Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 22.12.2004

LArbG Mainz: firma, kündigung, arbeitsgericht, geschäftsführer, anstellungsvertrag, informationstechnologie, gesellschafterversammlung, beendigung, wechsel, konzern

LAG
Mainz
22.12.2004
9 Ta 230/04
Rechtsweg bei ruhendem Arbeitsverhältnis eines Geschäftsführers
Aktenzeichen:
9 Ta 230/04
3 Ca 1073/04
ArbG Mainz
Entscheidung vom 22.12.2004
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mainz vom
21.09.2004, Az.: 3 Ca 1073/04 abgeändert und der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für
zulässig erklärt.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
Der Kläger war seit dem 01.05.1998 bei der Firma Z AG als Leiter des Bereiches Informationstechnologie
auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 10./11.03.1998 (Bl. 9 ff. d. A.) beschäftigt.
Die Firma Z AG wurde später in die Firma Y Deutschland AG und Co. KG umgewandelt.
Am 29.09.2000 beschloss die Gesellschafterversammlung der Firma Z GmbH für die Zeit ab 01.10.2000
die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer. Gleichzeitig sollten die Bereiche Personalwesen,
Rechnungswesen und Informationstechnologie der Z AG (Holding) zur Beklagten, welche durch
Umfirmierung der Firma Z GmbH entstand, ausgegründet werden. Der Kläger sollte die Funktion des
Geschäftsführers für den Bereich Informationstechnologie bei der Beklagten übernehmen und darüber
hinaus die Verantwortung für die Informationstechnologie im Konzern weiterhin tragen. Ein schriftlicher
Geschäftsführerdienstvertrag wurde nicht geschlossen; desweiteren wurden keine weiteren
Vereinbarungen getroffen. Am 25.01.2001 wurde die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der
Beklagten in das Handelsregister eingetragen.
Mit Schreiben vom 09.04.2002 (Bl. 14 d. A.) teilte die Firma Y Deutschland AG & Co. KG dem Kläger mit,
dass im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Neuordnung des gesamten Unternehmens das
Arbeitsverhältnis des Klägers im Konzern von der Firma Y Deutschland AG & Co. KG auf die Beklagte im
Sinne des § 613 a BGB übergegangen sei. Die Firma Y Deutschland AG & Co. KG und die Beklagte sowie
der Kläger schlossen anschließend folgende Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag:
"§ 1
Vertragsgegenstand
Zwischen der Y KG und dem Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsverhältnis. Aufgrund einer
gesellschaftsrechtlichen Neuordnung des Unternehmens tritt nunmehr die GmbH an die Stelle der Y KG,
das heißt, es findet ein Wechsel der Vertragspartei auf Seiten des Arbeitgebers statt.
§ 2
Wechsel des Arbeitgebers
Mit Wirkung zum 01.04.2002 tritt die GmbH an die Stelle der Y KG. Beginnend mit dem 01.04.2002 besteht
das Arbeitsverhältnis damit ausschließlich zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer. Zwischen der Y
KG und der GmbH besteht Einvernehmen, dass die Bezüge des Arbeitnehmers ab 1. April 2002 von der
GmbH getragen werden.
§ 3
Sonstige Vertragsmodalitäten
Sämtliche zwischen den vormaligen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Regelungen bezüglich des
Arbeitsverhältnisses behalten ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen der GmbH und dem
Arbeitnehmer."
Im Laufe des Jahres 2002 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines schriftlichen
Geschäftsführervertrages unter gleichzeitiger Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses an; in
diesem Zusammenhang legte die Beklagte dem Kläger einen schriftlichen Vertragsentwurf (vgl. Bl. 88 ff. d.
A.) vor. Der Kläger lehnte die Unterzeichnung dieser Vereinbarung ab.
Ab dem 01.10.2002 erhielt der Kläger eine Gehaltserhöhung (vgl. das Schreiben vom 27.11.2002 = Bl. 15
d. A.).
Mit Schreiben vom 22.03.2004, das dem Kläger am 29.03.2004 zugegangen ist, teilte die Beklagte mit:
"Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages
Sehr geehrter Herr A.,
gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19. März 2004 kündigen wir das seit dem 01. Mai
1998 mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 30. September 2004.
…"
Desweiteren teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.04.2004 (Bl. 17 d. A.) mit, dass gemäß
Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 01.04.2004 seine Bestellung als Geschäftsführer der
Gesellschaft sofort widerrufen sei.
Der Kläger hat mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz eingereichten Klage die Feststellung begehrt, dass
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 22.03.2004 nicht mit Ablauf des
30.09.2004 aufgelöst worden ist.
Der Kläger hat geltend gemacht,
das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die ausgesprochene Kündigung nicht
aufgelöst worden, da diese Kündigung gemäß § 1 KSchG unwirksam sei. Der Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten sei eröffnet, zumal das Arbeitsverhältnis zumindest bis zu der Kündigung fortbestanden
habe.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten,
der schriftliche Anstellungsvertrag des Klägers vom 10./11.03.1998 sei zur Rechtsgrundlage für das
Geschäftsführerverhältnis geworden. Unter Beachtung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichtes vom
20.08.2003 sei auch hier davon auszugehen, dass sich das Geschäftsführerverhältnis zwar nach den
arbeitsvertraglichen Bestimmungen richte, zumal keine anderen Vereinbarungen getroffen worden seien,
jedoch dienten die arbeitsvertraglichen Bestimmungen lediglich der Definition des
Geschäftsführerverhältnisses. Für die Beendigung dieses Dienstverhältnisses seien aber die
Arbeitsgerichte nicht zuständig.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 21.09.2004 (Bl. 104 ff. d. A.) festgestellt, dass der
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben ist; desweiteren hat das Arbeitsgericht den
Rechtsstreit an das Landgericht Mainz verwiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen
ausgeführt, grundlegende Voraussetzung für das Bestehen eines ruhenden Arbeitsverhältnisses neben
einem Geschäftsführerverhältnis sei, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung
vorliege. Liege nur ein Vertrag vor, auf dessen Grundlage der Geschäftsführer tätig sei, so müsse von
einem einheitlichen Anstellungsverhältnis ausgegangen werden. Für das Vorliegen von zwei
Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits gebe es keinen
Anhaltspunkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 2 ff. des
Beschlusses vom 21.09.2004 (Bl. 105 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 28.09.2004 zugestellt worden ist, hat
hiergegen am 12.10.2004 sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Kläger macht geltend,
die Gerichte für Arbeitssachen seien für die Entscheidung des Rechtsstreites zuständig. Dies ergebe sich
zum einen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, wonach bei einer Berufung auf das
Kündigungsschutzgesetz stets das Arbeitsgericht zuständig sei und zum anderen aus dem Umstand, dass
vorliegend neben dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis des Klägers ein ruhendes Arbeitsverhältnis
bestanden habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers
vom 12.10.2004 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat der sofortigen Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 01.11.2004 nicht
abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und
insbesondere auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 GVG,
78 Satz 1 ArbGG, 567 ff. ZPO zulässig.
Darüber hinaus ist die sofortige Beschwerde auch begründet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Beschluss vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 =
AP Nr. 10 zu § 3 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung m.w.N.) ist der Rechtsweg zu den Gerichten für
Arbeitssachen bereits dann eröffnet, wenn die beantragten Feststellungen voraussetzen, dass ein
Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Klageerfolg hängt bei dieser Antragstellung auch von Tatsachen ab,
die zugleich für die Bestimmung des Rechtsweges relevant sind.
Im vorliegenden Fall kann die beantragte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
durch die Kündigung vom 22.03.2004 nicht aufgelöst worden ist, nur getroffen werden, wenn inzident
feststeht, dass zum Kündigungszeitpunkt überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestand. Hierbei handelt es sich
um ein doppelrelevantes Prüfkriterium, so dass allein deshalb schon der Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten eröffnet ist. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG schließt dies nicht von vornherein aus,
da zeitgleich zu einem Geschäftsführerverhältnis ein (ruhendes) Arbeitsverhältnis bestehen kann.
Unabhängig hiervon ist für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch
unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG eröffnet. Nach dieser gesetzlichen Regelung sind die
Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen
Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses.
Zwischen den Prozessparteien bestand zum Kündigungszeitpunkt neben dem Geschäftsführerverhältnis
ein klar abtrennbares Arbeitsverhältnis. Dieses Arbeitsverhältnis ist durch den schriftlichen
Anstellungsvertrag vom 10./11.03.1998 zwischen dem Kläger und der Firma Z AG begründet worden, ging
durch Betriebsübergang auf die Beklagte über und wurde jedenfalls bis zu der streitgegenständlichen
Kündigungserklärung nicht formwirksam beendet. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von
Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; diese
gesetzliche Regelung ist auf das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis anwendbar.
Es mag sein, dass im vorliegenden Fall Unsicherheit darüber besteht, was Inhalt des
Geschäftsführerverhältnisses geworden ist; keinerlei Unsicherheit besteht aber darüber, was Inhalt des
Arbeitsverhältnisses war, zumal dies in dem schriftlichen Anstellungsvertrag dezidiert geregelt worden ist.
Es ist denkbar, dass zumindest Teile des schriftlichen Anstellungsvertrages auch Rechtsgrundlage für das
Geschäftsführerverhältnis wurden; ob und inwieweit dies tatsächlich der Fall war, bedarf aber nicht der
Klärung, da dies nicht Streitgegenstand des vom Kläger eingeleiteten Rechtsstreites ist. Nach Auffassung
der Berufungskammer ist jedenfalls strikt zu unterscheiden zwischen den schuldrechtlichen Verhältnissen,
welche zwischen den Parteien bestanden, und den zugrunde liegenden Verträgen. Dass für das
Geschäftsführerverhältnis keine klaren vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden sind, führt
jedenfalls nicht dazu, dass dann der Inhalt des schriftlichen Anstellungsvertrages zur Grundlage des
Geschäftsführerverhältnisses wurde und hierdurch "verbraucht" wurde für das Arbeitsverhältnis mit der
Folge, dass dieses beendet ist.
Die vorliegend dargestellte Auffassung wird im Übrigen auch durch die vertragliche Vereinbarung aus
dem Jahr 2002 zwischen der Firma Y Deutschland AG & Co. KG, der Beklagten und dem Kläger (Bl. 36 d.
A.) bestätigt. Die Vertragspartner haben hier unter § 3 hervorgehoben, dass die bisherigen
Arbeitsvertragsregelungen, welche zwischen dem Kläger und der Firma Y Deutschland AG & Co. KG
bisher galten, ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen den Prozessparteien behalten. Eine
solche Vereinbarung wäre nicht getroffen worden, wenn die Parteien hier davon ausgegangen wären,
dass gar kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe, sondern lediglich ein Geschäftsführerverhältnis, welches
auf einem Arbeitsvertrag beruhe.
Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ist im Übrigen auch nicht mit jenem vergleichbar, der dem
Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.08.2003 (Az.: 5 AZB 79/02 = AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG
1979) zur Entscheidung vorlag. Denn in dem Fall des Bundesarbeitsgerichtes wurde ein
Geschäftsführerverhältnis von Anfang an durch einen Anstellungsvertrag begründet, so dass zu keinem
Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestand. Im vorliegenden Fall bestand aber unstreitig ursprünglich ein
Arbeitsverhältnis, das - wie ausgeführt - jedenfalls bis zum Kündigungszeitpunkt nicht beendet worden ist.
Nach alledem war der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mainz vom 21.09.2004 abzuändern und
festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand unter Beachtung von § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG kein
gesetzlich begründeter Anlass.