Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.01.2007

LArbG Mainz: ordentliche kündigung, arbeitsgericht, zwangsgeld, geschäftsführer, persönlichkeit, beschäftigungspflicht, rechtsmissbrauch, quelle, rechtsgrundlage, form

LAG
Mainz
19.01.2007
9 Ta 8/07
Weiterbeschäftigung und Zwangsmittel
Aktenzeichen:
9 Ta 8/07
2 Ca 1362/06
ArbG Kaiserslautern
Entscheidung vom 19.01.2007
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom
22.12.2006, Az.: 2 Ca 1362/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern einen Kündigungsrechtsstreit geführt, in dessen
Verlauf das Arbeitsgericht am 16.10.2006 folgendes Versäumnisurteil verkündet hat:
" 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch
durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.09.2006 beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als
Baugerätemaschinenführer weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.332,00 EUR festgesetzt."
Nachdem die Beklagte gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hatte, hat das Arbeitsgericht
Kaiserslautern mit Urteil vom 09.11.2006 das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die Beklagte hat den
Kläger anschließend nicht weiterbeschäftigt, sondern einseitig unter Fortzahlung der Bezüge von der
Arbeit freigestellt. Daraufhin hat der Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft
für den gesetzlichen Vertreter der Beklagten beantragt. Das Arbeitsgericht hat sodann mit Beschluss vom
22.12.2006 gegen die Beklagte zur Erzwingung der Weiterbeschäftigungspflicht gemäß Versäumnisurteil
vom 16.10.2006 (Ziffer 2. des Tenors) ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR festgesetzt. Für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, hat das Arbeitsgericht gegen den Geschäftsführer der
Beklagten, Z., Ersatzhaft von zwei Wochen angeordnet.
Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung, welche ihr am 27.12.2006 zugestellt worden ist, am
05.01.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Beklagte macht geltend, aufgrund der mit Schreiben vom 20.11.2006 erfolgten widerruflichen
Freistellung des Klägers unter Fortzahlung seiner Bezüge habe sie den Weiterbeschäftigungsanspruch
vorläufig erfüllt.
Das Zwangsgeld sei unangemessen hoch.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses den Antrag kostenpflichtig abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere
auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 78 S. 1 ArbGG, 793, 567 ff. ZPO
zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat gegen die Beklagte mit Beschluss vom 22.12.2006 zu Recht ein
Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR und ersatzweise Zwangshaft für den Geschäftsführer der
Beklagten von zwei Wochen angeordnet. Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 888 Abs. 1 ZPO.
Demnach ist von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu erkennen, dass der
Schuldner zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten ist, wenn eine Handlung durch einen
Dritten nicht vorgenommen werden kann und sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt.
Bei der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers handelt es sich um eine nicht vertretbare Handlung,
welche der Arbeitgeber vorzunehmen hat und die ausschließlich von seinem Willen abhängt. Im
gegebenen Fall ist die Beklagte aufgrund des erstinstanzlich titulierten Weiterbeschäftigungsanspruches
des Klägers verpflichtet, diesen als Baugerätemaschinenführer während des Kündigungsrechtsstreits
tatsächlich einzusetzen. Dieser Verpflichtung genügt sie nicht dadurch, dass sie den Kläger einseitig und
widerruflich von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Bezüge freistellt. Denn Zweck des
Beschäftigungsanspruchs ist, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer durch Ausübung der
vertragsgemäßen Tätigkeit seine Persönlichkeit entfalten sowie sich die Achtung und Wertschätzung der
Menschen seines Lebenskreises erwerben und erhalten kann (vgl. BAG, Beschluss des Großen Senates
vom 27.02.1985 - GS 1/84 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Diesem Anspruch wird der
Arbeitgeber nicht gerecht, wenn er einen Arbeitnehmer einseitig freistellt, also gerade nicht in seinem
Betrieb tätig werden lässt.
Die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR verstößt nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zumal selbst einem juristischen Leihen der Unterschied zwischen einer
Beschäftigung und einer Freistellung geläufig sein dürfte und daher das Verhalten der Beklagten sich an
der Grenze zu einem Rechtsmissbrauch bewegt. Das vom Arbeitsgericht verhängte Zwangsgeld, welches
weit unterhalb der in § 888 Abs. 1 ZPO geregelten Obergrenze von 25.000,00 EUR angesiedelt ist, war
daher notwendig und angemessen.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Beachtung von §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG an
einem gesetzlich begründeten Anlass.