Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 14.10.2004

LArbG Mainz: widerruf, arbeitsgericht, fahrtkosten, zustellung, prämie, richterrecht, montage, akte, form, vergütung

LAG
Mainz
14.10.2004
6 Sa 380/04
Widerruf von Lohnbestandteilen
Aktenzeichen:
6 Sa 380/04
3 Ca 3489/03
ArbG Ludwigshafen
Verkündet am: 14.10.2004
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 05.02.2004 - AZ.
3 Ca 3489/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte, bei der der Kläger seit 03.01.2000 als
Betriebsstättenmitarbeiter in Ludwigshafen beschäftigt ist, wobei ein schriftlicher Arbeitsvertrag die
wechselseitigen Rechte und Pflichte regelt (Bl. 8-10 d. A.), berechtigt ist, die Fahrtkostenerstattung
einzustellen. Der Kläger fordert mit seiner Klage vom 31.10.2003 die Zahlung von Fahrtkosten für die
Monate Mai bis September 2003, nachdem die Beklagte dem Kläger unter dem 11.04.2003 mitgeteilt hat,
dass die sämtlichen bislang gewährten freiwilligen und außertariflichen Zulagen für die Zukunft wegen der
wirtschaftlichen Situation widerrufen würden.
Da dem Kläger pro Arbeitstag 22,61 € zuvor gezahlt wurden, hat der Kläger die in der Höhe der Forderung
unstreitige Klage im Wesentlichen damit begründet, dass ein Widerruf der Beklagten bezüglich
Fahrgelderstattung nicht möglich sei, weil hier kein Widerruf vorbehalten sei, sondern eine
arbeitsvertragliche Zusage gemacht wurde.
Der Kläger hat beantragt, nachdem er unter dem 09.01.2004 die Klage erweitert hat,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.740,97 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 08.08.2003 zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, an ihn Fahrtgeld in Höhe von 1.153,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass sie aufgrund der arbeitsvertraglichen
Abrede berechtigt gewesen sei, bei der gegebenen wirtschaftlichen Situation auch den in § 2 des
Arbeitsvertrages geregelten Fahrtkostenersatz zu widerrufen.
Das Arbeitsgericht hat den Widerruf als solchen als zulässig erachtet, lediglich die kurze Frist für das
Einstellen der Leistungen moniert und dem Kläger noch die Beträge bis einschließlich 30.06.2003
zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Dies ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass auch unter der Geltung des § 305 c Abs. 1 BGB
davon auszugehen sei, dass Widerruf- und Anrechnungsvorbehalte wegen der weiten Verbreitung
objektiv nicht überraschend seien, so dass der Widerrufsvorbehalt zulässig, jedoch einer Inhaltskontrolle
unterworfen werden müsse.
Nach dem Urteil stellt der Widerruf keine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, weil in den
Kernbestand des Arbeitsverhältnisses nicht eingegriffen werde, was nur dann bejaht werde, wenn
zumindest mehr als 20 % eines Gesamtverdienstes durch den Widerruf wegfallen würde, was bei der
Höhe des Fahrgeldes nicht der Fall sei.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht auszumachen und der
Beklagten habe angesichts der wirtschaftlichen Situation und der Betriebsergebnisse kein milderes Mittel
zur Verfügung gestanden, um Kosten zu reduzieren ohne Arbeitsverhältnisse zu beendigen. Bei der
widerrufenen Leistung handele es sich, da tarifvertraglich oder gesetzlich nicht geregelt, um eine
übertarifliche Leistung, die die Beklagte im Arbeitsvertrag ausdrücklich unter einen Freiwilligkeits- und
Widerrufsvorbehalt gestellt hat.
Nach Zustellung des Urteils am 28.04.2004 hat der Kläger am 18.05.2004 Berufung eingelegt und
innerhalb verlängerter Frist am 28.07.2004 das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit
angegriffen, dass neben der vom Kläger geforderten Fahrtkostenerstattung weitere außertarifliche
Zulagen in Wegfall geraten seien, die mit dem Prämienlohn insgesamt eine Kürzung des bisherigen
Monatslohnes um 34 % reduzieren würde.
Bei derartigen Eingriffen könne eine grundlegende Störung des Leistungsgleichgewichtes und damit ein
Eingriff in den kündigungsschutzrechtlich geschützten Kernbereich nicht verneint werden. Die Beklagte
habe zudem die Veränderung im Einkommen nur bei den Betriebsstätten-Monteuren, zu denen der Kläger
zähle und nicht auch bei den so genannten Fernmonteuren vorgenommen. Dies sei kein hinreichender
Grund für die vorgenommene Ungleichbehandlung.
Auch habe das LAG Hamm in einem gleichgelagerten Fall den Widerruf für unzulässig erachtet, so dass
der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 05.02.2004 - 3 Ca 3489/03 - teilweise, soweit
die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere
2.306,22 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.153,11 €
brutto seit dem 30.09.2003 sowie aus weiteren 1.153,11 € brutto seit Zustellung des Schriftsatzes vom
09.01.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil damit, dass die vom Kläger behauptete 14-prozentige
Pauschalprämie nicht gezahlt werde, sondern je nachdem, ob sie anfalle und in welcher Höhe. Nähere
Ausführungen mache der Kläger hierzu nicht.
Darüber hinaus werde dem Kläger ab Mai 2003 die tarifliche Leistungszulage gewährt, die beim Kläger
350,34 € ausmache und die bislang pauschale Prämie bei weitem aufwiege.
Die Einbußen, die der Kläger erleide, beliefen sich auf 18,23 %, da er nunmehr als Grundlohn und
Leistungszulage 2.102,03 € erhalte, während dies vorher 2.570,78 € gewesen seien.
Die Montage-Stammarbeiter, die in allen Betrieben eingesetzt werden könnten, würden nach dem BMTV
und den Tarifverträgen NRW bezahlt und hätten keine übertariflichen Zulagen enthalten.
Die Entscheidung des LAG Hamm berücksichtige die Besonderheiten des Arbeitsrechtes nach § 310 Abs.
4 BGB nicht ausreichend und seien nicht zutreffend, weil das bisher geltende Richterrecht dem
Arbeitsrecht gleichzusetzen sei und danach ein Widerrufsvorbehalt, der vertraglich vereinbart gewesen
sei, auch ohne bestimmte benannte Gründe zulässig erachtet worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im
Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zudem auf den Tatbestand des
arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht davon
ausgegangen ist, dass dem Kläger, zumindest ab Juli 2003 die fraglichen Fahrtkosten-Ersatzansprüche in
der unstreitigen Höhe von 22,61 € brutto pro Arbeitstag nicht mehr zustehen, weil der erfolgte Widerruf
wirksam ist.
Die Berufungskammer folgt hierbei den ausführlichen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichtes,
wonach die Fahrgelderstattung als zusätzliche Leistung unter den Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt
gestellt worden ist, was dazu führt, dass ein Widerruf grundsätzlich möglich ist.
Richtig hat das Arbeitsgericht erkannt, dass diese Leistungen zwar vertraglich zugesichert waren, jedoch
in der Form der Widerrufbarkeit.
Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht auch dort, wo es unter Zugrundelegung des unstreitigen
Parteivorbringens davon ausgeht, dass die Beklagte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation befugt ist,
einen Widerruf zu erklären, dass also die Beklagte das von ihr abgeforderte billige Ermessen i. S. d. § 315
BGB gewahrt hat.
Auch angesichts der Tatsache, dass die Beklagte vom Kläger nicht widersprochen ausgeführt hat, dass
sich die Gehaltseinbußen des Klägers auf insgesamt 18,23 % zum bisherigen Lohn belaufen und nicht
wie vom Kläger berechnet auf 34 %, weil anstelle der pauschalen Prämie nunmehr die tarifliche
Leistungszulage gezahlt wird, kann die Kammer nicht erkennen, dass hier der Kernbereich des
Arbeitsvertrages bezüglich des ausgewogenen Verhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Vergütung
tangiert ist, was sie jedoch bei 34 % Reduktion angenommen und damit einem Widerruf entrückt gesehen
hätte.
Auch die Behauptung der Beklagten, dass die Montage-Stammarbeiter keine Kürzung erfahren hätten,
weil diese lediglich Tarifleistungen erhalten hätten, blieb vom Kläger unbestritten, so dass die
Berufungskammer hier keinen Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze durch die Beklagte
ausmachen kann.
Bezüglich der Frage, wie sich die arbeitsvertragliche Regelung aus dem Jahre 1999 mit der neuen
Gesetzeslage, §§ 307 Abs. 1 Satz 2, 308 Nr. 4 BGB verträgt, schließt sich die Berufungskammer der
Auffassung des LAG Berlin in der Entscheidung vom 30.03.2004 (AZ: 3 Sa 2206/03) an, wonach es zu den
Besonderheiten des Arbeitsrechtes auch zählt, was durch Richterrecht als Grundsatz entwickelt worden
ist. Dazu zählen auch die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze, wonach der Arbeitgeber bei
freiwilligen zusätzlichen Leistungen, die er unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt hat, bei Beachtung
des billigen Ermessens einen Widerruf vornehmen kann. Wenn zudem neben der Widerrufbarkeit die
Freiwilligkeit vorbehalten ist, bedarf es keiner, vielleicht auch noch abschließenden Liste, die der
Arbeitgeber bei Vertragsschluss aufstellen muss, unter deren Eingreifens er dann einen Widerruf
vornehmen will und darf. Ebenso wie das LAG Berlin sieht die Berufungskammer in der bisherigen
Rechtsprechungspraxis die Arbeitnehmer im Bereich des Widerrufs freiwilliger Leistungen vor
Überraschungen und unsachgemäßen Handhabungen seitens des Arbeitgebers ausreichend geschützt.
Nach dem Vorstehenden ist die Berufung als unbegründet mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1 ZPO, 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG, zurückzuweisen.
Die Revision ist für den Kläger zugelassen worden, weil eine Differgenz zu der Entscheidung des LAG
Hamm vom 11.05.2004 (AZ: 19 Sa 2132/03) gegeben ist und die Rechtssache eine grundsätzliche
Bedeutung hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG.