Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 04.02.2011

LArbG Mainz: treu und glauben, arbeitsgericht, bad, unzumutbarkeit, dienstort, verzicht, rückgriff, zusage, versetzung, schule

LAG
Mainz
04.02.2011
9 Sa 556/10
Umsetzung nach Schließung eines Dienststellenteils, Direktionsrecht
Aktenzeichen:
9 Sa 556/10
5 Ca 426/10
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 04.02.2011
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 29.07.2010, Az.: 5 Ca 426/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.
Der Kläger ist seit dem 02.04.1979 bei der Beklagten als Munitionshelfer im Munitionslager R. beschäftigt.
Zunächst war zwischen den Parteien der Arbeitsvertrag vom 02.04.1979 maßgeblich (vgl. Bl. 5 d. A.).
Unter dem 14.08.2008 verständigten sich die Parteien auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, welches per
Änderungsvertrag gleichen Datums schriftlich fixiert wurde. Danach wird der Kläger im Blockmodell
beschäftigt, wobei die Arbeitsphase vom 01.09.2008 bis 31.01.2013 und die Freistellungsphase vom
01.02.2013 bis 30.06.2017 andauert. Auf den Änderungsvertrag vom 14.08.2008 wird Bezug genommen
(vgl. Bl. 31 d. A.).
Der Kläger ist verheiratet. Sein monatliches Bruttoentgelt betrug zuletzt durchschnittlich 2.104,11 EUR
(vgl. Bl. 6 d. A.). Im Hinblick darauf, dass die Beklagte das Munitionslager R. zum 31.12.2010 geschlossen
hat, wurden dem Kläger unter Berücksichtigung des Tarifvertrages über sozialverträgliche
Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw)
Beschäftigungsalternativen angeboten. Hierzu gehörte insbesondere ein Angebot vom 11.06.2008 als
Munitionsfacharbeiter bei der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in U.(vgl. Bl. 51 d. A.). Auf
ein Schreiben der Wehrverwaltung vom 03.05.2010 zu den Angeboten wird Bezug genommen (vgl. Bl. 7 -
9 d. A.).
Seit dem 01.07.2010 ist der Kläger als Munitionshelfer im Munitionslager K. tätig, welches - ebenso wie
das Munitionslager R. - zum Munitionsdepot E. gehört. Die beiden Munitionslager sind keine
eigenständigen Dienststellen.
Gegen diese Umsetzungsmaßnahme wehrt sich der Kläger mit seiner Klage vom 11.05.2010,
eingegangen beim Arbeitsgericht am 14.05.2010, welche der Beklagten am 20.05.2010 zugestellt worden
ist.
Mit seiner vor dem Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - erhobenen Klage wendet
sich der Kläger gegen diese Umsetzung und hat beantragt,
festzustellen, dass die Umsetzung des Klägers als Munitionsfacharbeiter gemäß § 3 TVUmBw zum
01.07.2010 in das Munitionsdepot E., Munitionslager K., F., unzulässig ist.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug
genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 29.07.2010, Az.: 5 Ca 426/10 (Bl. 66 ff. d. A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung -
zusammengefasst - ausgeführt:
Die Weisung der Beklagten, bezogen auf den Ort der Arbeitsleistung, sei rechtmäßig und wirksam. Wenn
auch aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO keine uneingeschränkte
Weisungsbefugnis des Arbeitgebers dahingehend bestehe, den Ort der Arbeitsleistung unabhängig von
der Entfernung zwischen alter und neuer Betriebsstätte unbeschränkt festzulegen, gelte dies nach dem
Wortlaut des § 106 GewO nur insoweit, als der Arbeitsvertrag oder auf das Arbeitsverhältnis anwendbare
Tarifverträge keine anderen Vorgaben enthielten. Die Ausübung eines tarifvertraglich begründeten Rechts
zur Ver- oder Umsetzung sei grundsätzlich nicht am Maßstab des § 106 GewO zu messen. Vielmehr
könne das Weisungsrecht des Arbeitgebers insbesondere auch durch tarifvertragliche Regelungen
erweitert werden. Vorliegend finde Kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme im Änderungsvertrag über das
Altersteilzeitarbeitsverhältnis vom 14.08.2008 der Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen
im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TVUmBw) Anwendung. Im Interesse der
Arbeitsplatzsicherung sei der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 4 TV UmBw verpflichtet, dem Beschäftigten in
erster Linie einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz im Bundesdienst zu sichern, wobei eine
Gleichwertigkeit anzunehmen sei, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Eingruppierung nicht
ändere und der Beschäftigte in der neuen Tätigkeit voll beschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nicht voll
beschäftigt bleibt. Dabei gelte bei der Sicherung folgende Reihenfolge:
Arbeitsplatz bei einer Dienststelle des BMVg in dem selben Ort oder in dessen Einzugsgebiet
Arbeitsplatz bei einer Dienststelle des BMVg an einem anderen Ort oder bei einer anderen
Bundesdienststelle an dem selben Ort oder in dessen Einzugsgebiet
Arbeitsplatz bei einer anderen Bundesdienststelle an einem anderen Ort.
Der nunmehr dem Kläger zugewiesene Arbeitsplatz als Munitionshelfer im Munitionslager K. stelle einen
gleichwertigen Arbeitsplatz in der selben Dienststelle dar. Gemäß § 3 Abs. 8 TVUmBw sei der Kläger
verpflichtet, diesen ihm nach den genannten Kriterien angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen.
Die Annahme dieses Arbeitsplatzes sei dem Kläger auch i. S. d. § 3 Abs. 8 TV UmBw nach seinen
Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise zumutbar.
Wenn § 3 Abs. 8 TVUmBw darauf abstelle, ob dem Arbeitnehmer die Annahme eines angebotenen
Arbeitsplatzes nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise zugemutet werden könne, scheide
damit ein genereller Rückgriff auf § 106 GewO in dem Sinne, dass die Änderung des Arbeitsortes nur bei
Abwägung der wesentlichen Umstände und unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen
Interesse der Vertragsparteien erfolgen könne, aus.
Unbeachtlich sei deshalb der Einwand des Klägers, er benötige für Hin- und Rückfahrt pro Arbeitstag
mehr als drei Stunden Fahrtzeit. Ein Rückgriff auf die Zumutbarkeitskriterien nach § 121 Abs. 4 SGB III sei
nicht möglich.
Die Umsetzung des Klägers sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere habe der
Kläger seine Behauptung, ihm sei (mündlich) zugesagt worden, dass er im Überhang in Ka. und K.
beschäftigt würde, nicht ausreichend substantiiert. Unklar bleibe, wann eine derartige Zusage erteilt
worden sein soll und in welcher Funktion der Mitarbeiter, der die Zusage getroffen haben soll, beschäftigt
sei.
Der Kläger könne auch nicht verlangen, dass die Beklagte i. S. d. § 11 TVUmBw auf die arbeitsvertraglich
geschuldete Arbeitsleistung verzichte. Gemäß § 11 Abs. 1 TVUmBw sei hierfür nämlich Voraussetzung,
dass dem Arbeitnehmer kein Arbeitsplatz nach § 3 TVUmBw habe angeboten werden können. Ein
solches Angebot habe aber gerade mit der erfolgten Umsetzung erfolgen können.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die allgemeinen Fragen der Rechtsausübung, insbesondere im
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie den
Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe, bestünden nicht.
Das genannte Urteil ist dem Kläger am 16.09.2010 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am
15.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit
Schriftsatz vom 15. November 2010, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen,
begründet.
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den
ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 94 ff. d. A.), geltend:
Das Arbeitsgericht habe den Inhalt des § 3 Abs. 8 TVUmBw verkannt. Zu den Fähigkeiten des
Arbeitnehmers im Tarifsinne gehöre auch die körperliche Eignung des Arbeitnehmers. Darüber hinaus
seien Zumutbarkeitskriterien heranzuziehen, die sich über die tarifvertragliche Regelung hinaus aus der
arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht und dem Kündigungsschutzrecht ergäben. Vorliegend seien die
Pendelzeiten unzumutbar lang, da für eine Strecke eine Fahrtzeit von einer Stunde und 37 Minuten
benötigt werde. Insoweit könne auf die Kriterien des § 121 Abs. 4 SGB III abgestellt werden. Jedenfalls sei
die sich aus den Pendelzeiten ergebende Unzumutbarkeit im Rahmen des auszuübenden billigen
Ermessens nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu berücksichtigen. Neben dem zeitlichen Aufwand ergäben
sich unzumutbar hohe Fahrtkosten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er seine 86jährige, pflegebedürftige
Mutter zu Hause betreuen müsse.
Die Unwirksamkeit der Umsetzung ergebe sich ferner auch aus § 11 TVUmBw. Ein zumutbarer
Arbeitsplatz habe ihm gerade nicht angeboten werden können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.07.2010, Az.: 5 Ca 426/10 abzuändern und festzustellen,
dass die Umsetzung des Klägers als Munitionsfacharbeiter gemäß § 3 TVUmBw zum 01.07.2010 in
das Munitionsdepot E., Munitionslager K., F., unzulässig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom
17.01.2011, auf den Bezug genommen wird (Bl. 115 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
Berufungskammer folgt in vollem Umfang der ausführlichen und zutreffenden Begründung im
angefochtenen Urteil und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen des
Klägers zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen. Im Hinblick
auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende ergänzenden Ausführungen veranlasst:
1. Wenn § 3 Abs. 8 TVUmBw vorsieht, dass eine Verpflichtung des Beschäftigten, einen ihm nach den
vorstehenden Absätzen des § 3 angebotenen sowie einen gegenüber seiner ausgeübten Tätigkeit
höherwertigen Arbeitsplatz anzunehmen, es sei denn, dass ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen
und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann, ergibt sich aus der Entfernung zwischen
altem und neuem Arbeitsort keine Unzumutbarkeit im Sinne der tariflichen Bestimmung. Nach dem
insoweit eindeutigen tariflichen Wortlaut ist keine umfassende Billigkeitsprüfung unter Abwägung aller bei
vernünftiger Betrachtung in Frage kommenden Gesichtspunkte vorzunehmen, sondern die Prüfung der
Zumutbarkeit ist eingeschränkt auf die Gesichtspunkte der Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweils
betroffenen Arbeitnehmers. Mit Kenntnissen und Fähigkeiten hat aber die Entfernung zwischen altem und
neuem Dienstort nichts zu tun.
Dieses Verständnis wird im Übrigen unterstützt durch den systematischen Zusammenhang der tariflichen
Regelung. § 3 Abs. 4 Satz 3 TVUmBw legt auch hinsichtlich des örtlichen Einsatzes eine bestimmte
Reihenfolge der gegebenenfalls anzubietenden Arbeitsplätze vor, wobei der Weiterbeschäftigung bei
einer Dienststelle des BMVg Vorrang gegenüber einer ortsnahen Beschäftigung eingeräumt wird.
Insgesamt verdeutlicht § 3 Abs. 4 Satz 3 TVUmBw, dass die Tarifvertragsparteien die Problematik eines
gegebenenfalls erforderlichen Ortswechsels erkannt und einer Regelung zugeführt haben. Wenn die
Tarifvertragsparteien sodann in § 3 Abs. 8 TVUmBw keine generelle Zumutbarkeitsprüfung vorsehen,
sondern darauf abstellen, ob dem Arbeitnehmer die Annahme eines angebotenen Arbeitsplatzes nach
seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann, wird hieraus deutlich,
dass eine große räumliche Distanz zwischen altem und neuem Dienstort gerade kein im Rahmen der
Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigendes Kriterium sein sollte.
Dass der dem Kläger zugewiesene neue Arbeitsplatz den Voraussetzungen und der Rangfolge des § 3
Abs. 4 Satz 3 TVUmBw entspricht, hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Es handelt sich um eine
Tätigkeit, bei der selben Dienststelle des BMVg.
2. Auch bei einer Prüfung nur am Maßstab des § 106 Satz 1 GewO ergibt sich im Übrigen keine andere
rechtliche Beurteilung. Es steht fest, dass das Munitionslager R., in welchem der Kläger bis zu seiner
Umsetzung beschäftigt war, geschlossen wurde. Andere ihm angebotene Beschäftigungsalternativen,
insbesondere ein Angebot vom 11.06.2008 als Munitionsfacharbeiter bei der Schule für
Diensthundewesen der Bundeswehr im ortsnäheren U., hat der Kläger nicht angenommen. Der Kläger
zeigt seinerseits auch keine Beschäftigungsmöglichkeiten auf, die für ihn mit weniger negativen
Auswirkungen verbunden wären. Soweit der Kläger darauf verweist, es hätte von der Möglichkeit des § 11
Abs. 1 TVUmBw Gebrauch gemacht werden können (Verzicht auf die arbeitsvertraglich geschuldete
Arbeitsleistung), hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatbestandlichen
Voraussetzungen, unter denen ein solcher Verzicht vereinbart werden kann, nicht vorliegen. Die
Anwendung der Härtefallregelung setzt u. a. voraus, dass dem Arbeitnehmer kein Arbeitsplatz nach § 3
TVUmBw angeboten werden kann. Ein Arbeitsplatz i. S. d. § 3 Abs. 4 TVUmBw konnte dem Kläger aber
gerade zugewiesen werden.
III.
zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.