Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.07.2008

LArbG Mainz: ordentliche kündigung, abmahnung, arbeitsgericht, geschäftsführer, urkundenfälschung, betriebsrat, absicht, wiederherstellung, betriebsabteilung, zukunft

LAG
Mainz
10.07.2008
10 Sa 138/08
Außerordentliche Kündigung wegen Urkundenfälschung ohne Eigennutz
Aktenzeichen:
10 Sa 138/08
10 Ca 1978/07
ArbG Mainz
Urteil vom 10.07.2008
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30. Januar 2008, Az.: 10
Ca 1978/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung
der Beklagten vom 17.09.2007 sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers und Zahlungsansprüche
aus Annahmeverzug.
Der Kläger (geb. am 08.07.1955, ledig) ist seit dem 15.08.1970 im Betrieb der Beklagten als Personalleiter
zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 3.947,90 angestellt. Die Beklagte beschäftigt ca. 120
Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.
Am 27.08.2007 unterzeichnete der Geschäftsführer der Beklagten den schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 40-
45 d. A.) für die gewerbliche Arbeitnehmerin L. K., die ab dem 01.10.2007 unbefristet eingestellt werden
sollte. Der Vertragstext bestand aus sechs Seiten, die mit einer Heftklammer fest verbunden waren. Auf
Seite 1 des Vertragstextes heißt es u.a.:
„§ 1 Tätigkeit und Änderungen der Tätigkeit
(1) Der Arbeitnehmer wird im gewerblichen Bereich wie folgt eingestellt:
Betriebsabteilung: Metallkapselbereich/ Musterfertigung
Tätigkeit: Fertigung von Musterkapseln
(2) Der Arbeitgeber hat das Recht Art und Umfang der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgaben
jederzeit in einem zumutbaren Rahmen einzuschränken oder zu erweitern und dem Arbeitnehmer auch
andere gleichwertige zumutbare, seinen Fähigkeiten und Berufskenntnissen entsprechende Aufgaben zu
übertragen. …“
Der Technische Leiter der Beklagten leitete dem Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG den Vertragstext mit der
Bitte um Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung der Arbeitnehmerin zu. Der Betriebsrat stimmte der
beabsichtigten Einstellung am 06.09.2007 unter der Voraussetzung zu, dass in den Arbeitsvertrag
folgender Zusatz aufgenommen wird: „Mithilfe in Lackherstellung bei Bedarf“.
Daraufhin tauschte der Kläger mit Wissen des Technischen Leiters Seite 1 des Vertragstextes ohne
Rücksprache mit dem Geschäftsführer aus und ergänzte die Klausel in § 1 (1) um den vom Betriebsrat
geforderten Zusatz wie folgt:
„§ 1 Tätigkeit und Änderungen der Tätigkeit
(1) Der Arbeitnehmer wird im gewerblichen Bereich wie folgt eingestellt:
Betriebsabteilung: Metallkapselbereich/ Musterfertigung
Tätigkeit: Fertigung von Musterkapseln
Desweiteren verpflichtet sich Frau K., wenn dies betrieblich erforderlich wird, auch in der Abteilung
Lackherstellung zu arbeiten.
(2) …“
Der so abgeänderte Arbeitsvertrag wurde der Arbeitnehmerin K. zur Unterschrift vorgelegt, die den
eingefügten Zusatz am 10.09.2007 beanstandete. Der Kläger räumte in nachfolgenden Gesprächen vom
11. und 12.09.2007 die Abänderung der Vertragsurkunde ein und erklärte, ihm sei bewusst, dass er einen
Fehler begangen habe, dies sei ohne böse Absicht geschehen, es werde in Zukunft nicht mehr
vorkommen.
Nach Anhörung des Betriebsrates, der der Kündigung widersprochen hat, kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.09.2007 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.04.2008. Gegen
diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 24.09.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen
Klage. Er begehrt außerdem seine Weiterbeschäftigung und die Zahlung von Annahmeverzugslohn für
die Monate September und Oktober 2007.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mit
Schreiben der Beklagten vom 17.09.2007 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst
worden ist noch durch die mit gleichem Schreiben hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum
30.04.2008 aufgelöst wird,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Personalleiter bis zum
rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 5.695,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus € 1.747,50 brutto seit dem 01.10.2007 und aus weiteren € 3.947,90 brutto seit dem
01.11.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 30.01.2008 (Bl. 79-92 d. A.) der Klage stattgegeben und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei weder durch die außerordentliche
noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden. Nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip) hätte eine Abmahnung als Reaktion auf das Fehlverhalten
des Klägers genügt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite
7 bis 13 des Urteils (Bl. 85-91 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte, der das Urteil am 14.02.2008 zugestellt worden ist, hat am 13.03.2008 Berufung zum
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 14.05.2008 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist mit am 14.05.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz
begründet.
Die Beklagte macht geltend, es habe keiner vorherigen Abmahnung des Klägers bedurft. Die
Urkundenfälschung habe den unmittelbaren Vertrauensbereich berührt. Dabei spiele es keine Rolle, ob
der Kläger eigennützig, fremdnützig oder vermeintlich sogar in ihrem Interesse gehandelt habe oder zu
handeln glaubte. Wenn ihr Geschäftsführer eine Erklärung abgebe, die der Kläger im Rechtssinne als
Bote zu überbringen habe, sei sein beschriebenes Fehlverhalten geeignet, das bei einem in
verantwortlicher Position als Personalleiter tätigen Arbeitnehmer unabdingbare Vertrauen des
Arbeitgebers in die künftige ordnungsgemäße Erbringung der ihm obliegenden Aufgaben zu zerstören.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das von der Strafrechtsordnung missbilligte Verhalten
des Klägers weder nachvollziehbar, noch seien Umstände erkennbar, die eine Wiederherstellung ihres
Vertrauens in die Integrität des Klägers erwarten ließen. Es möge sein, dass der Kläger darauf vertraut
habe, sein Verhalten werde zu keiner Kündigung führen, weil die vorgenommene Änderung des
Vertrages für seine Arbeitgeberin nicht nachteilig sei. Dies führe allerdings nicht dazu, dass das Verhalten
des Klägers „nachvollziehbar“ würde. Der Kläger habe in verantwortlicher Position eine Urkunde
verfälscht, die ihr Geschäftsführer ausgestellt habe. Gerade wenn er davon ausgegangen sei, dass die
von ihm vorgesehene Änderung der Urkunde in materieller Hinsicht genehmigt werden würde, hätte
nichts näher gelegen, als sich mit ihrem Geschäftsführer kurz ins Benehmen zu setzen und diese Frage zu
klären. Es sei völlig unverständlich und beim besten Willen eben nicht „nachvollziehbar“, dass der Kläger
als gebildeter C. in verantwortlicher Stellung die Abänderung der Urkunde eigenmächtig vorgenommen
habe, ohne den Aussteller zuvor oder auch nur im Nachhinein zu informieren, geschweige denn zu
fragen. Für eine Rückfrage und Vergewisserung hätte um so mehr Anlass bestanden, als sie - wie bereits
erstinstanzlich vorgetragen - den Kläger wenige Wochen vor dem streitgegenständlichen Vorfall
angewiesen habe, ihr jeden Arbeitsvertrag und jede Arbeitsvertragsänderung vor Ausreichung zur
Genehmigung vorzulegen. Selbst wenn das Verhalten des Klägers im Sinne der Rechtsprechung
„nachvollziehbar“ gewesen wäre, fehle es jedenfalls an Tatsachen, die eine Wiederherstellung ihres
Vertrauens in die Integrität des Klägers erwarten ließen. Das Arbeitsgericht habe hierzu keine
Feststellungen getroffen. Solche Tatsachen gebe es auch nicht. Nicht genügend sei, dass der Kläger
anlässlich seiner zufälligen Entdeckung den Fehler unumwunden zugegeben und erklärt habe, dies
werde nicht mehr vorkommen. Ihr Vertrauen sei durch das Verhalten des Klägers verletzt. Sein
Versprechen, sich zukünftig vergleichbares Fehlverhalten nicht mehr zuschulden kommen zu lassen,
reiche zur Wiederherstellung ihres Vertrauens nicht aus. Sie könne sich trotz der Beteuerung des Klägers
eben nicht mehr sicher sein, dass der in verantwortlicher Position im Unternehmen agierende Kläger nicht
doch wieder (oder schon öfter?) in entsprechender oder vergleichbarer Weise eigenmächtig handele,
zumal dann, wenn er sein Handeln nicht als schädlich ansehe. Insoweit sei bei der Würdigung der
Umstände zu berücksichtigen, dass der Kläger in herausgehobener, verantwortungsvoller Position tätig
sei und nicht als Arbeitnehmer mit geringen Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten. Wegen weiterer
Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.05.2008 (Bl. 117-
121 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.01.2008, Az.: 10 Ca 1978/07, abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hebt hervor, das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt,
dass vorliegend eine Abmahnung nicht entbehrlich gewesen sei, weil er seine Tätigkeit bei der Beklagten
37 Jahre unbeanstandet ausgeübt habe und ein einmaliges Fehlverhalten vorliege. Er habe annehmen
können, dass die Änderung des Vertrages, die für die Beklagte keine Nachteile mit sich gebracht habe,
keine Kündigung nach sich ziehen würde. Er habe auch sein Verhalten nicht verdeckt, sondern die
Änderung in Kenntnis des Technischen Leiters vorgenommen. Wegen weiterer Einzelheiten der
Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.06.2008 (Bl. 133-139 d. A.) Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist
somit zulässig.
II.
vollkommen zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.09.2007 mit sofortiger Wirkung noch durch die
hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.04.2008 aufgelöst worden ist. Der Kläger kann deshalb seine
Weiterbeschäftigung und Annahmeverzugslohn für die Monate September und Oktober 2007 in
rechnerisch unstreitiger Höhe beanspruchen.
Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des
erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von einer
Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher abgesehen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Ergänzungen
angezeigt:
1.
Urkundenfälschung im Sinne des § 267 StGB erfüllt, der voraussetzt, dass der Täter die Absicht gehabt
hat, durch die Tathandlung im Rechtsverkehr zu täuschen. Ob vorliegend auch der subjektive Tatbestand
einer Urkundenfälschung erfüllt ist, wäre strafrechtlich danach zu beurteilen, was der Kläger mit der
Einfügung des Zusatzes in den Arbeitsvertrag bezweckt oder welches Ziel er insoweit verfolgt hat.
Jedenfalls kann nicht ohne Weiteres von einer Straftat des Klägers ausgegangen werden, wie die
Berufung meint. Arbeitsrechtlich kommt es - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat -
sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung nicht auf die strafrechtliche
Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber wegen des Verhaltens des Arbeitnehmers nach dem
gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist (BAG Urteil vom
21.04.2005 - EzA § 91 SGB IX Nr. 1, m.w.N.).
2.
Beklagten vom 17.09.2007 unwirksam ist. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen nicht vor,
weil die Kündigung unverhältnismäßig ist. Auch nach Auffassung der Berufungskammer wäre im
vorliegenden Einzelfall eine Abmahnung als mildere Möglichkeit der Reaktion auf das Fehlverhalten des
Klägers angemessen und ausreichend gewesen.
Nach der bereits vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die
Berufungskammer folgt, ist eine Abmahnung auch bei Handlungsweisen, die den sog. Vertrauensbereich
berühren, nicht stets entbehrlich, sondern notwendig, wenn ein steuerbares Verhalten in Rede steht und
erwartet werden kann, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird. Davon ist insbesondere dann
auszugehen, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht
vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als ein erhebliches, den Bestand des
Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen. Eine Abmahnung hat nicht stets schon
dann Vorrang vor einer Kündigung, wenn eine Wiederholung des pflichtwidrigen Verhaltens aufgrund der
Abmahnung nicht zu erwarten steht. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen ist eine Abmahnung
grundsätzlich entbehrlich, weil in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass das pflichtwidrige
Verhalten das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört hat (BAG Urteil vom
21.06.2001 - 2 AZR 30/00 - NZA 2002, 232, m.w.N.). Eine Abmahnung ist jedoch erforderlich, wenn es
sich um ein steuerbares Fehlverhalten handelt, das bisherige vertragswidrige Fehlverhalten noch keine
klare Negativprognose zulässt und deswegen von der Möglichkeit zukünftigen vertragsgerechten
Verhaltens ausgegangen werden kann (vgl. BAG Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 415/05 - NZA 2006, 1033,
m.w.N.).
m.w.N.).
Aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalls war eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich.
Das Arbeitsgericht hat nach dem unstreitigen Sachverhalt eine Pflichtverletzung des Klägers bejaht, weil
er die vom Geschäftsführer der Beklagten ausgestellte Urkunde, nämlich den Arbeitsvertrag mit der
gewerblichen Arbeitnehmerin L. K. nachträglich - ohne dessen Wissen und folglich ohne dessen
Zustimmung - abgeändert hat. Er hat die Vertragsklausel, die die geschuldete Tätigkeit der Arbeitnehmerin
regelt, um den Zusatz „Desweiteren verpflichtet sich Frau K., wenn dies betrieblich erforderlich wird, auch
in der Abteilung Lackherstellung zu arbeiten“ eigenmächtig ergänzt.
Das Arbeitsgericht hat zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass er den Arbeitsvertrag nicht aus
Eigennutz abgeändert hat. Der Kläger wollte sich nicht auf Kosten der Beklagten bereichern oder sonstige
Vorteile verschaffen. Das ist nicht zu bemängeln.
Die Auffassung der Beklagten, es spiele keine Rolle, ob der Kläger eigennützig, fremdnützig oder aus
seiner Sicht sogar in ihrem Interesse gehandelt habe oder zu handeln glaubte, korrespondiert nicht mit
der gesetzlichen Vorgabe, nach der „alle“ Umstände des Einzelfalls Bedeutung haben können (vgl. BAG
Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 415/05, a.a.O.). Das Gleiche gilt für das Argument der Beklagten, es sei
nicht zu berücksichtigen, dass der Kläger den Fehler - als der Kündigungsvorwurf erhoben wurde -
unumwunden zugegeben und zugleich erklärt hat, dies werde nie wieder vorkommen.
Der Kläger hat seine Tätigkeit für die Beklagte 37 Jahre lang beanstandungsfrei ausgeübt. Er hat den
Vertragstext „ohne böse Absicht“ geändert, um dem Wunsch des Betriebsrates auf Aufnahme des
Zusatzes zu entsprechen. Dabei handelte er in dem Glauben, dass die Aufnahme dieses Zusatzes, der
den Umfang des in § 1 (2) des Vertrages abstrakt umschriebenen Direktionsrechts der Beklagten lediglich
konkretisierte, vom Willen des Geschäftsführers gedeckt sei.
Der gegen den Kläger erhobene Vorwurf, liegt letztlich in einer Verkennung des Umstandes, dass er
einen vom Geschäftsführer unterschriebenen Vertrag auch dann nicht ändern bzw. ergänzen darf, wenn
die Änderung für die Beklagte keine Nachteile mit sich bringt. Der Kläger glaubte, wenn auch irrigerweise,
so handeln zu dürfen, wie er es tat. Das ist ein Umstand, der es der Beklagten erlaubt, weiterhin Vertrauen
in den Kläger zu setzen. Auch die Tatsache, dass der Kläger sein Fehlerhalten unumwunden eingeräumt
und erklärt hat, dies werde nie wieder vorkommen, ist ein Aspekt der geeignet ist, die Möglichkeit
vertrauensvoller Zusammenarbeit in der Zukunft in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen.
Nach alledem sind auch aus Sicht der Berufungskammer keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der
Kläger sich eine Abmahnung in dieser Sache nicht hätte zur Warnung dienen lassen.
Soweit die Beklagte mehrfach auf die „herausgehobene“ und „verantwortungsvolle“ Position des Klägers
abhebt, ergibt sich daraus nicht allein die Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung, nachdem ihm ein
einmaliger Fehler unterlaufen ist und zu keinem Zeitpunkt der Vorwurf erhoben wurde, der Kläger habe
sich selbst bereichern oder in sonstiger Weise einen persönlichen Vorteil verschaffen wollen. Auch der
Hinweis der Beklagten darauf, dass „ihr“ Vertrauen in die Integrität des Klägers unwiederbringlich zerstört
sei, hilft nicht weiter. Bei der Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, ist ein
objektiver Maßstab anzulegen, und nicht ausschließlich auf den subjektiven Standpunkt des
Kündigungsberechtigten abzustellen. Das Verhalten des Klägers gibt bei objektiver Betrachtung
berechtigten Anlass zu der Annahme, dass eine Abmahnung geeignet und nach dem ultima-ratio-Prinzip
ausreichend gewesen wäre, künftige Pflichtverletzungen auszuschließen.
3.
Beklagten zum 30.04.2008 aufgelöst. Diese ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig und daher gemäß §
1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Auch der Ausspruch einer
ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung bedarf nämlich regelmäßig einer vorherigen Abmahnung.
Wie oben gezeigt, war vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Daher konnte auch
die hilfsweise ordentliche Kündigung keinen Bestand haben.
III.
zurückzuweisen.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die
Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.