Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 05.10.2005

LArbG Mainz: ordentliche kündigung, arglistige täuschung, geschäftsführer, kaufmännischer angestellter, anstellungsverhältnis, anstellungsvertrag, kündigungsfrist, unbestimmte dauer, wichtiger grund

LAG
Mainz
05.10.2005
10 Sa 377/05
Anfechtung eines Anstellungsvertrages wegen arglistiger Täuschung
Aktenzeichen:
10 Sa 377/05
8 Ca 59/05
ArbG Kaiserslautern
Entscheidung vom 05.10.2005
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.03.2005 - AZ:
8 Ca 59/05 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien nicht durch die Anfechtung vom
23.12.2004, nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2004 und nicht durch
die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2004 zum 31.01.2005 aufgelöst worden ist, sondern
bis zum 30.06.2005 fortbestanden hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat 20 % und die Beklagte 80 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines unter dem Datum vom 30.08.2004 geschlossenen
Anstellungsvertrages.
Die Parteien schlossen am 30.08.2004 einen Vertrag mit (auszugsweise) folgendem Inhalt:
Anstellungsvertrag
Zwischen der P. T. - Verarbeitungs- und Vertriebs -GmbH, D. str. 12-14, K., vertreten durch Gesellschafter
K., im folgenden "Gesellschaft" genannt
und
Herrn C. C., C-Straße, C-Stadt
wird folgender Anstellungsvertrag geschlossen:
§ 1, Anstellung
Herr C. ist ab 01.09.2004 als kaufm. Angestellter im Außendienst beschäftigt. Ab 01.01.2005 übernimmt
Herr C. die Stellung als Geschäftsführer Marketing/Vertrieb der Gesellschaft. Die Gesellschaft kann
jederzeit neben ihm andere Geschäftsführer oder Prokuristen bestellen und die Vertretungsmacht und
Geschäftsführung neu regeln.
§ 2, Vertragsdauer, Kündigung
(1) Der Vertrag ist auf unbestimmte Dauer geschlossen.
(2) Der Vertrag kann von jeder Partei mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres
gekündigt werden.
§ 6, Vergütung
Herr C. erhält als Vergütung für seine Tätigkeit
a) vom 01.09.2004 - 31.12.2004 monatlich brutto 2.000,00 EUR.
b) ab 01.01.2005 ein Jahresgehalt von 4.000,00 EUR, das in zwölf gleichen Raten unter Einbehaltung der
gesetzlichen Abzüge am Ende eines jeden Kalendermonats ausgezahlt wird.
§ 8, Sonstige Leistungen
(1) Herrn C. wird für die Dauer des Vertrages ein Firmenwagen gem. Autoleihvertrag zur Verfügung
gestellt. "
Hinsichtlich des Inhalts des Vertrages im Weiteren, der auf Seiten der Beklagten von deren
Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter unterzeichnet ist, wird auf Bl. 4 bis 7 der Akte Bezug
genommen.
Bereits im Vorfeld dieses Vertragsschlusses war von den Parteien beabsichtigt, dass sich der Kläger als
Gesellschafter an der Beklagten beteiligt. Insoweit bestand zunächst Einigkeit zwischen den Parteien,
dass der Kläger 5 % der Gesellschaftsanteile erwerben sollte. Dies wurde dem Kläger in einem Schreiben
der Steuerberaterin der Beklagten vom 17.06.2004, hinsichtlich dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 59 d. A.
Bezug genommen wird, bestätigt. Im weiteren Verlauf der zwischen den Parteien über eine Beteiligung
des Klägers an der Beklagten geführten Gespräche wurde der vom Kläger zu erwerbende Anteil auf 10 %
erhöht, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies auf Drängen des Klägers oder des
Geschäftsführers der Beklagten geschah. Diesbezüglich existiert der Entwurf eines notariellen Vertrages
(Bl. 19 bis 23 d. A.), der eine Abtretung von 10 % der Geschäftsanteile des Alleingesellschafters der
Beklagten an den Kläger gegen eine Zahlung von 76.500,- € vorsieht. Zu einer Unterzeichnung dieses
Vertrages kam es jedoch nicht. Vielmehr nahm der Kläger mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom
16.12.2004 (Bl. 30 bis 32 d. A.) von der vorgesehenen Beteiligung Abstand.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2004 (Bl. 8 und 9 d. A.) kündigte die Beklagte das
Anstellungsverhältnis "als kaufmännischer Angestellter im Außendienst" ordentlich zum 31.01.2005.
Darüber hinaus kündigte die Beklagte mit Schreiben selben Datums (Bl. 10 bis 13 d. A.) den
Anstellungsvertrag fristlos und erklärte gleichzeitig die Anfechtung dieses Vertrages wegen arglistiger
Täuschung.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, es sei ihm aus finanziellen Gründen nicht
möglich gewesen, dem Ansinnen des Geschäftsführers der Beklagten, nicht nur 5 % sondern 10 % der
möglich gewesen, dem Ansinnen des Geschäftsführers der Beklagten, nicht nur 5 % sondern 10 % der
Gesellschaftsanteile zu erwerben, nachzukommen. Keineswegs habe er die Beklagte in irgendeiner
Weise getäuscht. Seine Anstellung als Geschäftsführer sei rechtlich unabhängig von seiner ursprünglich
vorgesehenen Beteiligung an der Gesellschaft. Die Beklagte sei verpflichtet, die vertraglich vereinbarte
Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende einzuhalten.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Anfechtung vom
23.12.2004 beendet wurde,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die außerordentliche Kündigung vom
23.12.2004 beendet wurde,
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom
23.12.2004 mit dem 31.01.2005 beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger selbst habe auf eine Erhöhung
der von ihm zu erwerbenden Anteile von 5 % auf 10 % gedrängt. Dabei habe er vorgegeben, Grundstücke
zu besitzen, die ihm eine Finanzierung dieses Geschäfts ermöglichten. Hierin liege eine arglistige
Täuschung seitens des Klägers. Die vertraglich vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist gelte nur für
den Geschäftsführer - Anstellungsvertrag, nicht hingegen für die Tätigkeit des Klägers als
Außendienstmitarbeiter. Im Übrigen sei der Vertrag vom 30.08.2004 nicht wirksam zustande gekommen.
Der Vertrag sei nämlich nicht vom Geschäftsführer sondern von der Gesellschafterversammlung
abgeschlossen worden, der es jedoch diesbezüglich an einer Vertretungsbefugnis gefehlt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 22.03.2005 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen
Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 84 bis 88 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 12.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.05.2005 Berufung eingelegt und
diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 10.06.2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am
11.07.2005 begründet.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei sie vom Kläger über
dessen in Wirklichkeit nicht vorliegende Absicht, Geschäftsanteile zu erwerben, getäuscht worden.
Hinsichtlich der einzuhaltenden Kündigungsfrist sei zu berücksichtigen, dass der Vertrag vom 30.08.2004,
wie sich aus mehreren darin enthaltenen Regelungen ergebe, auf die beabsichtigte Stellung des Klägers
als weiterer Geschäftsführer zugeschnitten sei und daher die vereinbarte Kündigungsfrist nur für den
Geschäftsführer - Anstellungsvertrag gelte. Der Vertrag sei auch wegen fehlender Vertretungsbefugnis
nicht wirksam zustande gekommen, da trotz des Umstandes, dass vorliegend zwischen den
Gesellschaftern und dem Geschäftsführer eine Personalunion bestehe, zwischen diesen beiden
Gesellschaftsorganen streng zu differenzieren sei.
Die Beklagte beantragt,
das am 22.03.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, AZ: 8 Ca 59/05, abzuändern und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und macht weiter geltend, eine Übernahme
von 5 % der Geschäftsanteile - wie ursprünglich vorgesehen - sei für ihn durchaus finanzierbar gewesen.
Gegen die Wirksamkeit des Vertrages vom 30.08.2004, der sowohl einen Arbeitsvertrag als
Außendienstmitarbeiter als auch einen Geschäftführer - Anstellungsvertrag beinhalte, bestünden im
Hinblick auf die umfassende Vertretungsmacht des Geschäftsführers und Alleingesellschafters der
Beklagten, der den Vertrag unterzeichnet habe, keinerlei Bedenken. Die vereinbarte Kündigungsfrist
betreffe das gesamte Vertragsverhältnis und somit keineswegs lediglich den Geschäftsführer -
Anstellungsvertrag.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 81 bis 84 d. A.), auf
die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 08.07.2005 (Bl. 107 bis 112 d. A.) sowie auf die
Berufungserwiderungsschrift des Klägers vom 20.07.2005 (Bl. 118 bis 129 d. A.).
Entscheidungsgründe:
I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das
hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg.
II.
1.
Hinsichtlich der vom Kläger gestellten Klageanträge ist zunächst festzustellen, dass diese (insgesamt)
trotz ihrer am Wortlaut des § 4 KSchG orientierten Formulierung auf die Feststellung gerichtet sind, dass
das mit Vertrag vom 30.08.2004 zwischen den Parteien begründete Anstellungsverhältnis ungeachtet der
seitens der Beklagten geltend gemachten Beendigungstatbestände fortbesteht. Dies ergibt sich bei
Auslegung der Klageanträge in Ansehung des klägerischen Sachvortrages trotz des Umstandes, dass der
Kläger in seinen Anträgen den Begriff "Arbeitsverhältnis" verwendet, der Vertrag vom 30.08.2004 jedoch
seinem Inhalt nach lediglich für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2004 als Arbeitsverhältnis, für die Zeit
ab dem 01.01.2005 hingegen als Geschäftsführer - Anstellungsvertrag ausgestaltet ist. Der Kläger legt
diese Rechtslage seinen Ausführungen erkennbar zu Grunde und hat sein Klagebegehren nicht auf die
Feststellung eines einzelnen zeitlich begrenzten Elementes (Arbeitsverhältnis) des Vertrages beschränkt,
sondern begehrt vielmehr die Feststellung, dass dieses Rechtsverhältnis (Anstellungsverhältnis)
fortbesteht. Mit diesem Inhalt ist die Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Soweit hinsichtlich der
Ausgestaltung des Vertrages vom 30.08.2004 als Geschäftsführer - Anstellungsverhältnis für die Zeit ab
dem 01.01.2005 Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen
bestehen könnten, so waren diese nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Berufungsgericht nicht zu
berücksichtigen.
2.
Die Klage ist überwiegend begründet.
Das Anstellungsverhältnis der Parteien hat über den Zeitpunkt der seitens der Beklagten mit Schreiben
vom 23.12.2004 erklärten Anfechtung und außerordentlichen Kündigung und auch über den Ablauf der im
(weiteren) Schreiben der Beklagten vom 23.12.2004 bezeichneten Kündigungsfrist (31.01.2005) hinaus
fortbestanden. Es hat jedoch infolge ordentlicher Kündigung mit Ablauf der vertraglich vereinbarten
Kündigungsfrist zum 30.06.2005 geendet.
a) Der Vertrag vom 30.08.2004 ist wirksam zustande gekommen.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei bei Abschluss des Vertrages vom
30.08.2004 nicht rechtswirksam vertreten worden. Der Vertrag wurde auf Seiten der Beklagten von deren
Geschäftsführer und Alleingesellschafter unterzeichnet. Hinsichtlich dessen Vertretungsbefugnis sowohl
zum Abschluss eines Arbeitsvertrages als auch zum Abschluss eines Geschäftsführer -
Anstellungsverhältnisses bestehen keinerlei Bedenken. Im Hinblick auf die umfassende und in jeder
Hinsicht bestehende Vertretungsbefugnis einer Person, die zugleich alleiniger Geschäftsführer als auch
alleiniger Gesellschafter einer vertragsschließenden GmbH ist, ist es entgegen der Ansicht der Beklagten
ohne Belang, wenn diese - wie vorliegend - im Vertrag fälschlicherweise lediglich als Gesellschafter
bezeichnet wird.
b) Die Beklagte hat den Vertrag vom 30.8.2004 nicht wirksam angefochten. Eine arglistige Täuschung im
Sinne von § 123 BGB, welche die Beklagte zur Anfechtung berechtigen könnte, ist nicht gegeben.
Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe sie über seine in Wirklichkeit nicht vorliegende Absicht,
Geschäftsanteile zu erwerben, getäuscht, so handelt es sich um eine bloße, auf keine ausreichenden
Tatsachen gestützte Vermutung. Konkrete Tatsachen bzw. Umstände, aus denen sich ergeben könnte,
dass die vom Kläger unstreitig bekundete Absicht, sich an der Beklagten als Gesellschafter zu beteiligen,
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 30.08.2004 tatsächlich nicht gegeben war, sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
Die Beklagte kann die von ihr erklärte Anfechtung auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, der
Kläger habe sie über seine Zahlungsfähigkeit hinsichtlich des Erwerbs von Geschäftsanteilen getäuscht.
Zum Einen hat die Beklagte den Sachvortrag des Klägers nicht widerlegt, wonach es diesem durchaus
möglich gewesen wäre, den Kaufpreis für den Erwerb des unstreitig ursprünglich vereinbarten 5 % - igen
Anteils mittels einer Bankfinanzierung zu entrichten. Ihre pauschale Behauptung, der Kläger selbst habe
auf eine Erhöhung des zu erwerbenden Anteils auf 10 % gedrängt, dessen Finanzierung ihm unstreitig
nicht möglich war, hat die Beklagte weder durch konkrete Tatsachen ausgefüllt noch unter Beweis gestellt.
Diesbezüglich ist im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
(30.08.2004) eine Erhöhung der beabsichtigten Beteiligung des Klägers überhaupt schon zur Rede stand.
Soweit die Beklagte weiter behauptet, der Kläger habe wahrheitswidrig vorgespielt, er sei Eigentümer von
Baugrundstücken, besitze jedoch - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - lediglich sonstige
Liegenschaften, so vermag auch dies nicht die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (§
123 BGB) zu rechtfertigen. Hierfür fehlt es bereits an der erforderlichen Ursächlichkeit der behaupteten
Täuschung für den Vertragsschluss. Die für die Voraussetzungen ihres Anfechtungsrechts darlegungs-
und beweisbelastete Beklagte hat keine ausreichenden Umstände bzw. Tatsachen vorgetragen, aus
denen sich ergeben könnte, dass die Frage, über welche Art von Grundbesitz der Kläger verfügt, für ihren
Entschluss, den Vertrag vom 30.08.2004 abzuschließen, zumindest mitursächlich war. Der ursächliche
Zusammenhang zwischen Täuschung und Vertragsschluss kann im Streitfall auch nicht mittels
Anscheinsbeweises festgestellt werden. Dies hat seinen Grund darin, dass der Anscheinsbeweis einen
typischen Geschehensablauf voraussetzt, die einem Vertragsschluss zu Grunde liegende
Willensentscheidung jedoch von den individuellen Umständen des Einzelfalles abhängig ist (BGH, NJW
1996, 1051). Ob bei bestimmten Rechtsgeschäften und unter besonderen Umständen aufgrund der
allgemeinen Lebenserfahrung eine ausreichende Typizität bejaht werden kann, kann dahinstehen, denn
ein solcher Fall liegt nicht vor. Hier müsste vielmehr eine ganz besondere Motivlage bzw. ein besonderes
Interesse der Beklagten daran bestanden haben, dass der Kläger in der Lage ist, seinen Anteilserwerb
durch die Verwertung oder Belastung von Baugrundstücken zu finanzieren. Hiervon kann jedoch nicht
ausgegangen werden. Dass der Kläger in irgendeiner Weise vorgespielt hat, bereits über die zum Erwerb
von Anteilen erforderlichen Geldmittel zu verfügen, hat die Beklagte nicht behauptet.
c) Das Anstellungsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die außerordentliche Kündigung der
Beklagten vom 23.12.2004 aufgelöst worden. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB, der den
Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben.
Eine arglistige Täuschung der Beklagten durch den Kläger bei Vertragsschluss, die an sich geeignet sein
könnte, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden, liegt nicht vor. Diesbezüglich wird zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die im Schreiben seiner Anwälte vom 16.12.2004 (Bl. 30 bis 32 d. A.) vom Kläger erklärte Weigerung,
Geschäftsanteile der Beklagten zu erwerben, stellt ebenfalls keinen für eine außerordentliche Kündigung
generell geeigneten Grund dar. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine vertragliche
Verpflichtung des Klägers, sich an der Beklagten zu beteiligen, nicht bestanden hat. Wie bereits das
Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils zutreffend ausgeführt hat, ist
nämlich ein Vertrag zwischen den Parteien über die Veräußerung von Geschäftsanteilen an den Kläger
nicht zustande gekommen. Zwar haben hierüber unstreitig Gespräche stattgefunden, die auch zu
einzelnen Abreden zwischen den Parteien geführt haben könnten. Wie sich jedoch bereits aus dem
Schreiben der Steuerberaterin der Beklagten vom 17.06.2004 (Bl. 59 d. A.), wo hinsichtlich "aller weiteren
Einzelheiten" auf die noch abzuschließenden Verträge (Anstellungsvertrag und Gesellschaftsvertrag)
verwiesen wird, sowie aus dem Umstand ergibt, dass bezüglich der Beteiligung des Klägers
Vertragsurkunden entworfen wurden, haben die Parteien eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrages
verabredet. Nach § 154 Abs. 2 BGB kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertrag
zustande gekommen ist. Anhaltspunkte dafür, dass trotz der in § 154 Abs. 2 BGB enthaltenen
Vermutungsregel ("im Zweifel") bereits rechtswirksame Abreden über die Beteiligung des Klägers
getroffen wurden, sind nicht gegeben.
Aber auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Kläger aufgrund der bereits getroffenen mündlichen
Absprache zumindest dazu verpflichtet war, seinerseits das Erforderliche zu tun, damit ein solcher Vertrag
zustande kommt, stellt seine Weigerung im Schreiben vom 16.12.2004 keinen wichtigen Grund im Sinne
von § 626 Abs. 1 BGB dar. In Anbetracht des Umstandes, dass die Beklagte - wie bereits ausgeführt - die
Behauptungen des Klägers nicht widerlegt hat, er sei durchaus zu einer Beteiligung in Höhe von 5 %
sowohl bereit als auch in der Lage gewesen und ausschließlich die Beklagte habe auf eine 10 % - ige
Beteiligung gedrängt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das letztliche Scheitern der
Verhandlungen, wie dies im Übrigen bereits im Schreiben der Rechtsanwälte der Beklagten vom
13.12.2004 (Bl. 45 und 46 d. A.) unmissverständlich zum Ausdruck kommt, vom Kläger zu vertreten ist. Ein
den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigendes Fehlverhalten des Klägers kann daher auch
insoweit nicht festgestellt werden.
Die Beklagte hat auch keine sonstigen Tatsachen vorgetragen, die geeignet sein könnten, einen
wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Soweit die Beklagte in ihrem erstinstanzlichen
Schriftsatz vom 07.03.2005 (dort Seiten 5 bis 8 = Bl. 52 bis 55 d. A.) mehrere Pflichtverletzungen des
Klägers behauptet hat, so erweist sich dieses Vorbringen als unzureichend. Dies betrifft zunächst die vom
Kläger bestrittene Behauptung, er habe mehrere Handelsvertreterverträge abgeschlossen, die von der
Geschäftsführung nicht genehmigt gewesen seien. In Ermangelung der Angabe zumindest eines
konkreten Falles erweist sich dieses Vorbringen als substanzlos. Entsprechendes gilt für die pauschale
Behauptung, der Kläger habe Bestellungen aufgenommen, die jedoch nie zur Auslieferung gelangt seien,
weil er die Bestellungen verlegt habe. Diesbezüglich ergibt sich auch nichts aus dem von der Beklagten
vorgelegten Bestellformular (Bl. 61 d. A.). Darüber hinaus hat die Beklagte diese Behauptung auch nicht
unter Beweis gestellt. Das Vorbringen, ein mit einem anderen Mitarbeiter der Beklagten geschlossener
Abfindungsvergleich sei auf die Initiative des Klägers zurückzuführen, lässt ein Fehlverhalten des Klägers
ebenso wenig erkennen, wie die Äußerung eines potenziellen Geschäftspartners, wonach der Kläger
"keinerlei Diplomatie für Verhandlungsgespräche" besitze. Des Weiteren ist in Ermangelung weiterer
Darlegungen seitens der Beklagten nicht erkennbar, ob und in welchem Ausmaß der Kläger durch die
behauptete Erklärung gegenüber der Fa. I., dass an einer weiteren Zusammenarbeit kein Interesse
bestehe, gegen vertragliche Pflichten verstoßen hat. Letztlich erweist sich auch das Vorbringen der
Beklagten, der Außendienst sei "zeitweise nicht besetzt" gewesen, als völlig unsubstantiiert.
Die außerordentliche Kündigung vom 23.12.2004 hat das Anstellungsverhältnis somit nicht mit sofortiger
Wirkung aufgelöst.
d) Die betreffende Kündigungserklärung ist jedoch infolge ihrer Unwirksamkeit nach § 140 BGB in eine
ordentliche Kündigung umzudeuten. Das Kündigungsschreiben vom 23.12.2004 macht nämlich
hinreichend deutlich, dass sich die Beklagte vom Kläger in jedem Falle trennen wollte. Es entsprach somit
ihrem auch für den Kläger erkennbaren mutmaßlichen Willen, dass die außerordentliche Kündigung im
Falle ihrer Unwirksamkeit zumindest als ordentliche Kündigung Wirksamkeit entfalten solle.
Da der Kläger keinen Kündigungsschutz genießt, hat die im Wege der Umdeutung gewonnene
ordentliche Kündigung das Anstellungsverhältnis mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist
von sechs Monaten zum Halbjahresende aufgelöst. Dabei kann im Hinblick auf den eingangs
dargestellten Inhalt des Feststellungsbegehrens des Klägers offen bleiben, ob die vertraglich vereinbarte
Kündigungsfrist lediglich - so die Auffassung der Beklagten - das für die Zeit ab dem 01.01.2005
vereinbarte Geschäftsführer - Anstellungsverhältnis betrifft oder auch - so die Ansicht des Klägers - das für
die Zeit ab dem 01.09.2004 vereinbarte Arbeitsverhältnis als kaufmännischer Angestellter. Denn auch
dann, wenn sich die in § 2 Abs. 2 des Vertrages getroffene Vereinbarung ausschließlich auf das
Geschäftsführer - Anstellungsverhältnis bezieht, so konnte dieses und somit der Anstellungsvertrag vom
30.08.2004 als solcher, dessen Fortbestand der Kläger festgestellt haben will, durch die ordentliche
Kündigung erst zum 30.06.2005 beendet werden.
e) Aus Vorstehendem ergibt sich zugleich, dass auch die mit (weiterem) Schreiben der Beklagten vom
23.12.2004 ausgesprochene ordentliche Kündigung das Anstellungsverhältnis nicht zu dem im
Kündigungsschreiben bezeichneten Termin (31.01.2005) sondern erst zum 30.06.2005 auflösen konnte.
III.
Nach alledem war unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das
Anstellungsverhältnis der Parteien bis zum 30.06.2005 fortbestanden hat und die Klage im Übrigen
abweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien
keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde
anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.