Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 01.07.2003

LArbG Mainz: arbeitsgericht, auflage, zustellung, entscheidungskompetenz, quelle, datum, bindungswirkung, unterlassen, arbeitsrecht

Arbeitsrecht
LAG
Mainz
01.07.2003
2 Ta 839/03
Aktenzeichen:
2 Ta 839/03
8 Ca 477/03 KL
Entscheidungsdatum: 01.07.2003
Tenor:
Unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20.06.2003 - 8 Ca
477/03 - wird das Beschwerdeverfahren an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, damit das
Arbeitsgericht die Nichtabhilfeentscheidung über die sofortige Beschwerde trifft.
Gründe:
I.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch Vorabbeschluss der Kammer über den Rechtsweg in dem vor
dem Arbeitsgericht erhobenen Klageverfahren der Klägerin mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, sie
für die Zeit vom 01.04.2000 bis 31.01.2003 in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern,
entschieden. In diesem Beschluss hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht
eröffnet erachtet und das Verfahren an das Sozialgericht Speyer verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin schon vor der förmlichen Zustellung und nochmals am Folgetag
nach der förmlichen Zustellung sofortige Beschwerde eingelegt, weil nach ihrer Auffassung aufgrund der
einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Rechtsweg zu den Gerichten für
Arbeitssachen eröffnet sei.
Daraufhin hat der Vorsitzende allein folgenden Beschluss erlassen:
"Die Sache wird dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe:
Nach § 572 I ZPO ist in der neueren Fassung bei der sofortigen Beschwerde die Abhilfe möglich.
Gleichzeitig bleibt aber § 318 ZPO unberührt (§ 572 I ZPO). Damit ist das Gericht aber an urteilsähnliche
Entscheidungen selbst gebunden (Zöller § 318 ZPO Rn 9) und es war doch keine Abhilfeentscheidung zu
treffen."
II.
Die Vorlageverfügung des Vorsitzenden vom 20.06.2003 war aufzuheben und das Beschwerdeverfahren
an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, damit zunächst eine ordnungsgemäße
Nichtabhilfeentscheidung durch das Arbeitsgericht vorgenommen wird.
Wenngleich bei Rechtswegentscheidungen eine Zurückverweisung in der Sache regelmäßig ausscheidet,
weil das Beschwerdegericht aus Gründen der Prozessbeschleunigung gehalten ist, in der Sache selbst zu
entscheiden, gilt dieser Grundsatz aber nicht, wenn noch nicht einmal eine ordnungsgemäße
Nichtabhilfeentscheidung durch das Vordergericht vorgenommen worden ist. Dies ist vorliegend der Fall.
Die Rechtsauffassung des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts ist in hohem Maße rechtsirrig. Im Übrigen hat
er allein eine Entscheidung getroffen, die in die Entscheidungskompetenz der Kammer fällt.
Nach § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das erstinstanzliche Gericht bei einer sofortigen Beschwerde im Sinne der
§§ 567 ff. ZPO, bei der es sich bei der Rechtswegentscheidung aufgrund von § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG
zweifelsfrei handelt, eine Nichtabhilfeentscheidung zutreffen. Diese gesetzliche Regelung wurde durch
das ZPO-Reformgesetz vom 17.05.2001, in Kraft getreten am 01.01.2002, neu eingeführt. Eine derartige
Nichtabhilfeentscheidung hat vorliegend das Vordergericht unter Verkennung des Umfanges von § 572
Abs. 1 Satz 2 ZPO unterlassen. Nach dieser Norm bleibt § 318 ZPO unberührt. Das bedeutet, dass
unabänderliche und bindende Beschlüsse, die etwa auf eine sofortige Beschwerde hin ergangen sind,
eine Bindungswirkung entfalten. Frühere rechtskrafterlangende Nebenentscheidungen, die im jeweiligen
Prozessverfahren getroffen wurden, können nun auch nicht mehr nachträglich in einem sofortigen
Beschwerdeverfahren nach § 567 ff. ZPO unmittelbar oder mittelbar doch noch abgeändert werden (vgl. z.
B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 318 Rz. 9). Soweit sich der Vorsitzende des Arbeitsgerichts auf
die gleiche Fundstelle der Literatur beruft, übersieht er, dass das vorliegende Beschwerdeverfahren über
den gesetzlich gegebenen Rechtsweg gerade noch nicht zuvor rechtskräftig entschieden worden war,
sondern gerade Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist. Wäre die Auffassung des
Vorsitzenden des Vordergerichts richtig, dann müsste das Arbeitsgericht nie eine
Nichtabhilfeentscheidung treffen. Dies ist, wie § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO zweifelsfrei zu entnehmen ist, nicht
der Fall. Dass ein Vorabbeschluss über den Rechtsweg eine "urteilsähnliche" Entscheidung sein soll, die
die Instanz beendet, ist § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG nicht zu entnehmen, weil insoweit nur der Rechtsweg für
das gesamte Prozessverfahren verbindlich festgelegt wird. Auch fehlt jegliche Begründung des
Vorsitzenden des Arbeitsgerichts für diese Rechtsauffassung.
Die Abhilfeentscheidung durch den Vorsitzenden allein hat vorliegend auch die gesetzliche
Entscheidungskompetenz für die Nichtabhilfeentscheidung missachtet. Da § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO
zwischen dem "Gericht" und dem "Vorsitzenden" unterscheidet, trifft in allen Fällen, in denen die
angefochtene Entscheidung zwingend die Kammer treffen musste, die Nicht- bzw. Abhilfeentscheidung
auch die Kammer selbst. Dass diese in der selben Besetzung entscheiden muss, die die angefochtene
Entscheidung erlassen hat, schreibt das Gesetz nicht vor (Schmidt/Schwab/Wildschütz, NZA 2001, 1225;
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Auflage, § 78 Rz. 10).
In der Sache bleibt zu hoffen, dass sich die Kammer des Arbeitsgerichtes auch mit der einschlägigen
Rechtsprechung des BAG (vgl. etwa AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG) wenigstens auseinandersetzt.
S