Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 15.09.2006

LArbG Mainz: zustellung, rechtsmittelbelehrung, rechtsmittelfrist, sanktion, auflage, quelle, rechtssicherheit, datum, beschwerdefrist, arbeitsgericht

LAG
Mainz
15.09.2006
10 Ta 169/06
Richtiger Zustellungsadressat im Prozesskostenhilfeüberprüfungs- u. aufhebungsverfahren
Aktenzeichen:
10 Ta 169/06
3 Ca 1895/03
ArbG Mainz
Entscheidung vom 15.09.2006
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2006,
AZ 3 Ca 1895/03, aufgehoben.
Gründe:
Die gegen den PKH-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 22.06.2006 gerichtete sofortige
Beschwerde ist sowohl zulässig als auch begründet.
1.)
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den ihm selbst bereits am 24.06.2006 zugestellten
Beschluss erst am 01.08.2006 beim Arbeitsgericht eingegangen. Gleichwohl ist die einmonatige
Beschwerdefrist des § 127 Abs. 2 ZPO nicht versäumt worden. Dabei kann offen bleiben, ob sich der
Nichtablauf der Rechtsmittelfrist vorliegend bereits daraus ergibt, dass der angefochtene Beschluss mit
einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versehen war (§ 9 Abs. 5 ArbGG). Die Rechtsmittelbelehrung ist
nämlich jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie für den Fall, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes
den Betrag von 200,00 EUR nicht übersteigt, als statthaftes Rechtsmittel die "Erinnerung" bezeichnet. Die
Erinnerung findet jedoch gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nur dann statt, wenn nach den
allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Rechtsmittel gegeben ist (§ 11 Abs. 2 RPflG). Gegen
Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren findet nach § 127 Abs. 2 ZPO das Rechtsmittel der
sofortigen Beschwerde statt, und zwar unabhängig davon, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes
einen bestimmten Betrag übersteigt. Es handelt sich nämlich insoweit nicht um eine Entscheidung "über
Kosten" i. S. v. § 567 Abs. 2 ZPO. Hierzu zählen nur Urteile und Beschlüsse, in denen entschieden wird, in
welchem Umfang oder welcher Höhe jemand Kosten zu tragen hat. Es genügt nicht, dass die
Entscheidung mittelbar auch Kosten zum Gegenstand hat.
Die in § 127 Abs. 2 ZPO normierte Rechtsmittelfrist hat jedoch jedenfalls deshalb nicht zu laufen
begonnen, weil der PKH-Aufhebungsbeschluss nicht den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt
worden ist. Das BAG hat mit Beschluss vom 19.07.2006 (AZ 3 AZB 18/06) die bislang in Rechtsprechung
und Literatur umstrittene Frage, ob ein PKH-Aufhebungsbeschluss der Partei selbst oder aber ihrem
(vormaligen) Prozessbevollmächtigten zuzustellen ist, nunmehr dahingehend entschieden, dass
jedenfalls dann eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat, wenn dieser auch für
das PKH-Verfahren bestellt ist, was bereits dann der Fall ist, wenn der PKH-Antrag nicht von der Partei
selbst sondern ihrem Prozessbevollmächtigten gestellt wurde. Dieser Entscheidung, die bei Erlass des
angefochtenen Beschlusses noch nicht ergangen war, jedoch zukünftig zu beachten sein wird, ist nicht
zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit zu folgen.
Vorliegend hatte nicht der Kläger selbst sondern vielmehr sein Prozessbevollmächtigter den Antrag auf
Vorliegend hatte nicht der Kläger selbst sondern vielmehr sein Prozessbevollmächtigter den Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt mit der Folge, dass dieser auch im PKH-
Überprüfungsverfahren als Bevollmächtigter bestellt ist und die Zustellung des PKH-
Aufhebungsbeschlusses nach § 172 Abs. 1 ZPO an ihn zu erfolgen hatte. Mit der Zustellung des
Beschlusses an den Kläger selbst konnte somit keine Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels in Gang
gesetzt werden.
2.)
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 124 Nr. 2 ZPO die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
aufgehoben werden kann, sind vorliegend nicht erfüllt. Die Sanktion des § 124 Nr. 2 ZPO setzt voraus,
dass der Rechtspfleger die Partei zuvor erfolglos aufgefordert hat, sich gem. § 120 Abs. 4 ZPO darüber zu
erklären, ob eine Änderung ihrer persönlichen und/oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Im
vorliegenden Fall fehlt es indessen an einer wirksamen Aufforderung und Fristsetzung. Die betreffenden
Aufforderungsschreiben des Arbeitsgerichts waren sämtlich ausschließlich an den Kläger selbst
adressiert. Demgegenüber hätte es jedoch auch diesbezüglich einer (formlosen) Zustellung der
Aufforderungsschreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers bedurft, da dieser - wie bereits
ausgeführt - im PKH-Überprüfungsverfahren als Bevollmächtigter bestellt ist und § 172 Abs. 1 ZPO auch
für formlose Mitteilungen gilt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 24. Auflage, § 172 Rz. 2 m. N. a. .d. R.).
3.)
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.