übergang des Arbeitsverhältnisses von einem
- dem bisherigen - Betriebsinhaber auf einen anderen - den neuen - Inhaber) setzt nach näherer Maßgabe
von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Betriebsinhaberwechsel voraus. Der bisherige
Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Der
Betriebserwerber muss die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt anstelle des
Betriebsveräußerers ausüben, - also den Betrieb tatsächlich fortführen. Ein rechtlich relevanter
Betriebsübergang ist nur dann gegeben, wenn die für den Betrieb verantwortliche Person wechselt.
Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt. Bleibt der Arbeitgeber derselbe,
liegt kein Betriebsübergang vor.
An diesen Grundsätzen gemessen hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass der (frühere) Betrieb des
D. Z. ("Firma S.") auf den Beklagten übergegangen ist. Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass
die Art des Betriebes über den 01.02.2002 und den 08.02.2002 beibehalten worden sei und dass die
Mitarbeiter weiter ihre Tätigkeit ausgeübt hätten, ist damit nicht dargetan, dass es gerade der Beklagte
gewesen ist, der ab dem 01.02.2002 die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt im Betrieb
ausgeübt hätte. Ab dem 08.02.2002 hat diese betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt aufgrund
des Insolvenzeröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Neustadt vom 08.02.2002 - 1 IN 16/02 - jedenfalls
der Rechtsanwalt J. B. als Insolvenzverwalter ausgeübt. Dieser (- RA B. als Insolvenzverwalter, vertr. d. d.
RA K. -) ist es gewesen, der mit dem Kläger den Vergleich in dem Kündigungsschutzprozeß - 2 Ca 556/02
- abgeschlossen hat. Was es im Einzelnen bewirkt haben könnte, dass zuvor in der Zeit zwischen dem
01.02.2002 und dem 08.02.2002 der Beklagte diese betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt
ausgeübt haben soll, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Zwar behauptet der Kläger u.a. die
Übernahme von Kundenkontakten und Betriebsmitteln. Wie diese Übernahme aber jeweils im Einzelnen
und wann genau zustande gekommen sein soll, legt der Kläger nicht näher dar. Der Vortrag des Klägers
lässt offen, wie gegebenenfalls im Einzelnen dem Beklagten eine Nutzungsmöglichkeit von
Einrichtungsgegenständen, Computern, Warenbeständen, Druckern, Thekeneinrichtungen und Kasse
eingeräumt worden sein soll. Unsubstantiiert ist auch das sich auf den Mietvertrag beziehende Vorbringen
des Klägers sowie das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der behaupteten Übernahme der
Hauptbelegschaft und der Kundschaft (- wie soll insbesondere der Beklagte im Einzelnen die
Hauptbelegschaft und die gesamte Kundschaft übernommen haben?). Der Kläger behauptet selbst nicht,
dass der Beklagte ihm gegenüber das Direktionsrecht bzw. Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt
habe. Für Weisungen des M. H. , auf den sich der Kläger insoweit bezieht, muss der Beklagte aber nicht
ohne weiteres einstehen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Beklagte das Verhalten von H.
zurechnen bzw. anrechnen lassen sollte. Auch mit seinem Vorbringen, das sich auf die
Auftragsbestätigung vom 08.02.2002 bezieht, hat der Kläger nicht schlüssig darlegen können, dass der
Beklagte den Betrieb "Firma S." von dem D. Z. übernommen hat. Das Vorliegen eines
rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs lässt sich dem Vorbringen des Klägers auch im Übrigen nicht
entnehmen.
3.
Die Kosten seiner erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger tragen. Der Streitwert
wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.
Derzeit findet gegen das vorliegende Berufungsurteil deswegen die Revision nicht statt. Unter den
Voraussetzungen des § 72a ArbGG kann der Kläger nach näherer Maßgabe der eben zitierten Vorschrift
die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht durch Beschwerde, die beim
Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, einzulegen ist, anfechten. Auf diese Möglichkeit
wird der Kläger hiermit aufmerksam gemacht.