Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.02.2010

LArbG Mainz: arbeitsgericht, tarifvertrag, arbeitgeberverband, vergütung, zentralbank, anstellungsvertrag, rechtshängigkeit, akte, form, quelle

LAG
Mainz
18.02.2010
5 Sa 457/09
Verweisung auf Tarifvertrag im Formulararbeitsvertrag
Aktenzeichen:
5 Sa 457/09
1 Ca 342/09
ArbG Trier
Urteil vom 18.02.2010
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 24.06.2009 - 1 Ca 342/09 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
Vergütung nach den Tarifverträgen für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel zu bezahlen.
Die 1960 geborene Klägerin ist seit 1989 bei der Beklagten als Substitutin beschäftigt. Der ursprüngliche
Anstellungsvertrag vom 25.09.1990 enthält folgende Bestimmung:
§ 14
Manteltarifvertrag
Diesem Anstellungsvertrag liegen die tariflichen Bestimmungen im Einzelhandel Rheinland-Pfalz in der
jeweils gültigen Fassung zugrunde. . . . "
Am 31.08.1999 haben die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag abgeschlossen. Darin heißt es, dass ab
01.05.1999 "folgende neue Vereinbarungen getroffen" wurden. Unter § 4 "Vergütung" ist angegeben, dass
die Klägerin ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.215,00 DM "Eingruppierung G IV - b 3
Tätigkeitsjahr" erhält. Ansonsten enthält der Arbeitsvertrag vom 31.08.1999 keine Verweisung auf die
tariflichen Bestimmungen im Einzelhandel Rheinland-Pfalz, wie dies in § 14 des Anstellungsvertrages
vom 25.09.1990 enthalten war.
Die Tarifverträge im rheinland-pfälzischen Einzelhandel sind mit Ausnahme des Tarifvertrages über
vermögenswirksame Leistungen vom 22.06.1993 und des Tarifvertrages zur Entgeltfortzahlung vom
20.06.1997 nicht allgemeinverbindlich.
1996/1997 ist die Beklagte aus dem tarifschließenden Einzelhandelsverband ausgetreten. Nach Ablauf
der Kündigungsfrist hinsichtlich der Verbandsmitgliedschaft hat sie am 26.11.1997 allen Mitarbeitern
mitgeteilt, dass sie nicht mehr tarifgebunden ist und demgemäß auch nicht mehr nach Tarif bezahlt.
Hinsichtlich der Entwicklung der tariflichen Entgelte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3
der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 46 d. A.) Bezug genommen.
Mit der Abrechnung September 2008 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Einmalbetrag von 246,00
€. Ferner nahm sie ab September 2008 eine Lohnerhöhung um 1% vor.
Die Klägerin hat vorgetragen,
ihr stehe auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen die Vergütung nach der Gehaltsgruppe G II des
Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel Rheinland-Pfalz zu. Dem stehe nicht entgegen, dass die
Beklagte aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sei. Der Anspruch ergebe sich zudem auch aus einer
entsprechenden betrieblichen Übung. Seit Bestand des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte auch nach
dem Ausscheiden aus dem Arbeitgeberverband alle tariflichen Erhöhungen weiter gezahlt. Schließlich sei
die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB sowie das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2
BGB zu beachten; auch vor diesem Hintergrund sei ihr Anspruch gegeben.
Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Klägerin im erstinstanzlichen Rechtszug sowie zur
Berechnung der Höhe der Klageforderung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3, 4 der
angefochtenen Entscheidung (= Bl. 46, 47 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.503,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit, das ist seit
24.03.2009 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 01.05.2009 die Klägerin nach den Tarifverträgen für den rheinland-
pfälzischen Einzelhandel zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
sie habe nach dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband keineswegs alle tariflichen Erhöhungen an ihre
Mitarbeiter weitergegeben. Im Jahre 2002 habe sie - was unstreitig ist - sogar Insolvenz anmelden
müssen und es habe keine Erhöhung der Entlohnung nach dem Tarifvertrag gegeben.
Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachvortrages der Beklagten wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf Seite 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 48 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Trier hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 24.06.2009 - 1 Ca 342/09 - abgewiesen.
Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 35 bis 41 der Akte
Bezug genommen.
Gegen das ihr am 09.07.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 28.07.2009 beim
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die
Berufung durch am 07.10.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet,
nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 30.07.2009 die
Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.10.2009 einschließlich verlängert worden war.
Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Klage sei
aufgrund der vertraglichen Regelung in § 4 begründet; dies ergebe sich auch aus einer Inhaltskontrolle
nach Maßgabe der neuen gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB. Eine andere rechtliche
Beurteilung als bei sogenannten Neuverträgen, die nach Inkrafttreten der sogenannten
Schuldrechtsreform abgeschlossen worden seien, sei nicht statthaft. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch
auch aus einer betrieblichen Übung. Denn die Beklagte habe fortlaufend seit 1998 Lohnerhöhungen
vorgenommen, die der jeweiligen tariflichen Regelung entspreche. Insoweit wird auf die tabellarische
Aufstellung der Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift (= Bl. 88, 89 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
1. an die Klägerin 1.503,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit, also seit dem 24.03.2009 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab 01.05.2009 nach der Gehaltsgruppe IV b Endstufe des
Gehaltstarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel Rheinland-Pfalz zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens und hebt insbesondere hervor, da es sich vorliegend um einen sogenannten Altvertrag
handele, finde eine Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB nicht statt. Der Anspruch ergebe
sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Denn es könne keine Rede davon sein, dass die Beklagte
die regelmäßigen Tariflohnerhöhungen einschränkungslos an die Mitarbeiter weitergegeben habe. Zur
weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom
04.11.2009 (= Bl. 110 - 112 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten
gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 18.02.2010.
Entscheidungsgründe:
I.
64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
II.
Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon
ausgegangen, dass der Klägerin das geltend gemachte höhere Entgelt nicht zusteht.
Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 14 des schriftlich am 25.09.1990 abgeschlossenen
Arbeitsvertrag. Denn dann, wenn ein Arbeitsvertrag eine arbeitsvertragliche dynamische Verweisung und
damit eine Gleichstellungsabrede enthält und vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden ist, gilt bei
Ende der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, insbesondere durch Verbandsaustritt, die aufgrund des zu
diesem Zeitpunkt gültigen Tarifvertrages bestehende Rechtslage lediglich statisch weiter. Spätere
Änderung des Tarifvertrages werden nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses (BAG 18.04.2007 EzA § 3 TVG
Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; 23.01.2008 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38).
Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend im Ergebnis und in der Begründung ausgegangen; deshalb wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6, 7 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 49, 50 d. A.)
Bezug genommen.
Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier
maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Insbesondere ergibt sich nach Maßgabe der zuvor zitierten
höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 305 ff. BGB kein abweichendes Ergebnis. Da die Klägerin
insoweit keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten
Tatsachenbehauptungen vorgetragen hat, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten, sind weitere
Ausführungen nicht veranlasst.
Mit dem Arbeitsgericht ist des weiteren davon auszugehen, dass sich der geltend gemachte Anspruch
auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung rechtfertigt. Insoweit ist das Vorbringen der
Klägerin insbesondere im Berufungsverfahren schon in sich widersprüchlich. Denn zum einen ergibt sich
aus der von ihr vorgelegten tabellarischen Aufstellung, dass die Beklagte gerade nicht uneingeschränkt
jährlich die jeweiligen Tariflohnerhöhungen "weitergegeben" hat, sondern allenfalls eingeschränkt,
teilweise z. B. bezogen auf das Jahr 2002 auch gar nicht. Zum anderen wäre die Berechnung der
Klageforderung schon in sich unschlüssig, denn wenn die Beklagte alle Tariflohnerhöhungen
weitergegeben hätte, könnte eine Differenz zwischen dem tatsächlich ausgezahlten und dem
tarifvertraglich geschuldeten Arbeitsentgelt gar nicht bestehen. Vielmehr ist das Verhalten der Beklagten
wohl nur so zu verstehen, dass sie unter Berücksichtigung der konkreten wirtschaftlichen Lage jährlich
neu entschieden hat, ob und in welchem Ausmaß sie sich in der Lage sieht, Entgelterhöhungen
vorzunehmen. Eine betriebliche Übung des Inhalts, automatisch Tariflohnerhöhungen an die Mitarbeiter
weiterzugeben, folgt daraus ersichtlich nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vertraglichen Vereinbarung vom 31.08.1999. Denn darin ist -
auch insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht - keine dynamische Bezugnahmeklausel auf die
Tarifverträge des rheinland-Pfälzischen Einzelhandels vereinbart worden. Die Arbeitsvertragsparteien
haben lediglich festgehalten, dass die Klägerin ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.215,00 DM
"Eingruppierung G IV - b 3. Tätigkeitsjahr" erhält. Daraus folgt nicht, dass das jeweils gültige Bruttogehalt
der Eingruppierung G IV - b 3. Tätigkeitsjahr zu zahlen ist. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre und
in der Regelung des § 4 eine dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag verstehen würde, ständen
der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus den zuvor dargelegten Gründen nicht zu. Denn die
dynamische Verweisung wäre dann als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts, wie dargelegt, zu verstehen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine
Veranlassung gegeben.