Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.09.2004

LArbG Mainz: ordentliche kündigung, betriebsrat, unwirksamkeit der kündigung, anhörung, abmahnung, zugang, arbeitsgericht, wein, geschäftsbeziehung, auflösung

LAG
Mainz
28.09.2004
5 Sa 358/04
Rechtskraftwirkung
Aktenzeichen:
5 Sa 358/04
2 Ca 2661/03
ArbG Mainz
Verkündet am: 28.09.2004
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.04.2004 aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 09.03.2004 verkündete Urteil des ArbG Mainz - 2 Ca 2661/03 - teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigungen vom 04.09.2003
und vom 15.09.2003 nicht aufgelöst worden ist.
2. Mit dem Beschäftigungsantrag wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
II. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger zu 1/6 und der Beklagten zu 5/6 auferlegt.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 25.360,08 festgesetzt.
VI. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger hat am 01.08.1999 seine Tätigkeit für die Beklagte aufgenommen. Die Beklagte gehört zu der
Unternehmensgruppe "W." (s. dazu das Organigramm "Konzern W.", Bl. 45 d.A.) Unter dem 06.02.2002
wurde "zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat der Wein- und Sektkellerei V. W. und Töchter"
die aus Bl. 182 ff d.A. ersichtliche Betriebsvereinbarung "2003 bis 2005" abgeschlossen (= Anlage K 17).
In der Zeit von Frühjahr/Sommer 2002 bis etwa September/Herbst 2002 bestand eine - vom Kläger
eingeleitete - Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Firma U.-GmbH, T..
Mit dem Schreiben vom 26.08.2002 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31.03.2003. Am 30.07.2003
entschied das ArbG Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2003 im Vorprozess durch
das - zwischenzeitlich rechtskräftige - Urteil - 4 Ca 452/03 - u.a. wie folgt:
"Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom 26.08.2002
unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 31.03.2003 hinaus unverändert fortbesteht. Die
Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen auch über den 31.03.2003 hinaus
weiter zu beschäftigen.
…".
Durch Gesellschafterbeschluss vom 20.03.2003 (Bl. 120 d.A.) war der Kläger als Geschäftsführer
abberufen worden.
Mi dem Anwaltsschreiben vom 14.08.2003 (Bl. 153 ff d.A.) beantragte die Beklagte wegen des dort
vorgetragenen Sachverhalts (= Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zur
Firma U.-GmbH) die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen - und hilfsweise zur
ordentlichen - Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Mit dem Bescheid vom 27.08.2003 (Bl.
160 f d.A.) erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und kündigte an,
dass die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung in einem
gesonderten Bescheid ergehe. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung wurde in dem
Bescheid des Integrationsamtes vom 28.08.2003 (Bl. 5 ff d.A.) begründet. Mit dem Bescheid vom
11.09.2003 (Bl. 162 ff d.A.) stimmte das Integrationsamt der ordentlichen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses des Klägers zu.
Mit dem Schreiben vom 04.09.2003 - dem Kläger am 05.09.2003 zugegangen - kündigte die Beklagte
dem Kläger das "seit dem 01.08.1999 bestehende(s) Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum
31.03.2004" (s. Bl. 4 d.A.). Mit dem Schreiben vom 15.09.2003 (Bl. 21 d.A.) kündigte die Beklagte dem
Kläger das "Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.03.2004".
Mit der Klageschrift vom 05.09.2003, der Beklagten am 23.09.2003 zugestellt, und der Klageerweiterung
vom 16.09.2003, der Beklagten am 25.09.2003 zugestellt, wehrt sich der Kläger gegen die
vorbezeichneten Kündigungen.
Im Schriftsatz vom 17.02.2004 (Bl. 169 ff d.A.) hat der Kläger insbesondere (auch) dazu vorgetragen, dass
ein einheitlicher Betrieb mit ca. 450 Mitarbeitern und einem Betriebsrat bestehe; hierauf (= Bl. 170 bis 173
d.A.) wird verwiesen. Zu dem Kündigungsgrund, zu dem die Beklagte insbesondere in dem Schriftsatz
vom 09.02.2004 (dort Seite 2 ff = Bl. 144 ff d.A.) ausgeführt hat, äußert sich der Kläger auf den Seiten 5 ff
des Schriftsatzes vom 17.02.2004 (= Bl. 173 ff d.A.).
Dem Auflösungsantrag, den die Beklagte auf der Seite 9 (= dort unter Ziffer 6. = Bl. 151 d.A.) des
Schriftsatzes vom 09.02.2004 begründet hatte, widerspricht der Kläger nach näherer Maßgabe seiner
Ausführungen unter Ziffer 4. des Schriftsatzes vom 17.02.2004 (= Bl. 180 f d.A.).
Hierauf wird jeweils verwiesen.
Soweit es um die - vom Kläger bestrittene - Anhörung des Betriebsrates geht, hat die Beklagte behauptet,
dass diese Anhörung "überflüssiger Weise" erfolgt sei; die Anhörung sei am 01.09.2003 durch den
(Personalleiter) S. unter Beifügung einer Kopie des Zustimmungsantrages (an das Integrationsamt) vom
14.08.2003 erfolgt; der Betriebsrat habe am 05.09.2003 den beabsichtigten Kündigungen widersprochen.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird -
soweit von den vorstehenden Feststellungen nicht abweichend - gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug
genommen auf den Tatbestand des Urteils, das das Arbeitsgericht am 20.04.2004 aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 09.03.2004 verkündet hat (dort Seite 3 ff = Bl. 225 ff d.A.). Das
Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da nicht dargelegt worden sei, dass tatsächlich ein
Arbeitsverhältnis bestanden habe.
Gegen das am 30.04.2004 zugestellte Urteil vom 09.03./20.04.2004 hat der Kläger mit dem Schriftsatz
vom 07.05.2004 am 10.05.2004 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 07.05.2004
(Bl. 256 ff d.A.) verwiesen.
Der Kläger führt dort insbesondere dazu aus, dass er nur Scheingeschäftsführer, - in Wirklichkeit aber
Arbeitnehmer gewesen sei, da er vollumfänglich weisungsgebunden tätig geworden sei.
Er verweist auf seinen Schriftsatz vom 17.02.2004 sowie darauf, dass die Beklagte im Termin vom
09.03.2004 jeglichen Sachvortrag des Klägers zur Frage des einheitlichen Betriebes und der
Anwendbarkeit von KSchG und BetrVG unstreitig gestellt habe.
Ergänzend hat sich der Kläger im Schriftsatz vom 07.07.2004 (Bl. 308 ff d.A.) geäußert, worauf ebenfalls
verwiesen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des ArbG Mainz (vom 09.03./20.04.2004 - 2 Ca 2661/03 -) abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigungen vom
04.09.2003 und 15.09.2003 nicht aufgelöst worden ist und
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen seines
Anstellungsvertrages vom 01.08.1999 bis zur rechtskräftigen Entscheidung weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen und
2. - hilfsweise - das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gem. den §§ 9 und 10 KSchG zum
31.03.2004 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt nach näherer Maßgabe der
Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 30.06.2004 das Urteil des Arbeitsgerichts. Hierauf (= Bl.
290 ff d.A.) wird verwiesen. Unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung vom 23.07.2002 (Bl. 297 ff
d.A.) und auf das Beweisangebot "Zeuge R. S." behauptet die Beklagte, dass der Kläger als
Geschäftsführer tätig gewesen sei; den in der Stellenbeschreibung niedergelegten Aufgaben-, Tätigkeits-
und Verantwortungsbereich habe der Kläger tatsächlich wahrgenommen und ausgeübt. Dazu führt die
Beklagte weiter aus. Die Beklagte legt dar, dass der Kläger ein Mitspracherecht bei der Einstellung von
Mitarbeitern gehabt habe. Auch habe der Kläger - insoweit unstreitig - den Anstellungsvertrag der R. Q.
unterzeichnet (- vgl. dazu die Einlassung des Klägers gem. Schriftsatz vom 07.07.2004 (dort Seite 3 unter
Ziffer 6. = Bl. 310 d.A.).
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt -
insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 28.09.2004 (Bl. 336 ff d.A.) - Bezug genommen. Die
Akte - 4 Ca 452/03 - ArbG Mainz war zu Informationszwecken beigezogen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die
hiernach zulässige Berufung erweist sich weitgehend als begründet.
II.
Mit dem Feststellungsantrag ist die Klage zulässig und begründet. Im Zeitpunkt des Zugangs der hier
streitgegenständlichen Kündigungen bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis. Dieses
Arbeitsverhältnis ist durch diese Kündigungen weder außerordentlich, noch ordentlich aufgelöst worden.
Ein Grund, das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung aufzulösen, ist nicht gegeben.
1.
Rechtlicher Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen vom
04.09.2003 und vom 15.09.2003:
a) Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts vom 30.07.2003 - 4 Ca 452/03 - steht unter
dem Gesichtspunkt der inneren Rechtskraft zwischen den Parteien fest, dass (jedenfalls) zum Zeitpunkt
des Zugangs der Kündigung vom 26.08.2002 ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien
bestanden hat (BAG vom 28.02.1995 - 5 AZB 24/94 -). Weiter steht fest, dass dieses Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung vom 26.08.2002 nicht aufgelöst worden ist. Dahingestellt bleiben kann, ob zwischen
den Parteien auch rechtskräftig feststeht, dass am 04.06.2003 (= dem Tag der letzten mündlichen
Verhandlung in dem Verfahren - 4 Ca 452/03 -) ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden
hat. Dafür könnte sprechen, dass im Urteil vom 30.07.2003 - 4 Ca 452/03 - die Klage insgesamt für
zulässig (- vgl. § 256 Abs. 1 ZPO) und begründet erachtet wurde. Von daher lässt sich der - gegenüber
einem bloßen Kündigungsschutzantrag gem. § 4 S. 1 KSchG erweiterte Urteilstenor - 4 Ca 452/03 - ("…
und das Arbeitsverhältnis über den 31.03.2003 hinaus unverändert fortbesteht …") als Feststellung des
Bestandes des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (04.06.2003)
begreifen. Anhaltspunkte dafür, dass das Arbeitsgericht seinerzeit floskelartig Überflüssiges zum
Bestandteil seines Urteilstenors - 4 Ca 452/03 - gemacht hat, sind nicht ersichtlich. Immerhin hatten die
Parteien im Vorprozess - 4 Ca 452/03 - (auch) über die Frage gestritten, ob der Kläger überhaupt
Arbeitnehmer der Beklagten gewesen ist.
Unabhängig davon, steht aber doch jedenfalls fest, dass zwischen den Parteien bei Zugang der
Kündigung vom 26.08.2002 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Von dem (weiteren) Fortbestand dieses
Arbeitsverhältnisses bis zum 05.09.2003 und 15.09.2003 ist hier deswegen auszugehen, weil sich nicht
feststellen lässt, dass das Arbeitsverhältnis nach dem 26.08.2002, - jedoch vor dem Ausspruch der
Kündigungen vom 04.09./05.09.2003 und vom 15.09.2003 in ein freies Dienstverhältnis (- oder ein
anderes Vertragsverhältnis, das nicht als Arbeitsverhältnis zu werten ist, -) umgewandelt worden ist. Nach
allgemeinen Grundsätzen trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Parteien das
Arbeitsverhältnis nach dem Zugang der ersten Kündigung vom 26.08.2002 - aber noch vor Zugang der
beiden Kündigungen vom 04.09.2003 und vom 15.09.2003 vertraglich wirksam in ein Rechtsverhältnis
anderer Art, - zum Beispiel in ein freies Mitarbeiterverhältnis umgewandelt haben (BAG vom 20.12.1995 -
5 AZB 28/95 -, dort unter Ziffer II. a E; vom 09.05.1985 - 2 AZR 330/84 - vgl. zur Rechtskraftwirkung im
Übrigen auch BAG vom 12.01.1977 - 5 AZR 593/75 -).
b) Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Es ist nicht ersichtlich, dass zwischen dem
26.08.2002 und dem 05.09.2003 sowie dem 15.09.2003 es zu einer vertraglichen Aufhebung oder
Umwandlung des Arbeitsverhältnisses - wie es vom Arbeitsgericht im Urteil vom 04.06/30.07.2003
festgestellt worden ist - gekommen wäre. Demgemäß kann die Klage hier nicht (insgesamt) mit der
Begründung abgewiesen werden, zwischen den Parteien habe im Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigungen vom 04.09.2003 und vom 15.09.2003 kein Arbeitsverhältnis bestanden.
c) Dem Kläger ist es nicht gem. § 242 BGB bzw. unter dem Gesichtspunkt der "Rechtswegerschleichung"
verwehrt, sich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungszugangs
zu berufen. Zwar haben die Parteien - also auch der Kläger - die am Ende der Sitzungsniederschrift vom
18.12.2003 - 2 Ca 2661/03 - festgehaltene Erklärung gem. § 2 Abs. 4 ArbGG abgegeben. Insoweit darf
aber nicht übersehen werden, dass seinerzeit beide Parteien (- insbesondere auch die Beklagte, - s. dazu
deren Schriftsätze vom 07.11.2003, Bl. 118 f d.A., und vom 09.02.2004, dort S. 1 = Bl. 143 d.A. -)
übereinstimmend von der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ausgegangen sind. Ihnen ging es
erkennbar lediglich darum, eine Rechtswegverweisung zu vermeiden.
2.
Die außerordentliche Kündigung vom 04.09.2003 ist gem. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.
a) Unterstellt man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten als richtig, so liegt zwar eine
Vertragsverletzung des Klägers vor, die an sich nicht ungeeignet ist, eine Kündigung - ggf. auch eine
außerordentliche Kündigung - zu rechtfertigen. Der eigentliche Kündigungsgrund wäre dann deswegen
zu bejahen, weil der Kläger - nach näherer Maßgabe des Vorbringens der Beklagten in den Schriftsätzen
vom 09.02.2004 (dort S. 2 ff = Bl. 144 d.A.) und vom 08.03.2004 (dort S. 1 ff = Bl. 209 ff d.A.) unter
Überschreitung seiner Kompetenzen die Geschäftsbeziehung zur Fa. U.-GmbH hergestellt und
ausgestaltet hätte und die Beklagte dadurch in nicht unerheblicher Weise finanziell geschädigt hätte. Ob
diese Kündigungsbegründung in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann hier deswegen dahingestellt bleiben,
weil aus Rechtsgründen das Vorliegen einer Unzumutbarkeit i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu verneinen ist.
b) Die Beklagte sieht den Kündigungsgrund im Verhalten des Klägers. Insoweit wirkt es sich jedenfalls im
Rahmen der gem. § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zum Nachteil der Beklagten
aus, dass sie den Kläger vor Kündigungsausspruch nicht erfolglos abgemahnt hat. An dem vorherigen
Ausspruch einer ordnungsgemäßen - erfolglos gebliebenen - Abmahnung fehlt es unstreitig.
Das BAG hat wiederholt darauf hingewiesen, der Kündigungszweck sei zukunftsbezogen ausgerichtet.
Entscheidend sei, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe und ob sich das vergangene Ereignis auch
zukünftig belastend auswirke. Deshalb werde (häufig) erst nach einer Abmahnung die erforderliche
Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht vertragsgetreu
verhalten werde. Eine Abmahnung ist auch bei Handlungsweisen, die den sogenannten
Vertrauensbereich berühren, nicht stets entbehrlich, - sondern notwendig, wenn - wie hier jeweils der Fall
- ein steuerbares Verhalten in Rede steht und es erwartet werden kann, dass das Vertrauen
wiederhergestellt wird. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze (- die einschlägige BAG-
Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, ist nachgewiesen bei Etzel/Fischermeier 6. Aufl. KR-
BGB § 626 Rz 253 ff -) ergibt sich, dass die Beklagte vorrangig darauf zu verweisen ist, den Kläger
abzumahnen. Einer der Tatbestände, in denen eine Abmahnung für entbehrlich erachtet wird, ist
vorliegend nicht gegeben.
c) Da sich die außerordentliche Kündigung somit bereits gem. § 626 Abs. 1 BGB als rechtsunwirksam
erweist, kann dahingestellt bleiben, wann die Beklagte Kenntnis von den für die Kündigung
maßgebenden Tatsachen erlangt hat, und ob die Beklagte die Zustimmung zur Kündigung rechtzeitig
beantragt und die Kündigung unverzüglich erklärt hat (§ 91 Abs. 2 und 5 SGB IX; § 626 Abs. 2 BGB).
3.
Die im Kündigungsschreiben vom 04.09.2003 (hilfsweise auch) erklärte ordentliche Kündigung (zum
31.03.2004) ist gem. § 85 SGB IX in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Die Zustimmung zur ordentlichen
Kündigung ist der Beklagten unstreitig erst mit dem Bescheid vom 11.09.2003 erteilt worden. Bei dem am
05.09.2003 erfolgten Zugang der Kündigung vom 04.09.2003 lag somit die nach dem Gesetz notwendige
Zustimmung noch nicht vor. Dementsprechend leitet die Beklagte - s. dazu die Erklärung gem. Seite 2 der
Sitzungsniederschrift vom 09.03.2004 - 2 Ca 2661/03 - (= Bl. 206 d.A.) - nunmehr aus der Kündigung vom
04.09.2003 - soweit diese als ordentliche Kündigung erklärt wurde - keine Rechte her. Festzuhalten ist
freilich, dass die Beklagte im Kündigungsschreiben vom 04.09.2003 auch eine ordentliche Kündigung
erklärt hat.
4.
Die ordentliche Kündigung vom 15.09.2003 ist gem. § 1 Abs. 1 KSchG und § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG
unwirksam. Der letztgenannte Unwirksamkeitsgrund war hier (jedenfalls) deswegen zu prüfen, weil der
Kläger - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - auch im Berufungsverfahren die ordnungsgemäße
Anhörung des Betriebsrates bestritten hat (Schriftsatz vom 17.02.2004 dort Seite 5 unter Ziffer 2. = Bl. 173
d.A.; Schriftsatz vom 07.05.2004 Seite 5 = Bl. 260 d.A.).
a) Im Zeitpunkt der Kündigung vom 15.09.2003 bestand ein gem. § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG
anzuhörender Betriebsrat.
Der Kläger hat sowohl das Vorhandensein eines gemeinsamen - von mehreren Unternehmen geführten -
Betriebes im Sinne der §§ 1 ff BetrVG sowie der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG und die Existenz eines
anzuhörenden Betriebsrates im Schriftsatz vom 17.02.2004, dort Seite 2 ff (= Bl. 170 ff d.A.) schlüssig
dargetan. Diese tatsächlichen Darlegungen sind von der Beklagten - mit der sich für die Beklagte aus §
138 Abs. 3 ZPO ergebenden Folge - nicht hinreichend bestritten worden. In Anbetracht der detaillierten
Darlegungen des Klägers erweist sich die Einlassung der Beklagten, ein Betriebsrat sei lediglich bei der
Firma Wein- und Sektkellerei V. W., P. O. GmbH und Co. KG, P., "eingerichtet", als unsubstantiiert. Alleine
mit dieser Behauptung ist die Beklagte der ihr gem. § 138 Abs. 1 und 2 ZPO obliegenden Einlassungs-
und Erklärungslast nicht genügend nachgekommen.
aa) Es ist in Gesetz (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BetrVG) und Rechtsprechung (vgl. dazu die Nachweise
auf die Rechtsprechung des BAG, der die Berufungskammer folgt, in Dieterich/Eisemann u.a. 4. Aufl.
Erfurter Kommentar BetrVG § 1 Rz 13 ff) anerkanntes Recht, dass (auch) mehrere rechtlich selbständige
Unternehmen ihre Geschäfte derart gemeinsam betreiben können, dass ein gemeinsamer Betrieb
entsteht. Voraussetzung für einen derartigen gemeinsamen Betrieb ist ein einheitlicher Leitungsapparat,
welcher die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegenden wesentlichen Entscheidungen in den gem.
BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bzw. im personellen und sozialen Bereich trifft. Eine
rein unternehmerische Zusammenarbeit - etwa auf der Grundlage von Organ- oder
Beherrschungsverträgen - reicht nicht aus. Der einheitliche Leitungsapparat erfordert eine rechtliche
Verbindung der beteiligten Unternehmen, - allerdings kann eine stillschweigende Vereinbarung genügen.
Werden die Arbeitgeberfunktionen im personellen und sozialen Bereich im Wesentlichen einheitlich
ausgeübt, kann regelmäßig auf eine solche konkludente Führungsvereinbarung geschlossen werden (vgl.
Eisemann aaO).
bb) Der Kläger hat ausreichend Tatsachen, aus denen auf einen einheitlichen Leitungsapparat und auf
eine konkludente Führungsvereinbarung in diesem Sinne geschlossen werden kann, vorgetragen. So hat
er nach näherer Maßgabe seines Vorbringens auf die Geschäftsführeridentität in der Person des N. M. L.
(und des K. J.) hingewiesen. Der diesbezügliche Tatsachenvortrag ist ebenso gem. § 138 Abs. 3 ZPO als
unstreitig anzusehen wie der Umstand, dass es in der Person des I. S. einen Personalleiter für die
gesamte Firmengruppe gibt, der sämtliche Personalfragen entscheidet, - soweit dies nicht die
Geschäftsführer L. und J. tun bzw. getan haben. Es ist nicht ersichtlich welche anderen Personen als N. M.
L., K. J. und I. S. die wesentlichen Entscheidungen im Bereich der Angelegenheiten der §§ 87, 99 und 102
BetrVG treffen würden. (Auch) die Betriebsvereinbarung vom 06.02.2002 belegt die Existenz eines
gemeinsamen Betriebes und das Vorhandensein eines einheitlichen Leitungsapparates. Diese
Betriebsvereinbarung (s. Bl. 182 ff d.A.) wurde - ohne Beschränkung auf ein einziges bestimmtes
Unternehmen - zwischen "der Geschäftsführung" und "dem Betriebsrat der Wein- und Sektkellerei V. W.
und Töchter" abgeschlossen. Zu den "Töchtern" der Unternehmensgruppe "V. W." gehört aber unstreitig
auch die Beklagte.
Der Zweck des gemeinsamen Betriebes ist der typische Betriebszweck einer Wein- und Sektkellerei. Er
besteht in der Herstellung sowie in dem Vertrieb von bzw. in dem Handel mit Wein und Sekt.
cc) Für diesen gemeinsamen Betrieb, an dem auch die Beklagte beteiligt ist, ist ein Betriebsrat gewählt
worden, dessen Vorsitzende - wiederum unstreitig - die H. G. ist. Der Betriebsrat findet auch Erwähnung in
den Bescheiden des Integrationsamtes vom 28.08.2003 und vom 11.09.2003. Schließlich trägt die
Beklagte selbst vor, dass der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch angehört worden sei. Dies geschah
freilich keineswegs "überflüssiger Weise", sondern war - da ein gemeinsamer Betrieb und ein für diesen
gewählter Betriebsrat bestand - Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigungen.
Als gem. § 138 Abs. 3 ZPO ist es weiter als unstreitig anzusehen, dass an der letzten Betriebsratswahl
gerade auch die Arbeitnehmer der Beklagten teilgenommen haben (Seite 5 des Schriftsatzes vom
17.02.2004 = Bl. 173 d.A.). Eine Anhörung des Betriebsrates wäre freilich dann entbehrlich gewesen,
wenn es sich bei dem Kläger um einen leitenden Angestellten im Sinne der §§ 5 Abs. 3 und § 105 BetrVG
gehandelt hätte. Das tatsächliche Vorbringen der Parteien - auch das der Beklagten - reicht jedoch nicht
aus, um feststellen zu können, dass der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom
15.09.2003 leitender Angestellter im Sinne des Gesetzes gewesen ist.
b) Für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates ist - da dessen Existenz nach den eben
getroffenen Feststellungen feststeht - letztlich die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Aus ihren
Darlegungen (- s. dazu insbesondere die S. 8 f des Schriftsatzes vom 09.02.2004, Bl. 150 f d.A. -) ergibt
sich, dass der Betriebsrat am 01.09.2003 durch den I. S. unterrichtet (und angehört) worden sein soll. Der
Betriebsrat habe der Kündigung am 05.09.2003 widersprochen. Die Unterrichtung und Anhörung am
01.09.2003 sei auch in Bezug auf die ordentliche Kündigung erfolgt. Die so eingeleitete Anhörung war
durch den Widerspruch des Betriebsrates bzw. den am 05.09.2003 bewirkten Zugang der Kündigung vom
04.09.2003 abgeschlossen. Damit war das am 01.09.2003 eingeleitete Anhörungsverfahren verbraucht
und kann keine Grundlage für die später erfolgte ordentliche Kündigung vom 15.09.2003 (zum
31.03.2004) mehr sein. Die Vorschrift des § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ordnet unmissverständlich an, dass
der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören ist. Es ist anerkanntes Recht, dass eine einmal erfolgte
Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich nur für die Kündigung Wirksamkeit
entfalten kann, für die das Anhörungsverfahren eingeleitet wurde. Nachdem im Schreiben vom
04.09.2003 unstreitig - wenn auch nur hilfsweise - (auch) fristgerecht zum 31.03.2004 gekündigt worden
war, hätte es vor Ausspruch der erneuten ordentlichen Kündigung vom 15.09.2003 eines weiteren
Anhörungsverfahrens gem. § 102 BetrVG bedurft. Dass die Beklagte ein derartiges erneutes
Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und vor dem Ausspruch der Kündigung vom 15.09.2003
durchgeführt hätte, lässt sich nicht feststellen. Diesbezügliches hat die Beklagte nicht vorgetragen. Damit
erweist sich die ordentliche Kündigung vom 15.09.2003 als rechtsunwirksam im Sinne des § 102 Abs. 1 S.
3 BetrVG. Alleine dadurch, dass die Beklagte erklärt, sie leite aus der zuvor erklärten ordentlichen
Kündigung vom 04.09.2003 keine Rechte her, kann sie den tatsächlichen Ausspruch dieser Kündigung
und die damit verbundenen betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen nicht nachträglich und
rückwirkend beseitigen. Im Übrigen liegt hier einer der Fälle, in denen bei erneuter bzw. wiederholter
Kündigung ein (neuerliches) Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ausnahmsweise für
entbehrlich gehalten wird, nicht vor.
c) Unabhängig davon - und darauf wird dieses Berufungsurteil ebenfalls gestützt - ist die Kündigung vom
15.09.2003 rechtsunwirksam im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG.
aa) Der Kläger ist im Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung seit dem 01.08.1999 - also länger als 6
Monate in einem Betrieb der in den §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG bezeichneten Art beschäftigt
gewesen. Bei diesem Betrieb handelt es sich um den bereits eben - bei Ziffer II. 4. a) - erwähnten Betrieb,
den die Unternehmen der Gruppe "W." gemeinsam führen. In diesem gemeinsamen Betrieb wurden - bei
Kündigungszugang - in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt.
bb) Ein Kündigungsgrund im Sinne des Gesetzes (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG) liegt nicht vor. Insbesondere
lässt sich aufgrund des Vorbringens der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht feststellen,
dass die Kündigung durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Klägers liegen würden,
bedingt sei. Auch in Bezug auf die ordentliche Kündigung wirkt es sich zum Nachteil der Beklagten -
jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung - aus, dass der Kläger vor Kündigungsausspruch nicht
erfolglos abgemahnt worden ist. Zwar sind an die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung
geringere Anforderungen zu stellen als an eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB. Das
Prognoseprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelten aber auch im Bereich des § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG. Insoweit lässt sich mit Rücksicht auf die hier fehlende vorherige Abmahnung bei verständiger
Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes nicht feststellen, dass die
Kündigung billigenswert und angemessen wäre. Mit dieser Maßgabe gelten hier die bereits oben bei II. 2.
a) und b) - zur außerordentlichen Kündigung vom 04.09.2003 - gemachten Ausführungen entsprechend.
Auch im Bereich der Personen- bzw. Verhaltensbedingtheit gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gibt es
anerkanntermaßen keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf vielmehr stets der Beurteilung, ob die
tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalles die soziale Rechtfertigung der Kündigung begründen oder
nicht. Insoweit war auch Bedacht darauf zu nehmen, dass der Kläger immerhin schon seit dem 01.08.1999
bei der Beklagten beschäftigt gewesen ist. Anhaltspunkte dafür, das er sich bereits vor dem Geschehen,
das zur Kündigung vom 15.09.2003 geführt hat, in einschlägiger Weise fehlverhalten hätte, lassen sich
nicht feststellen. Auch lässt sich weiter nicht feststellen, dass dem Kläger - auch ohne vorherige
Abmahnung - hätte bewusst sein müssen, dass er durch ein derartiges Fehlverhalten den Bestand des
Arbeitsverhältnisses gefährdete. Die Beklagte ist deswegen auch in Bezug auf die ordentliche Kündigung
vorrangig darauf zu verweisen, den Kläger abzumahnen. Es geht um ein steuerbares Verhalten und es
kann erwartet werden, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird. An der hiernach notwendigen
Abmahnung fehlt es. Aus diesem Grunde stellt die Beendigungskündigung keine arbeitsrechtlich
adäquate Reaktion auf das Verhalten des Klägers dar.
5.
Dem Auflösungsantrag der Beklagten durfte nicht stattgegeben werden.
a) Das tatsächliche Vorbringen der Beklagten rechtfertigt nicht die Feststellung, bei dem Kläger habe es
sich um einen Angestellten in leitender Stellung im Sinne des § 14 KSchG gehandelt. (Auch) die Beklagte
selbst hat nicht darauf abgestellt, dass ihrem Antrag auch ohne Begründung stattzugeben sei. Vielmehr
hat die Beklagte - wie aus der Seite 9 des Schriftsatzes vom 09.02.2004 (= Bl. 151 d.A.) ersichtlich - zum
Zwecke der Begründung des Auflösungsantrages vorgetragen. Die dort genannten Umstände reichen
jedoch nicht aus, um i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG feststellen zu können, eine den Betriebszwecken
dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien sei nicht zu erwarten. Nach näherer Maßgabe der
höchstrichterlichen Rechtsprechung sind an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers keine zu geringen
Anforderungen zu stellen. Den zu stellenden Anforderungen wird die Antragsbegründung der Beklagten
nicht gerecht. Die Antragsbegründung stellt im Wesentlichen auf das Geschehen ab (- Verhalten des
Klägers im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zur U.-GmbH -), mit dem die Beklagte auch die
Kündigung selbst begründet hat. Zwar kann an sich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs.
1 KSchG auch aus Gründen verlangt werden, welche die Kündigung nicht rechtfertigen. Der Arbeitgeber
muss jedoch in einem solchen Fall vortragen, weshalb diese - die Kündigung selbst nicht rechtfertigenden
- Tatsachen einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen. In aller
Regel sind hierfür weitere Tatsachen vorzutragen. An dem Vortrag derartiger weiterer konkreter Tatsachen
fehlt es vorliegend. Der - von der Beklagten insoweit angeführte - Verlust des Vertrauens in die Person
des Klägers reicht unter den gegebenen Umständen nicht aus.
b) Im Übrigen - und unabhängig von § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG - steht der gerichtlichen Auflösung des
Arbeitsverhältnisses die sich aus § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ergebende Unwirksamkeit der Kündigung vom
15.09.2003 entgegen (s. dazu oben bei Ziffer II. 4. b). Bei der Unwirksamkeit gem. § 102 Abs. 1 BetrVG
handelt es sich um eine Unwirksamkeit aus einem anderen Grunde im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG. Bei
einer derartigen - hier ebenfalls gegebenen - Unwirksamkeit kommt die gerichtliche Auflösung des
Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers nicht in Betracht.
6.
Mit dem Weiterbeschäftigungsantrag musste die Klage im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als
unzulässig abgewiesen werden. Insoweit widersprechen sich Antragsinhalt und Antragsbegründung.
Zwar ist das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständlichen Kündigungen nicht aufgelöst worden. Aus
diesem Grunde ist auch über den Beschäftigungsantrag des Klägers zu befinden. In prozessualer Hinsicht
ist zu beachten, dass der Antrag inhaltlich so bestimmt sein muss, dass aus ihm ggf. vollstreckt werden
kann (vgl. Etzel 6. Aufl. KR-BetrVG § 102 Rz 285). Vorliegend nimmt der Kläger Bezug auf seinen
Anstellungsvertrag und begehrt die Weiterbeschäftigung zu "unveränderten" Bedingungen. Diese
widersprüchliche Angabe macht sein Weiterbeschäftigungsbegehren zu unbestimmt, um Grundlage einer
entsprechenden Verurteilung der Beklagten sein zu können. Bei dem Anstellungsvertrag des Klägers, auf
den im Antrag Bezug genommen wird, handelt es sich um einen GmbH-Geschäftsführervertrag. Gegen die
Annahme, der Kläger könnte eine derartige Art der Weiterbeschäftigung begehren, spricht sein
Klagevorbringen im Übrigen, demzufolge er nur Scheingeschäftsführer gewesen ist. Dieser Widerspruch
zwischen Antragsinhalt und Antragsbegründung führt zur Unzulässigkeit des
Weiterbeschäftigungsbegehrens.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert hat sich
gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren nicht verändert, so dass auch der Streitwert des
Berufungsverfahrens auf EUR 25.360,08 festzusetzen war. Die Kammer misst der Rechtssache in Bezug
auf die Frage, die bereits vom Arbeitsgericht unter A II. 2. der Entscheidungsgründe (Urteil - 2 Ca 2661/03
- Seite 10 = Bl. 232 d.A.) erörtert worden ist, grundsätzliche Bedeutung bei. Darauf beruht die Zulassung
der Revision für die Beklagte. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, da insoweit die
Voraussetzungen weder der Nummer 1 noch der Nummer 2 des § 72 Abs. 2 ArbGG erfüllt sind.