Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 21.07.2006
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LAG
Mainz
21.07.2006
8 Sa 252/06
Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Aktenzeichen:
8 Sa 252/06
9 Ca 1264/05
ArbG Mainz
Entscheidung vom 21.07.2006
Tenor:
1.Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.02.2006 - Az.: 9 Ca
1264/05 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten - soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse - um die Verpflichtung des
Beklagten bestimmte Behauptungen gegenüber Dritten zu unterlassen.
Die Parteien sind Arbeitnehmer des W. in A-Stadt (ZI) und dort als Krankenpfleger tätig. Sie waren über
mehrere Jahre zusammen Mitglieder des im ZI bestehenden Personalrats. Der Kläger, welcher
mittlerweile aus dem Personalrat zurückgetreten ist, war bis zur Neuwahl des Personalrats am 20.04.2005
Personalratsvorsitzender, nunmehr ist es der Beklagte.
Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den umfassenden
Tatbestand im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.02.2006 - 9 Ca 1264/05 - und die dort gestellten
Anträge (Bl. 183 bis 184 d. A.) Bezug genommen.
In dem vorerwähnten Urteil hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, es gegenüber Dritten zu
unterlassen, der Kläger habe auf der Station 6d des W. in A-Stadt pornographische Dateien oder Filme
herunter geladen und sich dabei einen Computervirus eingefangen, sowie dazu, es zu unterlassen,
gegenüber Dritten zu behaupten, der Kläger habe im W. eine CD mit pornographischem Inhalt verbreitet.
Für den Fall einer Zuwiderhandlung wurde zugleich ein Ordnungsgeld festgesetzt und im Fall dessen
Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft angedroht.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe die Aussage zum
Herunterladen von pornographischen Dateien oder Filmen zumindest gegenüber dem Arbeitnehmer V.
getätigt. Bei der Äußerung des Beklagten handele es sich um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
des Klägers. Dies würde auch dann gelten, wenn die Aussagen zum sonstigen, umstrittenen, Verhalten
des Klägers zuträfen. Der Kläger könne auch die Unterlassung der gegenüber Herrn L. getätigten
Äußerungen vom Beklagten verlangen. Das verabredungsgemäße Mitbringen von pornographischen
Materialien an den Arbeitsplatz, um es dort anderen Mitarbeitern zu übergeben, stelle kein "Verbreiten"
dar. Eine nähere Konkretisierung eines solchen Verhaltens des Klägers fehle.
Gegen das, dem Beklagten am 03.06.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.03.2006 eingelegte
und am 08.06.2006 begründete Berufung, nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist.
Der Beklagte bringt zweitinstanzlich insbesondere vor,
einen Rechtsgrund für die vom Arbeitsgericht ausgesprochenen Verbote gäbe es nicht, weil durch
Äußerung des Beklagten die Ehre des Klägers nicht verletzt worden wäre. Dieser sei im W. bekannt dafür,
dass er auf den betriebseigenen PC Sex-Seiten anklicke, um sie jeweils anwesenden Mitarbeitern
vorzuführen; desweiteren auch dafür, Mitarbeitern Videofilme und CDs mit harter Pornographie zu geben
und auch aufzudrängen, sowie von ihm aus dem Internet ausgedruckte pornographische Bilder
vorzulegen. Der Kläger trage bei zahlreichen Mitarbeitern des ZI den Spitznamen "Porno-K." und wegen
seiner Ambitionen zum Personalrat "Pornonalrat". Die diesbezüglichen Beweisangebote zu diesen
Tatsachen habe das Arbeitsgericht fehlerhaft nicht beachtet und anlässlich der Zeugenbefragung
entsprechende Fragen der Beklagtenseite auch nicht zugelassen. Den Ausführungen des Arbeitsgerichts
zur Darlegungs- und Beweislast, an welchen Tagen genau der Kläger welche Aktivitäten entfaltet habe,
könne nicht gefolgt werden. Für die Behauptungen des Beklagten würden als Zeugen benannt: U., T., S.,
R., Q., P., O., V..Der Kläger habe ständig, mindestens zweimal die Woche, pornographisches Material
Mitarbeitern übergeben oder gezeigt - dies meist ungewollt und ungefragt. Das sei als "Verbreiten" zu
bezeichnen. Es sei zu bestreiten, dass er - der Beklagte - von "Herunterladen" gesprochen habe. Das
Erinnerungsvermögen des Zeugen V., welcher auf der Freundesseite des Klägers stünde, sei
beeinträchtigt, wie das Arbeitsgericht selbst festgestellt habe. Im Übrigen habe es sich um die Behauptung
gegenüber einer Person und nicht gegenüber einem, wenn auch kleinen Kreis, gehandelt. Bedenken
bestünden auch an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin N.. Diese sei dem Beklagten offensichtlich
feindlich gesinnt, weil sie durch deren Vorgesetzte, die Zeugin M., bereits als Zeugin beim Arbeitsgericht
vernommen und abgemahnt worden sei, privat bestimmte Dinge anzuklicken und insbesondere nicht
weiter zu dulden, dass sich der Kläger unerlaubt Medikamente für seinen privaten Gebrauch aus dem
Vorrat des ZI entnehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom
08.06.2006 (Bl. 218 bis 223 d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.02.2006 - 9 Ca 1264/05
- abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat
Zurückweisung der Berufung
beantragt und erwidert, unter Bezugnahme auf die von ihm für zutreffend gehaltenen Feststellungen der
ersten Instanz, er fühle sich in seiner Ehre verletzt. Die Behauptungen des Beklagten seien insgesamt zu
bestreiten.
Auf die Berufungserwiderungsschrift vom 03.07.2006 (Bl. 228 bis 229 d. A.) wird Bezug genommen.
Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom
21.07.2006 (Bl. 230 bis 232 d. A.) verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I.
Das Rechtsmittel der Berufung des Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist
gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie
begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
Die Berufung des Beklagten ist jedoch n i c h t begründet.
Das Arbeitsgericht Mainz hat in dem angefochtenen Urteil vom 22.02.2006 zutreffend darauf erkannt, dass
der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung in zweifacher Hinsicht hat;
nämlich gegenüber Dritten zu behaupten, der Kläger habe auf der Station 6d des W. in A-Stadt
pornographische Dateien oder Filme herunter geladen und sich dabei einen Computervirus eingefangen,
sowie der Kläger habe im W. eine CD mit pornographischem Inhalt verbreitet.
Die Berufungskammer folgt insoweit ausdrücklich der Begründung des angefochtenen Urteils, stellt dies
fest und bezieht sich, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 540 ZPO im vollem Umfang
auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens
geworden ist.
Die Angriffe der Berufung des Beklagten sind nicht geeignet, um zu einer abändernden Entscheidung zu
gelangen. Sie bedürfen lediglich folgender ergänzender Ausführungen:
1.
Soweit die Berufung der Auffassung ist, es gäbe keinen Rechtsgrund für die vom Arbeitsgericht
ausgesprochenen Verbote, weil durch Äußerungen des Beklagten die Ehre des Klägers nicht verletzt
worden wäre, ist zunächst zu sehen, dass bei Unterlassungsklagen - und insofern anders als bei
Widerrufs- und Schadensersatzklagen - lediglich das Recht zur künftigen Wiederholung einer Äußerung
im Streit stehen. Hinzukommt, dass es bei Äußerungen unter Arbeitskollegen und im Betrieb nicht allein
um den bloßen Ehrenschutz eines Arbeitnehmers, sondern auch um dessen soziale Identität geht. Das
Persönlichkeitsrecht ist nämlich nicht allein auf die Privatsphäre beschränkt, sondern garantiert die
erforderliche Freiheit bei der Darstellung der eigenen Person gegenüber Dritten, mithin auch dem
Arbeitgeber gegenüber (vgl. hierzu: Dietrich, Erfurter Kommentar, 6. Auflage, GG 10, Art. 2, Rz. 42). Der
einzelne Arbeitnehmer darf selbst darüber befinden, was seinen sozialen Geltungsanspruch
kennzeichnen soll und inwieweit Dritte - auch Arbeitskollegen - seine Persönlichkeit zum Gegenstand
bestimmmter Erklärungen machen dürften (vgl. BVerfG vom 08.02.1983 = NJW 1983, 1179). Insbesondere
dieser soziale Geltungsanspruch ist nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts verletzt. Liegt der
Schwerpunkt der Argumentation des Arbeitsgerichts im Ergebnis auf dieser Ebene, kommt es auf das
Vorbringen der Berufung zum angeblichen Spitznamen des Klägers und auch auf die nach wie vor
unsubstantiiert gebliebenen Behauptungen zum Bekanntsein bestimmter Neigungen des Klägers nicht
mehr an.
2.
Die Angriffe auf die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts und insbesondere zu den Feststellungen aus
den Aussagen der Zeugen V. und N. sind mit dem Berufungsvorbringen nicht zu erschüttern.
Novenrechtlich beachtliche Tatsachen, die zwingend, zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme führen
müssten, sind für die Berufungskammer nicht auszumachen. Das Arbeitsgericht hat insofern zu Recht
festgestellt, dass der Beklagte die streitgegenständliche Aussage zumindest gegenüber dem
Arbeitnehmer V. getätigt hat und dies auch in Übereinstimmung mit dessen polizeilicher Aussage vom
07.06.2005 steht.
3.
Soweit die Berufung weiter darauf abhebt, dass die zahlreich benannten Zeugen zum Beweis dafür
angeboten würden, dass der Kläger diesen Zeugen gegenüber oder zumindest in deren Beisein
ungefragt vorbezeichnetes Pornomaterial übergeben habe, war dem von Seiten der Berufungskammer
nicht nachzugehen. In Übereinstimmung mit den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesgerichtshofs
geht die Berufungskammer von einer erweiterten Darlegungslast desjenigen aus, der eine ehrenrührige
Tatsache über eine andere Person behauptet hat und behandelt die umstrittenen Äußerungen, kommt der
sich Äußernde seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht nach, als unwahr (vgl. BGH, Urteil vom
09.07.1974, VI ZR 112/73 = NJW 1974, 1710 (1711)). Auch verfassungsrechtlich wurden den
Anforderungen zu einer insoweit erweiterten Darlegungslast keine prinzipiellen Bedenken entgegen
gesetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88 - = NJW 1992, 1439). Im vorliegenden
Fall fehlt es hier an präzisen Darlegungen zu einer entsprechenden Verhaltensweise des Klägers
hinsichtlich Zeit, Ort und Umständen.
III.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG
keine Notwendigkeit. Die bisher entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofs
reichen für eine abschließende Bewertung des vorliegenden Falls vollkommen aus.