Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.05.2004

LArbG Mainz: arbeitsbedingungen, beweiswert, versetzung, schweigepflicht, arbeitsgericht, gefährdung, hitze, druck, verfügung, verwaltung

LAG
Mainz
12.05.2004
9 Sa 2109/03
Mutterschaftslohn bei Beschäftigungsverbot
Aktenzeichen:
9 Sa 2109/03
2 Ca 1390/03
ArbG Kaiserslautern
Verkündet am: 12.05.2004
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.11.2003, Az.:
2 Ca 1390/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zahlung von Mutterschaftslohn.
Die Klägerin ist seit dem 12.05.2000 bei der Beklagten, einem Handelsunternehmen, als Kassiererin in
einer Tankstelle gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von 1.778,88 EUR brutto im
Schichtdienst beschäftigt.
Sie wurde schwanger und teilte dies der Beklagten am 22.05.2003 mit. Nach Rücksprache mit dem
Gewerbeaufsichtsamt versetzte die Beklagte am 03.06.2003 die Klägerin, die in der Vergangenheit bereits
einmal eine Fehlgeburt erlitten hatte, vom bisherigen Arbeitsplatz, an welchem sie unter anderem
toxischen Gasen ausgesetzt war, in den allgemeinen Verwaltungsbereich, wo die Klägerin mit einer
täglichen Arbeitszeit von 7 ¾ Stunden bei einer einstündigen Mittagspause in Gleitzeit arbeiten sollte.
Nachdem sie 1,5 Tage an ihrem neuen Arbeitsplatz tätig gewesen war, war die Klägerin vom 06.06.2003
bis 11.07.2003 arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten entsprechende
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ausgestellt von Dr. A., vor. Am Montag, den 14.07.2003 erschien die
Klägerin bei der Beklagten und erklärte, sie könne wegen Schwangerschaftsproblemen die Arbeit nicht
aufnehmen.
Am 15.07.2003 erteilte Dr. A. der Klägerin folgende ärztliche Bescheinigung (vgl. Bl. 3 d.A).:
"Wegen einer Gesundheitsgefährdung von Mutter und Kind besteht bei oben genannter Patientin ein
Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bis zur Entbindung."
Der für die Klägerin errechnete Entbindungstermin war der 10.01.2004.
Mit einem an Dr. X gerichteten Schreiben vom 16.07.2003 (vgl. Bl. 31 f. d.A.) widersprach die Beklagte
dem Beschäftigungsverbot und bat den Arzt um Ausstellung einer weiteren
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten sandte Dr. X ein
Schreiben unter dem gleichen Datum (vgl. Bl. 33 ff. d.A.), in welchem er den Arzt unter anderem
aufforderte, ggf. die behebbaren Arbeitsumstände für das Beschäftigungsverbot mitzuteilen. Dr. X
antwortete auf beide Schreiben nicht.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen und später geänderten Klage hat die Klägerin, die
ab dem 22.08.2003 Sozialhilfe in Höhe von monatlich 549,80 EUR bezog, zuletzt die Leistung von
Mutterschutzlohn für die Zeit vom 18.07.2003 bis 30.09.2003 abzüglich der während dieser Zeit
erhaltenen Sozialhilfe geltend gemacht.
Die Klägerin hat vorgetragen,
der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot sei von der Beklagten nicht
durch den notwendigen Vertrag von Umständen erschüttert worden, die zu ernsthaften Zweifeln an dem
Verbot veranlassen könnten. Im Übrigen habe der Arzt unter Beachtung von § 3 Abs. 1 MuSchG in
Kenntnis der nach der Versetzung für die Klägerin geltenden Arbeitsumstände das Beschäftigungsverbot
erklärt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juli 2003 776,51 EUR brutto, für den Monat
August 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 177,35 EUR netto, für den Monat September 2003
1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt,
der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot sei erschüttert, zumal Dr. X
erst nach einer Intervention der Krankenkasse der Klägerin nach der vorausgegangenen
Arbeitsunfähigkeit nahtlos ein Beschäftigungsverbot attestiert habe. Während ihrer Krankheit habe die
Klägerin ihren alten Arbeitsplatz im Tankstellenbereich aufgesucht um dort Gespräche mit Kollegen bzw.
Kolleginnen und Kunden zu führen. Nachdem Dr. X auf die beiden Schreiben vom 16.07.2003 nicht
geantwortet habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis von den aktuellen
Arbeitsbedingungen der Klägerin gehabt habe, als er das Beschäftigungsverbot ausgesprochen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die beim Arbeitsgericht
eingereichten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat entsprechend seinem Beweisbeschluss vom 25.09.2003 (Bl. 39 f.
d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. X , wobei dem Zeugen nachgelassen wurde,
die Beweisfrage schriftlich zu beantworten; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
schriftliche Stellungnahme des Zeugen Dr. X vom 15.11.2003 (Bl. 45 ff. d.A.) verwiesen.
Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 06.11.2003 die Klage abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt, der Beweiswert des ärztlichen Beschäftigungsverbotes sei erschüttert, da Dr. X ,
trotz entsprechender Aufforderung, nicht mitgeteilt habe, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen
er bei Erteilung des Beschäftigungsverbotes ausgegangen sei. In seiner schriftlichen Erklärung habe der
Zeuge Dr. X keinerlei Befunde mitgeteilt, welche ein ärztliches Beschäftigungsverbot rechtfertigen
könnten. Es sei zwar möglich, dass eine sogenannte Risikoschwangerschaft vorgelegen habe, allein das
Bestehen einer solchen Risikoschwangerschaft führe aber noch nicht automatisch zu einem ärztlichen
Beschäftigungsverbot, zumal nicht erkennbar sei, worauf das Risiko im konkretem Fall beruhe. Soweit der
Arzt mitgeteilt habe, er sei aufgrund der glaubhaften Schilderung seiner Patientin davon ausgegangen,
dass es an dem zuletzt zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz unerträglich heiß gewesen sei und die
Klägerin lediglich eine Stunde Mittagspause habe machen dürfen, habe sich die Klägerin diese
Ausführungen nicht zu eigen gemacht, es sei im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin, die
lediglich 1,5 Tage an diesem Arbeitsplatz zugebracht habe, zu diesen Feststellungen gekommen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 4 ff. des
Urteils vom 06.11.2003 (= Bl. 72 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, welche ihr am 14.11.2003 zugestellt
worden ist, am 12.12.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am
12.01.2004 ihr Rechtsmittel begründet.
Die Klägerin macht geltend,
entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei der hohe Beweiswert des Attestes für das
Beschäftigungsverbot nicht dadurch erschüttert worden, dass Dr. X auf die außergerichtliche
Gegenvorstellung der Beklagten nicht reagiert habe. Der Arzt habe nämlich die verlangte Auskunft nicht
ohne Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht erteilen dürfen. Im Übrigen sei in dem Schreiben der
Beklagten vom 16.07.2003 keine Stellungnahme zu dem Beschäftigungsverbot erbeten, sondern lediglich
die Bitte ausgesprochen worden, eine weitere Krankmeldung zu erteilen. Das Anwaltsschreiben vom
16.07.2003 habe Dr. X ebenfalls zu Recht nicht beantwortet, zumal er, ohne Entbindung von der
Schweigepflicht keine Angaben über den Gesundheitszustand der Klägerin oder den
Schwangerschaftsverlauf habe machen dürfen. Dr. X seien die aktuellen Arbeitsbedingungen der
Klägerin bekannt gewesen, zumal diese von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 16.07.2003 selbst
geschildert worden seien. Die Klägerin sei von der Beklagten erheblich dahingehend unter Druck gesetzt
worden, sich krankschreiben zu lassen. Auch diese Stresssituation habe unter anderem zu dem
Ausspruch des Beschäftigungsverbotes geführt. Im Übrigen habe Dr. X das Verbot nicht auf unzutreffende
subjektive Angaben der Klägerin gestützt. Ihm sei vielmehr bereits vor der letzten Krankschreibung am
06.06.2003 die beabsichtigte Umsetzung in die Büroräume bekannt gewesen. Die Arbeitsbedingungen
der Klägerin seien für das Beschäftigungsverbot allerdings nicht ausschlaggebend gewesen, sondern
alleine eine Gefährdung für Mutter und Kind. Dies folge auch schon daraus, dass dem Arzt die Hitze in
den Büroräumen, die Arbeitszeit und die Botentätigkeit der Klägerin bereits am 06.07.2003 bekannt
gewesen seien und er hierauf nicht mit einem Beschäftigungsverbot reagiert habe; er habe damals
lediglich eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt.
Im Rahmen des zweitinstanzlichen Verfahrens sei die Klage hinsichtlich des ausstehenden
Mutterschaftslohnes für die Monate Oktober 2003 bis Januar 2004 zu erweitern.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom
10.02.2004 (Bl. 96 ff. d.A.) und 30.03.2004 (Bl. 132 ff. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteiles die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
für den Monat Juli 2003 776,51 EUR brutto,
für den Monat August 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 177,35 EUR netto,
für den Monat September 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto,
für den Monat Oktober 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto,
für den Monat November 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto,
für den Monat Dezember 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto und für den Monat
Januar 2004 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto
nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus,
Dr. X habe das Beschäftigungsverbot ausschließlich auf subjektive Angaben der Klägerin zu deren
Situation am Arbeitsplatz gestützt, die jedoch tatsächlich nicht vorgelegen hätten. Der neue Arbeitsplatz in
der Verwaltung habe den Anforderungen, welche für eine Schwangere erfüllt sein müssten, voll
entsprochen; dies gelte im Bezug auf Raumtemperatur, Lichtverhältnisse, Lärmbeeinflussung und
ähnliches. Obwohl die Klägerin lediglich 1,5 Tage an diesem Arbeitsplatz gearbeitet habe, habe sie am
15.07.2003 gegenüber Dr. X berichtet, dass dieser Arbeitsplatz wegen übermäßiger Hitzeentwicklung,
und der Unmöglichkeit, Pausen zu nehmen, zu einer Gefährdung für Leib und Leben von Mutter und Kind
führen würde. Im Übrigen habe die Beklagte von Dr. X nicht verlangt, dass er Angaben unter Verletzung
der ärztlichen Schweigepflicht machen müsse. Insbesondere in dem Anwaltsschreiben vom 16.07.2003
komme deutlich zum Ausdruck, dass es der Beklagten allein um die Mitteilung der objektiven äußeren
Arbeitsbedingungen, die der Arzt seinem Beschäftigungsverbot zugrunde gelegt habe, gegangen sei. Die
Klägerin sei auch nicht durch Mitarbeiter der Beklagten unter Druck gesetzt worden, so dass psychischer
Stress hierdurch nicht habe entstehen können. Der für die Klägerin vorgesehene Arbeitsplatz sei
hinreichend klimatisiert gewesen und sie habe das Recht gehabt, Pausen zu nehmen. Sie sei nicht
verpflichtet gewesen, Botengänge durchzuführen, vielmehr sei eine leichte Verwaltungsarbeit in sitzender
Tätigkeit vorgesehen gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten
vom 15.03.2004 (Bl. 123 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat im Verlauf des zweitinstanzlichen Verfahrens Dr. X den Streit verkündet; der
Streitverkündete ist jedoch keiner Partei beigetreten. Vielmehr hat er mit Schreiben vom 09.05.2004 (vgl.
Bl. 138 f. d.A.) seine erstinstanzliche Stellungnahme vom 15.10.2003 ergänzt. Dabei hat er unter anderem
darauf hingewiesen, dass er durch das ausgesprochene Beschäftigungsverbot die Klägerin vor einem
Mobbing durch die Beklagte habe bewahren wollen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der
Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat nämlich keinen Rechtsanspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 MuSchG auf Zahlung
von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 18.07.2003 bis 31.01.2004. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 ist den unter den
Geltungsbereich des § 1 MuSchG fallenden Frauen, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach den
Vorschriften der Reichsversicherungsordnung beziehen können, vom Arbeitgeber mindestens der
Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem
die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots
nach § 3 Abs. 1 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Werdende Mütter dürfen nach § 3
Abs. 1 MuSchG nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von
Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Das Beschäftigungsverbot wird in der Regel schriftlich erklärt. Ein ordnungsgemäß ausgestelltes
schriftliches Beschäftigungsverbot hat einen hohen Beweiswert. Dieser kann nur dadurch erschüttert
werden, dass der Arbeitgeber Umstände vorträgt und ggf. beweist, die zu ernsthaften Zweifeln an der
Berechtigung des Beschäftigungsverbots Anlass geben (vgl. BAG, Urt. v. 31.07.1996 - 5 AZR 474/95 = AP
Nr. 8 zu § 3 MuSchG 1968; Urt. v. 01.10.1997 - 5 AZR 685/96 = AP Nr. 11 zu § 3 MuSchG 1968). Der
Arbeitgeber ist berechtigt, nach Vorlage einer Bescheinigung über ein vollständiges Beschäftigungsverbot
nach § 3 Abs. 1 MuSchG von dem behandelnden Arzt weitere Auskünfte über den Umfang des Verbots
sowie über die Frage, ob Arbeitsumstände, die vom Arbeitgeber abgestellt werden könnten,
ausschlaggebend für das Verbot waren, zu verlangen. Insoweit bedarf es keiner Entbindung des Arztes
von der Schweigepflicht (vgl. LAG Bremen, Urt. v. 25.01.1991 - 4 Sa 198/90, 4 Sa 290/90 = LAGE § 11
MuSchG Nr. 1). Dementsprechend hat der Arzt der Schwangeren zwar die Fragen des Arbeitgebers nach
dem Umfang des Beschäftigungsverbots, nicht aber die Fragen nach den Gründen für den Ausspruch des
Beschäftigungsverbots zu beantworten (vgl. BAG, Urt. v. 12.03.1997 - 5 AZR 766/95 = AP Nr. 10 zu § 3
MuSchG 1968). Ist der Beweiswert eines ärztlichen Beschäftigungsverbots erschüttert, muss sich das
Gericht die näheren Gründe für ein Beschäftigungsverbot vom Arzt erläutern lassen. Kann das Gericht
nach einer entsprechenden Beweisaufnahme die Voraussetzungen des Beschäftigungsverbots nicht
feststellen, geht dies zu Lasten der schwangeren Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin trägt dann die
Beweislast dafür, dass ein wirksames Beschäftigungsverbot vorliegt (vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v.
20.01.2003 - 5 Sa 833/02 = NZA - RR 2003, 517 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze war vorliegend festzustellen, dass der Beweiswert des
ärztlichen Beschäftigungsverbotes vom 15.07.2003 erschüttert ist (1.) und nach Durchführung der
erstinstanzlichen Beweisaufnahme die Voraussetzungen des Beschäftigungsverbots nicht feststellbar sind
(2.).
1.
Der Beweiswert des ärztlichen Beschäftigungsverbotes ist erschüttert, da die Beklagte durch eine
Versetzung der Klägerin aus dem Tankstellenbereich in den Bereich der allgemeinen Verwaltung der
Schwangerschaft der Klägerin aus ihrer Sicht Rechnung getragen hatte und Dr. X sich nach Ausspruch
des Beschäftigungsverbotes weigerte, der Beklagten auf eine entsprechende schriftliche Anfrage von
deren Bevollmächtigten mitzuteilen, ob und inwiefern die geänderten Arbeitsbedingungen für das
Beschäftigungsverbot mitursächlich waren.
Zu einer entsprechenden Information der Arbeitgeberin war Dr. X unter Berücksichtigung der oben
dargelegten Rechtsprechung verpflichtet, zumal nur hierdurch die Beklagte in die Lage versetzt worden
wäre, ggf. schädliche Arbeitsbedingungen entsprechend den Bedürfnissen der schwangeren Klägerin zu
verändern. Die entsprechende Information konnte, ohne Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht,
erteilt werden. Denn die Bevollmächtigten der Beklagten hatten in ihrem Schreiben an Dr. X vom
16.07.2003 nicht nach dem Gesundheitszustand oder dem Schwangerschaftsverlauf gefragt, sondern
ausschließlich danach, welche ggf. behebbaren Arbeitsumstände für das Beschäftigungsverbot erheblich
waren.
Aus Sicht der Beklagten musste das Schweigen des Arztes nach ihren vorausgegangenen Bemühungen
um einen schwangerschaftsgerechten Arbeitsplatz zu ernsthaften Zweifeln an dem Beschäftigungsverbot
führen. Dem steht nicht entgegen - wie die Klägerin aber in der Berufungsbegründung einwendet -, dass
die Beklagte dem Arzt in ihrem Schreiben vom 16.07.2003 von der Versetzung der Klägerin in den
Bürobereich berichtet hatte und Dr. X sein Beschäftigungsverbot trotzdem aufrechterhielt. Denn die
Beklagte konnte aus ihrer Sicht nach der Unterrichtung des Arztes über die Versetzung erst recht eine
Antwort auf das Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 16.07.2003 erwarten. Denn nunmehr war dem Arzt
auch der Zusammenhang deutlich gemacht worden, aus dem heraus die Anfrage motiviert war; um so
unverständlicher musste der Beklagten das Schweigen auf die Anfrage ihrer Prozessbevollmächtigten
erscheinen.
2.
Der erstinstanzlich vernommene Zeuge Dr. X hat zur näheren Begründung für sein Beschäftigungsverbot
in der schriftlichen Aussage vom 15.10.2003 angegeben, nach der glaubhaften Schilderung der Patientin
sei es an dem neuen zuletzt zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz unerträglich heiß, des Weiteren gäbe es
keine ausreichenden Pausen, der Patientin würden die zugewiesenen Arbeiten - Büroarbeiten und
Botengänge - durch zunehmende Ödeme (Wassereinlagerungen in den unteren Extremitäten) und
Fehlgeburtsbestrebungen, die ausschließlich bei der Arbeit aufträten, sehr schwer fallen. Diese
Ausführungen können dem Beschäftigungsverbot nicht zugrunde gelegt werden, da die Klägerin
zweitinstanzliche ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass diese Arbeitsbedingungen das
Beschäftigungsverbot nicht erforderlich gemacht hätten. Zudem führt sie aus, dass Dr. X bereits seit dem
Beschäftigungsverbot nicht erforderlich gemacht hätten. Zudem führt sie aus, dass Dr. X bereits seit dem
06.07.2003 die Hitze an ihrem Arbeitsplatz bekannt gewesen sei, ohne dass er sich zu einem
Beschäftigungsverbot veranlasst gesehen habe. Sie habe selbst nie behauptet, keine Pausen erhalten zu
haben. Unabhängig von diesen Umständen, welche es ausschließen, das Beschäftigungsverbot auf die
schriftliche Aussage von Dr. X zu stützen, ist es auch nicht nachvollziehbar, wenn der Arzt ein bis zum
14.01.2004, also bis in den Winter reichendes Beschäftigungsverbot unter anderem auf die unerträgliche
Hitze am Arbeitsplatz stützen will; zu hohe Raumtemperaturen konnte in diesem Zusammenhang
allenfalls durch entsprechend hohe Außentemperaturen im Sommer 2003 verursacht werden.
Das Beschäftigungsverbot beruht nach dem letzten Sach- und Streitstand auch nicht auf psychischem
Stress, der - nach Angaben der Klägerin - dadurch verursacht worden sein soll, dass Frau Anlauf, eine
Mitarbeiterin der Beklagten sie telefonisch dahingehend unter Druck gesetzt habe, dass sie sich weiterhin
krankschreiben lassen solle. Es ist nicht nachvollziehbar, dass allein durch einen solchen Hinweis eine
Gefährdung von Leben oder Gesundheit der Klägerin verursacht worden sein könnte. Ein entsprechender
medizinischer Zusammenhang ergibt sich auch nicht aus der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme
des Dr. X vom 09.05.2004. Selbst wenn man diese Stellungnahme vorliegend berücksichtigt und dabei
darüber hinwegsieht, dass die erstinstanzliche Beweisaufnahme abgeschlossen und eine
zweitinstanzliche nicht erfolgt ist, so bleibt festzustellen, dass der pauschale Hinweis, der Arzt habe seine
Patientin vor Mobbing durch die Beklagte schützen müssen, nicht ausreicht, um eine
Beschäftigungsverbot im Sinne von § 3 Abs. 3 MuSchG nachvollziehbar zu begründen. Denn ein
Zusammenhang zwischen einem etwaigen Mobbingverhalten der Beklagten und einer Gefährdung von
Leib oder Leben von Mutter und Kind ist nicht konkret erkennbar.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem
gesetzlich begründeten Anlass.