Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.07.2009

LArbG Mainz: befristete rente, erwerbsfähigkeit, beendigung, gespräch, arbeitsgericht, kopie, altersrente, quelle, beweislast, hinweispflicht

LAG
Mainz
20.07.2009
5 Sa 176/09
Aufklärungspflicht des Arbeitgebers
Aktenzeichen:
5 Sa 176/09
6 Ca 394/08
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Urteil vom 20.07.2009
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - a. K. Landau - vom
24.2.2009 - 6 Ca 394/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten
Schadensersatz wegen einer Fürsorgepflichtverletzung annlässlich der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses verlangen kann.
Der Kläger war bei der Beklagten vom 12.07.1977 bis zum 31.12.2002 beschäftigt. Er erhielt mit
Rentenbescheid vom 04.05.2004 auf seinen Antrag hin Rente wegen voller Erwerbsminderung
beginnend ab dem 01.07.2003 befristet bis zum 31.03.2006. Mit Rentenbescheid vom 14.12.2005 wurde
dem Kläger auf seinen Antrag eine - unbefristete - Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem
01.01.2006 in Höhe von monatlich 833,93 € bewilligt.
Der Kläger war vom 23.09.2002 bis 05.01.2003 durchgehend krankgeschrieben.
Im Betrieb der Beklagten hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung aus Versorgungsgründen auf der Grundlage von Kapitalbausteinen vereinbart, die sich
nach Grundsätzen richten, die in der Betriebsvereinbarung vom 22.10.1990 niedergelegt wurden. Diese
wurde abgelöst durch die Betriebsvereinbarung zur Modernisierung und Neuordnung der betrieblichen
Altersversorgung vom 19.12.2002. Hinsichtlich des Inhalts dieser Regelungen wird auf Blatt 6 ff. d. A.
Bezug genommen.
Kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses fand zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter der
Beklagten, Herrn H. ein Gespräch über die Betriebsrentenansprüche des Klägers statt.
Der Kläger hat vorgetragen,
da die Beklagte ihm nicht nahegelegt habe, ab dem 01.01.2003 eine unbefristete Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit durch die gesetzliche Rentenversicherung zu beantragen, sei ihm ein
Schaden in Höhe von 9.910,00 € entstanden, da ihm anstelle des tatsächlich ausgezahlten Betrags in
Höhe von 33.757,00 € eine Garantieleistung in Höhe von 43.148,00 € zugestanden habe. Aufgrund der
zahlreichen verschiedenen Erkrankungen, die er im Jahr 2002 erlitten habe, sei es für ihn möglich
gewesen, eine unbefristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 9.910,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
Basiszinssatz seit 22.03.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
ihr sei erst am 07.12.2006 an der Pforte ohne weiteren Kommentar die Kopie eines
Schwerbehindertenausweises des Klägers übergegeben worden. Von daher sei für die Beklagte auch in
Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger im Jahr 2002 gearbeitet habe, nicht erkennbar gewesen, dass
dieser auf Dauer vermindert erwerbsfähig sei. Deshalb habe die Beklagte keine Veranlassung gehabt,
den Kläger auf die Geltendmachung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente hinzuweisen. Im
Übrigen sei kraft Gesetzes (§ 102 Abs. 2 SGB VI) vorgesehen, dass Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit zunächst nur auf Zeit geleistet werden. Der Kläger sei auch nicht vom 23.09.2002 bis
05.01.2003 durchgängig arbeitsunfähig gewesen, sondern lediglich vom 11.11. bis zum 30.11. und
10.12.-13.12.2002. Der Kläger überspanne die Reichweite der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wenn er
von seinem Arbeitgeber Aufklärungspflichten über Sachverhalte verlange, die sich dem Arbeitgeber
aufgrund fehlender objektiver Gegebenheiten gar nicht aufdrängten.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat die Klage daraufhin durch Urteil
vom 24.02.2009 - 6 Ca 394/08 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und
Entscheidungsgründen wird auf Blatt 110 bis 121 der Akte Bezug genommen.
Gegen das ihm am 03.03.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 24.03.2009 beim
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung
durch am ß6.05.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, in dem zuvor
dargestellten Gespräch sei ihm von Seiten der Beklagten ausdrücklich angeraten worden, zunächst
Arbeitslosengeld zu beantragen und später Altersrente in Anspruch zu nehmen. Auf die Besonderheit im
Falle der Inanspruchnahme der unbefristeten Erwerbsminderungsrente sei der Kläger nicht hingewiesen
worden. Aufgrund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit vom 23.09.2002 bis zum Beendigungszeitpunkt des
Arbeitsverhältnisses am 31.12.2002 habe Veranlassung für die Beklagte bestanden, anzunehmen, dass
für den Kläger die Möglichkeit bestanden habe, eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung zu
beantragen und zu erhalten. Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die
Berufungsbegründungsschrift vom 05.05.2009 (Bl. 142 - 144 d. A.), sowie den Schriftsatz vom 07.07.2009
(Bl. 161, 162 d. A. nebst Anlagen = Bl. 163 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 24.02.2009, Az.: 6 Ca
394/08, wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 9.910,00 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.03.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens und hebt insbesondere hervor, aufgrund rechtskräftiger Entscheidung des
Rentenversicherungsträgers sei dem Kläger, was unstreitig ist, und wie es auch der gesetzliche Regelfall
in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sei, lediglich eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung zunächst
zugebilligt worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, was unstreitig ist, der Kläger in der Zeit vom
01.07.2003 bis zum 31.12.2005, so wie durch die Betriebsvereinbarung vorgesehen, ein
Überbrückungsgeld in Höhe von 4.894,91 € brutto erhalten habe. Diese Zahlung sei nur erfolgt, weil der
Kläger gerade keine unbefristete Erwerbsminderungsrente erhalten habe. Im Übrigen liege eine
Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Von den medizinischen Ursachen einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit des Klägers habe die Beklagte bis nach dem Zeitpunkt der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses keinerlei Kenntnis gehabt. Eine Kopie des aus Mai 2005 datierenden
Schwerbehindertenausweises sei ihr erst im Dezember 2006 zugegangen. Bei dem vom Kläger
angeführten Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn H., sei es unstreitig um die
Betriebsrente gegangen. Bezogen auf diese müsse eine Beratung durch den Arbeitgeber zwar umfassend
sein, sie sei aber umfassend und zutreffend erfolgt. Leistungen der allgemeinen
Rentenversicherungsträger seien nicht Gesprächsthema gewesen. Insoweit sei der Kläger für die
Geltendmachung allgemeiner Rentenansprüche selbst verantwortlich.
Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom
03.06.2009 (Bl. 154 - 158 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten
gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 20.07.2009.
Entscheidungsgründe:
I.
64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
II.
Denn das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch dem
Kläger gegenüber der Beklagten nicht zusteht.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch könnte nur dann begründet sein, wenn die Beklagte eine ihm
gegenüber bestehende Aufklärungs- und Hinweispflicht (§ 242 BGB) aus Anlass die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses verletzt hätte. Insoweit ist aber jeder Vertragspartner grundsätzlich selbst für die
Wahrnehmung seiner Interessen verantwortlich. Insoweit wird hinsichtlich des weiteren
Prüfungsmaßstabes zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen
arbeitsgerichtlichen Entscheidung (Seite 5, 6 = Bl. 119, 120 d. A.) Bezug genommen.
Wenn allerdings der Arbeitgeber sich entschließt, aufzuklären und zu beraten, so müssen die sodann
erteilten Auskünfte vollständig und zutreffend sein. Ist dies nicht der Fall und erleidet der Arbeitnehmer
dadurch einen Schaden, ist der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat im Einzelnen, ohne, dass
dies der Kläger bestritten hat, vorgetragen, in dem von ihm angeführten Gespräch mit dem Personalleiter
sei es lediglich um seine Ansprüche auf Betriebsrente bei der Beklagten gegangen. Anhaltspunkte dafür,
dass die Beklagte insoweit falsche Auskünfte erteilt haben könnte, bestehen nicht. Der Kläger hat vielmehr
aufgrund der im Betrieb der Beklagten geltenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen ab dem
Zeitpunkt der später bewilligten unbefristeten Rente einen Kapitalbetrag erhalten; für die Zeit der
befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente zusätzlich einen monatlichen Leistungsbetrag. Dass sich aufgrund
der monatlichen Zahlungen der später ausgeschüttete Kapitalbetrag etwas verringert hat, liegt auf der
Hand. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Kläger insoweit über die Folgen seines Verhaltens
falsch informiert hätte, lassen sich dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen. Er hat insbesondere
keinerlei konkrete Tatsachen dafür vorgetragen, welche Fragen er gestellt und welche mit welchen
Konsequenzen falsch beantwortet sein sollen. Der Kläger trägt aber die Darlegungs- und Beweislast für
die anspruchsbegründenden Tatsachen im vorliegenden Rechtsstreit.
Auch hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte keinerlei Veranlassung und
auch gar keine Möglichkeit gehabt hat, den Kläger über die Folgen einer möglichen Bescheidung seines
Rentenantrages zu informieren. Denn die befristete Erwerbsunfähigkeitsrente, auch über einen Zeitraum
von deutlich länger als drei Jahren, ist der gesetzliche Regelfall; die von Anfang an unbefristete die
Ausnahme. Von daher war ohne Weiteres zunächst mit der Bewilligung einer befristeten
Erwerbsunfähigkeitsrente zu rechnen. Auf die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers hatte die
Beklagte keinerlei Einfluss; ihr waren im Übrigen nicht einmal die Krankheitsursachen hinsichtlich des
Klägers bekannt. Im Übrigen hat der Kläger auch insoweit keinerlei konkrete Tatsachen vorgetragen,
welche falschen Informationen die Beklagte ihm vermittelt haben könnte. Die Beklagte hatte lediglich
Veranlassung, ihn darüber zu informieren, dass für den Fall der Befristung der Erwerbsunfähigkeitsrente
für den Befristungszeitraum ein monatlicher Zahlungsbetrag zustand, für die Zeit ab der Bewilligung einer
unbefristeten Rente ein - reduzierter - Kapitalbetrag. Dass die Beklagte ihn insoweit falsch informiert
haben könnte, hat der Kläger selbst nicht behauptet.
Nach alledem ist die Klage unbegründet.
Folglich war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine
Veranlassung gegeben.