Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.11.2009
LArbG Mainz: urlaub, zugang, form, arbeitsgericht, abgeltung, kündigung, beweiswert, ausnahme, mahnung, willenserklärung
LAG
Mainz
12.11.2009
10 Sa 437/09
Urlaubsabgeltung - Teilurlaub
Aktenzeichen:
10 Sa 437/09
8 Ca 2404/08
ArbG Ludwigshafen
Verkündet am:
Urteil vom 12.11.2009
Tenor:
1. Die Teil-Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27. Mai 2009,
Az.: 8 Ca 2404/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch über die Abgeltung restlichen Urlaubs.
Der Kläger (geb. am 28.11.1974) war seit dem 01.10.2007 im Betrieb der Beklagten als Servicetechniker
und Dienstleistungskraft zu einem Bruttomonatsentgelt von € 2.200,00 beschäftigt. Er kündigte das
Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.05.2008 zum 31.05.2008. In § 9 des schriftlichen Arbeitsvertrages
haben die Parteien einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr vereinbart.
In der Zeit vom 21.05. bis zum 30.05.2008 hat der Kläger unstreitig sieben Urlaubstage genommen. Mit
seiner am 10.12.2008 erhobenen Klage machte er den Lohn für den Monat Mai 2008 in Höhe von
€ 2.200,00 sowie die Abgeltung von restlichen dreizehn Urlaubstagen in Höhe von insgesamt € 1.100,00
brutto nebst Zinsen geltend. Den Abgeltungsanspruch für einen Urlaubstag berechnet er mit € 84,62
brutto.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Urteil vom 27.05.2009 in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen das am 26.06.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.07.2009 Berufung eingelegt und
diese innerhalb der bis zum 22.09.2009 verlängerten Berufungsbegründungsschrift mit am 18.09.2009
beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie beschränkt die Berufung auf die
zugesprochene Urlaubsabgeltung.
Die Beklagte trägt in ihrer Berufungsschrift vom 15.09.2009 erstmals vor, sie habe dem Kläger mit
Schreiben vom 15.05.2008 die Kündigung bestätigt und ihn unter Anrechnung auf den eventuell noch
ausstehenden Resturlaub bis zum 31.05.2008 freigestellt. Tatsächlich sei der Kläger nach Ausspruch bzw.
Zugang der Kündigung nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen, so dass er sich den Zeitraum bis Ende Mai
2008 als Urlaub anrechnen lassen müsse. Als Anlage zum Schriftsatz vom 10.11.2009 reicht sie eine nicht
unterzeichnete Abschrift des Freistellungsschreibens vom 15.05.2008 sowie Lohnabrechnungen für die
Monate Januar bis Mai 2008 zur Akte. Aus den Lohnabrechnungen gehe hervor, dass der Kläger bis Mai
2008 bereits 25 Urlaubstage genommen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.05.2009 (Az.: 8 Ca 2404/08) teilweise abzuändern
und die Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltung abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, ihm seien lediglich sieben Urlaubstage gewährt worden. Ein Schreiben der Beklagten vom
15.05.2008 sei ihm weder bekannt noch zugegangen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12.11.2009
(Bl. 107-110 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Zahlung von Urlaubsabgeltung richtet, ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
Anspruch auf Urlaubsabgeltung für dreizehn nicht genommene Urlaubstage aus den Jahren 2007 und
2008 in Höhe von € 1.100,00 brutto nebst Zinsen zu. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und in der
Begründung vollkommen zutreffend erkannt.
1.
einen Urlaubsanspruch von 7,5 Arbeitstagen (3/12 von 30) für dieses Kalenderjahr erworben. Nach der
gesetzlichen Systematik handelt es sich dabei um Teilurlaub nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG, da der
Kläger im Jahr 2007 die sechsmonatige Wartezeit nach § 4 BUrlG noch nicht ausgeschöpft hatte und
deshalb der volle Urlaubsanspruch in dem Kalenderjahr noch nicht entstanden war. Im Urlaubsjahr 2008
hat das Arbeitsverhältnis fünf volle Monate bestanden, so dass dem Kläger gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c
BUrlG 5/12 des vertraglich vereinbarten Vollurlaubsanspruchs von 30 Arbeitstagen, mithin 12,5
Urlaubstage, zustehen. Es errechnen sich für ihn insgesamt 20 Urlaubstage. Davon hat er unstreitig
sieben Urlaubstage (vom 21.05. bis 30.05.2008) erhalten, so dass dreizehn Tage verbleiben, die gemäß
§ 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten sind.
2.
Nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG ist „auf Verlangen“ des Arbeitnehmers ein nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG
entstandener Teilurlaub - wie er für den Kläger im Eintrittsjahr 2007 entstanden ist - auf das gesamte
nächste Kalenderjahr zu übertragen. Diese Regelung soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, den
übertragenen Teilurlaub zusammen mit dem entstehenden Vollurlaub zu nehmen. Weitere
Voraussetzungen als das Verlangen des Arbeitnehmers fordert die Bestimmung für die Übertragung des
Teilurlaubs nicht. Es ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer zumindest konkludent deutlich macht, der
Teilurlaub solle in das folgende Kalenderjahr übertragen werden. An ein solches Verlangen sind
allerdings nur geringe Anforderungen zu stellen (BAG Urteil vom 29.07.2003 - 9 AZR 270/02 - NZA 2004,
385). Das Verlangen ist an keine Form gebunden, bedarf keiner Begründung und muss nicht ausdrücklich
erklärt werden. Vorliegend ist jedenfalls ein stillschweigendes Übertragungsverlangen des Klägers
anzunehmen. Dass das Verhalten des Klägers diesen Erklärungswert hatte, hat die Beklagte erkannt.
Dies ergibt sich daraus, dass sie in den vorgelegten Lohnabrechnungen bis einschließlich Mai 2008
Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr eingetragen hat.
3.
erloschen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt das im Berufungsverfahren vorgelegte
Freistellungsschreiben vom 15.05.2008 nicht, um den Erfüllungseinwand zu begründen. Eine
Freistellungserklärung, mit der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitspflicht zum Zwecke des
Urlaubs erlässt, ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim Arbeitnehmer
nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam ist. Die Beklagte hat den - vom Kläger bestrittenen - Zugang des
Schreibens vom 15.05.2008 nicht dargelegt und keinen Beweis angetreten.
Soweit die Beklagte den Erfüllungseinwand auf die vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate
Januar bis Mai 2008 stützt, verhilft ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Lohnabrechnungen bieten
keinerlei Beweis für die Richtigkeit der pauschalen Behauptung der Beklagten, sie habe dem Kläger im
Jahr 2008 insgesamt 25 Tage Urlaub gewährt. Es handelt sich in der Sache nur um eine selbst gefertigte
Bescheinigung, in der eine Behauptung aufgestellt wird. Urkundlichen Beweiswert für ihre inhaltliche
Richtigkeit haben Lohnabrechnungen nicht. Sie ersetzen nicht den erforderlichen Sachvortrag und
Beweisantritt, an welchen konkreten Tagen die Beklagte dem Kläger Urlaub gewährt haben will. Im
Übrigen widersprechen die Eintragungen in den Lohnabrechnungen der Behauptung der Beklagten, sie
habe dem Kläger im Kalenderjahr 2008 bis Ende Mai bereits 25 Tage Urlaub gewährt. Die Abrechnungen
enthalten folgende Eintragungen:
2008
Url.Ansp.
mtl.gen.Url.
gen.Url.ges.
Resturl.
Resturl. VJ
Jan.
26,0
9,0
9,0
21,0
4,0
Feb.
26,0
5,0 -
4,0
26,0
4,0
März.
26,0
4,0
8,0
22,0
4,0
April
26,0
8,0
22,0
4,0
Mai
26,0
7,0
15,0
15,0
4,0
Auch bei wohlwollender Betrachtung dieser Zahlenwerte ergibt sich schon rein rechnerisch nicht die von
der Beklagten behauptete Summe von 25 genommenen Urlaubstagen. Es findet sich vielmehr die
Eintragung „15,0 gen.Url.ges.“ (Abkürzung für „genommene Urlaubstage gesamt“).
Schließlich kann dahinstehen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, der Kläger sei seit „Ausspruch
bzw. Zugang“ seiner Eigenkündigung vom 13.05.2008 nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen. Selbst
wenn dem so wäre, führt dies mangels Freistellungserklärung nicht dazu, dass er sich die Zeit bis Ende
Mai 2008 - mit Ausnahme der unstreitigen sieben Urlaubstage - von seinem Abgeltungsanspruch
abziehen lassen müsste, wie die Beklagte meint.
4.
zuzusprechen. Der Kläger hat für einen Urlaubstag ausdrücklich einen Betrag von € 84,62 brutto
berechnet und verlangt. Ob die Berechnungsweise des Klägers zutrifft, kann dahinstehen, denn das
Gericht kann ihm gemäß § 308 Abs. 1 ZPO nicht mehr zusprechen als beantragt.
Die geltend gemachten Zinsen, die der Kläger - nach anwaltlicher Mahnung mit Fristsetzung zum
04.11.2008 - ab dem 05.11.2008 verlangt, rechtfertigen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286
Abs. 1, 288 BGB).
III.
zurückzuweisen.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die
Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.