Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.03.2008

LArbG Mainz: funktionszulage, betriebsrat, arbeitsgericht, ersetzung, vergütung, abschlag, arbeitsbedingungen, vertreter, quelle, rechtskraftwirkung

LAG
Mainz
26.03.2008
1 Ta 35/08
Gegenstandswert - Ersetzung der Zustimmung
Aktenzeichen:
1 Ta 35/08
2 BV 54/07
ArbG Kaiserslautern
Entscheidung vom 26.03.2008
TENOR
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des
Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.02.2008 - 2 BV 54/07 - wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners
wird auf 3.748,50 Euro festgesetzt.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
GRÜNDE
I.
Die beschwerdeführende Arbeitgeberin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes in
einem Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Eingruppierung (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
Die Arbeitgeberin betreibt in A-Stadt ein SB-Warenhaus. Unter dem 19.02.2007 informierte sie den
Antragsgegner (im folgenden: Betriebsrat) über ihre Absicht, einen Herrn T. als Mitarbeiter Frischeservice
ab dem 01.03.2007 einzustellen und in die Tarifgruppe L IV c des Lohntarifvertrages für die Beschäftigten
in Rheinland-Pfalz einzugruppieren. Die monatliche Bruttovergütung dieser Lohngruppe beträgt 2.149,00
Euro. Zudem sollte Herr T. für die ihm ebenfalls obliegende Vertretung des vorgesetzten Teamleiters B.
eine arbeitsvertragliche Funktionszulage in Höhe von 350,00 Euro erhalten.
Am 22.02.2007 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Einstellung zu, widersprach aber der
vorgesehenen Eingruppierung, da Herr T. im Hinblick auf seine Vertretertätigkeit für den Teamleiter nach
seiner Auffassung in die Gehaltsgruppe IV b des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel Rheinland-
Pfalz einzugruppieren sei. Die Bruttomonatsvergütung dieser Gehaltsgruppe beträgt 2.613,00 Euro.
Im vorliegenden Beschlussverfahren beantragte die Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zur
Eingruppierung von Herrn T. in die Tarifgruppe L IV c (des Lohntarifvertrages) zu ersetzen. Das
Arbeitsgericht wies diesen Antrag zurück. Mit weiterem Beschluss vom 19.02.2008 setzte es auf Antrag
der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf
16.704,00 Euro fest, was der 36-fachen Differenz der beiden tariflichen Bruttomonatsvergütungen
entspricht.
entspricht.
Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 22.02.2008 Beschwerde eingelegt mit
dem Ziel, den Gegenstandswert in Anlehnung an die Regelung des § 42 Abs. 4 GKG allenfalls auf
7.560,00 Euro zu reduzieren. Dies entspreche drei Bruttomonatsgehältern, wobei sich diese jeweils aus
2.170,00 Euro Tarifentgelt und 350,00 Euro Funktionszulage zusammensetzten. Sofern seitens des
Gerichts ein noch niedrigerer Wert für zutreffend erachtet werde, beantragt die Beschwerdeführerin
ausdrücklich, diesen festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen
Tätigkeit mit 16.704,00 Euro zu hoch festgesetzt.
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des
§ 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung
genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen
Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher,
jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend
schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. den §§ 2 a,
80 ff ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 S. 1 RVG genannten
Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende
Anwendung (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Der
Gegenstandswert steht auch sonst nicht fest.
Bei dem vorliegend gestellten Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG handelt es sich um einen nicht
vermögensrechtlichen Streitgegenstand (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta
232/07). Der Antrag beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeberin und
Betriebsrat und ist auch weder auf Geld noch auf Geldeswert gerichtet. Damit ist der Gegenstandswert
gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 RVG grundsätzlich mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher,
jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen. Dabei stellt der Wert von 4.000.00 Euro nach ständiger
Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
18.05.2006 - 2 Ta 79/06; Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta
232/07) keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann,
sondern einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine
individuelle Bewertung ausgeschöpft sind (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta
232/07). Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten,
inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden,
aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Auch ist der objektive
Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer acht zu lassen.
Nach diesen Grundsätzen war hier nicht auf den Hilfswert von 4.000,00 Euro zurückzugreifen, da
genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswerts gegeben sind. Wird die
Ersetzung der Zustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung begehrt, kann nach Ansicht der nunmehr für
Streit- und Gegenstandswertbeschwerden ausschließlich zuständigen erkennenden Kammer insoweit auf
die Regelung des § 42 Abs. 4 S. 2 GKG zurückgegriffen werden (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
15.10.2007 - 1 Ta 232/07; LAG Hamm, Beschluss vom 19.10.2006 - 13 Ta 549/06; noch offen gelassen
von LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07, wo tatsächliche Anhaltspunkte für eine
Schätzung fehlten). Danach ist bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen der Wert des dreijährigen
Unterschiedsbetrages zur begehrten Vergütung maßgeblich, sofern nicht der Gesamtbetrag der
geforderten Leistungen geringer ist. Dies wären vorliegend die vom Arbeitsgericht angenommenen
16.704,00 Euro (36 x 464,00 Euro), sofern man auf die Differenz zwischen der Vergütungsgruppe L IV c
des Lohntarifvertrages und der Vergütungsgruppe IV b des Gehaltstarifvertrages abstellt, ohne die
arbeitsvertragliche Funktionszulage von 350,00 Euro zu berücksichtigen; rechnet man diese
Funktionszulage der bei einer Eingruppierung nach dem Lohntarifvertrag gezahlten Vergütung hinzu,
ergibt sich eine monatliche Vergütungsdifferenz von 114,00 Euro, was einem Dreijahresbetrag von
4.104,00 Euro entspricht.
In beiden Fällen wäre der Gegenstandswert jedoch in Anlehnung an die Rechtsprechung der Kammer zu
§ 42 Abs. 4 S. 1 GKG zu begrenzen. Da es vorliegend nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses
geht, sondern lediglich um einzelne Arbeitsbedingungen gestritten wird, unter denen das Arbeitsverhältnis
fortzusetzen ist bzw. aufzunehmen war, hält die Kammer einen weiteren Abschlag in Höhe von ½ für
angemessen (vgl. schon LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07). Dies würde zu
einer Wertfestsetzung in Höhe von anderthalb Monatsgehältern führen, wobei in diesem Rahmen neben
der tariflichen Vergütung von 2.149,00 Euro monatlich auch die arbeitsvertragliche Funktionszulage von
350,00 Euro zu berücksichtigen ist, so dass das Bruttomonatsgehalt insgesamt 2.499,00 Euro beträgt.
Die Einbeziehung der Funktionszulage ergibt sich zum einen aus der entsprechenden Anwendung der an
sich auf das Individualarbeitsrecht zugeschnittenen Regelung des § 42 Abs. 4 S. 2 GKG. Bringt man diese
auch bei der Wertfestsetzung im Rahmen eines Beschlussverfahrens zur Anwendung, indem man auf das
individualrechtliche, wirtschaftliche Interesse an der Vergütungsdifferenz abstellt, so ist es nur folgerichtig,
in dieses Vergütungsinteresse auch die arbeitsvertragliche Funktionszulage einzubeziehen. Dies
erscheint vorliegend auch insbesondere deswegen angezeigt, weil diese Funktionszulage gerade im
Hinblick auf die Tätigkeit des Herrn T. als Vertreter des Teamleiters gezahlt wurde, worauf der Betriebsrat
seinen Widerspruch zu der vorgenommenen Eingruppierung und seinen Antrag auf Eingruppierung nach
dem Gehaltstarifvertrag maßgeblich stützt. Würde Herr T. in die Gehaltsgruppe IV b des
Gehaltstarifvertrages eingruppiert, wäre damit seine Vertretertätigkeit ausreichend berücksichtigt, so dass
der Grund für die Zahlung der arbeitsvertraglichen Zulage entfiele. Eine solche Zahlungspflicht bei
Eingruppierung nach dem Gehaltstarifvertrag hat der Antragsgegner auch nicht behauptet.
Dass der dreifache Jahresbetrag nicht regelmäßig voll ausgeschöpft werden muss, zeigt sich auch an den
bei Feststellungsklagen im Rahmen von § 42 Abs. 3 GKG nach allgemeiner Ansicht vorzunehmenden
Abschlag in Höhe von 20 % (vgl. BAG, Urteil vom 18.04.1961, AP § 3 ZPO Nr. 6; LAG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07). Ein Abschlag erscheint auch im Hinblick auf die verminderte
Rechtskraftwirkung im Beschlussverfahren angezeigt (vgl. dazu LAG Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 -
13 Ta 236/07).
Damit beläuft sich der Gegenstandswert vorliegend auf 3.748,50 Euro (1,5 x 2.499,00 Euro).
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist gemäß § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.