Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 23.04.2010

LArbG Mainz: firma, arbeitsgericht, eventueller vorsatz, aufrechnung, widerklage, bad, probezeit, vergütung, datum, herausgabe

LAG
Mainz
23.04.2010
9 Sa 508/09
Arbeitsvergütung - Aufrechnung
Aktenzeichen:
9 Sa 508/09
7 Ca 75/09
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Urteil vom 23.04.2010
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 01.07.2009, Az.: 7 Ca 75/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
Zug um Zug gegen Herausgabe bestimmter Arbeitsmittel Arbeitsvergütung für den Zeitraum Dezember
2008 bis 05.02.2009 zu zahlen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts
sowie des streitigen Vorbringens der Parteien I. Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen
auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom
01.07.2009, Az.: 7 Ca 75/09.
Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, hat das Arbeitsgericht durch das genannte Urteil die
Beklagte verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Herausgabe eines 3-teiligen Elektriker-
Schraubendrehersatzes, eines sechsteiligen Werkstatt-Schraubendrehersatzes, eines
fünfundsiebzigteiligen Sicherheits- und Spezialbitsatzes, eines vierteiligen VDE-Zangen-Satzes +
Spannungsprüfer, eines Federhakens, zweier Federarmpinzetten, zweier Liberty 105/Schwarz/1 LED,
eines Laptoprucksacks (Targus Corporate Traveller Backpack) sowie eines Hartschalenkoffers - 4.480,- €
brutto nebst Zinsen i.H.v. jeweils 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.100,- € seit dem
11.01.2009 bzw. 11.02.2009 sowie weiteren 280,- € seit dem 11.03.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hatte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 30.06.2009 eine Widerklage mit den Anträgen
erhoben, den Kläger zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über die vom Kläger im Zeitraum vom
01.11.2008 bis 31.01.2009 aus seiner Tätigkeit über die Fa. "C." ausgeführten Geschäfte und auf
Versicherung der Richtigkeit der diesbezüglich gemachten Angaben an Eides statt. Mit im Kammertermin
vom 01.07.2009 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht das Verfahren hinsichtlich der Widerklage
abgetrennt; in dem abgetrennten Verfahren (ArbG Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, Az.: 7 Ca
770/09) haben die Parteien den mit der Widerklage geltend gemachten Auskunftsanspruch
übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Urteil vom 07.10.2009 hat das Arbeitsgericht in dem genannten
Verfahren den Kläger verurteilt, die Richtigkeit der Auskunft, er habe im Zeitraum vom 01.11.2008 bis
31.01.2009 über die genannte Firma keinerlei Geschäfte ausgeführt, an Eides statt zu versichern.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis habe
aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten innerhalb der vertraglich vereinbarten Probezeit erst
mit Ablauf des 05.02.2009 seine Beendigung gefunden. Bis zu diesem Zeitpunkt könne der Kläger auch
die reguläre Vergütung in Höhe von jeweils 2.100,-- € brutto für Dezember 2008 und Januar 2009 sowie
in Höhe von 280,-- € für vier Arbeitstage im Februar verlangen. Zwar habe der Kläger ab dem 12.01.2009
nicht mehr gearbeitet. Es bestehe aber ein Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des
Annahmeverzugs. Eine fehlende Leistungswilligkeit des Klägers habe die Beklagte nicht geltend
gemacht. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, sie habe die Forderung hinsichtlich der
Sozialversicherungsabgaben und Steuern durch deren Abführung erfüllt, sei sie für diese bestrittene
Behauptung beweisfällig geblieben. Die Forderung des Klägers sei auch nicht durch die seitens der
Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen. Dieser Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot der §§ 394
BGB i. V. m. § 850 c ZPO entgegen. Die Beklagte habe nicht darlegen können, dass ihr ein
Schadensersatzanspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zustehe. Die behauptete Beleidigung
einer Vorgesetzten könne für den geltend gemachten Schaden nicht kausal gewesen sein. Soweit sich die
Beklagte auf die schlechten Leistungen des Klägers berufe, sei nicht ersichtlich, dass sich ein eventueller
Vorsatz des Klägers auch auf den geltend gemachten Schaden beziehe. Zudem hätte der Kläger sein
Arbeitsverhältnis selbst unter Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist in der Probezeit kündigen können und
der geltend gemachte Schaden wäre auch bei einem solchen rechtmäßigen Alternativverhalten des
Klägers entstanden. Ausgehend von drei Unterhaltspflichten und einem Bruttolohn von 2.100,-- €
verbliebe kein pfändbarer Betrag.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 24.07.2009 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am
13.08.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz teilweise - soweit sie zur Zahlung von
Vergütung verurteilt wurde - Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26.10.2009, beim
Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, innerhalb der mit Beschluss vom 01.09.2009 bis
zum 26.10.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 222 ff. d. A.),
macht die Beklagte im Wesentlichen geltend:
Das Arbeitsgericht habe die Widerklage verfahrensfehlerhaft abgetrennt. Die Stufenwiderklage habe
möglicherweise Gegenansprüche der Beklagten ergeben können, mit denen möglicherweise hätte
aufgerechnet werden können. Das Arbeitsgericht habe zudem § 297 BGB rechtsfehlerhaft nicht von Amts
wegen berücksichtigt. Unzutreffend sei das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte
die Abführung der Sozialabgaben und Steuern nicht nachgewiesen habe, da sie sämtliche
Lohnsteuerbescheinigungen vorgelegt habe.
Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Lohnansprüche nicht durch die
erklärte Aufrechnung erloschen seien. Der Kläger sei nicht mehr bereit gewesen weiter zu arbeiten, da er
keine Lust mehr gehabt habe und geäußert habe, er verdiene nur 200,-- € mehr als im Falle der
Arbeitslosigkeit. Der Kläger habe die Kündigung provoziert. Über den diesbezüglichen Sachverhalt habe
das Gericht zu Unrecht keinen Beweis erhoben. Die Beweisaufnahme hätte ergeben, dass der Kläger
durch sein Verhalten vorsätzlich die Kündigung herbei geführt und die Beklagte vorsätzlich in die Situation
gebracht habe, dass sie kurzfristig einen anderen Mitarbeiter einstellen und hätte anlernen müssen. Ein
rechtmäßiges Alternativverhalten könne nicht berücksichtigt werden, da der Kläger gerade nicht habe
selbst kündigen wollen. Durch dieses Verhalten des Klägers sei es nicht möglich gewesen, einen Auftrag
der Firma R. zu akquirieren. Hierbei handele es sich um einen kausalen Schaden. Unter Berücksichtigung
eines Umsatzvolumens des Auftrags von 30.000,-- € Per anno sei der Beklagten für zwei Monate ein
Umsatzverlust in Höhe von 4.000,-- € entstanden. Ferner habe sie sich eines externen Mitarbeiters
bedienen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.07.2009, Az.: 7 Ca 75/09 teilweise abzuändern und die Klage
abzuweisen, soweit sie nach Maßgabe von Ziffer 2 des Tenors des genannten Urteils des Arbeitsgerichts
Mainz zur Zahlung verurteilt wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung gemäß
Schriftsatz vom 26.11.2009, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als zutreffend.
Entscheidungsgründe:
I.
Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet.
II.
Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Unter
Berücksichtigung des Berufungsvorbringens sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:
1.
V. m. der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung. Der Kläger hat in diesem Zeitraum Arbeitsleistung
erbracht. Im Zeitraum vom 12.01. bis 21.01.2009 folgt ein Vergütungsanspruch des Klägers aus dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 615 BGB. Die Beklagte ist der Behauptung des Klägers, ihre
Mitarbeiterin E. habe den Kläger am 12.01.2001 gegenüber erklärt, "er könne nach Hause gehen", nicht
mehr substantiiert entgegen getreten. Für die Zeit vom 22.01. bis 04.02.2009 folgt ein
Vergütungsanspruch des Klägers für fünf Tage daraus, dass dieser mit der schriftlichen Kündigung vom
19.01.2009 in Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der Arbeitspflicht frei gestellt wurde
und deshalb ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Urlaubsentgelt bestand. Für den weiteren
Zeitraum folgt der Anspruch des Klägers wiederum aus § 615 BGB infolge der erfolgten Freistellung.
Soweit demnach Ansprüche des Klägers auf Vergütung für Zeiträume bestehen, in denen der Kläger
keine Arbeitsleistung erbracht hat, scheiden diese Ansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt
fehlender Leistungswilligkeit, § 297 BGB aus. Die Darlegungs- und Beweislast für einen fehlenden
Leistungswillen trägt im Zahlungsprozess grundsätzlich der Arbeitgeber (DLW/Dörner Kap. 3 Rn. 1590
mwN). Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht gerecht worden. Die Beklagte hat sich insoweit
lediglich auf den von ihr behaupteten Vorfall am 12.01.2009 berufen, namentlich darauf, dass der Kläger
erklärt habe, im Hinblick auf den gegenüber einem Arbeitslosengeldanspruch nur geringfügig höheren
Verdienst er keine Lust mehr habe bei der Beklagten zu arbeiten. Selbst wenn dieser Sachvortrag zuträfe,
kann hieraus nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers geschlossen werden. Der Kläger hat
bis zu dem behaupteten Vorfall seine Arbeitsleistung erbracht. Er hat darauf verwiesen, dass er
seinerseits nicht kündigen wolle, sondern mit einer Kündigung der Beklagten rechne. Die behauptete
Äußerung des Klägers lässt allenfalls den Schluss auf eine nur geringe Motivation des Klägers zu, nicht
aber auf dessen Willen, bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses die geschuldete Arbeitsleistung
überhaupt nicht mehr erbringen zu wollen.
2.
a)
Arbeitslohn entfallenden Steuern behauptet hat, sie habe diese abgeführt, ist sie auch im
Berufungsverfahren hierfür beweisfällig geblieben. Es wurden keinerlei Bescheinigungen im Original oder
sonstige Belege dafür, dass die entsprechenden Beträge abgeführt wurden, vorgelegt.
b)
vermeintlichen Schadenersatzanspruch erklärte Aufrechnung nicht durchgreift. Auf die Ausführungen des
Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Beklagte stützt ihre Schadenersatzansprüche darauf, dass der Kläger durch sein Verhalten eine
Kündigung durch die Beklagte provoziert habe. Es geht somit um Schadenersatzansprüche wegen eines
Auflösungsverschuldens des Klägers. Für derartige Ansprüche stellt § 628 Abs. 2 BGB eine
Spezialregelung dar, hinter die andere Anspruchsgrundlagen aus Vertrag oder unerlaubter Handlung
zurücktreten (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 269/03 - EzA § 628 BGB 2002 Nr. 4). Dieser
Schadenersatzanspruch ist aber unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm zeitlich begrenzt.
Bei einem Auflösungsverschulden des Arbeitnehmers ist dabei maßgeblich, ob der Schaden auch bei
einem rechtsmäßigen Alternativverhalten des Arbeitnehmers eingetreten wäre, also auch dann, wenn der
Arbeitnehmer seinerseits von der ihm zustehenden Kündigungsmöglichkeit ordnungsgemäß Gebrauch
gemacht hätte (BAG, a.a.O.; Fachanwaltskommentar - Arbeitsrecht/Weigandt, § 628 BGB Rn. 48 ff.). Unter
Berücksichtigung eines solchen rechtmäßigen Alternativverhaltens ergibt sich, dass der Auftrag mit der Fa.
R. auch dann nicht zustande gekommen wäre, wenn der Kläger seinerseits in Wahrung der
Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis gekündigt hätte. Wie sich aus dem Schreiben der genannten Firma
an die Beklagte mit Datum vom 02.02.2009 ergibt (Bl. 76 d. A.) hat diese Firma von einer Auftragserteilung
zunächst nicht etwa deshalb abgesehen, weil der Kläger infolge der Kündigung etwa plötzlich und
unerwartet keine bei der genannten Firma dringend durchzuführenden Arbeiten mehr ausführen konnte,
sondern deshalb, weil der genannten Firma bekannt geworden ist, dass der Kläger das Unternehmen
verlässt und abgewartet werden sollte, bis sich ein neuer Mitarbeiter in die Thematik eingearbeitet habe.
Auch im Falle einer Eigenkündigung durch den Kläger hätte dieser zur Durchführung von Arbeiten bei der
genannten Firma nicht mehr zur Verfügung gestanden. Auch in diesem Falle hätte die genannte Firma
somit abgewartet, bis sich ein Nachfolger des Klägers eingearbeitet hätte. Ebenso wenig stellen die
geltend gemachten Kosten für die Beauftragung der Firma "N." einen ersatzfähigen Schaden dar. Aus dem
entsprechenden Auftrag (Bl. 89 d. A.) ergibt sich, dass dieser am 26.01.2009 erteilt wurde. Ausgehend von
einem - behaupteten - vertragswidrigen und kündigungsprovozierenden Verhalten des Klägers am
12.01.2009 endete die vom Kläger ggf. zu wahrende Kündigungsfrist innerhalb der arbeitsvertraglich
vereinbarten Probezeit mit Ablauf des 26.01.2009, d. h. die Notwendigkeit der Ersatzbeauftragung der
genannten Firma entstand ausweislich der Auftragserteilung erst zu einem Zeitpunkt, in welchem das
Arbeitsverhältnis auch bei einem rechtsmäßigen Alternativverhalten des Klägers bereits beendet gewesen
wäre.
III.
Revisionszulassungsgrund besteht nicht.