Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 01.09.2005

LArbG Mainz: diplom, angemessene entschädigung, vorstellungsgespräch, diskriminierung, fachhochschule, behinderung, qualifikation, arbeitsgericht, arbeitsamt, behandlung

LAG
Mainz
01.09.2005
4 Sa 865/04
Diskriminierung wegen Schwerbehinderung
Aktenzeichen:
4 Sa 865/04
1 Ca 825/04
ArbG Trier
Entscheidung vom 01.09.2005
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.08.2004 - 1 Ca 825/094 -
wird auch in Form der geänderten Klage auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger von dem beklagten Land Entschädigung wegen
Benachteiligung bei der Einstellung.
Der Kläger ist am 24.04.1962 geboren, er ist aufgrund einer Lähmung des rechten Armes mit einem Grad
von 100 schwerbehindert.
Das beklagte Land veröffentlichte durch die Fachhochschule T. im T. V. vom 25./26.10.2003 eine
Stellenanzeige, wonach sie zum 01.01.2004 die Stelle einer Controllerin/eines Controllers zu besetzen
gedenkt. In der Stellenbeschreibung findet sich weiter wörtlich:
"Für die Bereiche Controlling, Kosten- und Leistungsberechnung sowie Flächenmanagement wird eine
Diplom-Betriebswirtin (FH)/ein Diplom-Betriebswirt (FH) gesucht. Gute EDV-Kenntnisse werden
vorausgesetzt. Erfahrungen im Hochschulbereich sind erwünscht. Die Vergütung erfolgt nach
Vergütungsgruppe IV a/III Bundesangestelltentarifvertrag …".
Der Kläger bewarb sich auf die Stellenanzeige mit Schreiben vom 26.10.2003. Dabei wies der daraufhin,
dass er aufgrund der Lähmung seines rechten Armes zum Kreis der behinderten Menschen zählt. Wie
sich aus den weiteren Bewerbungsunterlagen ergibt, hat der Kläger eine kaufmännische Lehre absolviert,
darüber hinaus ein Hochschulstudium (Universität) in Betriebswirtschaft mit dem Abschluss als Diplom-
Kaufmann. Darüber hinaus hat er die Zusatzqualifikation Rechnungswesen/Controlling der Steuer- und
Wirtschaftsakademie T. erworben. Zuletzt war er 3 ½ Jahre lang in einem mittelständischen Betrieb als
Controller mit den Schwerpunkten Berichtswesen, Reporting und kaufmännische Planung tätig.
Eine Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch erfolgte nicht. Die Fachhochschule teilte ihm
unter dem 05.12.2003 mit, dass er bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt werden könne. Die
ausgeschriebene Stelle wurde sodann zum 01.01.2004 mit einer weiblichen Bewerberin besetzt, die den
Abschluss einer Diplom-Betriebswirtin (FH) hat.
Das beklagte Land hatte vor der Stellenausschreibung das zuständige Arbeitsamt bzw. das
Integrationsamt nicht von der freien Stelle in Kenntnis gesetzt.
Der Kläger forderte mit Schreiben vom 29.01.2003 die Zahlung einer Entschädigung. Die Forderung
wurde mit Schreiben vom 10.02.2004 abgelehnt. Mit seiner am 11.05.2004 bei Gericht eingegangener
Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, das beklagte Land habe im Zuge des Stellenbesetzungsverfahrens,
abgesehen von der korrekten Ausschreibung, alle gesetzlich vorgesehenen Schritte zur vorrangigen
Berücksichtigung schwer behinderter Menschen missachtet. Es sei bei der Ausschreibung der
Stellenbesetzung ihrer gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nachgekommen und habe ihm dadurch
aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Durch die unterlassene Meldung der freien Stelle beim
Arbeitsamt sei es dem Arbeitsamt unmöglich gemacht worden, geeignete Bewerber vorzuschlagen oder
diese für die ausgeschriebene Stelle zu qualifizieren. Allein die fehlende Einhaltung des gesetzlich
vorgeschriebenen Verfahrens stelle bereits eine zur Entschädigungsleistung verpflichtende
Beeinträchtigung des schwer behinderten Bewerbers dar. Entsprechendes gelte hinsichtlich der nicht
erfolgten Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch. Wäre die Einladung ausgesprochen worden,
wäre offenbar geworden, dass er das Qualifikations- und Anforderungsprofil der Stellenausschreibung
mehr als erfülle und bereits auf eine mehrjährige erfolgreiche Tätigkeit in den einschlägigen
Aufgabenfeldern verfüge. Soweit das beklagte Land sich darauf berufe, eine Berücksichtigung habe
schon deshalb nicht erfolgen können, da der Kläger nicht Diplom-Betriebswirt (FH) sondern Diplom-
Kaufmann mit Universitätsabschluss sei, könne die dahin gehende Argumentation nicht greifen. Die
Einladung sei nur dann nicht erforderlich, wenn das Anforderungsprofil mit dem Leistungsprofil überhaupt
nicht übereinstimme und die fehlende Qualifikation auch mittels einer Anlernzeit oder dienstlicher
Qualifizierung unter keinen Umständen erworben werden könne. Aufgrund der jeweiligen Studieninhalte
sei klar ersichtlich, dass der Studiengang des Diplom-Kaufmanns die Kenntnisse eines Diplom-
Betriebswirtes (FH) vermittele, diese sogar noch erweitere und mit größerem theoretischem Unterbau
unterfüttere. Darüber hinaus habe er eine Zusatzqualifikation bezüglich der Kosten- und
Leistungsrechnung erworben und mehrjährige Berufserfahrungen als Controller gesammelt. Von einem
offensichtlichen Fehlen der fachlichen Eignung könne jedenfalls keine Rede sein. Der Kläger hat die
Auffassung vertreten, eine Entschädigung in Höhe von 9 Bruttomonatsgehältern sei angemessen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über das Bruttomonatsgehalt incl. evtl. Sachleistungen
des oder der auf die Stellenausschreibung eines Controllers im ".T V." vom 25./26.10.2004 hin
eingestellten Person;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit ihrer Angaben gemäß Antrag zu 1. eidesstattlich zu
versichern;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung, mindestens jedoch eine
Entschädigung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern gemäß Antrag zu 1. zu zahlen nebst 5 %
Zinsenpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, der Kläger sei wegen seiner nicht im Anforderungsprofil der Stellenausschreibung
entsprechend Qualifikation nicht berücksichtigt worden und nicht wegen seiner Behinderung. Aus der
Stellenanzeige gehe eindeutig hervor, dass für die Stellenbesetzung ausschließlich als Anforderungsprofil
die Qualifikation eines Diplom-Betriebswirtes oder einer Diplom-Betriebswirtin mit dem Abschluss einer
Fachhochschule als zwingende Voraussetzung benannt und gefordert sei. Anderweitige
Hochschulabschlüsse seien für die Bewerbung nicht zugelassen worden, was sowohl für Universitäts- als
auch für Berufsakademieabschlüsse gelte. Aus dem Kreise der Bewerber seien aufgrund der
vorstehenden Maßgaben nur diejenigen berücksichtigt und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen
worden, die ausschließlich über das Anforderungsprofil eines Diplom-Betriebswirtes (FH)/Diplom-
Betriebswirtin (FH) verfügt hätten. Dieses Kriterium sei von wesentlicher Bedeutung, da der Bewerber über
fachhochschulspezifische Kenntnisse verfügen müsse. Es liege in der alleinigen Entscheidungsgewalt
des Arbeitgebers, welche Berufs- oder Ausbildungsgruppe durch die Stellenausschreibung angesprochen
werden solle. Ferner sei zu bedenken, dass ein an der Universität ausgebildeter Diplom-Kaufmann im
Falle der Einstellung einen Eingruppierungsanspruch nach Vergütungsgruppe II a BAT gehabt hätte.
Letztlich ergebe sich, dass unabhängig von dem Kläger auch kein weiterer der insgesamt 46 Kandidaten
ohne Abschluss Diplom-Betriebswirt (FH) zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, dass
der Kläger nicht aufgrund der Schwerbehinderung benachrichtigt worden sei. Dass im vorliegenden
Verfahren die Einschaltung des Arbeitsamtes bzw. Integrationsamtes unterblieben sei, sei im Betriebs-
und Verwaltungsablauf der Beklagten unüblich und als bedauerliches Versehen einzuordnen. Die
Urlaubsvertretung des ansonsten zuständigen Personalsachbearbeiters habe die Einschaltung
übersehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 25.08.2004 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es liege keine Benachteiligung des Klägers i. S. des § 81
Abs. 2 Satz 2 SGB IX vor. Eine unmittelbare Diskriminierung liege vor, wenn einer Person wegen einer
Schwerbehinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere
Person erfahre. Der schwerbehinderte Bewerber solle nicht der Darlegungs- und Beweislast dafür
enthoben werden, dass überhaupt, d. h. dem Grunde nach eine weniger günstige Behandlung als andere
Personen in vergleichbarer Situation vorliege. Der Kläger sei der ihm obliegenden Darlegungslast nicht
nachgekommen. Er hätte darlegen müssen, dass er eine weniger günstige Behandlung als andere
Personen in vergleichbarer Situation erfahren habe. Dies bedeute, er hätte darlegen müssen, dass
Bewerber, die wie er ebenfalls über einen Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann bzw. nicht über
einen Fachhochschulabschluss eines Diplom-Betriebswirtes verfügen, zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen worden seien. Dieser Sachvortrag wäre insbesondere deswegen erforderlich gewesen, da
nach dem Vortrag des beklagten Landes sich insgesamt 46 Kandidaten beworben hätten, von denen 20
zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sind, jedoch nur solche Kandidaten, die Diplom-
Betriebswirtinnen (FH) und bzw. Diplom-Betriebswirte (FH) seien. Sämtliche anderen Kandidaten mit
höheren oder niederwertigen Hochschul- oder Berufsabschlüssen seien nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag des beklagten Landes nicht eingeladen worden.
Das beklagte Land könne das Anforderungsprofil für die auszuschreibenden Arbeitsplätze in bestimmter
Art und Weise erstellen. Dabei unterliege es der freien Unternehmerentscheidung, das Anforderungsprofil
für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sei sogar
verpflichtet, vor einer Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle
festzulegen. Die geforderte Qualifikation an einen Diplom-Betriebswirt/Diplom-Betriebswirtin (FH) sei nicht
als abwegig oder unsachlich zu bewerten. Ob und inwieweit der Kläger aufgrund seines
Universitätsabschlusses und seiner mehrjährigen beruflichen Erfahrung diesen Qualifikationen
annähernd gleich komme, bedürfe keiner Entscheidung. Jedenfalls entspreche die Qualifikation nicht dem
seitens der Beklagten in rechtmäßiger Art und Weise erstellten Anforderungsprofil. Auch sei es nicht
relevant, dass die zu besetzende Stelle nicht dem Arbeitsamt gemeldet sei und der Kläger auch nicht zu
einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Allein die Verletzung dieser gesetzlichen Vorgaben
sei nicht als diskriminierende Benachteilung zu werten und löse deshalb kein Entschädigungsanspruch
aus. Hilfsweise hat das Arbeitsgericht die klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass eine
Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch entbehrlich war.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 25.09.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am 22.10.2004 Berufung
eingelegt und diese Berufung am 21.11.2004 begründet.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei nachteilig behandelt worden. Unstreitig sei, dass er als
Schwerbehinderter nicht zum Vorstellungsgespräch geladen wurde, geschweige denn die
ausgeschriebene Stelle erhalten habe. Statt seiner sei die Position mit einer nicht behinderten Bewerberin
besetzt. Somit sei auf den ersten Blick ersichtlich, dass er sowohl gegenüber den sonstigen, zumindest
zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbern ebenso schlechter gestellt wurde wie zu der
berücksichtigten Bewerberin. Das Arbeitsgericht habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass das
beklagte Land von vornherein nur Bewerber mit der Qualifikation eines Diplom-Betriebswirts/Diplom-
Betriebswirtin (FH) hätte einbeziehen dürfen. Dies sei nicht zutreffend. Das Arbeitsgericht hat oberflächlich
die Auffassung des beklagten Landes übernommen, lediglich Betriebswirte mit einem
Fachhochschulabschluss seien fachlich in der Lage, ein Controlling für eine praxisorientierte Hochschule
mit internationaler Ausrichtung und anwendungsorientierter Forschung durchzuführen. Im Bereich des
Controllings gebe es keine fachhochschulspezifischen Besonderheiten, geschweige denn
fachhochschulspezifische Kenntnisse, d. h. besondere Fertigkeiten, welche ausschließlich an einer
Fachhochschule gelehrt und vermittelt werden könnten. Solche zur Voraussetzung für die
Stellenbesetzung zu machen, sei dem entsprechend abwegig.
Im Einzelnen legt der Kläger die fachlichen Schwerpunkte eines Grundstudiums des bei einer
Fachhochschule zu absolvierenden Studiengangs des Diplom-Betriebswirts (FH) vor, der von ihm
absolvierte Studiengang des Diplom-Kaufmannes vermittele die Kenntnisse eines Diplom-Betriebswirts
(FH) vollumfänglich, erweitere diese und versehe sie mit einem größeren theoretischem Überbau.
Darüber hinaus habe er eine Zusatzqualifikation erworben. Es sei daher unter keinem Gesichtspunkt
nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht zu der Auffassung komme, die unterschiedliche Behandlung
von (FH)-Betriebswirten und Diplomkaufleuten sei weder abwegig noch unsachlich. Sie sei ganz im
Gegenteil sowohl abwegig als auch unsachlich. Damit stehe auch nicht die offensichtliche Ungeeignetheit
fest. Der Hinweis auf die höhere Eingruppierung oder vorhandene Planstelle gehe fehl, weil die
auszuübende Tätigkeit maßgeblich sei.
Des Weiteren habe er Tatsachen vorgetragen welche vermuten lassen, dass diese nachteilige
Behandlung aufgrund gerade der betreffenden Besonderheit des Antragstellers erfolgt sei. Dies sei
sowohl die unterbliebene Einschaltung des Arbeitsamtes als auch des Integrationsamtes als auch die
unterbliebene Anhörung zu einem Vorstellungsgespräch, zu dem das beklagte Land verpflichtet sei.
Nachdem die Höhe der zu erzielenden Bruttomonatsvergütung klargestellt wurde, hat der Kläger zuletzt
eine angemessene Entschädigung ausgehend von einem Bruttomonatsgehalt von 3.148,90 € verlangt.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. August 2004 im Rechtsstreit "A. ./. Land Rheinland-Pfalz",
gerichtliches Aktenzeichen: 1 Ca 825/04 wird vollumfänglich aufgehoben.
2. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung, mindestens
jedoch eine Entschädigung in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern á € 3.148,90, zu zahlen nebst 5 %
Zinspunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage.
3. Die Berufungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist notfalls gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt das angefochtene Urteil. Ein Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot voraus. Bei Nachweis des Verstoßes komme dem Kläger die Beweiserleichterung
entgegen. Er müsse beweisen, dass eine Ungleichbehandlung zwischen ihm und anderen
vergleichbaren Bewerbern vorliege und glaubhaft machen, dass diese Ungleichbehandlung auf der
Behinderung beruhe. Dies habe er weder bewiesen noch habe er glaubhaft gemacht, dass eine
Ungleichbehandlung kausal auf seine Behinderung zurückzuführen sei. Unstreitig erfülle er das
Anforderungsprofil nicht. Er sei kein Diplom-Betriebswirt FH. Aufgrund dessen sei er genau wie seine
Mitbewerber und Mitbewerberinnen die ebenfalls keinen betriebswirtschaftlichen Diplom-Abschluss
nachweisen konnten, nicht für die Stellenbesetzung berücksichtigt worden.
Welchen Stellenwert die Ausbildung des Klägers im Verhältnis zum Studiengang Diplom-Betriebswirt (FH)
habe, sei nicht erheblich. Weder der Kläger noch ein anderer Bewerber könnten vorschreiben, dass die
Fachhochschule auch andere Qualifikationen zu berücksichtigen habe, wenn sie eine ganz bestimmte
Ausbildung zu ihrem Stellenangebot voraussetze. Eine Benachteiligung des Klägers habe deshalb nicht
stattgefunden. Er sei genau so behandelt worden wie jeder andere Bewerber, der das Anforderungsprofil
im Stellenangebot nicht erfüllt habe. Er habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass die angebliche
Ungleichbehandlung auf der Behinderung beruhe. Die Tatsache, dass er nicht zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, sei nicht geeignet, eine nachteilige Behandlung aufgrund der
Schwerbehinderung glaubhaft zu machen. Unstreitig sei das auch andere Bewerber, die nicht schwer
behindert seien, aus den gleichen Gründen nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden seien, wie
sie auch beim Kläger vorgelegen haben.
Der Entschädigungsanspruch werde auch nicht dadurch ausgelöst, dass das beklagte Land die neu zu
besetzende Stelle nicht dem Arbeitsamt gemeldet und den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird
auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zu den Sitzungsprotokollen vom
27.01.2005 und vom 01.09.2005.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, auch nicht in Form des schließlich gestellten
Antrages auf Zahlung einer konkreten Entschädigung in Höhe von mindestens drei
Bruttomonatsgehältern.
II.
Die Klage ist bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die
Höhe der von ihm begehrten Geldzahlung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Ein derartiger
Klageantrag ist zulässig, wenn die Bestimmung von einer gerichtlichen Schätzung oder billigem
Ermessen des Gerichts abhängig ist.
Die Tatsachen, die das Gericht für die Schätzung heranzuziehen hat, sind vom Kläger benannt. Er hat die
Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben.
Für den Fall der Diskriminierung eines schwer behinderten Stellenbewerbers bei der Einstellung sieht §
81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SG IX eine Entschädigung in angemessener Höhe vor. Der
Entschädigungsanspruch wird auf drei Monatsverdienste beschränkt, wenn der schwer behinderte
Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S.
1 SGB IX).
Das Begehren des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Ein Anspruch des Klägers kommt allein nach § 81 Abs. 2 SGB IX, der bei einer Benachteiligung für
behinderte Bewerber unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche vorsieht, in Betracht.
Diese Regelung ist abschließend. Sie ist § 611 a BGB nachgebildet und dient zudem der Umsetzung der
EG-Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichberechtigung
in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000). Die zu § 611 a BGB
entwickelten Grundsätze können deshalb zur Auslegung des § 81 Abs. 2 SGB IX ebenso herangezogen
werden wie die Vorgaben der Richtlinie.
Nach § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 1 S. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber einem schwer behinderten
Bewerber, den er bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses benachteiligt hat, selbst dann eine
angemessene Entschädigung zu leisten, wenn der Bewerber bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht
eingestellt worden wäre.
Diese Bestimmung unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil bei der Bemessung der
Entschädigung allein auf den immateriellen Schaden abzustellen ist. Jede Diskriminierung wegen einer
Schwerbehinderung stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, der auch nach
allgemeinen Grundsätzen zu Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen führen würde.
Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch besteht nicht. Es liegen nicht die tatsächlichen
Voraussetzungen einer Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vor, weder als
unmittelbare noch als mittelbare.
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unmittelbaren Diskriminierung sind nach den Grundsätzen des
§ 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 3 SGB IX festzustellen. Im Streitfall muss der schwerbehinderte Beschäftigte
Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, dann
trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene sachliche Gründe
vorliegen. Damit ist zugleich festgelegt, dass solche Gründe unabhängig von den in § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
S. 2 SGB IX genannten Fallgestaltung eine Benachteiligung wegen der Behinderung rechtfertigen. Eine
unmittelbare Diskriminierung liegt dabei schon dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber für seine
Entscheidung Gründe hat, die nicht auf die Behinderung bezogen sind. Dann knüpft er gerade nicht an die
Behinderung unmittelbar an. Das entspricht Art. 10 Abs. 1 der vorbezeichneten Rahmenrichtlinien.
Danach obliegt es immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten, Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer
unmittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, dem Beklagten zu beweisen, dass keine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatz vorgelegen hat.
Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass er Tatsachen vorgetragen hat, die vermuten lassen, dass er
wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt wurde.
Er kann die Beweislast des Arbeitsgebers dadurch herbeiführen, dass er Hilfstatsachen darlegt und ggf.
unter Beweis stellt, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lassen.
Das Gericht muss die Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen
Schwerbehinderteneigenschaft und Nachteil gewinnen.
Aufgrund des unstreitigen Tatsachenvortrages der Parteien ist davon auszugehen, dass dem beklagten
Land ein Gesetzesverstoß zur Last fällt, der nach diesen Grundsätzen eine Diskriminierung wegen der
Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lässt. Die Kammer unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die
Rahmenrichtlinie auch positive Maßnahmen zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
zulässt und damit auch Verletzungen von speziellen Regelungen, die bestimmte Arbeitgeber zu
besonderen Anstrengungen verpflichten, eine Vermutung begründen können. Daher ist die unterbliebene
Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, welche öffentlichen Arbeitgebern auferlegt wird, zur
Glaubhaftmachung einer Benachteiligung geeignet. Weiterhin ist die Verletzung des Verfahrens, das
Arbeitsamt bzw. Integrationsamt von der Stellenbesetzung zu informieren, geeignet, eine Diskriminierung
wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten zu lassen. Die Verletzung dieser
Verfahrenvorschriften lässt auf eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung schließen. Denn
diese Verfahrensvorschriften sind zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen aufgestellt worden.
Verletzt ein Arbeitgeber die zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen aufgestellten
Verfahrensvorschriften, ist nicht auszuschließen, dass sie diese Verfahrensvorschriften deswegen außer
Acht lässt, weil er schwer behinderte Mitarbeiter benachteiligen will.
Der Kläger hat aber gegen das beklagte Land deswegen keinen Anspruch auf eine Entschädigung, weil
die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung entkräftet ist.
Die vom beklagten Land getroffene Personalentscheidung beruht darauf, dass der Kläger das vom
beklagten Land aufgestellte Anforderungsprofil nicht erfüllt. In der aufgegebenen Anzeige ist das
Anforderungsprofil eindeutig als das eines Diplom-Betriebswirts/Diplom-Betriebswirtin FH bezeichnet.
Unstreitig hat der Kläger diese Ausbildung nicht.
Ein Arbeitgeber kann das Anforderungsprofil für den auszuschreibenden Arbeitsplatz in bestimmter Weise
erstellen. Dabei unterliegt es seiner freien unternehmerischen Entscheidung, das Anforderungsprofil für
einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Die Unternehmerentscheidung kann nur darauf überprüft
werden, ob sie offenbar unsachlich oder willkürlich ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte
Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit einer besonderen, bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen,
ist grundsätzlich zu respektieren. Dabei ist sogar ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nach Art. 33
Abs. 2 GG verpflichtet, vor einer Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle
festzulegen (BAG AP Nr. 59 zu Art. 33 GG). Deshalb konnte und musste das beklagte Land, wenn sie Wert
auf den Abschluss eines betriebswirtschaftlichen Studienganges an einer Fachhochschule legte, diese in
der Stellenausschreibung herausstellen.
Die geforderte Qualifikation als Diplom-Betriebswirt/Diplom-Betriebswirtin (FH) ist, wie vom Arbeitsgericht
zutreffend festgestellt, nicht als abwegig oder unsachlich zu bewerten.
Hier folgt die Kammer der Argumentation des beklagten Landes, wonach nicht der Kläger vorschreiben
kann, welche Ausbildungsgänge als Voraussetzung für eine zu besetzende Stelle von der
Fachhochschule aufgestellt werden. Bereits aufgrund des Umstandes, dass die Fachhochschule Diplom-
Betriebswirte (FH) selbst ausbildet, begründet die Berechtigung, für die von ihnen zu besetzende Stellen
auch diese entsprechenden Studienqualifikationen zu berücksichtigen und andere, möglicherweise auch
gleichwertige oder besser qualifizierte Studiengänge nicht zu berücksichtigen.
Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass kein einziger Bewerber, der nicht über die Qualifikation eines
Diplom-Betriebswirts/Diplom-Betriebswirtin FH verfügte, in die Vorauswahl durch das beklagte Land
einbezogen wurde. Somit kann lediglich festgestellt werden, dass der Kläger zwar objektiv benachteiligt
wurde, er wurde weder zu einem Vorstellungsgespräch geladen noch gar eingestellt, dass diese
Benachteiligung aber nicht auf seiner Schwerbehinderung beruhte, sondern die Benachteiligung allein
dadurch bedingt war, dass er nicht über den geforderten Abschluss als Diplom-Betriebswirt (FH) verfügt.
Letztlich liegt also nur eine unmittelbare Diskriminierung von Diplom-Kaufleuten mit Universitätsabschluss
vor, die im Verhältnis zu Diplom-Betriebswirten (FH) benachteiligt wurden. Dies löst aber keinen
Entschädigungsanspruch aus.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend macht, das beklagte Land habe das Anforderungsprofil
nicht festsetzen dürfen, verkennt er, dass es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers ist, Anforderungsprofile
für die von ihm ausgeübten Tätigkeiten aufzustellen. Der Umstand, dass im Bereich der Fachhochschule
Studienabschlüsse als Diplom-Betriebswirt (FH) vermittelt werden und nicht Studienabschlüsse eines
Diplom-Kaufmanns mit Universitätsabschluss, rechtfertigt es, dass allein schon aus
Werbungsgesichtspunkten für diesen Studienabschluss entsprechenden Bewerbern eine
Beschäftigungsmöglichkeit geboten wird, während anderen Bewerbern mit höherwertigen Abschlüssen
gerade die Betätigung im Bereich der Fachhochschule nicht zur Verfügung gestellt werden soll.
Dabei kann es unerheblich bleiben, ob die von dem beklagten Land geäußerte Rechtsauffassung
zutreffend ist, eine Einstellung des Klägers hätte zu einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a
BAT geführt, zutreffend ist. Immerhin spricht vieles dafür, dass für die Eingruppierung die auszuübende
Tätigkeit maßgebend ist. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass die Beschäftigung eines
überqualifizierten Mitarbeiters auf einer Stelle, die die entsprechenden subjektiven Voraussetzungen nicht
erfüllt, zu Reibungen oder zu Anspruchsdenken führen können.
Das beklagte Land konnte rechtsfehlerfrei das Anforderungsprofil auf einen Diplom-Betriebswirt (FH)
beschränken, die Nichtauswahl des Klägers ist daher nicht wegen unsachlicher oder willkürlicher Motive
erfolgt. Die Auswahlentscheidung, die sich dokumentiert in der Ausschreibung und dem anschließenden
Auswahlverfahren ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Dabei kann der Kläger sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er wegen der Neuerungen in der
Regelung der Arbeitslosenunterstützung gezwungen ist, sich auf niedriger qualifizierte Stellen zu
bewerben, gleichzeitig der öffentliche Arbeitgeber aber höher qualifizierte behinderte Bewerber von
vornherein rechtlich einwandfrei von der Einbeziehung der Auswahl ausschließen könnte. Hierbei ist
entscheidend darauf abzuschließen, dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung nicht ausgewählt
wurde, sondern weil er nicht die von der Fachhochschule zutreffend festgesetzten Qualifikationen erfüllt.
III.
Eine mittelbare Diskriminierung scheidet ebenfalls aus.
Diese liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahrenspersonen mit
einer bestimmten Behinderung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen
können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel
sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Hierbei kann nicht zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass schwer behinderte Menschen durch
das aufgestellte Kriterium Diplom-Betriebwirt (FH) häufiger betroffen werden können, als andere Personen
in der gleichen Lage. Die Gleich- oder Höherqualifizierung eines Diplom-Kaufmanns mit
Universitätsabschluss gegenüber einem Diplom-Betriebwirt FH ist kein Kriterium, welches bei schwer
behinderten Menschen häufiger auftritt als bei nicht Schwerbehinderten.
IV.
Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kammer hat wegen
grundsätzlicher Bedeutung wegen der Frage der Erstellung eines Anforderungsprofils die Revision
zugelassen.