Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 27.01.2006

LArbG Mainz: bad, reisekosten, arbeitsgericht, stadt, ausschluss, auflage, gebrechen, unzumutbarkeit, quelle, vertretung

LAG
Mainz
27.01.2006
9 Ta 304/05
Erstattung von Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwaltes
Aktenzeichen:
9 Ta 304/05
5 Ca 1729/05
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 27.01.2006
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige
Kammern Bad Kreuznach - vom 28.11.2005, Az.: 5 Ca 1729/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 219,00 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, der in A-Stadt wohnt und bei dem Beklagten vom 01.06.2004 bis 31.07.2005 als Facharbeiter
beschäftigt war, hat - vertreten durch Rechtsanwalt B., der in B-Stadt seine Kanzlei betreibt - beim
Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - eine Klage auf Zahlung von restlichem
Arbeitsentgelt und Rückzahlung einer Darlehensrate in Höhe von insgesamt 4.382,25 EUR brutto
abzüglich 93,80 EUR netto zuzüglich 850,00 EUR netto nebst Zinsen erhoben. Gleichzeitig hat der Kläger
beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B. sowie Erstattung der
notwendigen Reisekosten des beigeordneten zur Wahrnehmung der Termine bis zur Höhe fiktiver
Verkehrsanwaltskosten zu bewilligen. Der Beklagte hat im Verlauf des Rechtsstreits eine Widerklage auf
Schadensersatz in Höhe von 1.308,15 EUR nebst Zinsen beim Arbeitsgericht eingereicht.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28.11.2005 dem Kläger Prozesskostenhilfe für einen
Gegenstandswert in Höhe von 4.695,00 EUR unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B. bewilligt. Die
Beiordnung des Rechtsanwaltes erfolgte unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und
Abwesenheitsgeld sowie der etwaigen Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (Ort des
Gerichtstages). Im Übrigen hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Wegen der Gründe für die Zurückweisung wird auf Seite 2 des
schriftlichen Beschlusses vom 28.11.2005 Bezug genommen.
Der Kläger, dem die Entscheidung vom 28.11.2005 am 01.12.2005 zugestellt worden ist, hat am
09.12.2005 sofortige Beschwerde insoweit eingelegt, als die Erstattung der notwendigen Reisekosten des
beigeordneten zur Wahrnehmung der Termine bis zur Höhe fiktiver Verkehrsanwaltskosten verweigert
wurde.
Der Kläger macht geltend,
dem beigeordneten Rechtsanwalt seien die notwendigen Reisekosten unter Berücksichtigung der
Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21.07.2005 (NJW 2005, 2718 ff.) zu erstatten.
Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere
auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2 S. 1,
567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat Herrn Rechtsanwalt B. dem Kläger
zu Recht unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tagungen- und Abwesenheitsgeld sowie etwaige
Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort beigeordnet.
Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur
beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Da eine Zulassung bei einem
Arbeitsgericht nicht möglich ist, kann § 121 Abs. 3 ZPO in arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar
angewendet werden. Jedoch ordnet § 11 a Abs. 3 ArbGG die "entsprechende" Anwendung der
Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe an. Sie sind deshalb ihrem Sinn nach auf das
arbeitsgerichtliche Verfahren zu übertragen, soweit eine unmittelbare Anwendung nicht in Betracht kommt.
Das bedeutet, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren statt auf die Zulassung des Rechtsanwaltes bei
einem bestimmten Gericht auf seine Ansässigkeit am Ort des Gerichtes abzustellen ist. Die Beiordnung
eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten kann deshalb lediglich erfolgen, wenn dadurch zusätzliche
Kosten wie zum Beispiel Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Reisekosten nicht entstehen. Die Erfüllung
dieser Voraussetzungen kann das Gericht von Amts wegen in den Beiordnungsbeschluss aufnehmen. Die
Vermeidung zusätzlicher Kosten ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung. Entscheidet sich
das Gericht für die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten, ist durch die Beiordnung zu
den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes sichergestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
der Beiordnung tatsächlich vorliegen (vgl. BAG, Beschluss vom 18.07.2005 - 3 AZB 65/03).
Die vom Kläger beantragte Erstattung von Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwaltes bis zur Höhe
fiktiver Verkehrsanwaltskosten kommt nur in Betracht, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die
Beiordnung eines Verkehrsanwaltes unter Beachtung von § 121 Abs. 4 zweite Alternative gegeben sind.
Demnach kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur
Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere
Umstände dies erfordern. Besondere Umstände im Sinne dieser gesetzlichen Regelung können unter
anderem darin liegen, dass die hilfsbedürftige Partei wegen Gebrechen, Schreibgewandtheit,
Rechtsunerfahrenheit oder Schwierigkeit des Streitstoffes den Prozessbevollmächtigten nicht sachgemäß
schriftlich und wegen Unzumutbarkeit einer Reise auch nicht persönlich informieren kann (vgl.
Zöller/Phillippi, ZPO, 24. Auflage, § 121 Randnummer 20). Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes, welcher auch der vom Kläger in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidung
des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 21.07.2005 - 17 W 30/05 = NJW 2005, 2718 f.)
herangezogen wird, ist im Rahmen der verfassungsgemäßen Auslegung des unbestimmten
Rechtsbegriffs der besonderen Umstände eine zusätzliche Beiordnung nach § 121 Abs. 4 auch dann
geboten, wenn die Kosten des weiter beizuordnenden Rechtsanwaltes die sonst entstehenden
Reisekosten des nicht am Prozessgericht zugelassenen Hauptbevollmächtigten nach § 126 Abs. 1 S. 2 2.
Halbsatz BRAGO nicht unwesentlich übersteigen (vgl. BGH NJW 2004, 2749).
Im vorliegenden Fall sind unter Beachtung dieser Rechtslage keine besonderen Umstände im Sinne von
§ 121 Abs. 4 zweite Alternative ZPO feststellbar. Es war dem Kläger ohne weiteres zumutbar, einen
Rechtsanwalt am Gerichtsort, also in Bad Kreuznach zu beauftragen. Es sind nämlich keine besonderen
Umstände ersichtlich, die ihm die Reise zur Beauftragung und Information eines am Gerichtsort
ansässigen Rechtsanwaltes unzumutbar gemacht hätten. Die Entfernung von seinen Wohnort in A-Stadt
nach Bad Kreuznach beläuft sich auf 85 Straßenkilometer; er konnte also mit dem PKW oder auch mit
öffentlichen Nahverkehrsmitteln nach Bad Kreuznach gelangen.
Eine Reiseunfähigkeit, die in seiner Person begründet wäre, macht der Kläger nicht geltend. Im Rahmen
einer Informationsreise nach Bad Kreuznach hätte der Kläger dem dortigen Prozessbevollmächtigten alle
Umstände mitteilen könne, die im Rahmen seines Zahlungsrechtsstreites rechtlich hätten relevant werden
können.
Überträgt man den vom Bundesgerichtshof angestellten Kostenvergleich auf den vorliegenden Fall, so
wäre die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes nur dann erforderlich gewesen, wenn dessen Kosten die
Kosten des Klägers für die Informationsreise nicht wesentlich überstiegen hätten. Angesichts der Kosten
für die Hin- und Rückreise zwischen den 85 km entfernten Orten würden die Kosten eines
Verkehrsanwaltes - angesichts eines vom Arbeitsgericht im Bewilligungsbeschluss zugrunde gelegten
Gegenstandswertes von 4.695,00 EUR - wesentlich höher sein. Allein eine Rechtsanwaltsgebühr hätte für
einen Verkehrsanwalt sich auf 219,00 EUR belaufen (vgl. § 49 RVG und Nr. 3400 der Anlage 1 zum RVG).
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß §§ 3 ff. ZPO in Höhe einen Gebühr für einen
Verkehrsanwalt festgesetzt.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2
ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.