Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.08.2010

LArbG Mainz: rückzahlung, datum, arbeitsgericht, darlehen, beendigung, abrechnung, widerklage, schriftstück, teilerlass, verrechnung

LAG
Mainz
20.08.2010
9 Sa 169/10
Auslegung einer Abwicklungsvereinbarung
Aktenzeichen:
9 Sa 169/10
4 Ca 490/09
ArbG Kaiserslautern
- AK Pirmasens -
Entscheidung vom 20.08.2010
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern
Pirmasens - vom 02.03.2010, Az.: 4 Ca 490/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Rahmen einer von der Beklagten erstinstanzlich
erhobenen Widerklage noch darüber, ob der Kläger zur Rückzahlung eines Restdarlehensbetrages von
1.916,71 € nebst Zinsen verpflichtet ist. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten
Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 31.05.2009. Im Vorfeld der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
führten die Parteien verschiedene Gespräche u. a. zur finanziellen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses.
Es existiert eine von beiden Parteien unterschriebene, als "vorläufiges Kündigungsschreiben"
bezeichnete Vereinbarung mit Datum vom 02.03.2009. Diese enthält u. a. folgenden Passus:
"Finanzielle Regelungen:
Die restliche Darlehenssumme über 4.000,-- € wird mit dem 13ten Monatsgehalt 2008 von Herrn C.
teilgetilgt. Den Restbetrag zur kompletten Tilgung übernimmt die Fa. L. GmbH.
Es wurde bereits geregelt, dass Herr C. vom 23.02. - 31.05.2009 bei Fortzahlung der vertragsgemäßen
Vergütung freigestellt wird. Auf Grund dieser Freistellung verzichtet Herr C. auf seinen Urlaubsanspruch
2009 (12 Tage).
Der Urlaubsanspruch für 2008 (18 Tage) wird im März auf der Basis eines Bruttogehaltes über 4.500,-- €
abgerechnet und ausgezahlt.
Bis zum Ausscheiden am 31.05.2009 übernimmt die Fa. L. GmbH die entstehenden Kosten für das KFZ,
sowie nach vorheriger Absprache mit Herrn C. weitere für das Unternehmen entstehenden Kosten.
…"
Der 1. Absatz dieses "vorläufigen Kündigungsschreibens" ist in Klammern gesetzt und mit Paraphen
versehen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 105 d. Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens beider
Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils
des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 02.03.2010, Az.: 4 Ca 490/09
(Bl. 56 ff. d. ).
Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht u. a. die Widerklage der Beklagten mit dem Antrag,
den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 3.756,71 € nebst Jahreszins in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz ab 17.09.2009 zu zahlen,
abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zusammengefasst ausgeführt:
Aus der Vereinbarung vom 02.03.2009 ergebe sich, dass das Darlehen durch das 13. Monatsgehalt 2008
teilgetilgt worden sei und der Rest erlassen werde. Die Beklagte habe nicht plausibel erklären können,
weshalb die Vereinbarung unterschrieben worden sei, wenn sie nicht gewollt gewesen sei. Auch die von
der Beklagten vorgelegte E-Mail vom 27.03.2009 (Bl. 46 d. ) bestätige, dass die Beklagte dieses
Zugeständnis hinsichtlich des Restdarlehensbetrages getätigt habe.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 10.03.2010 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am
(Montag, den) 12.04.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und
diese mit Schriftsatz vom 26.05.2010, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen,
innerhalb der mit Beschluss vom 10.05.2010 bis zum 10.06.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist
begründet.
Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 12.08.2010, auf die
jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 92 ff., 125 ff. d. ), macht die Beklagte im Wesentlichen
geltend:
Unter Berücksichtigung der weiter erfolgten Tilgungen stehe noch ein Restdarlehensbetrag von 1.916,71
€ zur Rückzahlung an. Dieser Rückzahlungsanspruch sei durch das "vorläufige Kündigungsschreiben"
vom 02.03.2009 nicht ausgeschlossen. Dies ergebe die gebotene Auslegung der Vereinbarung. Durch
die paraphierte Einklammerung des das Darlehen betreffenden Passus trete der Wille der Parteien klar zu
Tage, dass ein Teilerlass des Darlehens nicht gewollt gewesen sei. Im Hinblick auf die dem Kläger weiter
gemachten Zugeständnisse entspräche die Annahme eines Teilverzichts auch nicht einer beiden Seiten
interessengerechten Auslegung. Der Kläger selbst habe die Regelungen vorgeschlagen, wobei die
Beklagte mit diesem Angebot des Klägers jedoch nicht einverstanden gewesen sei und dies anlässlich
eines Gesprächs auch klargestellt und durch die Einklammerung des ersten Absatzes und dessen
Paraphierung auch hinreichend deutlich gemacht habe. Der Kläger habe offensichtlich das von ihrem
Mitgeschäftsführer bereits unterzeichnete Dokument an sich gebracht und dieses später selbst
gegengezeichnet. Dies sei aber erst geschehen, nachdem eine Einigung auch über das Schicksal des
restlichen Darlehens dergestalt getroffen worden sei, dass keine Verrechnung mit einem 13. Monatsgehalt
für das Jahr 2008 und kein Teilerlass des Restbetrages erfolgen solle. Hierfür spreche auch, dass dem
Kläger bereits mit Lohnabrechnung für den Monat April 2009 das 13. Monatsgehalt 2008 ausgezahlt
worden sei.
Deshalb könne auch die Hilfswiderklage keine Aussicht auf Erfolg haben. Hinzu komme, dass ein
eventueller Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts für das Jahr 2008 in Anwendung der
arbeitsvertraglichen Verfallsklausel bereits verfallen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und den Kläger zu verurteilen, an sie 1.916,71 € nebst
Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2009 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.500,-- € brutto abzüglich 1.916,71 € netto nebst Zinsen aus
2.583,29 € seit Zustellung der Hilfswiderklage (29.06.2010) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Der Kläger tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 25.06.2010,
auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 120 ff. d. ), entgegen und macht im Wesentlichen geltend:
Im Zuge der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe man sich zunächst mündlich,
und zwar voll inhaltlich inklusive der Regelung über das Darlehen geeinigt. Die abgesprochenen und
vereinbarten Konditionen bezüglich der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses seien dann vom Kläger zu
Papier gebracht und dem Geschäftsführer der Beklagten mit der Aufforderung, dieses zu unterschreiben,
vorgelegt worden. Dieses vorgelegte Schriftstück stelle damit den Inhalt der zwischen den Parteien
abgesprochenen und vereinbarten Beendigungsmodalitäten zutreffend dar und enthalte eine
rechtswirksame Vereinbarung. Wenn eine rechtswirksame Regelung über die restliche
Darlegungssumme nicht getroffen worden sei, so sei die Beklagte jedenfalls verpflichtet, dem Kläger das
13. Monatsgehalt für das Kalenderjahr 2008 noch zu zahlen. Es bestehe in diesem Fall daher ein im
Wege der Hilfswiderklage geltend gemachter Anspruch des Klägers in Höhe von 4.500,-- € brutto
abzüglich von 1.916,71 € netto nebst Zinsen.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und
fristgerecht eingelegt und begründet.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Einem Anspruch auf Rückzahlung des Restdarlehns steht die im Schriftstück vom 2.3.2009
wiedergegebene Vereinbarung der Parteien entgegen. Diese beinhaltet eine Regelung über die Art und
Weise der Rückführung des restlichen Darlehnsbetrags durch Verrechnung mit dem Anspruch des
Klägers auf Zahlung eines dreizehnten Monatsgehalts aus dem Jahr 2008 unter gleichzeitigem Erlass der
dann noch verbleibenden Restdarlehnssumme.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist durch die vom Mitgeschäftsführer der Beklagten mit Paraphe
versehene Einklammerung des Passus, welcher die Darlehensabwicklung betrifft, dieser nicht von der
vertraglichen Einigung ausgenommen worden.
Dies ergibt die gebotene Auslegung der Vereinbarung mit Datum vom 02.03.2009 in Anwendung der §§
133, 157 BGB.
Das In-Klammern-Setzen des fraglichen Passus und dessen Paraphierung ist nicht eindeutig. Denkbar ist
nicht nur die von der Beklagten beigemessene Bedeutung, sondern auch, dass durch die Klammern nur
verdeutlicht werden sollte, auf welchen Vertragspassus sich die Paraphe bezieht. Die Paraphierung kann
dabei bei einer am Empfängerhorizont orientierten Betrachtung auch den Sinn haben, ein vorläufig
erzieltes Verhandlungsergebnis festzuhalten. Dafür, dass mit der vom Mitgeschäftsführer der Beklagten
praktizierten Vorgehensweise nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Regelung über das
Restdarlehn/ dreizehntes Monatsgehalt von der unterschriftlich dokumentierten Einigung der Parteien
ausgenommen sein sollte, spricht ferner, dass es dem Mitgeschäftsführer ohne weiteres möglich gewesen
wäre, den entsprechenden Passus vor Unterschriftsleistung zu streichen oder das Dokument überhaupt
nicht mit seiner Unterschrift zu versehen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht ferner darauf hingewiesen, dass
auch die E-Mail des Mitgeschäftsführers der Beklagten vom 27.03.2009 (Bl. 46 d.) dafür spricht, dass sich
die Parteien hinsichtlich der Modalitäten der Darlehnsrückführung wie aus der Vereinbarung vom
02.03.2009 ersichtlich geeinigt haben. Aus dieser Email ergibt sich, dass die Beklagte als bereits
gemachtes Zugeständnis, zu dem sie stehe, auch den Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehns ansieht.
Ein fehlendes Einverständnis wird dort nur hinsichtlich der Abgeltung des Urlaubs aus dem Jahr 2008
erwähnt; diesbezüglich ist aber in der Vereinbarung vom 02.03.2009 keinerlei Vorbehalt ersichtlich.
Gegen die vom Kläger behauptete Einigung spricht auch nicht die Auszahlung des dreizehnten Gehalts
mit der Abrechnung für April 2009. Der dort als „Darlehn Tilgung“ in Abzug gebrachte Nettobetrag
entspricht in etwa dem Nettobetrag, der sich aus dem um das dreizehnte Gehalt 2008 erhöhten
Bruttogehalt als Nettobetrag zugunsten des Klägers ergeben haben dürfte. Ausweislich der Abrechnung
für den Monat Mai 2009 ergibt sich ohne dreizehntes Gehalt ein Nettogehaltsbetrag von 2.627,19 EUR,
während im April 2009 bei Zahlung auch eines dreizehnten Gehalts ein Nettobetrag von insgesamt
5.233,28 EUR ergab, also eine Differenz zugunsten des Klägers von 2.606,09 EUR.
Soweit die Beklagte ferner darauf abstellt, eine Vereinbarung des vorliegenden Inhalts werde auch den
Interessen der Parteien nicht gerecht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Vereinbarung ist im
Zusammenhang mit der bevorstehenden Kündigung des Klägers geschlossen worden, wie schon ihre
Bezeichnung als „Vorläufiges Kündigungsschreiben“ ergibt. Sie diente damit, wie dies aus dem übrigen
Inhalt ersichtlich ist, der vollständigen Regelung der Abwicklung des zwischen den Parteien bestehenden
Vertragsverhältnisses. Dies legt es nahe, dass eine Regelung über alle offenen finanziellen Fragen
getroffen werden sollte.
III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs.1 ZPO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.