Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 04.06.2004
LArbG Mainz: rechtskräftiges urteil, arbeitsgericht, vertretung, gespräch, reisekosten, zivilprozess, anerkennung, vertrauensverhältnis, quelle, gegenpartei
LAG
Mainz
04.06.2004
7 Ta 2001/03
Reisekosten
Aktenzeichen:
7 Ta 2001/03
2 Ca 2150/01
ArbG Mainz
Verkündet am: 04.06.2004
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 08.05.2003
- 2 Ca 2150/01 - aufgehoben und teilweise abgeändert:
1. Die nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 09.12.2002 - 7 Sa 291/02 -
von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 937,97 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27.12.2002 festgesetzt.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird 495,63 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens zwischen den Parteien war die soziale Rechtfertigung einer
Änderungskündigung. Durch rechtskräftiges Urteil vom 09.12.2002 - 7 Sa 291/02 - hat die 7. Kammer des
Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz die Klage der Klägerin gegen die Änderungskündigung
abgewiesen und sie verurteilt, die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.
Auf Antrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht nach Anhörung der Parteien sodann die von der Klägerin
zu erstattenden Kosten auf 442,30 EUR durch Beschluss vom 08.05.2003, hinsichtlich auf dessen Inhalt
auf Bl. 249, 250 d.A. Bezug genommen wird, festgesetzt. Es hat dabei die Reisekosten zum Termin am
08.07.2002 statt, wie geltend gemacht, in Höhe von 508,43 EUR, nur mit 12,80 EUR berücksichtigt. Zu
diesem ersten von drei Terminen zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz war der
Hauptbevollmächtigte der Beklagten aus Berlin per Flugzeug angereist; zu den beiden weiteren Terminen
hat sich die Beklagte durch Unterbevollmächtigte aus Mainz vertreten lassen.
Gegen den ihr am 10.06.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte durch am 25.06.2003 beim
Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.
Sie hat die Beschwerde damit begründet, dass die Zuziehung eines am Wohnort- und Geschäftsort der
auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen sei. Die Beklagte werde von ihnen in
sämtlichen Rechtsangelegenheiten anwaltlich vertreten und habe ihren Hauptsitz in Berlin.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und betont, die Hinzuziehung eines auswärtigen
Anwalts sei vorliegend nicht erforderlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und erweist sich
folglich als statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Beklagte die Kostenfestsetzung nach Maßgabe der
gesetzlichen Vorschriften der §§ 104 ff., 91 ff. ZPO in der von ihr geltend gemachten Höhe verlangen.
Insbesondere musste sie zum ersten Termin zur mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht
Rheinland-Pfalz nicht einen Unterbevollmächtigten entsenden, sondern konnte sich von ihrem
Hauptbevollmächtigten vertreten lassen. Die dadurch angefallenen Kosten sind unstreitig. Die
Beauftragung des in Berlin ansässigen Hauptbevollmächtigten durch die Beklagte stellt eine Maßnahme
zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 2 ZPO dar. Dem lässt sich entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht entgegenhalten, die Beklagte habe sich zur Kostenersparnis eines in Mainz
residierenden Rechtsanwalts bedienen müssen. Die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete
Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren,
hat sich daran auszurichten, ob eine ständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten
auslösenden Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse
verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft
lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste
auszuwählen.
Die Hinzuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- und Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts, darauf hat
die Beklagte zu Recht hingewiesen, durch einen an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte
Partei stellt im Regelfall eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung in diesem Sinne dar. Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder
selbst verklagt ist in diesen Belangen in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, wird in der
Regel ein Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsort aufsuchen, um dessen Rat in
Anspruch zu nehmen und ihn ggf. mit der Prozessführung zu beauftragen. Sie wird dies wegen räumlicher
Nähe und in der Annahme tun, dass zunächst ein persönliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung
ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist
der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen. Diese kann in aller
Regel nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen und üblicherweise auch noch weiteren, wenn
nämlich die Schriftsätze der Gegenseite vorliegen (so zutreffend das Hess. Landesarbeitsgericht, Beschl.
vom 08.03.2004 - 13 Ta 90/04).
Für die grundsätzliche Anerkennung der Vertretung einer auswärtigen Partei durch eine an ihrem Wohn-
und Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung
sprechen auch praktische Erwägungen. Einem Arbeitsgerichtsprozess wie ein Zivilprozess allgemein
gehen in vielen Fällen vorgerichtliche Auseinandersetzungen voraus, bei denen sich eine oder beide
Parteien durch einen in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsort ansässige Rechtsanwälte haben
vertreten lassen. Wäre einer der beiden Parteien in dem sich daraus entwickelten Prozess vor einem
auswärtigen Gericht zu Kostenersparnis gehalten, einen am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten zu beauftragen, so müsste sie auf den bereits mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt
verzichten und außerdem weitere Mühen zur Unterrichtung des neuen Rechtsanwalts auf sich nehmen.
Dies kann von einer kostenbewussten Partei auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei
nicht erwartet werden.
Diese Grundsätze gelten auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren; insoweit folgt die Kammer der
Auffassung der Beklagten. Hinzukommt, dass wegen des vorgerichtlichen Beratungsbedarfs es der
Beklagten nicht verwehrt sein kann, zumindest den ersten Termin vor dem Landesarbeitsgericht durch
den hier vertrauten Hauptbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen. Sie kann dann, insbesondere bei
folgenden Terminen jeweils neu entscheiden, ob eine sachgerechte Vertretung auch durch einen
Unterbevollmächtigten, wie vorliegend in den beiden weiteren Terminen geschehen, ihren Interessen
genügt.
Im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und seiner
Mandantschaft war der sofortigen Beschwerde deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Differenz der von der Beklagten geltend gemachten und der vom
Arbeitsgericht festgesetzten Summe; dabei ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsgericht hinsichtlich des
hier maßgeblichen Teilbetrages 12,80 EUR berücksichtigt hatte.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.